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Grenzzahl der Elternteilzeit und fallweise Beschäftigung

ANDREASMAIR (INNSBRUCK)
  1. Für die Inanspruchnahme einer Teilzeitbeschäftigung nach § 15h MSchG ist zu prüfen, ob mehr als 20 AN (Grenzzahl) regelmäßig im Betrieb beschäftigt werden.

  2. Für diese Prüfung kommt es nicht auf die jeweiligen Personen, sondern auf die Anzahl der beschäftigten AN an.

  3. Daher können auch fallweise Beschäftigte zu den regelmäßig beschäftigten AN iSv § 15h Abs 3 S 1 MSchG zählen.

1. Aufgabengebiete der Bekl sind die Durchführung von Dopingkontrollen, Informations- und Präventionsarbeit und die Durchführung sportrechtlicher Verfahren. [...]

2. Die Kl ist seit 13.9.2010 im Ausmaß von 38,5 Wochenstunden im Betrieb der Bekl als Büroangestellte beschäftigt und bezog zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von 3.260,51 €. Am 12.7.2018 wurde ihr Sohn geboren, danach befand sie sich in Mutterschutz und in Karenz. Nach der mit der Bekl getroffenen Vereinbarung sollte sie ihren Dienst am 13.7.2020 wieder antreten. Die Kl war in der Abteilung Dopingkontrollsystem (DKS) tätig. Schwerpunkt ist die organisatorische Abwicklung der Dopingkontrollen. Als die Kl ihren Mutterschutz antrat, wurde eine andere Mitarbeiterin (unbefristet) eingestellt.

3. Mit Schreiben vom 21.1.2020 teilte die Kl der Bekl mit, dass sie nach ihrer Karenz ab 13.7.2020 bis 11.10.2025 Elternteilzeit im Ausmaß von 25,5 Stunden pro Woche in Anspruch nehmen wolle mit Arbeitszeiten Dienstag, Mittwoch und Donnerstag, jeweils von 7:45 Uhr bis 16:45 Uhr. Mit Schreiben vom 18.2.2020 teilte die Bekl mit, dass im Betrieb nicht mehr als 20 DN regelmäßig beschäftigt seien und daher kein Anspruch auf Elternteilzeit bestehe.

4. Die in den genannten Abteilungen im Büro der Bekl tätigen (im Juli und August 2020) 14 Mitarbeiter werden intern als Stammmitarbeiter bezeichnet. Weiters gibt es etwa 115 fallweise Beschäftigte (etwa 100 in der Abteilung DKS, etwa 35 davon Einsatzleiter), die zwischen Jänner und Juni 2020 für die Bekl tätig waren. Diese sind in anderen Berufen und für die Bekl über Rahmenvereinbarungen tätig. Sie dürfen zur Sicherstellung der Qualifikation als fallweise Beschäftigte aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen höchstens 13 Sozialversicherungstage pro Monat bzw sechs Tage durchgehend beschäftigt werden. Nach interner Anweisung dürfen diese bei der Bekl einen Tag weniger angemeldet werden. Die Einsatzfrequenz ist unterschiedlich und vom jeweiligen Hauptberuf des Beschäftigten abhängig. Sie führen bei der Bekl (mit Ausnahme einer DN, die auch bei der Lohnverrechnung eingesetzt wurde) ausschließlich Dopingkontrollen durch und halten Vorträge. Die Bekl führt unter normalen Verhältnissen (vor den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie) etwa 3.000 Dopingkontrollen jährlich bzw zwischen sieben und neun täglich (sieben Mal pro Woche) durch. Teils werden mehrere Proben bei einem Event genommen. Bei einer Kontrolle, die durchschnittlich etwa zwei Stunden dauert, müssen mindestens zwei Mitarbeiter anwesend sein.

5. Die Kl begehrt die Feststellung, dass sie die Elternteilzeit zu den von ihr bekannt gegebenen Bedingungen ab 13.7.2020 bis 11.7.2025 antreten könne; in eventu, die Bekl zu verpflichten, in die begehrte Elternteilzeit ab dem 13.7.2020 bis 11.7.2022 einzuwilligen. Im Betrieb der Bekl seien regelmäßig mehr als 20 AN (derzeit zwölf Vollzeitmitarbeiter sowie weitere 180 zumindest regelmäßig beschäftigte DN) beschäftigt. Der von ihr beantragten Elternteilzeit stünden keine sachlichen Ablehnungsgründe der Bekl gegenüber. Es seien die regelmäßig Beschäftigten der letzten zwölf Monate vor dem Antritt der Teilzeitbeschäftigung wesentlich.

