DäublerKlimaschutz und Arbeitsrecht

Bund-Verlag, HSI-Schriftenreihe, Frankfurt/Main 2023, 136 Seiten, kartoniert, € 24,–

HANNAHRUSSEGGER (SALZBURG)

In Zeiten wie diesen, in denen die Auswirkungen des Klimawandels in Form von Extremwetterereignissen spürbar werden, tritt die Problematik rund um den Klimawandel stärker in den Vordergrund. Im Schrifttum wird daher auch zunehmend diskutiert und untersucht, wie Rechtsgebiete (abseits des Umweltrechts) zur Nachhaltigkeit beitragen können. Däubler hat dabei mit seinem hier zu besprechenden Werk „Klimaschutz und Arbeitsrecht“ im Jahr 2023 einen bedeutenden Beitrag zu dieser Diskussion im Bereich des (deutschen) Arbeitsrechts geleistet.

In den ersten beiden Kapiteln dieser Monografie führt Däubler die Thematiken „Klima- bzw Umweltschutz“ und „Arbeitsrecht“ – die sich auf den ersten Blick wenig zu sagen zu scheinen haben – zusammen, indem er zum einen Klimaschützer*innen und AN-Vertreter* innen und deren Zielsetzungen miteinander vergleicht (§ 1) und zum anderen aufzeigt, wann es in der deutschen Vergangenheit schon zu Berührungspunkten zwischen Klima- bzw Umweltschutz und dem Arbeitsrecht gekommen ist (§ 2). Anschließend untersucht Däubler, wie Klima- bzw Umweltschutz auf der jeweiligen Ebene im Arbeitsrecht Berücksichtigung finden kann. Dabei widmet er sich zuerst der betrieblichen Ebene (§ 3), bevor er sich – nach einem kurzen, unternehmensrechtlich angehauchten Exkurs über die Pflichten von Unternehmen mit Blick auf den Klima- und Umweltschutz (§ 4) – mit der kollektiven Ebene (§ 5) und der individuellen Ebene (§ 6) auseinandersetzt.

Als besonders spannend hervorzuheben sind dabei zunächst die Ausführungen zur betrieblichen Ebene: Dort kommt dem BR nach dem deutschen BetrVG seit der Reform im Jahr 2001 explizit die Aufgabe zu, „Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern“ (§ 80 Abs 1 Z 9 BetrVG). Dafür werden dem BR Informations-, Beratungs- und Initiativrechte eingeräumt – echte Mitbestimmungsrechte bestehen hingegen nicht. Däubler kommt daher zu dem Zwischenergebnis, dass diese Kompetenzen kaum Praxisrelevanz aufweisen (S 54 f). Die Untersuchung auf der betrieblichen Ebene endet damit aber nicht. Vielmehr analysiert Däubler weiter, in welche der bestehenden Mitbestimmungsrechte Klima- bzw Umweltschutz als Querschnittsaufgabe einfließen kann (S 59 ff). Genau diese Analyse ist für das österreichische Recht interessant: Denn während der BR in Österreich ohnehin keine Kompetenzen im Bereich „betrieblicher Umweltschutz“ hat, finden sich im österreichischen ArbVG vergleichbare Regelungen für fast alle der von Däubler thematisierten Mitbestimmungsrechte (zB Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der AN im Betrieb nach § 87 Abs 1 Z 1 BetrVG und Allgemeine Ordnungsvorschriften, die das Verhalten der AN im Betrieb regeln nach § 97 Abs 1 Z 1 ArbVG). Zu beachten ist jedoch, dass die österreichischen Pendants zu den thematisierten Mitbestimmungsrechten nicht alle über dieselbe Mitbestimmungsintensität verfügen wie die deutschen Mitbestimmungsrechte. Regelungen über den Gesundheitsschutz oder ein betriebliches Vorschlagswesen sind in Deutschland beispielsweise erzwingbar (§ 87 Abs 1 Z 7 und Z 12 iVm Abs 2 BetrVG), während in Österreich Maßnahmen des Gesundheitsschutzes bzw das betriebliche Vorschlagswesen bekanntlich dem fakultativen Betriebsvereinbarungsrecht unterliegen (vgl § 97 Abs 1 Z 8 und Z 14 iVm Abs 2 ArbVG). Insgesamt betrachtet fallen die erzwingbaren Mitbestimmungsrechte in Deutschland deutlich umfassender aus als in Österreich. Dennoch gibt es in Österreich mit § 97 Abs 1 Z 1b und Z 6 ArbVG zumindest zwei weitere, erzwingbare Tatbestände, in die Klima- bzw Umweltschutzüberlegungen einfließen können und für die es in Deutschland kein Pendant gibt (vgl Rußegger, Ökologische Nachhaltigkeit durch Betriebsvereinbarung? in Mosler [Hrsg], 50 Jahre Arbeitsverfassungsgesetz [2024] 367 [369 f, 377]). Wenngleich im Ergebnis die Mitbestimmungsintensität in Österreich abweichen kann, können die Überlegungen Däublers durchaus auf die österreichische Rechtslage projiziert werden.

