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Sind EU-ausländische Versicherungszeiten bei der Kontoerstgutschrift zu berücksichtigen?

WOLFGANGPANHÖLZL (WIEN)
  1. Eine Einbeziehung ausländischer Versicherungszeiten in die zwischenstaatliche Pensionsberechnung gem Art 52 VO 883/2004 könne erst im Leistungsfall erfolgen; bei der Kontoerstgutschrift gehe es jedoch nicht um Leistungen, weil das Pensionskonto lediglich der besseren Transparenz diene.

  2. Die Zusammenrechnung der in den Mitgliedstaaten erworbenen Versicherungszeiten erfolgt einerseits im Rahmen anspruchsbegründender und anspruchserhaltender Normen, die bestimmte Mindestzeiten voraussetzen, und andererseits im Hinblick auf Zugangs- und Beendigungsbarrieren bei der Pflichtversicherung. Von der Zusammenrechnung von Zeiten zu unterscheiden ist die Leistungsberechnung. Die grundsätzlichen Regelungen dafür enthält Art 52 der VO 883/2004.

  3. Auch aus den Grundsätzen des österreichischen Pensions- und Pensionskontorechts können Rückschlüsse auf die Kontoerstgutschrift gezogen werden. Die österreichischen Rechtsvorschriften zum Pensionskonto (§ 11 APG) stellen auf Beitragsgrundlagen nach den österreichischen Sozialversicherungsgesetzen ab. Dies muss konsequenterweise auch für die Kontoerstgutschrift gelten, da es sich dabei um eine Form des Eintrags auf einem Pensionskonto handelt.

Strittig ist allein die Rechtsfrage, ob die Versicherungszeiten, die der am 31.8.1955 geborene Kl in Deutschland erworben hat, im Rahmen der Kontoerstgutschrift (§ 15 APG) zum 1.1.2014 zu berücksichtigen sind.

Mit Bescheid vom 16.10.2015 gab die bekl Pensionsversicherungsanstalt (PVA) dem Widerspruch des Kl gegen den Bescheid vom 23.6.2015, mit dem die Höhe der Kontoerstgutschrift zum 1.1.2014 mit 8.353,94 € festgestellt wurde, nicht statt.

Das Erstgericht stellte [...] fest, dass die Kontoerstgutschrift des Kl zum 1.1.2014 8.353,94 € beträgt und wies das Mehrbegehren, es möge festgestellt werden, dass weitere 7.697,25 € zu berücksichtigen seien und die Höhe der Kontoerstgutschrift zum 1.1.2014 daher insgesamt 16.051,19 € betrage, ab. Für die Berechnung der Kontoerstgutschrift gem § 15 APG seien nur inländische Versicherungszeiten heranzuziehen; ausländische Versicherungszeiten seien nur bei der endgültigen Leistungsfeststellung zu berücksichtigen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge. Gegen die Berücksichtigung ausländischer Zeiten bei der Berechnung der Kontoerstgutschrift spreche, dass Art 52 der VO (EG) 883/2004 keine Regelungen für eine eigenständige Rentenberechnung iS einer europäischen Gesamtrente enthalte. Die deutschen Zeiten seien (erst) anlässlich eines Antrags auf Pensionsleistung im Wege des pro rata temporis-Prinzips zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass höchstgerichtliche Rsp zur Frage fehle, inwieweit auch ausländische Versicherungszeiten bei Ermittlung der Kontoerstgutschrift zu berücksichtigen seien. [...]

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zum Zweck der Klärung der Rechtslage zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt. In seinem Rechtsmittel an den OGH stellt der Kl in den Vordergrund, dass die VO (EG) 883/2004 im Bereich des Pensionsversicherungsrechts vom Grundsatz der Zusammenrechnung der in mehreren Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten beherrscht sei. Aufgrund der Sachverhaltsgleichstellung seien die vom Kl in Deutschland erworbenen 327 Versicherungsmonate in Österreich so zu behandeln als wären sie in Österreich zurückgelegt worden; sie seien daher auch bei der Ermittlung der Kontoerstgutschrift zu berücksichtigen. Zwischenstaatliche Erwerbskarrieren seien so zu behandeln als wäre die gesamte Erwerbskarriere nur in einem Staat zurückgelegt worden, auch wenn am Ende jeder beteiligte Mitgliedstaat „nur für seine eigenen Versicherungszeiten“ Leistungen zu erbringen habe. Auch das innerstaatliche Recht (§§ 238, 240 ASVG) schreibe eine Zusammenrechnung der in allen EU-Mitgliedstaaten einschließlich Österreich zurückgelegten Versicherungszeiten vor. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die die vom Kl in Deutschland erworbenen Versicherungszeiten nicht berücksichtige, würde zu einem massiven Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot führen.

Dazu ist auszuführen:

1. Mit dem seit 1.1.2005 geltenden Pensionskonto wurde für Personen, die nach dem 31.12.1954 geboren sind, ein neues System der Pensionsberechnung eingeführt [...]. Die Übertragung der bis 31.12.2004 erworbenen Anwartschaften in das neue System durch Parallelrechnung wurde mit Wirkung ab 1.1.2014 durch eine Sockelbetragslösung in Form der sogenannten „Kontoerstgutschrift“ abgelöst [...]. Mit der Kontoerstgutschrift werden alle bis zum 31.12.2013 erworbenen Versicherungsmonate in einem einzigen Betrag zusammengefasst [...]. Die Kontoerstgutschrift bildet dann die Basis für die Kontopension [...], gleichermaßen das Startkapital für das Pensionskonto [...].