6. Die Bekl beantragte Klagsabweisung. Es seien lediglich 14 DN (inklusive Kl und Geschäftsführer) regelmäßig beschäftigt. Darüber hinaus gebe es etliche (auf Basis eines Rahmenvertrags) fallweise Beschäftigte, die in einer unregelmäßigen Beschäftigungsabfolge zum Zweck der Durchführung und Überwachung von Dopingkontrollen oder als Referenten tätig seien. Diese seien durchschnittlich sechs Tage monatlich tätig und könnten Einsätze darüber hinaus ablehnen. Durch die COVID-19- Epidemie fänden keine bzw weniger Sportveranstaltungen (etwa -50 %) und Vorträge (etwa -90 %) statt und würden auch keine bzw weniger fallweise Beschäftigten eingesetzt. Die fallweise Beschäftigten seien nicht regelmäßig im Betrieb beschäftigt. Es bestehe kein Anspruch auf Elternteilzeit nach § 15h MSchG. Auch stünden sachliche Gründe der Teilzeitbeschäftigung entgegen, weil der unbedingt geforderte direkte Informationsfluss bei Aufteilung der Stelle der Kl durch zwei Teilzeitkräfte zwischen Abteilungsleiter, fallweise Beschäftigten und Geschäftsführung nicht gewährleistet sei. Zudem müsste eine weitere Teilzeitkraft aufgenommen werden, weil niemand die Tätigkeiten der Kl übernehmen könne und ein anderer Einsatzbereich nicht möglich sei. Die Kl habe die Meldepflicht betreffend eine vereinbarte Elternteilzeit nicht eingehalten, weil im Schreiben vom 18.1.2020 ausschließlich ein Anspruch auf Elternteilzeit gem § 15k MSchG geltend gemacht worden sei.

7. Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab und gab dem eventualiter erhobenen Leistungsbegehren statt. [...]

8. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl Folge und änderte die Entscheidung iS einer Stattgebung des Hauptbegehrens ab. [...]

9. In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Bekl die Abänderung des Berufungsurteils iS einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

10. Die Kl beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr keine Folge zu geben. 337

11. Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt. [...]

13. Nach § 15h Abs 3 MSchG ist für die Ermittlung der DN-Zahl nach Abs 1 Z 2 leg cit maßgeblich, wie viele DN regelmäßig im Betrieb beschäftigt werden. In Betrieben mit saisonal schwankender DN-Zahl gilt das Erfordernis der Mindestanzahl der DN als erfüllt, wenn die DN-Zahl im Jahr vor dem Antritt der Teilzeitbeschäftigung durchschnittlich mehr als 20 DN betragen hat.

14. Wie zu 9 ObA 39/18b ausgeführt, wird durch die Mindestzahl von 21 DN verhindert, dass der AG in kleineren Betrieben (solchen mit nicht mehr als 20 DN) beim Personaleinsatz vor unlösbare Probleme gestellt wird, zumal hier beim Personaleinsatz typischerweise weniger flexibel agiert werden kann als in größeren Betrieben (vgl ErläutRV 399 BlgNR 22. GP 4.6;

Kraft
, Die neue Elternteilzeit [2004] 22). Erst ab einer bestimmten Anzahl von DN in einem Betrieb – die der Gesetzgeber mit 21 angenommen hat – verfügt ein AG typischerweise über hinreichende personelle Kapazitäten, um die wegen einer Teilzeitbeschäftigung von einer DN nicht mehr zu leistende Arbeit auf andere zu verteilen oder sonst Abhilfe zu schaffen (vgl Ercher/Stech in Ercher/Stech/Langer, Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz [2005] § 15h MSchG Rz 26; Burger, Voraussetzungen der Elternteilzeit nach MSchG und VKG, ZAS 2007, 66 [70]; Schrank/Schrank, Teilzeiten im Arbeitsrecht [ASoK-Spezial November 2015] 91; Schrank in Schrank, Arbeitszeitgesetz6 [2021] § 15h MSchG Rz 18).

