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Kündigungsanfechtung: Aufgriffsobliegenheit des Arbeitnehmers nach zeitlich limitierter Verfahrensunterbrechung

LYNNROTHFISCHER

In einem Verfahren wegen Kündigungsanfechtung beantragten die Parteien eine Unterbrechung des Verfahrens bis 31.3.2019 bzw. für den Fall, dass eine rechtskräftige strafrechtliche Erledigung bzw. rechtskräftige Anklageerhebung zu einem vorigen Zeitpunkt eintritt (hinsichtlich des Kl), die Unterbrechung bis zu diesem Datum. Das Erstgericht entsprach diesem Antrag. Das Verfahren sollte nur über Antrag einer der Parteien fortgesetzt werden. Nach der Benachrichtigung über die Einstellung des Strafverfahrens vom 12.3.2020 beantragte der Kl mit Schriftsatz vom 26.3.2020 die Fortsetzung des Verfahrens.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Durch das Zuwarten von einem Jahr nach Ablauf des vereinbarten Verfahrensstillstands habe das Verhalten des Kl aus objektiver Sicht kein Interesse an der Verfahrensführung erkennen lassen, weshalb eine Verletzung der Aufgriffsobliegenheit durch nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens zu bejahen sei.

Der OGH wies die außerordentliche Revision des Kl mangels erheblicher Rechtsfrage zurück:

Die Rsp geht davon aus, dass der die Leistungsbereitschaft des AN voraussetzende Fortsetzungsan366spruch wegen behaupteter Unwirksamkeit einer Auflösungserkärung nicht zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden kann. Der Anspruch auf Fortsetzung des Dienstverhältnisses muss daher innerhalb angemessener Frist durch Klage geltend gemacht werden. Begründet wird dies in stRsp damit, dass das Klarstellungsinteresse des AG auch eine Aufgriffsobliegenheit des AN bedingt, sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses ohne Aufschub gegenüber dem AG geltend zu machen. Das eminente Klarstellungsinteresse des AG am Bestand oder Nichtbestand des Dienstverhältnisses beruht darauf, dass diesem als Vertragspartner, der auf die Wirksamkeit der von ihm ausgesprochenen Auflösungserklärung vertraut, erhebliche (finanzielle) Nachteile entstehen könnten, falls seine Annahme unrichtig ist.

Die zeitliche Grenze für die rechtzeitige Geltendmachung des Fortsetzungsanspruchs ist unter Bedachtnahme auf § 863 ABGB zu ziehen und zu beurteilen, ob das Verhalten des AN als stillschweigendes Einverständnis mit der Beendigung oder als Verzicht auf die Geltendmachung der Unzulässigkeit der Beendigung aufzufassen ist. Zur Beurteilung der Unverzüglichkeit ist ein angemessener, zur Erkundung und Meinungsbildung objektiv ausreichender Zeitraum heranzuziehen. Es kommt nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern auch darauf an, ob der Kl triftige Gründe für sein Zögern ins Treffen führen kann. Denn die berücksichtigungswürdigen Gründe für die Untätigkeit muss der Kl vorbringen und unter Beweis stellen.

Durch die fristgerechte Klagseinbringung hat der Kl dieser Aufgriffsobliegenheit zunächst entsprochen und zum Ausdruck gebracht, dass er eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wünscht. In der Folge kam es jedoch zu einem länger dauernden Verfahrensstillstand. Von einer gehörigen Fortsetzung der Klage kann im Falle einer Unterbrechung des Verfahrens nur gesprochen werden, wenn nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes die unverzügliche Fortsetzung des Verfahrens verlangt wird.

Im konkreten Fall war zwar zwischen den Parteien das Abwarten des Strafverfahrens ein Motiv für den Unterbrechungsantrag, zugleich war dieses Zuwarten aber zeitlich limitiert. Es bestand daher kein Einvernehmen darüber, dass unbefristet auf den Ausgang des Strafverfahrens gewartet wird. In der Folge hat der Kl nach Ablauf des im Beschluss genannten Termins der Bekl gegenüber ohne weitere Begründung mehr als 11 Monate nicht zum Ausdruck gebracht, an einer Fortsetzung des Verfahrens interessiert zu sein. Berücksichtigt man, wie bereits zuvor dargelegt, das Klarstellungsinteresse des DG, dem der Gesetzgeber gerade auch in den kurzen Fristen zur Einleitung des Verfahrens Rechnung getragen hat, hält sich die Ansicht der Vorinstanzen, dass der Kl damit aus objektiver Sicht kein Interesse an einer Verfahrensfortführung erkennen ließ, im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.