2. Die gesetzliche Regelung für die Ermittlung der Kontoerstgutschrift findet sich in § 15 APG.

2.1. Nach § 15 Abs 1 APG wird für Personen, die nach dem 31.12.1954 geboren sind und bis zum Ablauf des 31.12.2013 mindestens einen Versicherungsmonat nach dem APG, dem ASVG, dem GSVG, dem FSVG oder dem BSVG erworben haben, eine25Kontoerstgutschrift zum 1.1.2014 ermittelt; diese bildet gleichzeitig die Gesamtgutschrift für 2013.

2.2. Zunächst wird eine fiktive Alterspension zum Stichtag 1.1.2014 nach dem Modus des „Altrechts“ unter Heranziehung besonderer, gesetzlich festgelegter Parameter berechnet. Zu diesem Stichtag wird auch eine fiktive Pension nach der Parallelrechnung berechnet und ein Vergleichsbetrag ermittelt, der der fiktiven Alterspension gegenübergestellt wird. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Abweichungen der Kontoerstgutschrift von einer nach der früheren Parallelrechnung zu erzielenden Pensionshöhe zum 1.1.2014 nicht größer als maximal 3,5 % sind [...].

2.3. Für die Berechnung der fiktiven Alterspension zum Stichtag 1.1.2014 werden die zu diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen des „Altrechts“ (ASVG, GSVG, BSVG) herangezogen und die fiktive Alterspension unter Annahme des Vorliegens des Regelpensionsalters (also ohne Abschläge) gebildet, wobei alle bis zum 31.12.2013 erworbenen Versicherungsmonate zu berücksichtigen sind (ausführlich Rainer/Pöltner in SV-Komm [168. Lfg] § 15 APG Rz 30).

3. Eine unmittelbare Antwort auf die Frage, ob auch ausländische Versicherungszeiten bei der Berechnung der Kontoerstgutschrift zu berücksichtigen sind, fehlt sowohl im Gesetz (BGBl I 2012/35) als auch in den Gesetzesmaterialien zur Einführung der Kontoerstgutschrift (ErläutRV 1685 BlgNR 24. GP 53 f).

3.1. Die österreichischen Rechtsvorschriften stellen in der Regel nur auf das Vorliegen von Versicherungszeiten in Österreich ab. Die Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten würde eine entsprechende internationale Regelung erfordern (Spiegel in SV-Komm [119. Lfg, März 2015] Vor § 251a ASVG Rz 2).

3.2. Im unionsrechtlichen Kontext ist dafür die „Koordinierungsverordnung“, die VO (EG) 883/2004 einschlägig.

3.2.1. Das Erstgericht hat aus Art 3 der VO 883/2004 (nach dieser Bestimmung umfasst der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung Rechtsvorschriften, die „Leistungen“ betreffen) geschlossen, dass eine Einbeziehung ausländischer Versicherungszeiten erst im Leistungsfall erfolgen könne; bei der Kontoerstgutschrift gehe es jedoch nicht um Leistungen, weil das Pensionskonto lediglich der besseren Transparenz diene.

Dagegen spricht jedoch, dass in der Anlage 4 (Erklärungen der Mitgliedstaaten zum Geltungsbereich der VO 883/2004) unter dem Punkt „Leistungen bei Alter“ auf das gesamte APG verwiesen wird und nicht bloß auf die leistungsrechtlichen Bestimmungen.

3.2.2. Der gegenüber Art 5 als lex specialis vorrangige Art 6 der VO 883/2004 regelt als tragenden Grundsatz der Koordination, der insb im Bereich der PV von großer Bedeutung ist, die Zusammenrechnung der in den Mitgliedstaaten erworbenen Versicherungszeiten; diese erfolgt jedoch nur in den in der Vorschrift genannten eingeschränkten Funktionen, nämlich einerseits im Rahmen anspruchsbegründender und anspruchserhaltender Normen, die bestimmte Mindestzeiten voraussetzen, und andererseits im Hinblick auf Zugangs- und Beendigungsbarrieren bei der Pflichtversicherung (Schuler in

Fuchs
, Europäisches Sozialrecht6 [2013] Art 6 Rz 1 ff).

3.3. Von der Zusammenrechnung von Zeiten zu unterscheiden ist die Leistungsberechnung. Die grundsätzlichen Regelungen dafür enthält Art 52 der VO 883/2004.

3.3.1. Besteht ein Leistungsanspruch allein nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften, ist eine doppelte Berechnung vorzusehen. Zunächst ist eine innerstaatliche Leistung nur mit den im eigenen Staat erworbenen Versicherungszeiten zu ermitteln. Im nächsten Schritt ist eine Berechnung pro rata temporis durchzuführen (Pöltl in

Spiegel
, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht [7. Lfg 2012] Art 52 VO 883/2004 Rz 4). Da die Berechnung nach der pro rata temporis-Methode aufwändig ist, ermöglicht es die Verordnung, von dieser zwischenstaatlichen Berechnung abzugehen (Pöltl in
Spiegel
, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht [7. Lfg 2012] Art 52 VO 883/2004 Rz 11).