15. Wie zu 9 ObA 39/18b (mwN) weiter ausgeführt, differenziert das Gesetz nicht danach, um was für einen DN es sich handelt. Deshalb und zumal der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der durch die Teilzeitbeschäftigung entstehende Ausfall durch die anderen (regelmäßig beschäftigten) DN aufgefangen werden kann, kommt es allein auf deren Zahl, somit die „Zahl der verfügbaren Köpfe“ an (Ercher/Stech aaO; Burger aaO). Irrelevant ist damit, ob es sich um befristet oder unbefristet aufgenommene AN handelt (Ercher/Stech aaO), ebenso mangels Relevanz des Umfangs der Beschäftigung, ob ein DN nur geringfügig beschäftigt ist (Schrank/Mazal, Arbeitsrecht4 [2008] 147; Ercher/Stech aaO Rz 25). Zumal „Dienstnehmer“ iSd Arbeitsvertragsrechts zu verstehen ist und mangels einer diesbezüglichen Unterscheidung sind auch GmbH-Geschäftsführer mit Dienstvertrag und leitende Angestellte mitzuzählen (Kraft aaO 21 f; Wolf, Elternteilzeit [2016] 78). Das Gesetz unterscheidet auch nicht danach, mit wem ein DN einen Dienstvertrag hat, sodass – auch, weil auch sie zum Auffangen der durch die Teilzeitbeschäftigung freiwerdenden Arbeit eingesetzt werden können – dem Betrieb überlassene AN mitzuzählen sind (Ercher/Stech aaO Rz 26; Schrittwieser in Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Thomasberger, Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz3 [2020] 478 f; Schrank/Schrank aaO 91).

16. Wie auch vom Berufungsgericht ausgeführt, ist in diesem Sinne auch ein DN für die Mindestgröße des Betriebs zu berücksichtigen, der auf einem Arbeitsplatz im Betrieb beschäftigt ist, der üblicherweise von nur kurzfristig beschäftigten Personen – dies aber regelmäßig – besetzt wird (Burger, ZAS 2007/11, 71; Kraft aaO 23). Nicht mitzuzählen sind etwa freie DN (ErläutRV 399 BlgNR 22. GP 5 f).

17. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Ermittlung der Anzahl der DN ergibt sich aus einer Zusammenschau des § 15h Abs 1 S 1 MSchG, wonach die DN „zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung“ in einem Betrieb mit mehr als 20 DN beschäftigt sein muss, und des Abs 3 leg cit, wonach für die Ermittlung der DN-Anzahl nach Abs 1 Z 2 leg cit maßgeblich ist, wie viele DN regelmäßig im Betrieb beschäftigt werden.

18. Nach Ercher/Stech (aaO Rz 26) kommt es nicht darauf an, wie viele AN zum Antrittszeitpunkt tatsächlich anwesend sind, sondern wie viele dem AG regelmäßig zur Arbeitsleistung zur Verfügung stehen („Zahl der verfügbaren Köpfe“).

19. Kraft (aaO 23) spricht sich für eine „zumindest analoge Anwendung“ der Durchschnittsberechnung bei saisonal schwankender AN-Zahl aus, auch für den Fall, dass keine Saisonschwankungen, jedoch aus anderen Gründen Schwankungen gegeben sind. Er bezieht sich auf den Willen des historischen Gesetzgebers, der größere Betriebe ganz allgemein als Betriebe mit „mehr als 20 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Jahresdurchschnitt“ definiert (ErläutRV 399dBlg NR 22. GP 3).

20. Nach Schrank (in Schrank, Arbeitszeitgesetz6 § 15h MSchG Rz 22; Schrank/Schrank, Teilzeiten im Arbeitsrecht 92) ist, um die Regelmäßigkeit beurteilen zu können, ein „Blick nach vorne zu richten und die Dauerhaftigkeit bzw Regelmäßigkeit des Personalstandes dynamisch einzuschätzen“. Es sei dabei „von den aktuellen Umständen und Erfahrungswerten auszugehen, unter Bedachtnahme auf den Gesetzeszweck vor allem auch auf die begründet zu erwartende Entwicklung“. Das Kriterium der Regelmäßigkeit der beschäftigten AN stehe dabei im Vordergrund und dieses Kriterium schwäche die bloße Stichtagsbetrachtung ab.

