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GmbH & Co KG: Annexzuständigkeit bei Drittanstellung

MARTINAUER (SALZBURG)
  1. Die Komplementär-GmbH wird auch bei Kündigung des Drittanstellungsvertrages ihres Geschäftsführers mit der KG durch ihre Gesellschafter vertreten.

Der Kl schloss im Dezember 2014 mit der bekl GmbH & Co KG einen „Geschäftsführer-Dienstvertrag“, mit dem er zum Geschäftsführer ihrer Komplementär- GmbH berufen wurde [...]. Auf Seiten der bekl GmbH & Co KG wurde der Dienstvertrag durch den „Gesellschafterausschuss“, dieser wieder vertreten durch den aus drei Personen bestehenden „Personalausschuss“, unterfertigt. Als Kündigungsfrist waren 12 Monate vereinbart.

[...] Zum Zeitpunkt der Kündigung des Kl waren außer ihm selbst noch zwei weitere Geschäftsführer der GmbH bestellt. Auch im Gesellschaftsvertrag der GmbH übertragen die Gesellschafter ihre Befugnisse in gleicher Weise wie bei der KG einem aus sechs Mitgliedern bestehenden Gesellschafterausschuss, der aus denselben sechs Personen besteht wie jener der Bekl. Der Gesellschafterausschuss der GmbH hat seine Befugnisse in Personalangelegenheiten einem aus drei Personen bestehenden Personalausschuss übertragen.

Am 5.6.2018 erhielt der Kl ein Kündigungsschreiben zum 30.6.2019, das im Namen der Bekl von den Mitgliedern des „Personalausschusses“ unterfertigt war. Noch im Juni 2018 erhielt der Kl auch eine von allen Mitgliedern des „Gesellschafterausschusses“ unterfertigte Ausfertigung des Kündigungsschreibens.

Als Geschäftsführer der GmbH wurde der Kl aufgrund eines am 15.6.2018 eingelangten Antrags (Abberufung vom 14.6.2018) am 26.6.2018 im Firmenbuch gelöscht.

Der Kl begehrt die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis über den 30.6.2019 hinaus bis zum 30.9.2019 gedauert habe. Der Personalausschuss sei weder organschaftlich für die Bekl vertretungsbefugt gewesen, noch sei er von den Geschäftsführern der GmbH zum Ausspruch der Kündigung bevollmächtigt gewesen. [...]

Die Bekl wandte ein, die Beendigung von Dienstverträgen mit Geschäftsführern obliege nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH dem Gesellschafterausschuss, der die vom Personalausschuss ausgesprochene Kündigung nachträglich genehmigt habe. Diese Zuständigkeit erstrecke sich auch auf die Willensbildung der GmbH in ihrer Eigenschaft als geschäftsführende Komplementärin der bekl KG. [...]

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. [...] Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Kl Folge und dem Klagebegehren statt. [...]

Die Revision ist berechtigt.

[...]

3. [...] Die organschaftliche Bestellung erfolgt nach § 15 Abs 1 GmbHG, die Abberufung nach § 16 Abs 1 GmbHG durch die Gesellschafter. Kommt der Anstellungsvertrag zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH zustande, sind Parteien des Vertrags der Geschäftsführer und die Gesellschaft (RS0059354), die dabei nach herrschender Ansicht auch hiebei durch die Gesellschafter vertreten wird. Diese Auffassung wird damit begründet, dass ein Auseinanderfallen von Bestellungs- und Anstellungszuständigkeit ohne eine entsprechende Satzungsbestimmung oder einen Gesellschafterbeschluss nicht angenommen werden könne, weil dies die Möglichkeit biete, über das Anbot besonders schlechter Anstellungsbedingungen die Verwirklichung des Bestellungsbeschlusses praktisch zu vereiteln. In umgekehrter Richtung könnte ein Auseinanderfallen der Kompetenzen durch lange Befristung, Einräumung von Abfertigungsansprüchen, Pensionsregelung usw die jederzeitige Widerrufbarkeit der Geschäftsführerbestellung in finanzieller Hinsicht erschweren oder wirtschaftlich unmöglich machen [...]. Nach der Rsp soll ein Gleichklang von Anstellung und Bestellung einerseits bzw Abberufung und Entlassung andererseits bestehen (8 ObA 170/97a). [...]