3.3.2. In Österreich wurde zur Vereinfachung von zwischenstaatlichen Pensionsfeststellungsverfahren die so genannte „abgekürzte Berechnung“ geschaffen, nach der die Pension so weit wie möglich immer ausschließlich unter Heranziehung der österreichischen Versicherungszeiten zu berechnen ist (Pöltl in

Spiegel
, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht [7. Lfg 2012] Art 52 VO 883/2004 Rz 17).

3.3.3. Nach Art 52 Abs 5 VO 883/2004 kann eine anteilige Berechnung unterbleiben, wenn Zeiträume für die Berechnung einer Leistung an sich keine Rolle spielen. Ein Beispiel dafür ist die österreichische Alterspension nach dem APG, da bei dieser die Leistung durch Division der Gesamtgutschrift durch 14 ermittelt wird und nicht durch Bezugnahme auf Versicherungszeiten. Voraussetzung für das Unterbleiben der anteiligen Berechnung ist eine Eintragung in den Anhang VIII, Teil 2. Die Alterspension nach dem APG wurde in diesen Anhang eingetragen (Pöltl in

Spiegel
, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht [7. Lfg 2012] Art 52 VO 883/2004 Rz 19).

3.3.4. Eine pro rata temporis-Berechnung ist also aufgrund der von Art 52 Abs 5 der VO 883/2004 gebotenen Möglichkeit und der Eintragung der Alterspensionen nach dem APG (Pensionskonto) in den Anhang VIII, Teil 2 nicht vorgeschrieben. Bei den Alterspensionen nach APG kommt also ausschließlich das österreichische Pensionskontorecht zur Anwendung (Rainer/Pöltner in SV-Komm [166. Lfg September 2016] § 5 APG Rz 22).

4. Insgesamt ist daraus der Schluss zu ziehen, dass die VO 883/2004 in einem APG-Pensionsfall keine Einbeziehung ausländischer Versicherungszeiten in die Kontoerstgutschrift fordert. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass trotz der grundsätzlich ausschließlichen Anwendung österreichischen Pensionskontorechts im Leistungsfall auch in Zeiträumen eines Auslandsaufenthalts erworbene Versicherungszeiten maßgeblich werden, etwa Kinderbetreuungszeiten, die nach österreichischem Pen-26sionsversicherungsrecht zu berücksichtigen sind (Rainer/Pöltner in SV-Komm [166. Lfg] § 5 APG Rz 24).

5. Die Antwort auf die hier zu lösende Frage, ob im (EU-)Ausland erworbene Versicherungszeiten in die Kontoerstgutschrift einzubeziehen sind, ist im Fall des Kl im österreichischen Recht zu suchen.

5.1. Zunächst ist auf den Wortlaut von § 15 APG zu verweisen, in dessen Abs 2 und 4 für die Berechnung der Kontoerstgutschrift auf die Zeiten, die nach dem APG, ASVG, GSVG, BSVG und FSVG erworben wurden, Bezug genommen wird.

5.2. Auch aus den Grundsätzen des österreichischen Pensions- und Pensionskontorechts können Rückschlüsse auf die Kontoerstgutschrift gezogen werden. Die österreichischen Rechtsvorschriften zum Pensionskonto (§ 11 APG) stellen auf Beitragsgrundlagen nach den österreichischen Sozialversicherungsgesetzen ab. Dies muss konsequenterweise auch für die Kontoerstgutschrift gelten, da es sich dabei um eine Form des Eintrags auf einem Pensionskonto handelt.

5.3. Auch die Stellungnahmen in der Literatur (Neuber/Wochner, SozSi 2014, 500; Götz-Tiefenbacher, SozSi 2014, 508; Pinggera, VR 2015 H 7-8, 52) gehen – ohne unmittelbare Bezugnahme auf die Problematik – von einer Berücksichtigung (nur) der österreichischen Versicherungszeiten nach dem APG, dem ASVG, dem GSVG, dem FSVG und dem BSVG bei Erstellung der Kontoerstgutschrift aus (ausdrücklich in diesem Sinn Rainer/Pöltner in SV-Komm [167 Lfg] § 10 APG Rz 12).

5.4. Dazu kommt, dass die Kontoerstgutschrift schon nach dem Gesetzeswortlaut nur vorläufigen Charakter hat (§ 15 Abs 9-10b APG; vgl auch Spiegel in SV-Komm [119. Lfg] Vor § 251a ASVG Rz 16 für Kindererziehungszeiten). Die Berücksichtigung ausländischer Zeiten erfolgt – soweit sie überhaupt in Österreich relevant werden – erst aus Anlass der Berechnung der Pension unmittelbar für die Leistungserbringung; in diesem Fall sind die Regelungen des internationalen und des europäischen Sozialrechts heranzuziehen (siehe auch Spiegel in SV-Komm [119. Lfg] Vor § 251a ASVG Rz 36 am Ende, zu Kindererziehungszeiten, und Rainer/Pöltner in SV-Komm [167. Lfg] § 10 APG Rz 12).

5.5. Da die Berechnung der Kontopension nicht auf Basis von Versicherungszeiten erfolgt, wurde die APG-Pension in den Anhang VIII, Teil 2 der VO 883/2004 aufgenommen. Diese Eintragung hat zur Folge, dass bei APG-Pensionen keine Berechnung nach dem pro rata temporis-Prinzip erfolgt und nur die österreichischen Rechtsvorschriften anzuwenden sind.

6. Die Vorinstanzen haben somit für die Berechnung der Kontoerstgutschrift berechtigterweise die vom Kl in Deutschland erworbenen Versicherungszeiten nicht berücksichtigt.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Kl, welche einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus dem Akteninhalt.