21. Diese Ansichten stehen nicht in Widerspruch zu einer Ermittlung der maßgeblichen AN-Anzahl, wie sie sich aufgrund des Verweises des § 15h Abs 3 MSchG auf § 15h Abs 1 Z 2 MSchG aus einer notwendigen Zusammenschau der beiden Absätze ergibt. Danach ist keine reine Stichtagsbetrachtung vorzunehmen, sondern im Hinblick auf den Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung zu beurteilen, ob mehr als 20 DN regelmäßig im Betrieb beschäftigt werden.

22. Das Berufungsgericht hat auch den Begriff „regelmäßig“ zutreffend auf die Anzahl der DN bezogen und nicht, wie die Revision alternativ erwägt, auf die regelmäßige Beschäftigung der einzelnen DN. Das entspricht nicht nur dem Wortlaut der Bestimmung (arg: „wie viele Dienstnehmer ... regelmäßig beschäftigt werden“), sondern auch dem gesetzlichen Grundgedanken, dass ab einer bestimmten AN-Zahl der Personaleinsatz flexibler gestaltbar ist (oben Pkt 2.), und fügt sich auch zu § 15 Abs 3 S 2 MSchG, wonach bei saisonal schwankender DN-Anzahl das Erfordernis der Mindestanzahl der DN als erfüllt gilt, wenn die DN-Zahl im Jahr vor dem Antritt der Teilzeitbeschäftigung 338 durchschnittlich mehr als 20 DN betragen hat. Es geht somit nicht um die personelle Zusammensetzung, sondern um die regelmäßige zahlenmäßige Stärke der Arbeitnehmerschaft (Kraft aaO 23), sohin um den „Beschäftigtenstand“. Wie häufig und in welchen Intervallen die einzelnen AN herangezogen werden, ist dagegen nicht entscheidend.

23. In der Regel nicht zu berücksichtigen sind folglich vorübergehende, fallweise und nur kurzfristige Über- oder Unterschreitungen der Zahlengrenze (s ErläutRV 399 BlgNR 22. GP 51), weil sie für gewöhnlich das Kriterium der Regelmäßigkeit nicht erfüllen. Aus diesem Grund kann es auch nicht darauf ankommen, ob gerade am Tag des Beschäftigungsantritts selbst mehr als 20 DN beschäftigt sind. Dass hier nicht feststeht, wie viele DN für die Bekl am 13.7.2020 konkret tätig waren, schadet daher nicht.

24. An diesen Grundsätzen ist zu messen, ob fallweise Beschäftigte zu den „regelmäßig im Betrieb“ beschäftigten DN zu zählen sind.

25. Fallweise Beschäftigte sind Personen, die in unregelmäßiger Folge tageweise beim selben DG beschäftigt werden und deren Beschäftigung kürzer als eine Woche vereinbart ist (§ 33 Abs 3 ASVG). Dabei handelt es sich um einen Begriff aus dem Sozialversicherungsrecht, der für die arbeitsrechtliche Beurteilung nicht ausschlaggebend ist (9 ObA 55/20h [Pkt 4.]). Maßgeblich ist vielmehr die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse dieser Personen, nämlich die unregelmäßige unterbrochene Aneinanderreihung verschiedener, kurzzeitig befristeter Dienstverhältnisse. Aus arbeitsrechtlicher Sicht handelt es sich bei solchen fallweisen Beschäftigungen um aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse auf Basis einer Rahmenvereinbarung (8 ObA 8/14f [Pkt 2.] mwN). Da es für die Berücksichtigung eines DN weder auf die Befristung noch auf den Umfang der Beschäftigung ankommt, sind diese DN für die Mitarbeiterzahl nach § 15h Abs 1 S 1 Z 2 MSchG nicht von vornherein unerheblich, sondern bei der Prüfung des Beschäftigtenstands im dargelegten Sinn der Anzahl der regelmäßig beschäftigten DN zu berücksichtigen.

