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Landesrechtliche Regelungen zur Personalvertretung bewirken keine Einschränkung des Kündigungsschutzes für Betriebsratsmitglieder nach §§ 120 f ArbVG

MARTINACHLESTIL

Der Kl ist seit Juni 1998 bei der Bekl (Stadt W*) als Vertragsbediensteter nach der Wiener Vertragsbedienstetenordnung 1995 (idF VBO 1995) beschäftigt und der Wiener Linien GmbH & Co KG (idF Wiener Linien) aufgrund des Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetzes (Wr Stadtwerke-ZuweisungsG) zur Dienstleistung als Straßenbahnfahrer dauernd zugewiesen. Bei den Wiener Linien ist ein BR eingerichtet. Der Kl war zum Zeitpunkt der Kündigung sowohl Mitglied des BR Fahrbetrieb und Kundendienst als auch Mitglied des Zentralbetriebsrats der Wiener Linien. Zudem war er als Mitglied des im Betrieb der Wiener Linien errichteten Dienststellenausschusses Straßenbahn und betriebliches Betriebsmanagement Personalvertreter. Die Bekl kündigte das Dienstverhältnis zum Kl zum 30.11.2020 wegen gröblicher Verletzung von Dienstpflichten auf, zuvor hatten sowohl der Zentralausschuss der Personalvertretung der Bediensteten der Gemeinde Wien als auch die zuständige gemeinderätliche Personalkommission der Kündigung des Kl zugestimmt.

Der Kl begehrte die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses über den 30.11.2020 hinaus mit der Begründung, dass er nicht nur Personalvertreter sei, sondern als Betriebsratsmitglied Kündigungsschutz gem §§ 120 ff ArbVG genieße. Die Kündigung sei daher mangels vorheriger Zustimmung des Gerichts rechtsunwirksam (aber auch 11aus näher dargelegten Gründen inhaltlich unberechtigt und verfristet). Die Bekl beantragte Klagsabweisung und wendete ein, dass der Kl dem Wiener Personalvertretungsgesetz (W-PVG) unterliege. Der Wiener Landesgesetzgeber habe für Gemeindebedienstete, die Mitglieder der Personalvertretung seien, einen eigenen Bestandschutz vorgesehen, der den Bestandschutz für Betriebsratsmitglieder ersetze. Die zusätzliche Anwendung des Bestandschutzes nach §§ 120 ff ArbVG würde einen verfassungswidrigen Eingriff in die Kompetenz des Wiener Landesgesetzgebers nach Art 21 Abs 1 B-VGArt 21 Abs 1 B-VG darstellen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Zusammengefasst ging es davon aus, dass (auch) der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz nach den §§ 120 ff ArbVG auf den Kl zur Anwendung komme. Aufgrund der unterschiedlichen zu vertretenden Belegschaftsinteressen sei ein doppelter Schutz der Vertretungsorgane geboten. Die entgegen §§ 120 ff ArbVG ohne Zustimmung des Gerichts ausgesprochene Kündigung des Kl sei rechtsunwirksam.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Dass in der Gemeinde als überlassendem Unternehmen nicht die gesetzliche Betriebsverfassung des ArbVG, sondern die landesgesetzlich geregelte Personalvertretung zur Anwendung komme, vermöge die für den ausgegliederten Rechtsträger bundesgesetzlich geregelte Betriebsverfassung des ArbVG nicht außer Kraft zu setzen. Nach der gesicherten Auslegung des AN-Begriffs des § 36 ArbVG erfasst dieser (zumindest) dauernd überlassene AN ohne weiteres und begreife sie damit als Teil der Belegschaft des Beschäftigerunternehmens. Den Normzwecken der gesetzlichen Betriebsverfassung des ArbVG entspreche es nicht, die zugewiesenen Gemeindebediensteten zB schon von ihrem aktiven und passiven Wahlrecht zur Betriebsratswahl im ausgegliederten Rechtsträger auszuschließen. Die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung stehe diesem Auslegungsergebnis des § 33 ArbVG nicht entgegen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil oberstgerichtliche Rsp zur Frage fehle, ob die Kündigung bzw Entlassung von Gemeindebediensteten der Stadt Wien, die zur Dienstleistung ausgegliederten Betrieben zugewiesen sind und dem BR einem dieser Betriebe angehören, den Beschränkungen der §§ 120 ff ArbVG unterliegen. Der OGH schloss sich im Ergebnis den Vorinstanzen an. Seiner Ansicht nach ist die Revision der Bekl zulässig, aber nicht berechtigt:

§ 37 Abs 2 W-PVG enthält einen besonderen Kündigungsschutz für PersonalvertreterInnen (notwendige Zustimmung des Zentralausschusses mangels Zustimmung oder über Beschwerde des Personalvertreters Vorberatung durch die gemeinderätliche Personalkommission). Dieser erfasst Bedienstete der Gemeinde Wien in ihrer Funktion als Personalvertreter, nicht aber in ihrer Funktion als Mitglied des BR einer Gesellschaft, der sie iSd § 1 Abs 1 Wr Stadtwerke-ZuweisungsG ex lege dienstzugewiesen sind. Dort sind dienstzugewiesene Vertragsbedienstete als solche ebenso wie dem II. Teil des ArbVG unterliegende AN, die Betriebsratsmitglieder sind, nach den §§ 120 f ArbVG kündigungsgeschützt.

