PototzkyFremdsprache im Arbeitsverhältnis

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2020, 339 Seiten, € 102,70

MARCOSTADLBERGER (SALZBURG)

Mit der hier veröffentlichten Dissertation an der Universität Würzburg aus dem Jahr 2019 leistet Pototzky vor allem einen Beitrag zur Verteilung des sogenannten Sprachrisikos im Arbeitsverhältnis zwischen AN und AG. Der seit den 1960er-Jahren etablierte Begriff des „Sprachrisikos“ für Verständigungsprobleme wegen mangelnden (Fremd-)Sprachkenntnissen lässt insofern schmunzeln, ist doch Sprachverwirrung und Sprachentwirrung seit jeher die ständige Aufgabe des Juristen. Wer aufgrund des Publikationstitels Lösungsansätze für fremdsprachige Erklärungen durch ausländische AN vermutet (zB Krankschreibungen von ausländischen ÄrztInnen, fremdsprachige Kündigung oder Leistungsnachweise), wird enttäuscht. Die Darstellung Pototzkys455 zum Sprachrisiko fokussiert vorrangig auf (deutschsprachige) Erklärungen und (Leistungs-)Anforderungen des AG. Die ersten beiden Drittel widmen sich dem Individualarbeitsrecht und das letzte Drittel der Betriebsratsarbeit. Pototzky bietet für die Rechtswissenschaft damit einen Überblick von der Stellenanzeige bis zur Kündigung auf Basis der allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

Es gibt nur wenige arbeitsrechtliche Bestimmungen zu Kommunikationsproblemen aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse im deutschen und österreichischen Arbeitsrecht: Nach der dt Betriebsratswahlordnung (§ 2 Abs 5 WO) hat der Wahlvorstand ausländische (!) AN, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, über Wahlverfahren, Listen, Wahlvorgang und Stimmabgabe in geeigneter Weise zu unterrichten – bei sonstiger Anfechtbarkeit der Wahl – und laut § 11 Abs 3 des dt AÜG muss „nichtdeutschen“ Leih-AN ein Merkblatt mit dem wesentlichen Inhalt des dt AÜG in ihrer jeweiligen Muttersprache übergeben werden. Außerhalb der Arbeitskräfteüberlassung wird eine Übersetzungspflicht des AG, etwa des Dienstzettels, Arbeitsvertrags, Kündigungsschreibens e contrario von der Rsp und hL verneint. Auch der offensichtlich sprachunkundige AN muss den unterschriebenen Arbeitsvertrag vollumfänglich gegen sich gelten lassen – so als habe er diesen ungelesen unterschrieben. Der AN hätte ja um Bedenkzeit bitten und sich auch bei einem Bruttomonatslohn iHv € 900,– selbst um eine Übersetzung kümmern können (vgl BAG 19.3.2014, 5 AZR 252/12 [B] im Falle eines portugiesischen Fernfahrers, der in Portugal einen deutschsprachigen Arbeitsvertrag mit einer dt Spedition unterschrieben hatte, ohne diesen zu verstehen, und damit eine ungünstige Verfallsklausel hinnehmen muss).

Auch bei Formulararbeitsverträgen, auf welche die AGB-Kontrolle Anwendung findet, scheitert der Vertragsabschluss nicht an der Einbeziehungskontrolle trotz offensichtlicher Sprachunkenntnis (ähnlich in Österreich vgl RS0118970, RS0112313) und bei der Inhaltskontrolle sei ein deutschsprachiger AN als Empfängermaßstab heranzuziehen. Nur unter dem Titel des Transparenzgebots eilt dann wenigstens das europäische Verbraucherschutzrecht dem fremdsprachigen AN bei auch für deutschsprachige AN unverständlichen Arbeitsvertragsklauseln zur Hilfe und führt zur Nichtigkeit einzelner Arbeitsvertragsklauseln (vgl nochmals BAG 19.3.2014, 5 AZR 252/12 [B]).

