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Beurteilung des Berufsschutzes anhand des Gehaltsschemas ALT des Handelskollektivvertrags

MAXIMILIANWIELANDER

Der 1962 geborene Kl beantragte am 30.1.2020 die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension. Er war als Verkäufer im Außendienst, zuletzt (bis 31.1.2016) als Vertriebsmitarbeiter im Außendienst im Bereich Dialog und Daten tätig. Aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen ist dem Kl die Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter im Verkauf auch im Rahmen des Minimalanforderungsprofils nicht weiter möglich. In der Beschäftigungsgruppe 2 des KollV für Lehrlinge und Angestellte in Handelsbetrieben könnte der Kl aber eine Angestellten-Berufstätigkeit als Informationsdienstangestellter in Handelsbetrieben ausführen.

Mit Bescheid vom 22.5.2022 lehnte die Bekl den Antrag ab. Auch die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension ab.

Der OGH hat die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Liegt Berufsschutz durch eine Angestelltentätigkeit vor, so darf der Versicherte nicht auf Berufe verwiesen werden, die für ihn einen unzumutbaren sozialen Abstieg bedeuten. Fragen des sozialen Abstiegs können aber stets nur einzelfallbezogen beurteilt werden, sodass sich Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität dabei regelmäßig nicht stellen.

Die Einstufung einer Tätigkeit in einem KollV kann ein Indiz für die Einschätzung des sozialen Wertes sein und daher zur Beurteilung des sozialen Abstiegs herangezogen werden. Die Verweisung eines Angestellten auf Tätigkeiten, die einer Beschäftigungsgruppe entsprechen, die der bisherigen Beschäftigungsgruppe unmittelbar nachgeordnet ist, wird in der stRsp in der Regel für zulässig erachtet.

Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass die vom Kl zuletzt ausgeübte und ihm nicht mehr mögliche Tätigkeit (Vertriebsmitarbeiter im Außendienst) der Beschäftigungsgruppe 3 des (damals geltenden) KollV für Angestellte im Handel entsprach.

Dagegen wendete der Kl ein, dass nicht die Beschäftigungsgruppen des 2016 geltenden KollV, sondern die (neu formulierten) Beschäftigungsgruppen des Gehaltssystems NEU des zum Stichtag geltenden KollV für die Einschätzung des sozialen Abstiegs heranzuziehen sei.

Nach Ansicht des OGH ist zwar richtig, dass entscheidend ist, in welche Beschäftigungsgruppe zur Zeit des Stichtags eine Tätigkeit eingestuft würde.

Der Heranziehung des Gehaltssystems NEU steht jedoch nach Ansicht des Berufungsgerichts und des OGH entgegen, dass die bisherigen Beschäftigungsgruppen ihre Gültigkeit zum Stichtag noch nicht gänzlich verloren hatten. Es gab Übergangsbestimmungen des zum Stichtag anzuwendenden KollV, nachdem das bisherige Gehaltssystem ALT für die zuletzt vom Kl ausgeübten Tätigkeit jedenfalls maßgebend war und darüber hinaus auch bei einer zum Stichtag angenommenen Verweisungstätigkeit Anwendungen finden konnte.

Auch die vom Kl geltend gemachte geringere Eigenverantwortung ist nach der Rsp kein Grund für die Annahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs, weil ein Versicherter gewisse Einbußen an Entlohnung und sozialem Prestige hinnehmen muss. Dementsprechend billigte die Rsp etwa die Verweisung eines einfachen Vertreters im Außendienst auf die Tätigkeit eines Büroangestellten ohne besondere Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit (RS0085727) oder eines als Außendienstmitarbeiter tätigen Versicherten auf einfache Angestelltentätigkeiten im Postein- und -auslauf (OGH 11.9.2007, 10 ObS 95/07d).