26. Dass es sich im konkreten Fall um freie DN handle, die bei der Ermittlung der DN-Anzahl nicht zu berücksichtigen wären, behauptet die Bekl nicht.

27. Die Situation bei der Bekl stellte sich für den Zeitpunkt des begehrten Antritts der Teilzeitbeschäftigung der Kl so dar, dass sie 14 Stammmitarbeiter und etwa 115 fallweise Beschäftigte hatte. Sie führt durchschnittlich etwa zwischen sieben und neun Doping-Kontrollen täglich durch, wobei teils mehrere Proben bei einem Event genommen werden und bei einer Kontrolle mindestens zwei Mitarbeiter anwesend sein müssen. Wie die Bekl vorbrachte, ist der größte Teil der DN im Durchschnitt sechs Mal im Monat im Einsatz. Aus der vom Erstgericht dem Urteil beigefügten Beil ./5, einer Art „Einsatzliste“, geht überdies hervor, dass im Zeitraum Jänner bis Juni 2020 mindestens sieben vom Berufungsgericht exemplarisch genannte AN wiederholt (in fünf von sechs Monaten) für die Bekl tätig wurden, davon jeder einzelne monatlich durchschnittlich 16 bis 93 Stunden in diesen sechs Monaten. Mit Ausnahme von März/April 2020 (erster Lockdown) waren in den einzelnen Monaten jeweils mehr als 35 Mitarbeiter für die Bekl tätig, im Juni 2020 etwa 49 Mitarbeiter an 27 Tagen. Das Berufungsgericht führte aus, dass begründet zu erwarten sei, dass zumindest sieben DN auch weiterhin in einer ähnlichen Häufigkeit zur Dienstleistung herangezogen werden. Das wird in der Revision auch nicht in Frage gestellt. Bei dieser Sachlage kann aber zwanglos davon ausgegangen werden, dass eine Anzahl von mindestens sieben fallweise zum Einsatz kommende DN nicht nur der Abdeckung eines bloß kurzfristigen und vorübergehenden, sondern eines laufend, nämlich nahezu täglich wiederkehrenden Bedarfs der Bekl dient. Ausgehend vom Beurteilungszeitpunkt 13.7.2020 ist damit nicht weiter zweifelhaft, dass die Bekl regelmäßig insgesamt mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt.

28. Der Umstand, dass die Tätigkeiten der Kl und der fallweise Beschäftigten nicht ident sind, ist für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 15h MSchG nicht relevant. Der Gesetzgeber fordert keine Prüfung, ob genügend AN mit vergleichbaren Tätigkeiten vorhanden sind, sondern stellt typisierend darauf ab, dass ab einer DN-Zahl von 21 betrieblich eine Umschichtung der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte möglich und zumutbar ist. [...]

30. Zusammenfassend ist für die Inanspruchnahme einer Teilzeitbeschäftigung im Hinblick auf § 15h Abs 3 MSchG für den Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung zu prüfen, ob mehr als 20 DN regelmäßig im Betrieb beschäftigt werden. Da es dafür nicht auf die jeweiligen Personen, sondern auf die Anzahl der beschäftigten DN ankommt, können auch fallweise Beschäftigte zu diesen zu zählen sein. Da die Voraussetzung einer regelmäßigen Beschäftigung von mehr als 20 DN hier unter Berücksichtigung der fallweisen Beschäftigten der Bekl erfüllt ist, besteht der Anspruch der Kl auf die begehrte Teilzeitbeschäftigung iS ihres Hauptbegehrens zu Recht. Der Revision der Bekl ist keine Folge zu geben. [...]

ANMERKUNG

In der vorstehend abgedruckten E beschäftigt sich der OGH mit der Frage der Zuordnung von fallweise beschäftigten AN zu der für die Realisierung des „großen Anspruchs“ (so Schrank, Arbeitszeit – Kommentar6 [2021] Vor §§ 15h ff Rz 5) auf Elternteilzeit gem § 15h Abs 1 Z 2 MSchG zu erfüllenden Grenzzahl (OGH9 ObA 39/18b Arb 13.502 = DRdA-infas 2018/167, 300 [Kaltschmid]) von 21 AN. Diese Rechtsfrage wird vom OGH in seiner E – mE zutreffenderweise – bejaht.

