204

Erfordernisse einer hauptwohnsitzlichen Meldung im Ausland für das Kinderbetreuungsgeld

KRISZTINAJUHASZ

Die Kl hat das pauschale Kinderbetreuungsgeld für ihre Zwillinge beantragt. Die Kl verfügte im klagegegenständlichen Zeitraum über zwei Meldungen in Ungarn. An der Adresse Vá* war sie mit einem Wohnsitz (lakóhely), an der Adresse Vö* war sie mit einem Aufenthaltsort (tartózkodási hely) gemeldet. Die Kinder lebten seit ihrer Geburt gemeinsam mit der Mutter und dem Vater an der Adresse Vö* im gemeinsamen Haushalt. Die Bekl lehnte den Antrag auf Zuerkennung ab und bestritt die Qualifizierung der bestehenden Anmeldung der Kl an der Adresse Vö* als hauptwohnsitzliche Meldung iSd § 2 Abs 6 KBGG.

Im ersten Rechtsgang hob der OGH zu 10 ObS 41/19f vom 8.8.2019 die klagsabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies die Sozialrechtssache an das Erstgericht zurück, da es an Feststellungen zu den ungarischen Meldevorschriften fehlte. Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und führte aus, dass die Meldung der Kl an der Adresse Vá* am ehesten der österreichischen hauptwohnsitzlichen Meldung entspreche, daher habe die Kl im relevanten Zeitraum keine gemeinsame hauptwohnsitzliche Meldung mit ihren Kindern gehabt.

Der gegen diese E gerichteten Revision der Kl wurde Folge gegeben. Gleichzeitig wurde die Sozialrechtsache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Verfahren war das Vorliegen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft der Kl und ihrer Kinder an der Adresse Vö* unstrittig. Auch der Meldestatus der Kl im fraglichen Zeitraum stand fest. Klärungsbedürftig war allein die Frage, ob die Anmeldung am Aufenthaltsort (tartózkodási hely) als hauptwohnsitzliche Meldung zu qualifizieren ist.

Für die hauptwohnsitzliche Meldung iSd § 2 Abs 6 KBGG kommt es darauf an, ob im jeweils zu betrachtenden Mitgliedstaat ein dem österreichischen Melderecht vergleichbares System existiert, nach dem einer Person die Meldung oder Registrierung des Hauptwohnsitzes möglich ist, wobei der Begriff des Hauptwohnsitzes iSd § 1 Abs 7 MeldeG zu verstehen ist. Existiert im zu betrachtenden Mitgliedstaat ein derartiges System, ist die Vornahme einer hauptwohnsitzlichen Meldung entsprechend der Ausgestaltung des jeweiligen Systems Voraussetzung für den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes. Die Frage, welche Art der Anmeldung nach dem Rechtssystem eines anderen Mitgliedstaats der hauptwohnsitzlichen Meldung iSd § 2 Abs 6 KBGG entspricht, ist rechtlich zu beurteilen und einer Feststellung nicht zugänglich.

Der Unterschied zwischen einem Wohnsitz (iSd § 1 Abs 6 MeldeG) und dem Hauptwohnsitz (iSd § 1 Abs 7 MeldeG) ist darin zu sehen, dass für einen Wohnsitz bereits eine nicht besonders ins Gewicht fallende Lebensbeziehung maßgeblich sein kann (zB Ferienwohnung), wogegen der Hauptwohnsitz nur an einem Anknüpfungspunkt von zentralen Lebensbeziehungen bestehen kann.

