170

Berücksichtigung einer Überstundenpauschale bei der Bemessung des Kurzarbeits-Entgelts

MANFREDTINHOF

Im Dienstvertrag der als Buchhalterin und später als „Business Development Manager“ bei der Bekl beschäftigten Kl wurde vereinbart, dass sie ein „Bruttogehalt für die Normalarbeitszeit“ von € 3.023,30 zuzüglich eines Überstundenentgelts samt Zuschlägen für 22 Überstunden von € 576,70, insgesamt daher ein „Bruttoentgelt gesamt“ von € 3.600,-, erhält. Während des ersten Covid-19-Lockdowns schloss die Bekl mit 20.3.2020 entsprechend der WKO-ÖGB Formularversion 4.0 vom 19.3.2020 eine „Sozialpartnervereinbarung/Betriebsvereinbarung“ mit ua folgender Textstelle:

„Ausgangspunkt der Berechnung der Nettoersatzrate ist das durchschnittliche Nettoentgelt für die Normalarbeitszeit der letzten 13 Wochen/3 Monate vor Beginn der Kurzarbeit. Insofern sind Zulagen und Zuschläge der letzten 13 Wochen miteinzubeziehen.“

Am 25.3.2020 erließ das Arbeitsmarktservice (AMS) aufgrund der Ermächtigung in § 37b AMSG die Bundesrichtlinie Kurzarbeitsbeihilfe (KUA-RL), wonach sich die Höhe der Kurzarbeitsbeihilfe nach dem Entgelt inklusive Zulagen und Zuschläge, aber ohne Überstundenentgelte richtet, unwiderrufliche Überstundenpauschalen und All-inclusive-Entgelte aber nicht als Überstundenentgelte anzusehen sind. Diese Richtlinie trat rückwirkend mit 1.3.2020 in Kraft. Auch das Formular für die Vereinbarung von Corona-Kurzarbeit in der WKO-ÖGB Formularversion 6.0 wurde entsprechend geändert.

Die Kl begehrte € 924,24 brutto sA, weil die Bekl bei der Berechnung des Kurzarbeitsentgelts neben dem Grundlohn auch die vereinbarte Überstundenpauschale berücksichtigen hätte müssen. Die Bekl wendete ein, dass sich das Kurzarbeitsentgelt der Kl aufgrund der in der Formularversion 4.0 abgeschlossenen BV nach der Normalarbeitszeit richte und Überstundenentgelte deshalb nicht zu berücksichtigen seien.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt, der OGH erachtete die Revision der Bekl zwar als zulässig, nicht aber als berechtigt.367

In der vorliegenden BV ist entsprechend der WKO-ÖGB-Formularversion 4.0 vorgesehen, dass sich das Kurzarbeitsentgelt nach dem „Nettoentgelt für die Normalarbeitszeit“ richtet. Die KUA-RL vom 25.3.2020 kann zur Auslegung der BV nicht unmittelbar herangezogen werden, weil diese Richtlinie erst nachträglich erlassen wurde und der Bekl keine Verpflichtung auferlegt werden darf, die über die von ihr abgeschlossene BV hinausgeht. Auch die Änderungen in der WKO-ÖGB Formularversion 6.0 haben insoweit keine zwingenden Auswirkungen auf die Auslegung der vorliegenden BV, weil die Bekl die BV in der Formularversion 4.0 abgeschlossen hat.

Nachdem im Dienstvertrag der Kl für eine wöchentliche Dienstzeit von 45 Stunden für die darin enthaltenen fünf Überstunden pro Woche ein Überstundenentgelt samt Zuschlägen für monatlich 22 Überstunden von € 576,70 vereinbart wurde, liegt eine wirksam vereinbarte Überstundenpauschale vor.

Wurde eine Pauschalentlohnung von Überstunden ohne Vorbehalt des Widerrufs vereinbart, wird sie fester Entgeltbestandteil und kann vom AG nicht einseitig widerrufen werden, selbst wenn die vom AN geleisteten Überstunden nicht das seinerzeit vereinbarte Ausmaß erreichen. Da die Kl sohin auch dann Anspruch auf das vereinbarte Gesamtentgelt von € 3.600,- hatte, wenn sie tatsächlich keine Überstunden leistete, ist die vereinbarte Überstundenpauschale insoweit auch als „Zuschlag“ zur Normalarbeitszeit iSd BV zu qualifizieren und dementsprechend bei der Bemessung des Kurzarbeits-Entgelts zu berücksichtigen.