Da der Kl somit (auch) die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 120 f ArbVG erfüllt, ist zu prüfen, ob deren Anwendung kompetenzrechtlich und landesgesetzlich verdrängt wird. Zum Verhältnis der Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung des Betriebsverfassungsrechts und der Dienstrechtskompetenz der Länder hat der OGH bereits in der E vom 28.4.2008, 8ObA78/07i&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">8 ObA 78/07i, hervorgehoben, dass nach den allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen für die Auslegung der Kompetenzbestimmungen die Gesetzgeber der gegenbeteiligten Gebietskörperschaften auf die von der jeweiligen anderen Gebietskörperschaft wahrzunehmenden Interessen Rücksicht zu nehmen haben („Berücksichtigungsprinzip“). Nach Jabornegg (DRdA 2011, 332 [335]) müsse eine „verfassungskonforme“ Auslegung des § 33 ArbVG daher dazu führen, dass die vom Landesgesetzgeber wahrgenommene Kompetenz zur Regelung der Personalvertretung für an ausgegliederte Betriebe zugewiesene Gemeindebedienstete zwar durchaus zu beachten sei, aber nur im Tätigkeitsbereich der Gemeinde selbst sowie hinsichtlich der dienstrechtlichen Beziehungen zwischen der Gemeinde und den Gemeindebediensteten, nicht hingegen iS einer völligen Verdrängung der zusätzlich gegebenen Belegschaftszugehörigkeit der zugewiesenen Bediensteten gem den §§ 33 ff ArbVG im ausgegliederten Unternehmen.

Der OGH führt diese Erwägungen für den vorliegenden Fall fort, seiner Ansicht nach kann die Dienstrechtskompetenz der Länder (Art 21 Abs 1 B-VG) nicht dahin verstanden werden, dass sie die Beendigung von Dienstverhältnissen dienstzugewiesener Vertragsbediensteter auch dann abschließend erfassen würde, wenn in deren „Beschäftigerbetrieb“ Mitglieder des BR besonderen bundesgesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen unterliegen. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Wiener Landesgesetzgeber einen bundesgesetzlich bestehenden mandatsbedingten Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder für seine dienstzugewiesenen Vertragsbediensteten verdrängen oder auch nur zu seinen eigenen Agenden zählen hätte wollen. Anderes geht auch nicht aus § 1 Abs 4 S 1 Wr Stadtwerke-ZuweisungsG hervor.

Nach dem OGH schließt danach die Fortgeltung der personalvertretungsrechtlichen Kompetenzen die Geltung der für Betriebsratsmitglieder gelten12den Kündigungsschutzbestimmungen des ArbVG nicht aus. Die Annahme einer abschließenden landesgesetzlichen Regelung, die der Anwendbarkeit des ArbVG entgegenstünde, wäre nicht zuletzt nicht normzweckkonform, weil dem besonderen Kündigungsschutz für Betriebsräte weder nach den Kündigungsbestimmungen der VBO noch nach dem Wr Stadtwerke-ZuweisungsG noch unter Bedachtnahme auf die Mitwirkungsrechte der Personalvertretung nach dem W-PVG in gleicher Weise Rechnung getragen würde. Damit bestünde gerade für den Kern der Betriebsratstätigkeit ein Rechtsschutzdefizit.

Im Ergebnis wird die Anwendbarkeit der §§ 120 f ArbVG hier daher nicht von den genannten landesgesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen verdrängt. Eine Kündigung von dienstzugewiesenen Vertragsbediensteten, die Mitglieder des BR einer der in § 1 Abs 1 Wr Stadtwerke-ZuweisungsG genannten Gesellschaften sind, bedarf daher auch der Einhaltung der §§ 120 f ArbVG.

Zusammenfassend sind die Vorinstanzen zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass die Kündigung des Kl aufgrund seiner Funktion als Mitglied des BR der Wiener Linien GmbH & Co KG gem § 120 Abs 1 ArbVG (auch) der Zustimmung des Gerichts bedurft hätte. In Ermangelung einer solchen wurde das Dienstverhältnis nicht wirksam beendet, ohne dass es der von der Bekl vermissten Prüfung der von ihr angezogenen Kündigungsgründe bedürfte. Der Revision der Bekl war danach keine Folge zu geben.