Selbst bei den in Deutschland dem Schriftformgebot unterliegenden Kündigungen (§ 623 BGB) bildet die Frage des Zugangs (§ 130 BGB) einer unverstandenen Erklärung kein Hindernis, wird doch nach der Empfangstheorie nicht die tatsächliche Kenntnisnahme, sondern das Eintreten in den Machtbereich des Empfängers als ausreichend für einen Zugang angesehen. Es obliegt dem Erklärungsempfänger, sich um eine Übersetzung des Arbeitsvertrages zu bemühen. Lediglich bei mündlichen Erklärungen in einer Sprache, die der AN nicht versteht, wird aufgrund faktischer Unmöglichkeit nicht von einem solchen Erklärungszugang mangels Möglichkeit zur Kenntnisnahme ausgegangen. Regelmäßig liege aber trotz offensichtlicher Sprachunkundigkeit des AN bei Abschluss eines Arbeitsvertrags keine Arglist oder Täuschung durch den AG vor. Die Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB führe daher faktisch nie zu einer (partiellen) Nichtigkeit des Arbeitsvertrags. Freilich stellt sich auch die Frage, durch welche Regelungen ein nichtiger deutscher Arbeitsvertrag überhaupt ersetzt werden könnte. Wahrscheinlich fällt es da in Österreich leichter, vom Wortlaut des Arbeitsvertrags zugunsten des faktischen Arbeitsverhältnisses abzuweichen und unklare Klauseln bzw sogar einen Dissens über die essentialia negotii mit dispositiven kollektivvertraglichen Regelungen zu füllen, die in Deutschland mangels kollektivvertraglicher Abdeckung fehlen. Pototzky repliziert die ganze juristische Batterie des bürgerlichen Rechts, vergisst dabei jedoch die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht und vorvertragliche Aufklärungspflicht des AG in ausreichendem Maße zu würdigen. Dem sprachunkundigen AN in Deutschland weht der eisige Hauch der Privatautonomie des 19. Jahrhunderts aber auch unabhängig von der Position der Autorin besonders entgegen, da sich die Diskussion und Rsp stärker am Wortlaut des Arbeitsvertrags klammert als in Österreich.

Während die Sprachanforderungen bei Stellenausschreibung und Bewerbungsprozess relativ pauschal als nicht diskriminierend bewertet werden, bringt Pototzkys Bearbeitung zur Fremdsprache als Arbeits- und Leistungssprache mehr Erkenntnis. Dabei wird gekonnt mit der Literatur vertreten, dass mittels des Direktionsrechtes die Arbeits- und Leistungssprache grundsätzlich beliebig verändert werden kann. Oft könne das Erlernen einer Fremdsprache dabei eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis sein und eine Weigerung eine verhaltensbedingte oder personenbedingte Kündigung rechtfertigen. Die Änderung betrieblicher Sprachregelungen unterliegt jedoch jedenfalls der Mitbestimmung im Rahmen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der AN nach § 87 Abs 1 Nr 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), insoweit die Sprachregelung das innerbetriebliche Ordnungsverhalten betrifft, nicht aber bei einer bloßen Änderung der Arbeitssprache bzw Leistungssprache zB gegenüber Kunden.

Das letzte Drittel widmet sich der Betriebsratsarbeit. Für die interne Gremienarbeit im BR wird nur für den europäischen BR (EBR) eine ausdrückliche Pflicht des AG normiert, Dolmetscherkosten zu tragen (vgl § 16 EBRG). Pototzky argumentiert außerhalb des EBR restriktiv gegen eine Übernahme von Dolmetscherkosten für die interne Kommunikation durch den AG (Betriebsratsmitglieder hätten möglichst selbst Übersetzungen vorzunehmen).

Angesichts der beträchtlichen Zahl fremdsprachiger AN ist auch in Österreich dringend eine rechtswissenschaftliche Diskussion zu Verständigungsschwierigkeiten im Arbeitsrecht notwendig. Bisher ist nur bei der Entsendung bzw Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich ausdrücklich gesetzlich Vorsorge getroffen, damit die örtliche Bürokratie die Arbeitsverträge versteht – nicht jedoch die fremdsprachigen AN (vgl die Vorschrift im österreichischen § 22 Lohn- und Sozialdumping- Bekämpfungsgesetz [LSD-BG], dass der Arbeitsvertrag in deutscher oder in englischer Sprache bereitzuhalten ist). Die Dissertation Pototzkys bietet jedenfalls eine quellenreiche theoretische Basis für die notwendige Diskussion in Österreich. 456