ANMERKUNG

Die einleitende Feststellung des OGH zur Abgrenzung des Streitgegenstandes erscheint bei näherer Betrachtung etwas undifferenziert. „Strittig ist allein die Rechtsfrage, ob die Versicherungszeiten, die der am 31. August 1955 geborene Kläger in Deutschland erworben hat, im Rahmen der Kontoerstgutschrift (§ 15 APG) zum 1. Jänner 2014 zu berücksichtigen sind.“ Denn wenn das „ob“ bejahend zu beantworten ist, stellt sich noch die Frage nach dem „wie“. Maßgeblich dafür sind die Regeln der VO 883/2004, die im Kern darauf abzielen, Freizügigkeit zu gewährleisten und Benachteiligungen von Wander-AN zu vermeiden. Im Bereich der Pensionen sind für die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten für zeitabhängige Anspruchsberechtigungen die Art 6 und 51 VO 883/2004 zentrale Normen. Art 52 VO 883/2004 regelt die Berücksichtigung von ausländischen Zeiten bei der Berechnung von Leistungen. Soweit ist auch dem OGH zu folgen, wenn er in Pkt 3.3. festhält, dass von der Zusammenrechnung von Zeiten gem Art 6 die Leistungsberechnung gem Art 52 zu unterscheiden ist. Hervorzuheben ist auch, dass der OGH die Einbeziehung der deutschen Versicherungszeiten nicht grundsätzlich ausschließt, jedoch der Meinung ist, dies könne erst im Leistungsfall erfolgen (Pkt 3.2.1.). Noch deutlicher bringt es das Berufsgericht zum Ausdruck: „Die deutschen Zeiten seien (erst) anlässlich eines Antrags auf Pensionsleistung im Wege des pro rata temporis-Prinzips zu berücksichtigen.

Daraus ergibt sich die primär zu beantwortende Frage: Handelt es sich bei der Kontoerstgutschrift um eine „Leistung“ iSd Art 52 VO 883/2004? Wenn es sich – entgegen der Meinung des OGH – doch um eine solche handelt, ist zu erörtern, „wie“ eine Berücksichtigung der deutschen Zeiten bei Feststellung der Kontoerstgutschrift vorzunehmen ist. Dabei wiederum ist iSd oben ausgeführten Differenzierung zu prüfen, ob und inwiefern die deutschen Zeiten gem der Art 6 und 51 VO 883/2004 mit den österreichischen zusammenzuzählen sind und zweitens, inwiefern die deutschen Zeiten bei der Berechnung gem Art 52 im Wege des pro rata temporis-Prinzips zu berücksichtigen sind.

Dem OGH ist jedenfalls von vornherein darin beizupflichten, dass es für das konkrete Begehren des Kl, nämlich, dass die Beitragsgrundlagen, die er in Deutschland erworben hat, im Pensionskonto im Rahmen der Kontoerstgutschrift Berücksichtigung finden sollten, keinen Anhaltspunkt in der VO 883/2004 gibt. Sowohl bei der Zusammenrechnung der Zeiten zur Anspruchswahrung gem Art 6 und 51, wie auch bei der zwischenstaatlichen Pensionsberechnung gem Art 52 geht es ausschließlich um die Berücksichtigung der Versicherungszeiten und niemals um Beitragsgrundlagen.

1.
Handelt es sich bei der Kontoerstgutschrift um eine Leistung iSd Art 52 VO 883/2004?

Die Ausführungen des OGH zu dieser Frage lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass es sich27bei der Kontoerstgutschrift um „keine Leistung“ iSd Art 52 VO 883/2004 handle, die Kontoerstgutschrift nur „vorläufigen Charakter“ habe und die Kontoerstgutschrift sei im Rahmen der VO 883/2004 wie eine Pensionskontoleistung zu behandeln.

Diesen Schlussfolgerungen (siehe ab Pkt 3.2.1. bis 5.5. der E) ist samt und sonders nicht zu folgen, weil die Kontoerstgutschrift weder „nur der Transparenz diene“ noch „vorläufigen“ Charakter hat. Vor allem aber ist die Kontoerstgutschrift nicht mit einer APG-Pension oder den Regeln des Pensionskontos gleichzusetzen, weil es sich bei der Kontoerstgutschrift um einen Betrag handelt, der in einem komplizierten Verfahren nach den Regeln des alten Rechts ermittelt wird (vgl die Ausführungen des OGH selbst in Pkt 2. und Rainer/Pöltner in SV-Komm [166. Lfg September 2016] § 15 APG Rz 19 ff).

1.1.
Das Wesen der Kontoerstgutschrift

Für alle ab dem 1.1.1955 Geborenen wurde die Pensionsberechnung mit 1.1.2014 zur Gänze auf das Pensionskonto umgestellt. Allein bei der PVA werden 5,1 Mio Konten befüllt. 3,6 Mio AN haben Kontoerstgutschriften erhalten. Die Umstellung auf die Kontoerstgutschrift erfolgte vor allem aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, der Transparenz, aber nicht zuletzt auch aus sozialpolitischen Gründen, nämlich, um durch die vollständige Einführung des Pensionskontos eine transparente Anreizwirkung für den Pensionsaufschub regeln zu können. Mit der Kontoerstgutschrift wurde die Parallelrechnung als Übergangsrecht beendet. Dieser Aspekt ist bei den folgenden Überlegungen im Auge zu behalten. Vor allem für die Frage der Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten gem VO 883/2004 ist die Methode der Parallelrechnung, aber auch ihr sozialpolitisches Ziel, näher zu betrachten. Die Parallelrechnung ist als Schutzbestimmung wesentlicher Teil bei der Ermittlung der Kontoerstgutschrift (vgl Rainer/Pöltner in SV-Komm [166. Lfg September 2016] § 15 APG Rz 32 ff).