4. Es entspricht in diesem Sinn der stRsp, dass bei gleichzeitiger Abberufung als Geschäftsführer der GmbH und Kündigung des Anstellungsvertrags dasselbe Organ wie schon für die Bestellung und Anstellung, nämlich die Generalversammlung, zuständig ist (vgl 9 ObA 246/98m, 9 ObA 71/09w= RS0059817 [T1]; 8 ObA 49/11funter Hinweis auf Mosler, Arbeitsrechtliche Aspekte der Beendigung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers einer GmbH, wbl 2002, 49), und nur für die Auflösung des Anstellungsverhältnisses eines bereits abberufenen Geschäftsführers die verbliebenen oder neu bestellten Geschäftsführer (RS0059817 [T2]; 8 ObA 49/11f).

[...]

6. Im Anlassfall wurde der Anstellungsvertrag des Kl nicht mit der GmbH, sondern mit der von ihr vertretenen bekl GmbH & Co KG geschlossen. Während die Revisionswerberin die These vertritt, dass die Gesellschafter der GmbH im Annex ihrer Bestellungs- und Abberufungskompetenz auch für die KG als organschaftliche Untervertreter der Komplementär-GmbH zuständig sind, stehen das Berufungsgericht und der Kl auf dem Standpunkt, dass die GmbH als geschäftsführende Gesellschafterin der KG nur durch ihre (verbliebenen) Geschäftsführer wirksam handeln könne und eine Übertragung ihrer Befugnisse an den Gesellschafterausschuss nicht zulässig sei. [...]

7. In der Literatur und (deutschen) Rsp werden sowohl die Rechtsposition des Kl als auch jene der Bekl vertreten. [...]

8. In der Zusammenschau des dargestellten Meinungsstandes kann festgehalten werden, dass eine subsidiäre Kompetenz der Gesellschafter der Komplementärin zur Kündigung des Drittanstellungsvertrags ihres Geschäftsführers mit der KG dann unbestritten ist, wenn keine weiteren Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Anzahl vorhanden sind. Die in der Literatur immer wieder genannten Gründe, aus denen die Bestellung und (direkte) Anstellung von Geschäftsführern den Gesellschaftern 430 der GmbH zugewiesen ist, insb die Vermeidung von Interessenkonflikten, schlägt in gleicher Weise auch auf das Verhältnis zur KG durch. Als persönlich haftende Gesellschafterin ist die GmbH von Begründung und Beendigung sowie Bedingungen eines Geschäftsführerdienstvertrags zur KG wirtschaftlich unmittelbar betroffen.

Wesentlich für die Annexkompetenz spricht auch, dass die Gesellschafter als oberstes Organ der GmbH immer durch (zulässige) Weisungen an die Geschäftsführer unmittelbar in die Gesellschaft eingreifen können. Die Geschäftsführer haben solche Weisungen zu befolgen (§ 20 GmbHG).

Es macht in der Praxis keinen wesentlichen Unterschied, ob die Gesellschafter der Komplementärin den verbleibenden Geschäftsführern Weisung zur Kündigung ihres Kollegen erteilen und diese die Weisung umzusetzen haben, oder ob die Gesellschafter den Kündigungsentschluss unmittelbar im Wege der subsidiären Kompetenz durchsetzen können. Gesteht man den Gesellschaftern diese Kompetenz zu, sichert dies ihre unbefangene Entscheidung bei der Organbestellung und deren Widerruf, weil diese Kompetenz dann in keiner Weise durch eine Vorwegnahme von Abschluss oder (Nicht-)Auflösung des Anstellungsvertrags durch die Geschäftsführung unterlaufen werden kann.