Neben den Ausführungen zur betrieblichen Ebene erwecken auch die Ausführungen zur kollektiven Ebene besonderes Interesse. Hier kommt Däubler für die deutsche Rechtslage zu drei Ergebnissen: Erstens 411 würden Klima- bzw Umweltschutz unter die Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen fallen und folglich durch Tarifvertrag regelbar sein (S 94 ff). Zweitens sollen durch Tarifverträge Mitbestimmungsrechte des BR im Bereich Klima- und Umweltschutz geschaffen werden können (S 107 f). Drittens sei sogar ein Demonstrationsstreik zugunsten wirksamerer Klimaschutzmaßnahmen zulässig (S 108 f). Aus diesen Ergebnissen lassen sich – im Gegensatz zur betrieblichen Ebene – jedoch weniger Schlussfolgerungen für die österreichische Rechtslage ableiten, da sich das österreichische Kollektivvertragsrecht doch bedeutend vom deutschen Tarifvertragsrecht unterscheidet. Dies beginnt bereits damit, dass die möglichen Inhalte von Kollektivverträgen in Österreich gesetzlich normiert sind und „Wirtschaftsbedingungen“ dort nicht angeführt werden (§ 2 Abs 2 ArbVG). Regelungen des Klima- und Umweltschutzes, die nicht (auch) die Arbeitsbedingungen oder Arbeitsverrichtung betreffen, sind in Österreich folglich – auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive – kritisch zu sehen (Brameshuber, Arbeitsrecht und Nachhaltigkeit – Kollektive Rechtsgestaltung, DRdA 2024, 97 [100 ff]). Auch können in Österreich nach hA die Mitbestimmungsrechte des BR nicht durch KollV erweitert werden und sind Streiks differenzierter zu beurteilen. Fehlt der Bezug zu Arbeitsverhältnissen bzw Arbeitsbedingungen sind Streiks unzulässig; ist der Bezug gegeben, ist dennoch das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren (Mosler, Klimastreik als Arbeitskampf, DRdA 2024, 104 [106 ff]).

Wenngleich die Ausführungen Däublers nicht 1:1 auf das österreichische Recht übertragen werden können, ist seine Monografie dennoch auch für die österreichischen Leser*innen lesenswert. Denn insgesamt betrachtet wirft Däubler in seinem Werk eine Vielzahl an sehr allgemeinen Fragen auf (zB „Ist es den Tarifparteien erlaubt, Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes zu regeln, obwohl es dabei um die Wahrung eines allgemeinen Interesses geht?“; „Ist der einzelne AN zur Einhaltung umwelt- und klimarechtlicher Vorschriften nach seinem Arbeitsvertrag verpflichtet?“; „Gibt es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach Unternehmen den ihnen möglichen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten müssen?“ [S 65 f]), die er im Anschluss zwar nur für die deutsche Rechtslage beantwortet. Die Fragen an sich sind aber auch für Österreich bzw jedes andere Land von Interesse. Das Buch kann daher als Inspirationsquelle dienen, wobei es sich nicht nur auf das Arbeitsrecht beschränkt. Denn wie die eben angeführten Fragen zeigen, werden auch unternehmensrechtliche Fragen aufgeworfen.

Summa summarum handelt es sich bei der Monografie „Klimaschutz und Arbeitsrecht“ um eines der ersten, wenn nicht sogar das erste Buch, welches die (grundverschiedenen) Bereiche „Klima- bzw Umweltschutz“ und „Arbeitsrecht“ auf umfassende und rechtswissenschaftliche Weise zusammenführt und dabei eine klare und gut nachvollziehbare Struktur wahrt. Däubler widmet sich damit einem hochaktuellen und gesellschaftlich wichtigen Thema – der erste Grund, warum dieses Werk als lesenswert einzustufen ist. Der zweite Grund liegt in der Inspirationsfähigkeit des Buches. Diese bezieht sich nicht nur auf die eben erwähnten Fragen, die Däubler aufwirft, sondern beispielsweise auch auf die konkreten Klima- bzw Umweltschutzmaßnahmen (zB Verbot von „Wegwerfartikeln“ wie Plastikgeschirr in der Kantine, vegetarische und vegane Optionen im Speiseplan, Veranstaltung eines Umweltschutzwettbewerbs, verbilligtes „Job-Ticket“ für den öffentlichen Personennahverkehr, Prämien für umweltbewusstes Arbeiten etc [S 59 ff]), mit welchen er seine Ausführungen verdeutlicht und Praxisnähe schafft. Damit ist das Buch nicht nur für Wissenschaftler*innen interessant, sondern auch für (österreichische) Betriebsräte, Gewerkschaften und andere AN-Vertreter*innen, die sich für den Klima- bzw Umweltschutz engagieren wollen. 412