1.2.
Wie wirkt die Parallelrechnung und was ist ihr Ziel?

Die Pensionsberechnung auf Basis dieser Parallelrechnung (siehe im Detail dazu § 15 APG Rz 8) war darauf angelegt, das Pensionskonto ab dem Jahr 2005 schrittweise, mittels einer sehr langen Übergangsphase (etwa bis zum Jahr 2040) einzuführen, um Pensionsverluste durch die Lebensdurchrechnung des Pensionskontos bestmöglich zu vermeiden. Eine Sockelpensionsvariante, wie die Kontoerstgutschrift, war im Jahr 2005 nicht mehrheitsfähig, weil größere Pensionsverluste unvermeidlich erschienen. Die Akzeptanz der Parallelrechnung hat jedoch von vornherein darunter gelitten, dass die Pensionsberechnung äußerst kompliziert, daher intransparent und verwaltungsaufwendig war. So haben sich vor allem die Pensionsversicherungsträger für eine vorzeitige Umstellung auf das Pensionskonto eingesetzt (vgl Rainer/Pöltner in SV-Komm [166. Lfg September 2016] § 15 APG Rz 6).

Zusammengefasst besteht die Wirkungsweise der Parallelrechnung darin, dass man von der – in der Regel höheren – fiktiven Altpension einen umso größeren Anteil erhält, je mehr Versicherungsjahre vor 2005 vorliegen. Es handelt sich also um einen Schutz der Altanwartschaften. Hier kommt Art 6 VO 883/2004 ins Spiel. Im Zusammenhang mit ausländischen Zeiten stellt sich nun die Frage, ob ausländische Versicherungszeiten bei der Anteilsbestimmung der fiktiven Alt- und Neupension gem Art 6 VO 883/2004 mitzuzählen sind. Diese Frage ist auch für die Kontoerstgutschrift relevant, weil die Parallelrechnung wesentlicher Bestandteil derselben ist.

1.3.
Ablösung der Parallelrechnung durch die Kontoerstgutschrift

Die Umstellung von der Parallelrechnung auf die Kontoerstgutschrift sollte methodisch so erfolgen, dass möglichst geringe Auswirkungen auf die erworbenen Pensionsanwartschaften entstehen, dass mit der Umstellung keine signifikanten Mehrkosten verbunden sind und dass der Verwaltungsaufwand vermindert und möglichst bald Rechtssicherheit geschaffen wird. Keinesfalls sollte die aufwendige Parallelrechnung noch Jahrzehnte mitgeschleppt werden müssen. Daher wurde im Rahmen der Kontoerstgutschrift zwar das Ergebnis der Parallelrechnung als Schutzwert aufgenommen (Vergleichswert), der um nicht mehr als 3,5 % über- und unterschritten werden darf. Gleichzeitig wurde jedoch die zeitliche Berücksichtigung der Parallelrechnung mit 2016 begrenzt (vgl § 15 Abs 10). Rechtstechnisch wurde dieses Ziel dadurch erreicht, dass die Kontoerstgutschrift spätestens mit 31.12.2016 (oder drei Monate nach Zusendung der Mitteilung) rechtskräftig wird.

1.4.
Rechtskraft der Kontoerstgutschrift und fakultative Bescheidpflicht

Die Kontoerstgutschrift war bis zum Ende des Jahres 2014 zu ermitteln und der versicherten Person mitzuteilen. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie auch in das Pensionskonto einzubuchen, und zwar als Gesamtgutschrift für das Jahr 2013. Die so ermittelte und mitgeteilte Gesamtgutschrift 2013 ersetzt alle früheren Teil- und Gesamtgutschriften, die damit ihre Gültigkeit verloren haben (§ 15 Abs 8 APG). Ein (bekämpfbarer) Bescheid über die Kontoerstgutschrift kann sodann von der kontoberechtigten Person innerhalb von drei Monaten oder bis zum Ablauf des Jahres 2016 verlangt werden (§ 15 Abs 11 APG).

Damit besteht auch bei der Kontoerstgutschrift (nur) eine fakultative Bescheidpflicht, was für eine Leistungssache der PV ungewöhnlich ist, aber auch in anderen Bereichen vorkommt (vgl zB die Regelung bezüglich der Bescheiderlassung in Sachen Pensionsanpassung gem § 367 Abs 3 ASVG). Eine bedingte Bescheidpflicht führt jedoch dazu, dass nach Ablauf der Bescheidfrist die mit der Bescheidfrist verbundene Mitteilung rechtskräftig wird. Siehe dazu die E des OGH28vom 4.5.2010, 10 ObS 42/10i: Der zufolge ist eine inhaltliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Pensionsanpassung durch das Arbeits- und Sozialgericht jedenfalls nicht mehr möglich, wenn das Recht auf Ausstellung eines Bescheides über die Auswirkung der Pensionsanpassung gem § 367 Abs 3 ASVG bereits verfristet ist.