1.
Normative Vorgaben

§ 15h Abs 1 MSchG macht den Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung von der Erfüllung folgender Voraussetzungen abhängig: Zum einen muss das 339 Arbeitsverhältnis der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung bereits ununterbrochen drei Jahre gedauert haben (§ 15h Abs 1 Z 1 MSchG; Karout/Schrittwieser, Mutterschutz – Karenz – Elternteilzeit2 [2021] 108). Zum anderen ist gefordert, dass die wöchentliche Normalarbeitszeit um mindestens 20 % reduziert wird und dabei das Mindestausmaß von zwölf Stunden nicht unterschreitet (§ 15h Abs 1 Z 3 MSchG). Als Drittes ist die Größe des Betriebs in den Blick zu nehmen, da der „große Anspruch“ auf Elternteilzeit nur für AN in solchen Betrieben (iSd Betriebsverfassungsrechts) in Frage kommt, in dem zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung mehr als 20 AN beschäftigt sind (§ 15h Abs 1 Z 2 MSchG). § 15h Abs 3 MSchG präzisiert dabei die Modalitäten für die Ermittlung der Erfüllung dieser Grenzzahl dahingehend, dass nur jene AN gezählt werden dürfen, die „regelmäßig im Betrieb beschäftigt werden“.

2.
„Fallweise Beschäftigte“ als arbeitsrechtliche Beschäftigungskategorie

In dem vom OGH zu entscheidenden Fall war zu klären, ob auch die bei der Bekl fallweise beschäftigten AN für die Erreichung der Grenzzahl von 21 AN mitzuzählen sind. Bei dem Begriff „fallweise Beschäftigte“ handelt es sich um einen genuin sozialversicherungsrechtlichen Begriff, der in § 33 Abs 4 ASVG Erwähnung im Zusammenhang mit vereinfachten An- und Abmeldevorschriften zur SV findet (Schiechtl, Arbeitsrechtliche Probleme der Gelegenheitsarbeit, JAS 1 [2017] 109 [114]). Dort werden als fallweise beschäftigte Personen jene angesehen, die in unregelmäßiger Folge tageweise beim selben DG beschäftigt werden und deren Beschäftigung kürzer als eine Woche vereinbart ist (siehe dazu Mosler in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 34 ASVG Rz 15 ff).

Im vorliegenden arbeitsrechtlichen Kontext stößt die pauschale Übernahme der aus dem Bereich der SV stammenden Begrifflichkeit aber auf Bedenken. So macht etwa Schiechtl ( JAS 1 [2017] 114 f) darauf aufmerksam, dass eine undifferenzierte Übernahme des sozialversicherungsrechtlichen Begriffsverständnisses dazu führen kann, Sachverhaltskonstellationen und Rechtsprobleme unter diesem Begriff abzuhandeln, die aus der sozialversicherungsrechtlichen Perspektive nicht mehr als fallweise Beschäftigung einzuordnen sind und schlägt daher für den arbeitsrechtlichen Bereich den Begriff „Gelegenheitsarbeit“ als Bezeichnung für jene Arbeitsverhältnisse vor, die sich durch die Vereinbarung kurzer Befristungen auszeichnen. Auch Mosing (Die fallweise Beschäftigung im Arbeits- und Sozialrecht, ZAS 2014/41, 244 [245]) betont die eigenständige Bedeutung des Begriffs der fallweisen Beschäftigung im Sozialversicherungsrecht und charakterisiert – im arbeitsrechtlichen Zusammenhang betrachtet – als fallweise Beschäftigungen befristete Arbeitsverhältnisse, die die sozialversicherungsrechtlichen Kriterien für eine fallweise Beschäftigung erfüllen. Der OGH trennt in seiner E vom 27.2.2014, 8 ObA 8/14f, klar zwischen dem aus dem Sozialversicherungsrecht stammenden Verständnis von fallweise beschäftigten Personen und der arbeitsrechtlichen Perspektive, die – nach Ansicht des OGH – fallweise Beschäftigungen als zulässige aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Rahmenvereinbarung als rechtliche Klammer einordnet (OGH8 ObA 8/14f).

