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Nachsicht von Verzugszinsen nur bei konkreter wirtschaftlicher Gefährdung

ALEXANDERPASZ

In der gegenständlichen E befasste sich der VwGH mit der Frage der Nachsicht von Verzugszinsen. Die revisionswerbende Gesellschaft hatte ihre Tätigkeit im Jahr 2016 eingestellt und befindet sich im Stadium der Liquidation. Gemäß der Bilanz zum 31.12.2018 weist die Gesellschaft einen Bilanzverlust von € 2.927.154,27 bei einem negativen Eigenkapital von € 1.627.154,27 auf. Eine Überschuldung iSd Insolvenzrechts besteht deshalb nicht, weil Gesellschafterdarlehen in Höhe von € 1,630.000,- nachrangig sind. Der ehemalige Gesellschafter und Liquidator leistet weiter Zuschüsse zur Bedienung der Verbindlichkeiten und Sicherstellung einer ordentlichen Liquidation.

Im Zuge einer Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA; nunmehr: Gemeinsame Prüfung Lohnabgaben und Beiträge, GPLB) ist ihr ein Betrag von € 160.844,57 an Sozialversicherungsbeiträgen und ein Betrag von € 22.686,86 an Verzugszinsen nachverrechnet worden. Die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen wurde beglichen. Gegen die Verzugszinsen führte die Gesellschaft das gegenständliche Verfahren, das auf Nachsicht der Zinsen gem § 59 Abs 2 ASVG gerichtet war. Das BVwG wies dieses Ersuchen im Beschwerdeverfahren ab, da die Nachsicht oder Herabsetzung der Zinsen nicht schon bei bloß (anderweitig verursachter) angespannter wirtschaftlicher Lage des Unternehmens oder immer dann zulässig sei, wenn ein Unternehmen Verluste schreibe. Es erklärte jedoch die ordentliche Revision für zulässig, da keine Rsp zur Frage vorliege, ob die Nachsichtsregelung auch auf eine in Liquidation befindliche Beitragsschuldnerin anwendbar sei.

Der VwGH wies die Revision zurück und stellte in weiterer Folge Folgendes fest: Für die Gewährung einer Nachsicht ist nach der Rsp des VwGH erforderlich, dass der Antragsteller durch ein konkretes, mit Beweisanboten untermauertes Vorbringen alle Umstände darlegt, aus denen hervorgeht, dass und in welcher Weise seine wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Einhebung der Verzugszinsen in voller Höhe gefährdet wären. Eine solche Gefährdung kann sich etwa daraus ergeben, dass der antragstellende Beitragsschuldner zur Aufbringung der Mittel für die Entrichtung der Verzugszinsen einen Kredit aufnehmen müsste, dessen Rückzahlung ihn wirtschaftlich gefährden könnte, oder dass er wegen der Bezahlung der Verzugszinsen gehindert wäre, die dafür aufgewendeten Mittel in anderer Weise, etwa zur Tilgung anderer Schulden oder für betriebsnotwendige Investitionen, einzusetzen und dass ihm daraus eine wirtschaftliche Gefährdung erwachsen sei oder erwachsen könnte.

Eine Nachsicht oder Herabsetzung der Zinsen ist nach der Rsp nicht schon bei bloß angespannter wirtschaftlicher Lage des Unternehmens oder immer dann zulässig, wenn ein Unternehmen Verluste schreibt, sondern nur dann, wenn gerade durch die Einhebung der Verzugszinsen eine konkrete wirtschaftliche Gefährdung eintreten würde, die ansonsten nicht gegeben wäre. Dies darzulegen, obliegt im Verfahren dem Beitragsschuldner.

Nachdem die wirtschaftliche Situation der revisionswerbenden Partei „in ihrer Gesamtheit schon seit Jahren prekär“ ist, „sodass eine Gefährdung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft gerade nicht (erst) durch die Einhebung der Verzugszinsen eintritt“ und „auch bislang eine Insolvenz der Gesellschaft nur durch weitere Kapitalzuschüsse von Gesellschafterseite abgewendet werden“ konnte, war die Abweisung der Beschwerde durch das BVwG im Einklang mit der bisherigen Rsp des VwGH. Mangels einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wurde die Revision vom VwGH daher zurückgewiesen.