KozakLSD-BG – Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz – Kurzkommentar

Manz Verlag, Wien 2016 XX, 374 Seiten, gebunden, € 68,–

ELIASFELTEN (LINZ/SALZBURG)

Wolfgang Kozak hat mit dem vorliegenden Werk den ersten umfassenden Kommentar zum LSD-BG vorgelegt. Dass er sich dieser Herausforderung gestellt und alleine die Aufgabe übernommen hat, dieses Kernstück der jüngeren sozialpolitischen Reformagenda wissenschaftlich zu bearbeiten, allein dafür ist ihm Respekt zu zollen. Denn es gibt kaum einen Rechtsbereich, der einen vergleichbar hohen Komplexitätsgrad aufweist wie diesen. Nicht nur, dass in diesem Gesetz zivilrechtliche Ansprüche mit verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen abgesichert werden. Vielmehr ist eine fundierte Kommentierung des nationalen Rechts ohne eine profunde Kenntnis der unionsrechtlichen Grundlagen zur Dienstleistungsfreiheit im Allgemeinen und zum Entsenderecht im Speziellen nicht denkbar. MaW: Man muss Spezialist im Arbeits-, Sozial-, Zivil-, Verwaltungs- und Verwaltungsstrafrecht sowie Unionsrecht sein, wenn man das LSD-BG in seiner vollen Breite wissenschaftlich durchleuchten will. Diesem Anspruch, das sei an dieser Stelle schon vorausgeschickt, wird der Autor und damit auch das Werk gerecht. Das ist für sich allein schon beeindruckend. Besonders bemerkenswert erscheint freilich, dass es Kozak gelungen ist, trotz der Fülle an Themen und Problemstellungen einen verhältnismäßig „schlanken“ Kommentar, sprich Kurzkommentar, vorzulegen.

Dass dies nicht notgedrungen zu Lasten des Inhalts gehen muss, lässt sich deutlich an der Kommentierung des § 3 LSD-BG zeigen, der sich mit dem Entgeltanspruch von AN beschäftigt, die ihren gewöhnlichen Arbeitsort in Österreich haben oder nach Österreich entsandt bzw überlassen wurden. Kozak setzt sich in diesem Zusammenhang mit der detail- und facettenreichen Literatur und Judikatur, vor allem auch jener des EuGH, zu dieser Frage auseinander und arbeitet auf dieser Grundlage überzeugend die Unterschiede zwischen dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff, dem Entgeltbegriff der Entsende-RL und dem Entgeltbegriff des LSD-BG heraus. In einem Punkt ist ihm freilich zu widersprechen. Dem Entgeltbegriff des LSD-BG, insb jenem der Strafbestimmung des § 29, liegt nicht der sozialversicherungsrechtliche, sondern der arbeitsrechtliche Entgeltbegriff zu Grunde (vgl § 3 Rz 20). Zwar gibt es diesbezüglich in der Literatur durchaus unterschiedliche Auffassungen (vgl bloß Gleißner, ZAS 2015, 21 oder Wiesinger, ecolex 2015, 92). Im Ergebnis sprechen aber mE die besseren Argumente gegen eine sozialversicherungsrechtliche Prägung dieses Begriffs. Denn beim LSD-BG handelt es sich um ein Gesetz, das die arbeitsrechtliche Vereinbarung zwischen AG und AN zum Ausgangspunkt hat. Die Frage, ob ein Entgeltanspruch nach Gesetz, Verordnung oder KollV besteht, ist eine arbeitsrechtliche. Folglich liegt es nahe, auch dem Begriff des Entgelts ein arbeitsrechtliches Verständnis zu Grunde zu legen und diesen nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen auszulegen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass von der Strafbarkeit des § 29 LSD-BG jene Entgeltbestandteile ausgenommen sind, die gem § 49 Abs 3 ASVG ebenfalls vom sozialversicherungsrechtlichen Entgeltbegriff auszuklammern sind. Freilich handelt es sich dabei um eine primär akademische Frage, da jene Fälle, bei denen diese Unterscheidung von Relevanz ist (bspw Entgelt von Dritten), idR ohnehin nicht vom Straftatbestand des § 29 LSD-BG erfasst sein werden, da es sich nicht um nach Gesetz, Verordnung oder KollV gebührendes Entgelt, sondern um vertragliche Ansprüche handeln wird.