Während die Feststellung der Kontoerstgutschrift – ebenso wie die Feststellung einer Ergänzungsgutschrift und eines Nachtragsabzugs – verfahrensrechtlich zu den Leistungssachen zählt, gehört die schlichte Kontomitteilung zu den Verwaltungssachen, da sie nicht im Katalog des § 354 ASVG erwähnt wird. Das findet seinen Grund bzw seine Berechtigung darin, dass die Kontoerstgutschrift als „Pensionssockel“ (= Abrechnung der Pensionsanwartschaften nach dem „Altrecht“) schon einen Pensionsbestandteil vorwegnimmt, während die Kontomitteilung lediglich über den Kontostand bzw die im Konto eingespeicherten Daten informiert, wobei eine jederzeitige Berichtigung (bis zum Pensionsstichtag) zulässig ist (Rainer/Pöltner in SV-Komm [166. Lfg September 2016] § 15 APG Rz 66).

Die skizzierte Rechtskraftfähigkeit der Kontoerstgutschrift ergibt sich auch aus einem Größenschluss. Denn nach hA sind selbst formlose Erledigungen als Bescheid anzusehen, wenn sie gegenüber individuell bestimmten Personen Verwaltungsangelegenheiten normativ regeln, dh, wenn sie bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt haben (vgl Hauer/Leukauf,Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 627 ff). Die fakultative und befristete Bescheidpflicht bringt zweifelsfrei zum Ausdruck, dass es sich bei der Kontoerstgutschrift um eine bindende Gestaltung von Rechtsverhältnissen gegen individuell bestimmte Personen handelt.

Der Zweck des aufwendigen Ermittlungsverfahrens für die Kontoerstgutschrift, verbunden mit der befristeten Bescheidpflicht, besteht in der Herstellung von beidseitiger Rechtssicherheit. Diejenigen Versicherten, die sich innerhalb der Bescheidfristen (letztlich bis zum 31.12.2016) nicht am Ermittlungsverfahren beteiligt haben, müssen sich damit abfinden, dass die Nachmeldung von Versicherungszeiten nur noch im Rahmen einer Ergänzungsgutschrift möglich ist oder gar zu einem Nachtragsabzug führt (§ 15 Abs 10 APG). Für solche Versicherte ist die Kontoerstgutschrift – abgesehen von den gesetzlich vorgesehenen Korrekturmöglichkeiten – damit in Rechtskraft erwachsen. Der verwaltungsökonomische Vorteil für die PVA besteht darin, allfällige Korrekturen der Kontoerstgutschrift nach Ablauf der Bescheidfristen nur noch gem dem vereinfachten Verfahren gem § 15 Abs 10 APG vornehmen zu müssen. Der Vergleichsbetrag – und damit die Schutzregelung vor Umstellungsverlusten – gem § 15 Abs 4 bis 7 APG ist nicht mehr zu berücksichtigen. Damit ist für die PVA gewährleistet, dass sie die Parameter der sogenannten Parallelrechnung mit unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen, Steigerungspunkten, Aufwertungsfaktoren und Schutzdeckeln im Regelverfahren ab 1.1.2017 nicht mehr anzuwenden hat. Das erlaubt eine beträchtliche Reduktion der personellen Ressourcen für Programmierung, Beratung und Expertise.

MaW, der Sinn der Kontoerstgutschrift liegt in einer endgültigen Abrechnung der Altanwartschaften, die bis zum 31.12.2013 erworben wurden, und deren Übertragung ins Pensionskonto. Die PV und auch die Arbeits- und Sozialgerichte sollten nicht verpflichtet sein, bis zum Jahr 2050 (zB beim Geburtsjahrgang 1985) Korrekturen der Kontoerstgutschrift auf Basis der Parallelrechnung vornehmen zu müssen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Rechtskraft der Kontoerstgutschrift mit Ablauf der Fristen zur Bescheidbeantragung eintritt.

Zusammengefasst stellt die Kontoerstgutschrift einen rechtkraftfähigen, vorweggenommenen Pensionsbestandteil dar. Es handelt sich, wenn man so will, um einen Zwischenpensionswert, in den nicht mehr ohne weiteres mit einfachem Gesetz eingegriffen werden kann. Hier spricht sehr viel dafür, dass es sich um einen vom zuständigen Träger geschuldeten Leistungsbetrag iSd Art 52 VO 883/2004 handelt. Dieser war unter Einbeziehung des Vergleichsbetrages gem Parallelrechnung bis 31.12.2016 rechtskräftig festzustellen. Eine nachträgliche Aufrollung im Zeitpunkt des Pensionsantrittes ist nicht vorgesehen. Wenn also ausländische Versicherungszeiten bei der Parallelrechnung zu berücksichtigen sind, kann dies nur um Rahmen der Kontoerstgutschrift geschehen und nicht nachträglich im Zeitpunkt des Pensionsantritts. Davon ausgehend hätten die deutschen Versicherungszeiten des Kl bei Ermittlung der Kontoerstgutschrift jedenfalls berücksichtigt werden müssen. Wie bereits festgehalten, kann dies im Wege des Art 6 bzw Art 51 oder gem Art 52 geschehen. Damit sind wir bei der Frage angelangt, ob und wie ausländische Versicherungszeiten bei der Parallelrechnung zu berücksichtigen sind.

