Wenn der Postmann zweimal klingelt – Erschwernis bei der Leistungsgeltendmachung im AlVG in Zeiten der Corona-Pandemie

HARALDWÖGERBAUER

Mit dem gegenständlichen Beitrag soll die E des VwGH vom 23.10.2002, 2002/08/0041, für Praktiker:innen in Erinnerung gerufen und ein Detail der Vielseitigkeit dieser Entscheidung hervorgehoben werden, welches in der Praxis des Arbeitsmarktservice (AMS) und auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) aus Sicht des Autors noch nicht genügend Berücksichtigung fand.

In der Entscheidungspraxis des BVwG wird die zitierte VwGH-E im Kontext häufig verwendet, dass „ein Abspruch über den Beginn des Anspruches auf Arbeitslosengeld ab einem bestimmten Zeitpunkt im Sinne einer Abweisung des (ebenfalls begehrten) Anspruches auf Arbeitslosengeld für den davorliegenden Zeitraum zu verstehen* ist.

Gerade aufgrund der Entwicklungen der Corona-Pandemie scheint jedoch ein weiterer Teil dieser E hervorhebenswert und in der Rechtsanwendung öfter zu beachten. Dieser Teil verweist darauf, dass „ein Antrag auf Zuerkennung von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung wirksam nur mittels des bundeseinheitlich aufgelegten Formulars gestellt werden kann, welches […] nur durch Ausfolgung seitens des Arbeitsmarktservice erhalten“* werden kann. Gibt es ein konkretes, in den Akt aufgenommenes Anbringen einer Partei, so trifft die regionale Geschäftsstelle die Verpflichtung, das erforderliche Antragsformular auszuhändigen. Wenn 420die regionale Geschäftsstelle daran Zweifel hat, ob die Partei einen Antrag auf Zuerkennung von Geldleistungen aus der AlV stellen möchte, hat diese „die Verpflichtung, die Partei zu befragen, ob sie eine Inanspruchnahme derartiger Geldleistungen anstrebt“.* Auch wenn die regionale Geschäftsstelle ihrer Verpflichtung zur Aushändigung nicht nachkommt, „so bleibt der Partei dessen ungeachtet zunächst jedenfalls ein Anspruch auf diese Aushändigung gewahrt. Damit ist aber auch […] ein Leistungsanspruch für die Zeit ab der ersten Vorsprache weiterhin aufrecht“.* Der VwGH hielt damit ein obiter dictum einer früheren E* nicht aufrecht, in dem er die Rechtsmeinung vertrat, das Unterbleiben der Ausfolgung eines Formulars aufgrund eines Begehrens eines Arbeitslosen führe nur zu allfälligen Amtshaftungsansprüchen. Von der Behörde ist ein Anbringen dadurch zu erledigen, dass dem Antragsteller ein solches Formular ausgehändigt und ein Verfahren nach § 46 AlVG in Gang gesetzt wird.

1..
Exkurs zu den Antragstellungen im Verfahren nach dem AlVG

Zwecks Geltendmachung von Leistungen nach dem AlVG bedarf es der Erfüllung zweier Vorgaben: in einem ersten Schritt hat eine Arbeitslosmeldung zu erfolgen.

Dazu führt § 17 Abs 1 AlVG aus: „Sind sämtliche Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt und ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht gemäß § 16, gebührt das Arbeitslosengeld ab dem Tag der Geltendmachung, frühestens ab dem Eintritt der Arbeitslosigkeit. Der Anspruch gilt rückwirkend ab dem Eintritt der Arbeitslosigkeit

1. wenn diese ab einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag besteht und die Geltendmachung am ersten darauf folgenden Werktag erfolgt oder

2. wenn die Arbeitslosmeldung bereits vor Eintritt der Arbeitslosigkeit bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eingelangt ist und die Geltendmachung sowie eine gemäß § 46 Abs. 1 erforderliche persönliche Vorsprache binnen 10 Tagen nach Eintritt der Arbeitslosigkeit erfolgt, soweit das Arbeitsmarktservice nicht hinsichtlich der persönlichen Vorsprache Abweichendes verfügt hat. […]