Es ist daher der Rechtsansicht der Vorzug zu geben, dass die Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags des Geschäftsführers der Komplementärgesellschaft einer GmbH & Co KG vor seiner gesellschaftsrechtlichen Abberufung ebenso in die Kompetenz der Gesellschafter der GmbH fällt wie die Kündigung eines unmittelbar zur GmbH bestehenden Geschäftsführervertrags.

9. Die Zulässigkeit von § 11 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags der GmbH, wonach dem aus denselben Personen wie dem Gesellschafterausschuss der Bekl bestehenden Gesellschafterausschuss der GmbH die Befugnis übertragen wird, die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Geschäftsführern, insb Abschluss, Abänderung und Aufhebung von Dienstverträgen mit diesen, zu übernehmen, wurde als solche vom Kl nicht in Zweifel gezogen (vgl Koppensteiner/Rüffler, aaO § 35 GmbHG Rz 48 ff; Enzinger in Straube, WK GmbHG § 35 [Stand 1.8.2013] Rz 118 ff; Kalss in Kalss/Kunz [Hrsg], Handbuch für den Aufsichtsrat2 [2016] GmbHG Rz 23 ff; vgl auch 9 ObA 130/05s). Die Mitglieder des Gesellschaftsausschusses der GmbH haben nach dem Sachverhalt noch im Juni 2018 ein Kündigungsschreiben an den Kl übermittelt, mit dem die zunächst vom Personalausschuss ausgesprochene Auflösungserklärung bestätigt und die ursprüngliche Kündigungsfrist jedenfalls gewahrt wurde. Aufgrund der Annexkompetenz war der Gesellschaftsausschuss in dieser Angelegenheit iSd obigen Ausführungen als Vertreter der Komplementärin auch zur Vertretung der Bekl als DG berechtigt.

ANMERKUNG

Der OGH bejaht in sorgsamer Auswertung von Literatur und höchstgerichtlicher (deutscher) Judikatur eine Annexzuständigkeit der Gesellschafter für den Fall der Drittanstellung. Das überzeugt. Ausgangspunkt ist dabei, dass schon für den Anstellungsvertrag in der GmbH – mangels anderweitiger Regelung in der Satzung – die Gesellschafter, als das Bestellungsorgan, zuständig sind. Das folgt zum einen aus der Überlegung, dass ansonsten die Bestellungsentscheidung durch unangemessene Anstellungsbedingungen konterkariert werden könnte. Umgekehrt könnte aber durch besonders vorteilhafte Bedingungen – lange Befristung, fürstliche Abfertigungsregelungen – die grundsätzlich jederzeitige Abberufung nach § 16 Abs 1 GmbHG jedenfalls wieder wirtschaftlich verunmöglicht werden. Letztendlich soll also die Annexzuständigkeit die unbefangene Entscheidung der Gesellschafter hinsichtlich Bestellung/Abberufung absichern. Dies soll insb nicht durch eine vorweggenommene Entscheidung der Geschäftsführung hinsichtlich Abschluss bzw Auflösung des Anstellungsvertrages unterlaufen werden können.

