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Generelle Nichtberücksichtigung von Vordienstzeiten – kein Verstoß gegen Arbeitnehmerfreizügigkeit

AndreasWellenzohn
§ 49 Abs 3 KollV der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitäten;

Auf die Mitarbeiter der Bekl ist der Kollektivvertrag der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitäten (KollV) anzuwenden. Dessen § 49 Abs 3 lautete zum Zeitpunkt der Klagseinbringung wie folgt:

„Der monatliche Bruttobezug in der Gehaltsgruppe B1 beträgt Euro 2.971,50. Dieser Betrag erhöht sich

  • a)nach dreijähriger Tätigkeit auf Euro 3.522,70. Die Dreijahresfrist verkürzt sich um Zeiträume, für die tätigkeitsbezogene Vorerfahrungen nachgewiesen werden;

  • b)nach achtjähriger Tätigkeit in der Einstufung nach lit. a oder bei Vorliegen eines Doktorates, das Voraussetzung für die Begründung des Arbeitsverhältnisses war (PostDoc-Stelle) auf Euro 3.945,90;

  • c)nach achtjähriger Tätigkeit in der Einstufung nach lit. b auf Euro 4.371,80;

  • d)nach achtjähriger Tätigkeit in der Einstufung nach lit. c auf Euro 4.601,10.“

Eine Berücksichtigung der achtjährigen Tätigkeit nach lit b, c und d erfolgt ausschließlich hinsichtlich von Tätigkeiten bei der Bekl im selben Dienstverhältnis, nicht hingegen von Tätigkeiten an anderen Universitäten in Österreich und/oder an Universitäten oder an vergleichbaren Institutionen in anderen Ländern.

Der klagende BR begehrt die Feststellung, „dass bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Beklagten […] bei der Vorrückung gemäß § 49 Abs 3 lit b nach lit c bzw gemäß § 49 lit c nach lit d des Kollektivvertrages gleichwertige Tätigkeiten als PostDoc auch dann zu berücksichtigen/anzurechnen seien, wenn diese Tätigkeiten […] an Universitäten oder vergleichbaren Einrichtungen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erbracht worden seien“.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Der OGH erachtete die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Kl entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts für zulässig, jedoch nicht berechtigt und führte aus:

Der Kl sieht unter Berufung auf die E des EuGH in der Rs Krah (10.10.2019, C-703/17) in der Nichtanrechnung von Vordienstzeiten auf den in der jeweiligen Gehaltsstufe zurückzulegenden Zeitraum eine Beschränkung der AN-Freizügigkeit nach Art 45 AEUV.

Der Rs Krah lag, worauf bereits die Vorinstanzen hingewiesen haben, ein vom vorliegenden Fall abweichender Sachverhalt zugrunde, da an der Universität, bei der die klagende AN beschäftigt war, über die Regelung des KollV hinausgehend mit Beschluss des Rektorats eine Anrechnung einschlägiger Vordienstzeiten für PostDoc-Stellen im Ausmaß von vier Jahren vorgesehen war.

Dem Kl gelingt auch in der Revision nicht aufzuzeigen, inwiefern AN, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, durch die hier zu beurteilende Regelung unmittelbar oder mittelbar benachteiligt sind. Unabhängig von der Nationalität werden alle Beschäftigten, die bei der Bekl als PostDoc anfangen, gleich eingestuft und rücken nach demselben Zeitraum in die nächsthöhere Gehaltsstufe vor. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass ausländische Wander-AN eher tätigkeitsbezogene Berufserfahrungen aufzuweisen haben als österreichische AN. Im Verfahren ist auch unstrittig, dass ausschließlich die in einem konkreten Dienstverhältnis zur Bekl zurückgelegten Zeiten für die Vorrückung von Relevanz sind. Es werden daher auch nicht berufseinschlägige Dienstzeiten an anderen Universitäten günstiger behandelt. Es liegt daher keine mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung vor. Eine solche wurde in der Rs Krah, in der nicht nur der KollV, sondern auch der Rektoratsbeschluss zu beurteilen war, auch vom EuGH ausdrücklich verneint.

In der Rs Krah hat der EuGH klargestellt, dass ein Entlohnungssystem, das – wie das im vorliegenden Fall durch den KollV errichtete – an die Dauer der Beschäftigung bei dem aktuellen AG ein höheres Entgelt knüpft, an sich keine Behinderung der AN-Freizügigkeit darstellt.

Entgegen der Rechtsauffassung des Kl bietet die Rs Krah daher keine Grundlage für die von ihm gewünschte Auslegung des KollV. In der Rs Krah hat der EuGH die Beschränkung der AN-Freizügigkeit darin gesehen, dass aufgrund des Beschlusses des Rektorats Vordienstzeiten angerechnet werden, allerdings nur im Umfang von vier Jahren. Aus dieser E lässt sich jedoch nicht ableiten, dass nationale Vorschriften überhaupt eine Anrechnung vorsehen müssen. Dies wäre auch mit der Rsp, dass es keine Garantie der sozialen Neutralität gibt, nicht zu vereinbaren. Mit der überwiegenden Literatur ist vielmehr davon auszugehen, dass diese E nur auf den konkret zu beurteilenden Sachverhalt (Rektoratsbeschluss) abstellt, jedoch keine grundsätzliche Gleichstellung zwischen Vordienstzeiten und beim AG verbrachten Dienstzeiten vornimmt. Auch erfolgt weder eine Ungleichbehandlung bei der Einstellung – aufgrund einer Entscheidung der Kollektivvertragsparteien werden keine Vorerfahrungen angerechnet – noch bei der Vorrückung. Alle AN müssen acht Jahre beim selben DG absolviert haben, um vorzurücken.

Dem Kl kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die Regelung über die Vorrückung bei den Gehaltsstufen eine Berufserfahrungsregelung darstellt. Auch 93wenn wissenschaftliche Mitarbeiter untereinander in einem Wettbewerb stehen und daher durch die Fortdauer ihrer Beschäftigung allenfalls ihre Qualifikation vertiefen, stellt die Vorrückungsregelung gerade nicht auf das Erreichen wissenschaftlicher Ziele oder den Erfolg der Tätigkeit ab, sondern rein auf den Zeitablauf. Damit handelt es sich ausschließlich um eine Dienstzeitregel.

Zusammenfassend stellt die Nichtberücksichtigung von berufseinschlägigen Vordienstzeiten bei der Vorrückung keinen Verstoß gegen die AN-Freizügigkeit dar. Aufgrund der bestehenden Rsp des EuGH zu den hier zu beurteilenden Fragen besteht kein Grund für eine neuerliche Vorlage.