(3) Die Arbeitslosmeldung hat zumindest den Namen, die Sozialversicherungsnummer, die Anschrift, den erlernten Beruf, die zuletzt ausgeübte Beschäftigung und den Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses sowie die Angabe, auf welchem Weg eine rasche Kontaktaufnahme durch das Arbeitsmarktservice möglich ist (e-mail-Adresse, Faxnummer, Telefonnummer), zu enthalten. Für die Arbeitslosmeldung ist das bundeseinheitliche Meldeformular zu verwenden. Die Meldung gilt erst dann als erstattet, wenn das ausgefüllte Meldeformular bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt ist. Ist die Meldung aus Gründen, die nicht in der Verantwortung der Meldung erstattenden Person liegen, unvollständig, verspätet oder gar nicht eingelangt, so gilt die Meldung mit dem Zeitpunkt der nachweislichen Abgabe (Absendung) der Meldung als erstattet. Das Einlangen der Meldung ist zu bestätigen.“

Eine Arbeitslosmeldung kann via eAMS-Konto, via Internet mit einem Online-Service, via Smartphone per elektronisch ausfüllbarem Formular und schließlich telefonisch erfolgen.

Diese Arbeitslosmeldung ist jedoch keine gleichzeitige Geltendmachung von Leistungen, was in der Praxis bei, insb erstmaligen Arbeitslosen zu Verwirrung geführt hat und für den einen oder anderen angehenden Leistungsbezieher zum Fallstrick wurde, obwohl das AMS ein entsprechendes Hinweisfeld mit „Hakerl“ in das Formular zur Arbeitslosmeldung eingebaut hat.*

Die Geltendmachung von Leistungen hat gesondert in einem zweiten Schritt zu erfolgen!

Bei diesem zweiten Schritt, der Geltendmachung von Leistungen, ist die Ausgangslage seitens des Gesetzgebers in § 46 Abs 1 AlVG eingangs klar geregelt: „Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. […]“

2..
Änderungen durch die Pandemie

Was bis März 2020, dem Beginn der Corona-Pandemie, eine einfache und klare Ausgangslage war, änderte sich schlagartig mit den folgenden Lockdowns. Persönliche Kontakte waren zwischen Leistungswerber und Behörde im Behördenverfahren plötzlich zu vermeiden, die persönliche Geltendmachung vor Ort, der bisherige Standard, nicht mehr möglich.

Der Gesetzgeber hatte in § 46 Abs 1 AlVG aber auch weitere Möglichkeiten der Geltendmachung unter bestimmten Bedingungen vorgesehen, falls der Standardfall nicht eingehalten werden kann: „[…] Personen, die über ein sicheres elektronisches Konto421beim Arbeitsmarktservice (eAMS-Konto) verfügen, können den Anspruch auf elektronischem Weg über dieses geltend machen, wenn die für die Arbeitsvermittlung erforderlichen Daten dem Arbeitsmarktservice bereits auf Grund einer Arbeitslosmeldung oder Vormerkung zur Arbeitsuche bekannt sind; sie müssen jedoch, soweit vom Arbeitsmarktservice keine längere Frist gesetzt wird, innerhalb von 10 Tagen nach elektronischer Übermittlung des Antrages persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle vorsprechen. […] Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle zumindest einmal persönlich vorgesprochen hat und das vollständig ausgefüllte Antragsformular übermittelt hat. Das Arbeitsmarktservice kann vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache absehen. Eine persönliche Vorsprache ist insbesondere nicht erforderlich, wenn die arbeitslose Person aus zwingenden Gründen, wie Arbeitsaufnahme oder Krankheit, verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. […] Hat die regionale Geschäftsstelle zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen, etwa zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen, eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind.“

Wer also im März 2020 ein eAMS-Konto aktiviert hatte, hatte die Möglichkeit, den Antrag mit bundeseinheitlichem Antragsformular auf elektronischem Weg geltend zu machen. Die jeweilige regionale Geschäftsstelle hat in solchen Fällen aufgrund der Pandemie selbstredend vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache abgesehen. Da sich, im Fall eines aktivierten eAMS-Kontos, die sogleich zu erörternden Problemstellungen bezüglich Erlangung des bundeseinheitlichen Antragsformulars betreffend Geldleistung nicht ergaben, ist daher diese Konstellation im Artikel nicht näher zu beleuchten.

Viele Leistungswerber:innen hatten jedoch kein eAMS-Konto aktiviert. Somit standen diese nun vor der Aufgabe, die nun dringlich gewordene Aktivierung eines eAMS-Kontos zu bewerkstelligen oder alternativ auf einem anderen Weg einen Leistungsantrag zu stellen.

Sofern kein Finanzonline-Zugang bestand und somit indirekt der Zugang zum AMS-Konto elektronisch freigeschaltet werden konnte, waren die alternativen Möglichkeiten per Telefon oder Mail die Zugangsdaten für das eAMS-Konto zu beantragen, welche dann per Post versandt wurden, für die dringende Geltendmachung des Antrages auf Leistungen für die Antragsteller sehr oft faktisch keine passende Wahl.