Das gilt nun aber ebenso für den praktisch bei der GmbH & Co KG bedeutsamen Fall der Drittanstellung in der KG. Denn die Komplementärin ist zumeist bloß reine Arbeitsgesellschafterin und erhält nur eine Haftungsrisikoprämie. Der Entlohnungsanspruch ihres Geschäftsführers wird über die Drittanstellung gewahrt. Für die Haftung des Geschäftsführers gegenüber der KG ist demnach nach der Rsp beachtlich, dass die Komplementär- GmbH oft rein formal als Zwischenglied „vorgeschoben“ wird, wenn sie außerhalb der Geschäftsführung für die Kommanditgesellschaft keine anderen Aufgaben wahrnimmt. Der GmbH-Geschäftsführer wird in diesem Fall organschaftlich mittelbar bzw faktisch für die Kommanditgesellschaft tätig. Seine wesentliche Tätigkeit wirkt sich direkt bei der Kommanditgesellschaft aus (vgl zB die zit OGH-E 23.2.2016, 6 Ob 171/15p). Zu Recht hält der OGH aber hier andererseits fest, dass die Komplementärin, als persönlich über § 128 UGB unbeschränkt haftende Gesellschafterin, unmittelbar betroffen ist. Deswegen ist es auch hier nur konsequent, die Kompetenz zur Anstellung/ Kündigung mit der zur Bestellung/Abberufung gleichlaufen zu lassen. Für den Fall, dass nur die Kündigung oder so wie hier zeitlich vor der Abberufung ausgesprochen wird, bleibt dem Geschäftsführer immer noch der Rücktritt nach § 16a GmbHG. Insofern hilft aber auch die Feststellung, dass es herrschender Meinung entspricht, dass wenn keine weiteren Geschäftsführer in vertretungsbefugter Anzahl vorhanden sind, ohnedies die subsidiäre Kompetenz der Gesellschafter der Komplementärin zur Kündigung des Drittanstellungsvertrages ihres Geschäftsführers mit der KG eingreift, nicht wirklich weiter. Denn dieser Umstand ist dem allgemeinen Vertretungsnotstand bzw der Tatsache geschuldet, dass die Gesellschaftergesamtheit nun einmal oberstes willensbildendes Organ der GmbH ist. Außerdem kommt hinzu, dass der Geschäftsführer wohl kaum seine eigene Kündigung betreiben wird.

Zutreffend ist indes der Hinweis, dass die Gesellschafter zur Kündigung in der KG anweisen könn- 431 ten. In rechtlicher Hinsicht ist das jedoch nicht ausschlaggebend, vielmehr handelt es sich um eine praktische Erwägung. Denn dieses Argument ließe sich ebenso für den Anstellungsvertrag führen und würde dann ganz generell für eine Zuständigkeit der Geschäftsführung sprechen. Zentral ist indes der Gedanke, die Entscheidung der Gesellschafter auch gegenüber der Geschäftsführung, und zwar unmittelbar, abzusichern. Dazu eignet sich letztendlich nur die Annexzuständigkeit, etwaige Schadenersatzansprüche indes nicht.

Sofern der OGH noch anführt, dass die gesellschaftsvertragliche Regelung, wonach dem aus denselben Personen wie dem Gesellschafterausschuss der KG bestehenden Gesellschafterausschuss der GmbH die Befugnis übertragen wird, die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Geschäftsführern, insb Abschluss, Abänderung und Aufhebung von Dienstverträgen mit diesen, zu übernehmen, nicht angezweifelt wurde, kann ergänzt werden, dass solche Zweifel wohl auch nicht bestehen. Das betrifft zunächst die Personenidentität, die ja geradezu ein Wesensmerkmal der praktisch typischen Ausgestaltung der GmbH & Co KG ist. Danach sind die Kommanditisten zumeist im gleichen Beteiligungsausmaß auch Gesellschafter der Komplementär- GmbH und ist die kautelarjuristische Praxis gefordert, diesen Gleichklang durch entsprechende Vinkulierungsklauseln abzusichern. Ebenso ist es aber auch damit, dass der Gesellschaftsvertrag nach ganz hM den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafter im Rahmen des zwingenden Rechts einengen und dies auch durch Kompetenzzuweisung an andere Gesellschaftsorgane geschehen kann. Dabei ist es unbenommen, auch gesetzlich nicht vorgeprägte Gesellschaftsorgane, die beliebig bezeichnet werden können (hier: Gesellschafterausschuss), oder aber fakultative Organe (freiwilliger Aufsichtsrat), wie anders genannte, jedoch inhaltlich an das Gesetz angelehnte Organe (vgl dazu auch die vom OGH zit E vom 27.9.2006, 9 ObA 130/05s, zur AN-Mitbestimmung im mit aufsichtsratsähnlichen Kompetenzen ausgestatteten Verwaltungsrat), vorzusehen.