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Begehren auf neuerliche Auszahlung von Rehabilitationsgeld an Erwachsenenvertreterin nach Anweisung an geschäftsunfähige Versicherte – Unzulässigkeit des Rechtswegs

JÖRGTRETTLER

Die Kl war aufgrund ihrer psychischen Erkrankung seit 24.7.2019 nicht in der Lage, ihre Interessen ohne Nachteil für sich selbst zu besorgen. Aus diesem Grund wurde für sie eine Erwachsenenvertreterin bestellt, welche sie auch im Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht betreffend Rehabilitationsgeld vertrat.

Die von der Erwachsenenvertreterin vertretene Kl schloss am 9.10.2019 mit der bekl Pensionsversicherungsanstalt vor dem Arbeits- und Sozialgericht einen Vergleich über das Bestehen eines Anspruchs auf Rehabilitationsgeld. Die Bekl wies der Kl am 12.5.2020 Rehabilitationsgeld in der Höhe von € 14.608,60 direkt an. Die Kl hat den Betrag zwar erhalten, ihn jedoch nicht dazu verwendet, um Besorgungen des täglichen Lebens zu machen oder Verbindlichkeiten abzudecken und er befindet sich nicht mehr in ihrer Verfügungsmöglichkeit. Mit Bescheid vom 8.2.2021 wies die Bekl den Antrag der Kl auf (neuerliche) Auszahlung des Rehabilitationsgeldes (statt an die geschäftsunfähige Kl an deren Vertreterin) ab.

Das Erstgericht gab der gegen den Bescheid der Bekl gerichteten Klage statt. Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts sowie das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Das Berufungsgericht begründete die Entscheidung damit, dass die Kl im Ergebnis lediglich die Überprüfung der Auszahlung des dem Grunde und der Höhe nach unstrittigen Rehabilitationsgeldes begehre, was nach stRsp nicht als Leistungssache iSd § 354 ASVG bzw als Sozialrechtssache iSd § 65 ASGG angesehen werde. Diese Auszahlungsstreitigkeit sei daher wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs den ordentlichen Gerichten entzogen.

Der OGH wies den gegen diese E gerichteten Rekurs der Kl als unberechtigt ab.

Zur Begründung verwies der OGH auf die stRsp. Eine die Zulässigkeit des Rechtsweges eröffnende Sozialrechtssache nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG (der ua auf die in § 354 Z 1 ASVG taxativ aufgezählten Leistungssachen verweist) setze voraus, dass zwischen dem Versicherten und dem Sozialversicherungsträger entweder der Grund oder die Höhe (der Umfang) des Anspruchs auf Versicherungsleistungen oder das Ruhen eines solchen Anspruchs streitig ist (OGH10 ObS 44/20y SSV-NF 34/17). Kern sei die Frage der Gewährung oder Nichtgewährung von Versicherungsleistungen. Die Überprüfung der Auszahlung sei nach stRsp keine Sozialrechtssache.

Soweit ein Pensionsbezieher der Meinung ist, ihm sei ein rechtskräftig zuerkannter Pensionsanspruch nicht ordnungsgemäß ausbezahlt worden, ist daher nach Ansicht des OGH weder ein Bescheid des Sozialversicherungsträgers zu erlassen noch das Arbeits- und Sozialgericht anrufbar. Es stehe aber der Weg der Exekutionsführung offen, weil Bescheide der SV Exekutionstitel nach § 1 Z 11 EO sind.

Der OGH hält fest, dass sich die Kl nur gegen die schuldbefreiende Wirkung der erfolgten Auszahlung an sie persönlich wende und die Auszahlung 401an die Erwachsenenvertreterin begehrte. Da sich die vorliegende Klage somit auf die Überprüfung der Auszahlung des dem Grunde und der Höhe nach unstrittigen Rehabilitationsgeldanspruchs richte, gehe es nicht um die Gewährung oder Nichtgewährung der Versicherungsleistung, sodass kein den Rechtsweg eröffnender Leistungsstreit vorliege.

Auch die Voraussetzungen für die von der Kl im Rekurs geltend gemachte analoge Anwendung von § 65 Abs 1 Z 2 ASGG und § 354 Abs 2 ASVG auf die gegenständliche Rechtssache liegen nach Ansicht des OGH nicht vor. Der von der Kl vertretenen Analogie stehe schon entgegen, dass ein Begehren auf (neuerliche) Auszahlung einer dem Grunde und der Höhe nach unstrittigen Leistung mit der von § 65 Abs 1 Z 2 ASGG erfassten Pflicht zum Rückersatz einer zu Unrecht empfangenen Leistung nicht vergleichbar sei. Dem Rekurs der Kl lasse sich nicht entnehmen, aus welchen konkreten Gründen das Gesetz insofern ergänzungsbedürftig wäre. Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertige die Annahme einer ergänzungsbedürftigen Gesetzeslücke jedenfalls noch nicht.

Mangels Vorliegens einer Sozialrechtssache iSd § 65 Abs 1 Z 1 ASGG oder eines Streits über die Pflicht zum Rückersatz einer zu Unrecht empfangenen Versicherungsleistung nach § 65 Abs 1 Z 2 ASGG hat daher das Berufungsgericht nach Ansicht des OGH die Zulässigkeit des Rechtsweges zutreffend verneint und war der Rekurs der Kl daher abzuweisen.