Hatte man also die, in der Praxis aufgrund der hohen Auslastung wegen vieler Anfragen schwer erreichbaren Serviceline-Mitarbeiter des AMS erreicht, so wurde auf Anforderung hin ein bundeseinheitliches Antragsformular per Post versandt. Ebenso wurde ein bundeseinheitliches Antragsformular aufgrund von Mailanforderung, oder wenn das AMS davon ausging, dass ein Anspruch geltend gemacht werden wollte, per Post versandt.

Auf diesen versendeten, bundeseinheitlichen Antragsformularen war in einem Feld mit der Benennung „Ausgabedatum (Geltendmachung)“ ein Datumsstempel aufgebracht worden. Zudem wurde auf dem Formular anstelle der persönlichen Abgabe folgendes Feld angekreuzt: „Dieser Antrag ist dem Arbeitsmarktservice bis spätestens ‚DATUM‘ zu übermitteln.“

3..
Problemstellungen in der Praxis bei der Zustellung des Leistungsantragsformulars sowie deren Lösung durch das BVwG

In der Praxis kam es beim Postversand jedoch zu unterschiedlichen Problemen. Dadurch war in einigen Verfahren strittig, ob die bundeseinheitlichen Antragsformulare dem Antragsteller erfolgreich zugingen bzw ob die Rückgabefrist gewahrt wurde.

Grundsätzlich werden die bundeseinheitlichen Antragsformulare per Standard-Postversand übermittelt, also ohne Zustellnachweis.*

So kam es vor, dass der Brief mit dem Formular an das AMS retourniert wurde – mit dem Hinweis „verzogen“.* In einem weiteren Fall kam es dazu, dass der Brief mit dem Formular an das AMS retourniert wurde – mit dem Hinweis „nicht angenommen“.* Der Postmann mag also zweimal geklingelt haben, jedoch mit zweifelhaftem Ausgang, wie gleich darzustellen sein wird.

Das AMS argumentierte in ersterem Fall,* dass der Beschwerdeführer nicht mitgeteilt habe, dass er sich vorübergehend an einem Nebenwohnsitz aufgehalten hätte. Im zuletzt zitierten Fall* argumentierte das AMS, dass ein nachvollziehbares und schlüssig dokumentiertes fehlerhaftes Verhalten seitens der Mitarbeiter:innen des AMS nicht vorliege und somit eine rückwirkende Zuerkennung nicht möglich sei.

In beiden zitierten Fällen prüfte das Bundesverwaltungsgericht in einem ersten Schritt, ob es zu einer Zustellung kam. Mangels nachweislicher Zustellung mit Rückschein hatte dies in freier Beweiswürdigung stattzufinden. In beiden Fällen verneinte das BVwG 422eine Zustellung mit den – dem jeweiligen Sachverhalt zugrundeliegenden – folgenden Begründungen:

Im erstzitierten Fall* des BVwG wurde das Argument des AMS, dass der Beschwerdeführer nicht mitgeteilt habe, dass er sich vorübergehend an einem Nebenwohnsitz aufgehalten hätte, welches sich auf § 8 Abs 1 Zustellgesetz bezog, unter Hinweis auf die Rsp des VwGH* verworfen, da die Behörde an einer erfolgreichen Zustellung wegen des Vermerks „verzogen“ zweifeln musste.

Im letztzitierten Fall* des BVwG konnte nicht festgestellt werden, dass das aktenkundige Kuvert jenes war, mit welchem das bundeseinheitliche Formular versandt wurde, und ebenso wenig, dass der Beschwerdeführer diese Sendung nicht annahm, zumal nicht vermerkt war, wer die Sendung nicht annahm.

In beiden Fällen kam das BVwG zum Zwischenergebnis, dass der Beschwerdeführer den Antrag auf Zuerkennung von Leistungen nicht erhalten hat und er von einer Frist zur Rückgabe dieses Antrags nicht in Kenntnis war.

Im weiteren Verlauf der beiden Entscheidungen des BVwG divergierte jedoch der Lösungsweg.

Die erstzitierte E* des BVwG prüfte im zweiten Schritt, ob in Unkenntnis der Frist gemeinsam mit dem Nichterhalt des Antrags auf Zuerkennung von Leistungen ein triftiger Hinderungsgrund für die Abgabe des ausgefüllten Antragsformulars iSd VwGH-Judikatur* anzunehmen sei. Dies wurde schließlich bejaht.