Aus den zum ungarischen Registergesetz getroffenen Feststellungen geht hervor, dass jeder in Ungarn lebende Bürger über einen Wohnsitz (lakóhely) verfügt. Allenfalls kann er zusätzlich einen Aufenthaltsort (tartózkodási hely) haben. Hingegen ist es nicht möglich, nur über einen Aufenthaltsort (tartózkodási hely) zu verfügen; dieser erfüllt vielmehr eine ergänzende Funktion, die zum Wohnsitz 407hinzutritt. Daraus ergibt sich, dass im Fall einer in Ungarn lebenden Person, die nur zu einer einzigen Wohnung Anknüpfungspunkte ihrer Lebensbeziehungen hat, an dieser Adresse eine Anmeldung als Wohnsitz (lakóhely) geboten ist. Verfügt eine in Ungarn lebende Person über Anknüpfungspunkte ihrer Lebensbeziehungen zu mehr als einer Wohnung, stellt sich die Frage, welche davon als Wohnsitz (lakóhely), welche als Aufenthaltsort (tartózkodási hely) zu qualifizieren und entsprechend anzumelden ist. Das Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Wohnsitz und dem Aufenthaltsort liegt nach den Feststellungen nicht in der Dauer der zu diesen Orten bestehenden Lebensbeziehungen. Denn (auch) der Anknüpfungspunkt für die Lebensbeziehungen, der am Aufenthaltsort (tartózkodási hely) besteht, kann zulässigerweise eine unbeschränkte Dauer erreichen.

Die zum ungarischen Registerrecht getroffenen Feststellungen reichen im vorliegenden Fall nicht aus, um verlässlich zu beurteilen, ob die von der Kl an der Adresse Vö*, während des Anspruchszeitraums vorgenommene Anmeldung als Aufenthaltsort (tartózkodási hely), den Voraussetzungen der hauptwohnsitzlichen Meldung iSd § 2 Abs 6 KBGG genügt. Unklar war insb, unter welchen Voraussetzungen noch ein Wohnsitz (lakóhely) vorliegt, wenn eine Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen (iSd Kriterien des § 1 Abs 8 MeldeG) an einer anderen Wohnadresse hat. Dies machte die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen zur Verfahrensergänzung erforderlich. Es stand zwar fest, dass die Kl im relevanten Zeitraum über zwei Anmeldungen verfügte. Zwischen den Parteien war auch nicht strittig, dass sich der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen der Kl (iSd Kriterien des § 1 Abs 8 MeldeG) in der Wohnung an der Adresse Vö* befand. Es wurden aber keine Feststellungen dazu getroffen, welcher Art die Lebensbeziehungen der Kl zur Wohnung an der Adresse Vá*, an der ihr Wohnsitz (lakóhely) angemeldet ist, im relevanten Zeitraum waren. Dies wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren festzustellen haben.

Der OGH führte aus, dass in der Folge noch zu erheben ist, welche Art der Anmeldung nach dem ungarischen Registergesetz für die Kl mit der (konkret festzustellenden) Beziehung zur Wohnung an der Adresse Vá*, und mit der festgestellten Beziehung zur Wohnung Vö* (nämlich als faktischer Wohnort gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Ehemann), geboten ist. Hierbei sind drei Lösungsvarianten offen: Sollte sich ergeben, dass unter den konkreten Lebensumständen der Kl an der Adresse Vö* nach ungarischem Recht die Anmeldung mit einem Aufenthaltsort (tartózkodási hely) geboten war, so wird diese Anmeldung als hauptwohnsitzliche Meldung iSd § 2 Abs 6 KBGG zu qualifizieren sein.

Sollte sich hingegen ergeben, dass die Kl aufgrund ihrer konkreten (ergänzend festzustellenden) Lebensbeziehungen zu den beiden Wohnungen nach ungarischem Recht verpflichtet gewesen wäre, an der Adresse Vö* eine Anmeldung mit einem Wohnsitz (lakóhely) vorzunehmen, kann ihre Meldung mit einem Aufenthaltsort (tartózkodási hely) nicht als hauptwohnsitzliche Meldung iSd § 2 Abs 6 KBGG qualifiziert werden.

Sollte sich ergeben, dass der Kl bei den konkret bestehenden Beziehungen zu den beiden Wohnungen (die, wie ausgeführt, erst vollständig zu klären sind) nach ungarischem Recht freisteht, zwischen den Anmeldungen zu wählen, so kann ihr die Wahl einer zulässigen Anmeldung nicht zum Nachteil gereichen. Die Anmeldung an der Adresse Vö* würde dann dem Erfordernis der hauptwohnsitzlichen Meldung gem § 2 Abs 6 KBGG Genüge tun.