3.
Bewertung

Die Bedenken gegen eine pauschale Übernahme des sozialversicherungsrechtlichen Begriffsverständnisses von fallweise beschäftigten Personen in das Arbeitsrecht teilt auch der OGH in der vorliegenden E. Dies ist zutreffend, da ansonsten der unvoreingenommene Blick auf die von § 15h Abs 1 Z 2 iVm Abs 3 MSchG vorgegebene Grenzzahl schon mit einem (aus dem Sozialversicherungsrecht stammenden) Verständnis vorgeprägt wird, das aber dem Sinn und Zweck der arbeitsrechtlichen Regelungen nicht entspricht. Die gesetzlich fixierte Zahl von 21 AN will nämlich eine Grenzziehung zwischen jenen Betrieben erreichen, in denen Teilzeitwünsche von AN aufgrund des relativ geringen Mitarbeiterstamms den AG vor unlösbare Probleme beim Personaleinsatz stellen (so ErläutRV 399 BlgNR 22. GP 6) und solchen Betrieben, wo aufgrund des 20 AN übersteigenden Personalstamms der Gesetzgeber von einer – typischerweise gegebenen – Möglichkeit für AG ausgeht, Teilzeitwünsche von AN aufgrund der Verteilung der Arbeit auf andere AN unproblematisch erfüllen zu können. Dementsprechend kommt es für die Errechnung der Grenzzahl tatsächlich nur auf die reine Anzahl von beschäftigten AN an, ohne dass näher geprüft werden müsste, in welchem Beschäftigungsausmaß die AN ihrer Tätigkeit im Betrieb nachgehen (damit sind auch geringfügig Beschäftigte und Teilzeitbeschäftigte mitzuzählen: Schrittwieser in Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Bauer, Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz [2020] § 15h MSchG Rz 61; P. Wolf, Elternteilzeit [2016] 78; Schrank/Schrank, Teilzeiten im Arbeitsrecht [2015] 91). Plastisch wird von der „Zahl der verfügbaren Köpfe“ (OGH9 ObA 39/18b Arb 13.502 = DRdA-infas 2018/167, 300 [Kaltschmid]; Ercher/Stech/Langer, Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz [2005] § 15h MSchG Rz 26) bzw von der „Zählung nach Köpfen“ (F. G. Burger, Voraussetzungen der Elternzeit nach MSchG und VKG, ZAS 2007/11, 66 [70]; siehe auch Schrank, Arbeitszeit – Kommentar6 Vor §§ 15h ff Rz 18 und Marat, MSchG2 [2020] § 15h Rz 10) gesprochen, anhand derer zu eruieren ist, ob die Grenzzahl von 21 AN erreicht wird oder nicht.

Allerdings erfordert § 15h Abs 3 MSchG bei fallweise beschäftigten AN eine nähere Auseinandersetzung mit dem Kriterium der „regelmäßigen Beschäftigung“. Dies deshalb, weil als Wesensmerkmal einer fallweisen Beschäftigung die zwischen AN und AG getroffene Vereinbarung eines unregelmäßigen Arbeitseinsatzes gesehen wird (Mosing, ZAS 2014/41, 247). Allerdings muss kein unauflösbarer Gegensatz zwischen dem arbeitsrechtlichen Verständnis einer fallweisen Beschäftigung und dem von § 15h Abs 3 MSchG aufgestellten Erfordernis einer regelmäßigen Beschäftigung bestehen (so auch OLG Wien9 Ra 22/21b ARD 6755/8/2021). Dies dann, wenn ausgehend vom normativen Zweck der Grenzzahl, die im Betrieb zur Abdeckung des teilzeitbedingten Arbeitsausfalls verfügbaren AN in den Blick zu nehmen (Ercher/Stech/Langer, Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz § 15h MSchG Rz 26; F. G. Burger, ZAS 2007/11, 70), die Regelmäßigkeit einer Beschäftigung so verstanden wird, dass damit auf einen wiederkehrenden (bzw ständigen: OLG Wien9 Ra 22/21b ARD 6755/8/2021) Bedarf des AG an der Beschäftigung rekurriert wird. Ein solcher Bedarf kann – wie der OGH zutreffend festhält – aber auch durch den Einsatz von fallweise beschäftigten AN abgedeckt werden.