Die letztzitierte E* des BVwG hingegen berief sich auf die eingangs wiedergegebene E des VwGH vom 23.10.2002, 2002/08/0041, und kam zum Ergebnis, dass das AMS somit seiner Verpflichtung nicht nachkam, weshalb der Anspruch auf Aushändigung (des bundeseinheitlichen Formulars) gewahrt blieb.

4..
Beide Entscheidungen des BVwG erreichen das Ziel. Welche Entscheidung liefert in der Praxis aber die dogmatisch richtige Begründung?

Aus Sicht des Autors lässt die erstzitierte E* ein entscheidendes Element bei der Prüfung des Anspruchs außer Acht:

§ 46 AlVG stellt auf das Setzen einer Frist ab. Die erstzitierte E* des BVwG setzt sich jedoch mit der Frage, ob eine solche Frist erfolgreich gesetzt wurde, nicht auseinander. Dabei kann es aufgrund der Verneinung einer erfolgreichen Zustellung zu keiner Fristsetzung gekommen sein. Ohne das Setzen einer Frist kann jedoch auch der Regelungsteil des § 46 AlVG, welcher auf das Vorliegen eines triftigen Hinderungsgrunds für die Abgabe des ausgefüllten Antragsformulars abstellt, nicht angewandt werden, da die Grundlage im Sachverhalt dafür fehlt.

Daher ist der letztzitierten E* des BVwG in der Begründung dogmatisch zu folgen.

Somit ist jedoch die Pflicht des AMS erst erfüllt, wenn nach allfälliger Befragung bzw Erhebung mit der Partei, ob sie eine Inanspruchnahme derartiger Geldleistungen anstrebt, das erforderliche Antragsformular tatsächlich ausgehändigt oder es erfolgreich zugestellt wurde. Dies ist für die Argumentation der Vertreter:innen der rechtsschutzsuchenden Partei ein wichtiges Argument.

5..
Kommt dem BVwG die Kompetenz zu, ein Ermessen gem § 17 Abs 4 AlVG zu üben?

Aufgrund der Argumentation des AMS, dass ein nachvollziehbares und schlüssig dokumentiertes fehlerhaftes Verhalten seitens der Mitarbeiter:innen des AMS nicht vorliege und somit eine rückwirkende Zuerkennung nicht möglich sei, bleibt noch zu prüfen, ob dem BVwG die Kompetenz zur Ermessensübung gem § 17 Abs 4 AlVG zukommt.

§ 17 Abs 4 AlVG lautet: „Ist die Unterlassung einer rechtzeitigen Antragstellung auf einen Fehler der Behörde, der Amtshaftungsfolgen auslösen kann, wie zum Beispiel eine mangelnde oder unrichtige Auskunft, zurück zu führen, so kann die zuständige Landesgeschäftsstelle die regionale Geschäftsstelle amtswegig unter Berücksichtigung der Zweckmäßigkeit und der Erfolgsaussichten in einem Amtshaftungsverfahren zu einer Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab einem früheren Zeitpunkt, ab dem die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorliegen, ermächtigen.“

Dem Wortlaut des Gesetzestexts nach kommt nur der Landesgeschäftsstelle das Recht zur Ermessensübung zu.

Das BVwG argumentiert jedoch in einer rezenten E,* dass zufolge § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Beschwerdeverfahren gem Art 130 Abs 1 B-VG jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundesgesetzen sinngemäß anzuwenden sind, die die Behörde im Verwaltungsver423fahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Daraus zog das BVwG den Schluss, „dass die Ermächtigung zu Ermessensübung iSd § 17 Abs 4 AlVG im Beschwerdeverfahren dem Bundesverwaltungsgericht zukommt“.* Weiters verwies das Gericht auf die zu § 10 Abs 3 AlVG ergangene Judikatur des VwGH,* welche eine Befugnis des BVwG, im Beschwerdeverfahren Nachsicht zu erteilen, ermögliche, obwohl das Gesetz nach dem Wortsinn an die Regionalstelle des AMS gerichtet sei.