2.
Einbeziehung der ausländischen Versicherungszeiten gem Art 6 VO 883/2004

Art 6 VO 883/2004 regelt ua, wenn der Erwerb, die Aufrechterhaltung, die Dauer oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruches, oder die Anwendung bestimmter Rechtsvorschriften, etc von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist, die Versicherungszeiten, die in einem Mitgliedstaat zurückgelegt wurden, so zu behandeln seien, als handle es sich um inländische Zeiten. Gem Spiegel (Rz 9) betrifft die Zusammenrechnung der Zeiten vorrangig das Entstehen von Leistungsansprüchen. Wichtig sei aber, dass die Zusammenrechnung für Leistungsansprüche nicht nur Wartezeiten ieS betreffe, sondern sämtliche Aspekte, die ein zeitliches Element haben und mit dem Leistungsanspruch zusammenhängen.

Im gegenständlichen Zusammenhang stellt sich nun die Frage, ob ausländische Zeiten im Rahmen der Gewichtung der Parallelrechnung zu berücksichtigen sind. Wie ausführlich dargelegt, handelt es sich bei der Parallelrechnung um eine Schutzbestimmung insb für pensionsnähere Jahrgänge; für sie bleibt das in der Regel bessere Altrecht im29Ausmaß der vor 2005 erworbenen Versicherungsjahre erhalten. Die Parallelrechnung beinhaltet ein zeitliches Element, das die Anteile der fiktiven Alt- und Neupension bestimmt. Sie ist keine Pensionsberechnungsregel ieS, sie nimmt keinen Einfluss auf die Höhe der fiktiven Alt- oder Neupension. ISd Freizügigkeitsgrundsatzes ist nun zu fragen, wieso ein älterer AN, der vor 2005 einige Jahre im Ausland gearbeitet hat, im Vergleich zu einem im Inland versicherten AN einen kleineren Anteil seiner fiktiven Altrechtspension erhalten soll?

Beispiel 1:

Eine 1955 geborene Versicherte hätte von 1973 bis 2013 insgesamt 40 Versicherungsjahre erworben und zwar 31 Jahre vor 2005 und 9 Jahre nach 2004. Die fiktive Altpension im Rahmen der Parallelrechnung der Kontoerstgutschrift betrage € 2.000,– und die fiktive Kontopension € 1.500,–. Der Anteil der fiktiven Altpension beträgt 31/40, das sind 77,5 % von € 2.000,– = € 1.550,– und der Anteil an der fiktiven Kontopension beträgt 9/40, das sind 22,5 % von € 1.500,– = € 337,50. Das Ergebnis der Parallelrechnung insgesamt lautet € 1.887,50.

Beispiel 2:

Nun nehmen wir an, die Versicherte hätte von 1990 bis 2000 10 Jahre in Deutschland gearbeitet und zudem 21 Jahre in Österreich vor 2005 und 9 Jahre in Österreich nach 2004. Die fiktiven Leistungen sind bei vergleichbaren Erwerbsverläufen naturgemäß geringer, weil weniger Beitragszeiten vorliegen. Die fiktive Altpension im Rahmen der Parallelrechnung der Kontoerstgutschrift betrage € 1.500,– und die fiktive Kontopension € 1.125,–.

Parallelrechnung nur mit österreichischen Zeiten:

In Österreich liegen insgesamt 30 Versicherungsjahre vor. Der Anteil der fiktiven Altpension beträgt 21/30, das sind 70 % von € 1.500,– = € 1.050,– und der Anteil an der fiktiven Kontopension beträgt 9/30, das sind 30 % von € 1.125,– = € 337,50. Das Ergebnis der Parallelrechnung insgesamt lautet € 1.387,50.

Parallelrechnung unter Einbeziehung der in Deutschland erworbenen Zeiten:

Zählt man die Zeiten in Österreich (30 Jahre) und Deutschland (10 Jahre) zusammen, ergeben sich insgesamt 40 Versicherungsjahre. Der Anteil der fiktiven Altpension beträgt 31/40, das sind 77,5 % von € 1.500,– = € 1.162,50 und der Anteil an der fiktiven Kontopension beträgt 9/40, das sind 22,5 % von € 1.125,– = € 253,10. Das Ergebnis der Parallelrechnung insgesamt lautet € 1.415,60.

Die Zusammenrechnung der Zeiten hat keinerlei Auswirkungen auf die Ermittlung der fiktiven Pensionswerte; die sind umso geringer, je weniger Versicherungsjahre insgesamt in Österreich vorliegen. Bei Einbeziehung der deutschen Zeiten ist die Monatspension um rund € 28,– höher. Deren Nichtberücksichtigung kann als Diskriminierung gesehen werden.

2.1.
Die Berücksichtigung von ausländischen Versicherungszeiten gem Art 52 VO 883/2004

Bei der Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten gem Art 52 im Rahmen der zwischenstaatlichen Pensionsberechnung geht es ausschließlich darum, fremdstaatliche Versicherungszeiten dann mitzurechnen, wenn die Höhe des Pensionsanspruches nicht von linearen Steigerungspunkten (Abschlägen) abhängt. Denn immer, wenn unabhängig von der Gesamtzahl der erworbenen Versicherungsmonate jeder Versicherungsmonat gleich bewertet wird (zB mit 1,78 %/12), kann eine Proratisierung unterbleiben, weil sie ohnehin zum gleichen Ergebnis führt, wie wenn die ausländischen Versicherungsmonate nicht berücksichtigt werden (vgl die Anmerkungen zu Anhang VIII Kommentar zum Zwischenstaatlichen SV-Recht, Pöltl in Spiegel, § 52 Rz 10 ff).

