Reissner/Burger (Hrsg)Aktuelle Entwicklungen im Betriebsübergangsrecht

Linde Verlag, Wien 2016, 120 Seiten, kartoniert, € 29,–

MONIKADRS (WIEN)

Am 19.11.2015 fand das fünfte „Wissenschaftliche Symposium zu speziellen Fragen des Arbeitsrechts und Sozialrechts“ an der Universität Innsbruck statt, das den „Aktuellen Entwicklungen im Betriebsübergangsrecht“ gewidmet war. Die Ergebnisse der im Rahmen dieser Veranstaltung gehaltenen Vorträge sind in diesem Tagungsband abgedruckt. Er enthält neben Beiträgen zum Betriebsübergangsrecht aus österreichischer Sicht auch solche zum deutschen, italienischen und ungarischen Betriebsübergangsrecht.

Den Beginn macht der Beitrag von Körber-Risak zum Begriff des Betriebsübergangs und dem Kündigungsverbot wegen Betriebsübergangs. Sie beschäftigt sich dabei vor allem mit den wichtigsten Entscheidungen des EuGH zu diesem Thema, angefangen bei der häufig kritisierten E des EuGH in der Rs Christel Schmidt, aber auch mit den in Österreich auf großes Interesse gestoßenen Fällen, wie den der Bank Austria Creditanstalt im Jahr 2004 und der im Jahr 2012 erfolgten Einbringung des Flugbetriebs der Austrian Airlines in den der Tyrolean Airways. Kritisch setzt sich Körber-Risak vor allem mit der Rsp des OGH zur Unzulässigkeit der Vorratskündigung (betriebsbedingte Kündigung durch den Veräußerer, um seinen Betrieb den wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Anforderungen des Erwerbers entsprechend zu gestalten) auseinander, die sie für „schlicht falsch“ erachtet.

Darauf folgt der Aufsatz von Felten zu den Rechtsfolgen des Betriebsübergangs. Er beschäftigt sich mit dem Schutzzweck und der Wirkung der gesetzlich normierten Eintrittsautomatik und mit den Möglichkeiten und Grenzen privatautonomer Modifikationen des Arbeitsvertragsinhalts und der Eintrittsautomatik. Dabei befasst er sich vor allem mit der Möglichkeit einer Versetzung, aber auch mit der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Felten kommt zu dem Ergebnis, dass der Schutzzweck der Betriebsübergangs-RL (Aufrechterhaltung der Arbeitsverhältnisse und der Arbeitsbedingungen) jeder privatautonomen Vereinbarung entgegensteht, die eine Umgehung dieses Schutzzweckes zum Ziel hat.

Burgers Beitrag ist den Schwierigkeiten bei grenzüberschreitendem Betriebsübergang gewidmet, dh, dass im Rahmen eines Betriebsinhaberwechsels der Betrieb selbst vom Inland in das Ausland oder umgekehrt transferiert wird. Er geht dabei vor allem folgenden Fragen nach: Welches Recht, insb welches Betriebsübergangsrecht (inländisches oder ausländisches), ist anzuwenden, wenn der Betrieb vor oder erst nach dem Betriebsübergang ins Ausland verlegt wird (gleichzeitig weist er auch darauf hin, dass das anzuwendende Recht in Bezug auf die arbeitsvertraglichen Aspekte ein anderes sein kann als zB das in Bezug auf das Betriebsverfassungsrecht)? Unter welchen Voraussetzungen besteht eine Folgepflicht des AN ins Ausland? Und was gilt bei rechtlicher Unmöglichkeit zB wegen fehlender Beschäftigungsbewilligung im Ausland?

In Reissners Artikel geht es in gewohnter Weise um die Schnittstellen zum Insolvenzrecht („Betriebsübergang und Insolvenz“). Er geht ua der Frage nach, welches österreichische Insolvenzverfahren dem unionsrechtlichen Konkursbegriff entspricht, wann die Insolvenzausnahme des § 3 Abs 2 AVRAG greift bzw nicht greift und ob die Insolvenz-Entgeltsicherung nur bei Insolvenz des Erwerbers (nicht aber bei Insolvenz des Veräußerers) besteht.

Bayreuther (von der Universität Passau) beschäftigt sich mit der Frage, wie kollektive Rechtsquellen auf den Betriebsübergang einwirken. Besonders positiv hervorzuheben ist, dass er sich dabei nicht darauf beschränkt, die deutschen Regelungen und ihre Besonderheiten darzustellen, sondern auch einen Vergleich zum österreichischen Recht vornimmt, was den Beitrag besonders interessant macht und auch sehr deutlich zeigt, dass sich der Autor nicht nur im deutschen Recht sehr gut auskennt.

Abschließend berichten dann noch Borzaga (von der Universität von Trient) über die italieni-78schen Umsetzungsregelungen und Pal (ein ungarischer Rechtsanwalt) über den Einfluss der Betriebsübergangsrichtlinie (RL 2001/23/EG) auf das ungarische Betriebsübergangsrecht. Borzaga weist vor allem auf die sE mangelhafte Umsetzung in Italien in Bezug auf den Betriebsteil hin, auf die „korrigierende“ bzw unionsrechtskonforme Auslegung durch die italienischen Gerichte und die Missverständnisse des EuGH in der Rs Amatori, die aber keine Auswirkungen auf die italienische Rsp hatten.

Schade ist, dass es die AutorInnen unterlassen haben, auch auf die Beiträge und Ergebnisse der anderen hinzuweisen, wenn sie Aussagen zu demselben Problem tätigen, vor allem, wenn sie dabei zu einem anderen Ergebnis kommen. So zB zu den Änderungskündigungen (durch den Erwerber), die nach Ansicht von Körber-Risak (S 18) bei wirtschaftlichen Gründen jedenfalls zulässig sein müssen, wenn das höhere Gehaltsniveau nicht marktüblich ist. Felten hält hingegen offenbar jegliche Änderungskündigung für unzulässig, wenn er ausführt, dass im zeitlichen Naheverhältnis zum Betriebsübergang der Erwerber aufgrund des Verbots betriebsübergangsbedingter Kündigungen keinen Druck durch Androhung einer Änderungskündigung aufbauen kann (S 33). Dasselbe gilt zur Frage der Zulässigkeit von (Vorrats-)Kündigungen durch den Veräußerer, die Körber-Risak als zulässig beurteilt (siehe S 18 f), während Felten dazu ausführt, dass der OGH diese Kündigungen zu Recht wegen Umgehung des § 3 Abs 1 AVRAG für sittenwidrig iSd § 879 ABGB erachtet (S 32). Daraus leitet Felten aber auch noch ab, dass desgleichen Versetzungen des Veräußerers, die den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Veräußerer verhindern, unzulässig seien. Hiebei ist mE aber zu bedenken, dass nicht jede Versetzung beim Veräußerer den Zweck verfolgt, Gesetze zu umgehen oder den Erwerber zu schädigen (siehe dazu auch S 34), sondern auch andere Ursachen haben und daher mE nicht jede Versetzung des AN vor einem Betriebsübergang als unzulässig angesehen werden kann, auch wenn die zeitliche Nähe zum Betriebsübergang uU als Indiz dafür gesehen werden kann.

Alles in allem bietet der vorliegende Tagungsband einen interessanten und äußerst informativen Überblick zu verschiedenen Aspekten des Betriebsübergangsrechts. Das Buch kann daher allen mit dem Fragenkreis befassten Personen nur aufs Wärmste empfohlen werden.