Betrachtet man die, in dieser BVwG-E* zitierte, VwGH-E* im Volltext näher, so ergibt sich aus dieser bei Unterpunkt 4., dass die Regelung betreffend Anhörung des Regionalbeirats gerade nicht eine verfahrensrechtliche Regelung gem § 17 VwGVG darstellt, sondern handelt es sich um eine spezifisch die Willensbildung der regionalen Geschäftsstelle betreffende Regelung. Das BVwG durfte im der VwGH-E zugrundeliegenden Fall* einer Leistungssperre wegen Vereitelung über die Nachsicht absprechen, da dies vom Verfahrensgegenstand, der Sache des Verfahrens, gedeckt war. Der VwGH führt dazu bei Unterpunkt 5.1 aus: „Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Nachsicht von der regionalen Geschäftsstelle im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich mit Bescheid zu erteilen wäre, hat doch der Arbeitslose bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf die Nachsicht und damit auch auf eine rechtskraftfähige Erledigung. […] Im Beschwerdeverfahren kann die rechtskräftige Erteilung der Nachsicht aber auch dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass der die Sanktion aussprechende Bescheid bloß – ohne ausdrücklichen Ausspruch der Nachsicht – ersatzlos behoben wird […].“

In der rezenten BVwG-E* wird jedoch eine Norm vom Gericht angewandt, die als Adressaten der Ermessensausübung die Landesgeschäftsstelle des AMS trifft, welche die regionale Geschäftsstelle zur Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab einem früheren Zeitpunkt ermächtigen kann! Die Entscheidungsgewalt iSd Ermächtigung – das Imperium – trägt hier die Landesgeschäftsstelle des AMS. Die regionale Geschäftsstelle des AMS ist hier nicht befugt, einen Willen zu bilden, wenn die Landesgeschäftsstelle des AMS nicht die Ermächtigung dazu erteilt. Diese Ermächtigung hatte die Landesgeschäftsstelle des AMS der regionalen Geschäftsstelle im Verfahren nicht erteilt.

Die Norm mag zwar dogmatisch allenfalls eine verfahrensrechtliche Norm darstellen, da sie die Vorgangsweise bei der Rechtsanwendung (Konkretisierung des materiellen Rechts im einzelnen Verfahren) der Landesgeschäftsstelle an die regionale Geschäftsstelle regelt. Sie regelt jedoch nicht die Willensbildung der regionalen Geschäftsstelle, und nur diese ist als Sache des Verfahrens der Überprüfung durch das BVwG in seiner Sachentscheidung zugänglich.

Die Partei hat auch keinen Rechtsanspruch auf die Ermessensausübung der Landesgeschäftsstelle des AMS, es bleibt ihr lediglich die Beschreitung des Zivilrechtswegs im Amtshaftungsverfahren.

Daher kann abschließend zusammenfassend festgehalten werden, dass dem BVwG die Kompetenz, ein Ermessen gem § 17 Abs 4 AlVG zu üben, nicht zukommt.

Das, unter der gegenständlichen Überschrift, eingangs wiedergegebene Argument des AMS ist daher für die Rechtsfindung im Verfahren beim BVwG ohne Relevanz, auch wenn es für den entscheidenden Richter natürlich die Prüfung des Vorliegens eines Ermessenstatbestandes aufzeigt.

6..
Fazit

Nach der Arbeitslosmeldung als ersten Schritt ist, sofern kein aktivierter Zugang zum eAMS-Konto besteht, als zweiter Schritt das bundeseinheitliche Antragsformular betreffend Geldleistung vom AMS via Mail oder Telefon anzufordern oder der Wille dazu gegenüber dem AMS kundzutun. Liegen beim AMS Zweifel über den Willen des Antragstellers vor, so hat dieses Ermittlungen durchzuführen. Sollte es bei der (erwarteten) Zustellung dieses Formulars zu Schwierigkeiten kommen, ist nach Kenntnisnahme von den Schwierigkeiten durch den Leistungswerber – neben der unverzüglichen Kontaktaufnahme mit dem AMS betreffend unverzüglicher Antragstellung – zu prüfen, ob die Zustellung ordnungsgemäß erfolgte. Sollten sich hier Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Zustellung ergeben, so ist, gemäß der Entscheidung des VwGH vom 23.10.2002, 2002/08/0041, die Zustellung durch das AMS zu prüfen und im Falle der nicht ordnungsgemäßen Zustellung verpflichtet, den Anspruch auf Aushändigung des bundeseinheitlichen Formulars zu gewährleisten. Im Rechtsmittelverfahren kann das BVwG die im Verwaltungsverfahren durchgeführte Beurteilung der regionalen Geschäftsstelle des AMS überprüfen. Das BVwG kann in diesem Verfahren jedoch nicht die Ermessensbestimmung gem § 17 Abs 4 AlVG, welche der Landesgeschäftsstelle des AMS eingeräumt ist, zur Anwendung bringen. 424