Gem dem Erlass des BMASK „Pensionsharmonisierungsgesetz – Bemerkungen aus zwischenstaatlicher Sicht – Koordination nach der VO 1408/71“ vom 31.10.2005, der in einem Rundschreiben des Hauptverbandes (24-ZSl-32.27.32.2/05.Ta) allen Pensionsversicherungsträgern übermittelt wurde, ist die zwischenstaatliche Berechnung auch bei der Parallelrechnung anzuwenden, allerdings nur dann, wenn österreichische Versicherungsmonate sowohl vor als auch nach dem 1.1.2005 vorliegen (Grundsatz 16). Dies wird von Pöltl in Spiegel auch für die VO 884/2004 übernommen. In den Erläuterungen zum Grundsatz 16 (S 25 ff des Rundschreibens) wird die Vorgangsweise der zwischenstaatlichen Pensionsberechnung im Falle der Parallelrechnung detailliert ausgeführt. Wesentlich im gegenständlichen Zusammenhang ist, dass gem der Erläuterungen immer dann, wenn vor 2005 keine Versicherungszeiten in Österreich vorliegen, keine Alt-Leistung zu berechnen wäre (Pkt 5 der Erläuterungen). Dies wird damit begründet, dass im Rahmen der zwischenstaatlichen Pensionsberechnung (Pro-Rata-Berechnung) in solchen Fällen die Altleistung 0 betragen würde (vgl Pöltl in Spiegel, Art 52 Rz 25).

Gem dem Rundschreiben des Hauptverbandes (vgl das ausführliche Beispiel auf S 31) und des Kommentars von Pöltl in Spiegel (vgl Anm zu Art 52, Rz 30 ff) werden bei der Parallelrechnung die Anteile des Alt-Anspruches und des Pensionskontoanspruches stets ausschließlich mit den österreichischen Zeiten ermittelt. Das erscheint vor dem Hintergrund des Schutzzweckes der Parallelrechnung diskriminierend, weil damit vor allem pensionsnähere Jahrgänge, die vor 2005 Versicherungszeiten im EU-Ausland erworben haben, gegenüber jenen, die im Inland Versicherungszeiten erworben haben, benachteiligt sind (siehe Beispiel 2).

Beim Kl hätte die Ermittlung der Kontoerstgutschrift erstens zumindest gem den Grundsätzen des Rundschreibens des Hauptverbandes durchgeführt werden müssen; ob es dadurch zu einem anderen, für ihn günstigeren Ergebnis gekommen wäre, ist offen. Aber das wäre ja gerade der Zweck der Vergleichsberechnung unter Einbeziehung der deutschen Zeiten. Zweitens hätte die Parallelrechnung unter Einbeziehung der deutschen Zeiten erfolgen müssen. Dass man sich bereits im Erlass von 2005 gegen die Berücksichtigung ausländischer Zeiten bei der Gewichtung der Parallelrechnung entschieden hat, hat wohl auch verwaltungsökonomische Gründe. Ist doch die Feststellung von ausländi-30schen Versicherungszeiten grundsätzlich mit einem höheren Aufwand und mit einer größeren Rechtsunsicherheit verbunden.

3.
Zusammenfassung

Bei der Kontoerstgutschrift handelt es sich um einen rechtkraftfähigen, vorweggenommenen Pensionsbestandteil (Zwischenpensionswert) und somit um einen vom zuständigen Träger geschuldeten Leistungsbetrag iSd Art 52 VO 883/2004. Versicherungszeiten im EU-Ausland sind demzufolge bei der Ermittlung der Kontoerstgutschrift jedenfalls mit zu berücksichtigen. Im Rahmen der Parallelrechnung wirken sich ausländische Versicherungszeiten auch typischerweise auf den Gesamtpensionsanspruch aus, weil etwa durch Versicherungszeiten vor 2005 der Anspruch auf die Altrechtspension äquivalent gewahrt wird.

Die herrschende Ansicht (Rundschreiben des Hauptverbandes und Pöltl in Spiegel), dass die Bestimmung der Anteile des Altastes und Kontoastes ausschließlich durch die in Österreich erworbenen Versicherungsmonate erfolgt, erscheint diskriminierend, weil Wander-AN hinsichtlich ihres im Inland erworbenen Pensionsanspruches allein deshalb benachteiligt werden, weil sie Versicherungszeiten im EU-Ausland und nicht in Österreich erworben haben.

Für die Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten bleiben zwei Möglichkeiten: Ordnet man die Gewichtungsregel des § 15 APG als Spielart der Anspruchserhaltung ein, so hat die Berücksichtigung durch die Zusammenrechnung der Versicherungszeiten gem Art 6 zu erfolgen und ist als Gesamtsumme bei der Leistungsberechnung gem Art 52 heranzuziehen. Stuft man die Gewichtungsregel des § 15 APG als Berechnungsregel ein, müsste im Rahmen der zwischenstaatlichen Berechnung auch die Anteilsberechnung einmal mit und einmal ohne ausländische Zeiten erfolgen. Die Nichtberücksichtigung ausländischer Zeiten bei der Kontoerstgutschrift ist jedoch aus Sicht der Pensionsversicherungsträger nachvollziehbar. Die Erstellung von rund 4 Millionen Kontoerstgutschriften war eine enorme Herausforderung. Die Ermittlung auch von ausländischen Zeiten in einigen 100.000 Fällen wäre wohl kaum machbar gewesen.