Auch die Kommentierung der zentralen Norm des § 29 LSD-BG beweist, dass es Kozak gelingt, eine Vielzahl sehr grundlegender Probleme auf verhältnismäßig knappem Raum einer Lösung zuzuführen. Zuweilen würde man sich freilich wünschen, dass er nicht nur die bereits in der Literatur vertretenen Meinungen wiedergibt, sondern seine eigene Auffassung dazu kundtut; zB zu der Frage, ob § 1152 ABGB vom Anwendungsbereich des § 29 LSD-BG erfasst ist oder nicht (vgl § 29 Rz 17). Dort, wo dies der Fall ist, kommt Kozak nämlich zu durchwegs überzeugend argumentierten und gut vertretbaren Ergebnissen. So ist er bspw zu Recht der Ansicht, dass zivilrechtlich verjährte bzw verfallene Ansprüche nicht von der Strafbarkeit nach § 29 LSD-BG auszunehmen sind. Es greift tatsächlich zu kurz, den Schutzzweck des LSD-BG ausschließlich in der Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche zu sehen. Vielmehr geht es dem Gesetzgeber auch darum, einen fairen Wettbewerb sicherzustellen. Würde man nun zivilrechtlich verfallene Ansprüche von der Strafbarkeit ausnehmen, so hätte dies, worauf Kozak zu Recht hinweist, zum Ergebnis, dass der Schutzzweck des LSD-BG durch privatrechtliche Vereinbarungen ausgehebelt bzw konterkariert werden könnte (vgl § 29 Rz 47). Im Übrigen ist ein weiteres Argument für die Ansicht Kozaks, dass der Gesetzgeber die Frist zur Verfolgungsverjährung einer Unterentlohnung von einem auf drei Jahre ausgedehnt hat. Es ist wohl kein Zufall, dass es sich dabei genau um jenen Zeitraum handelt, nach dem gem § 1486 Z 5 ABGB Entgeltansprüche verjähren. Damit hat der Gesetzgeber aber klar zu verstehen gegeben, dass kürzere Verfallsfristen unbeachtlich bleiben sollen. Andernfalls würde die Ausdehnung der Verfolgungsverjährung im Ergebnis leerlaufen (idS Felten/Pfeil, DRdA 2016, 84 f).517

Echte Pionierarbeit hat Kozak auch mit der Kommentierung des § 1 LSD-BG geleistet. Denn der Anwendungsbereich dieses Gesetzes wurde im Vergleich zu den Vorgängerregelungen des AVRAG doch wesentlichen Änderungen unterworfen. Das gilt vor allem für den Entsendebegriff des LSD-BG. Dieser geht, wie Kozak zu Recht festhält, über jenen der Rom-I-VO bzw Entsende-RL hinaus. So wurde gem § 2 Abs 3 LSD-BG bspw das Erfordernis eines Dienstleistungsvertrags ausdrücklich aufgegeben. Darüber hinaus finden sich in § 1 Abs 5 und 6 LSD-BG eine Reihe von Lebenssachverhalten, die nicht als Entsendung iSd LSD-BG zu qualifizieren sind. Es handelt sich also im Ergebnis um einen eigenständigen Begriff. Insofern ist es zumindest missverständlich, wenn im selben Atemzug die Ansicht vertreten wird, der Gesetzgeber hätte keinen eigenen Entsendebegriff kreiert (vgl § 1 Rz 119). Dass der Begriff der „Entsendung“ gem § 1 LSD-BG eigenständig auszulegen ist, kann bspw für die Frage Bedeutung erlangen, ob es sich beim Ausnahmekatalog des Abs 5 und 6 um eine abschließende oder bloß demonstrative Auflistung handelt. Kozak geht darauf nicht dezidiert ein. Seine Ausführungen legen aber ein taxatives Verständnis nahe (vgl insb § 1 Rz 126). Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Dh aber nicht automatisch, dass damit alle Lebenssachverhalte, die nicht in der Auflistung des Abs 5 und 6 aufscheinen, dem strengen Regime des LSD-BG unterliegen. Denn Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit ist, dass überhaupt eine „Entsendung“ bzw „grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung“ vorliegt. Nach den Materialien ist das nur dann anzunehmen, wenn es sich um Dienstleistungen handelt, die potentiell geeignet sind, sich auf den österreichischen Arbeitsmarkt auszuwirken (ErläutRV 1111 BlgNR 25. GP 3). Ist das nicht der Fall, so ist im Umkehrschluss wohl auch der Entsendebegriff des LSD-BG nicht erfüllt. Das könnte bedeuten, dass es neben den ausdrücklich aufgezählten Ausnahmen durchaus noch andere Konstellationen geben kann, die nicht dem Anwendungsbereich des LSD-BG unterliegen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Wolfgang Kozak mit dem vorliegenden Kommentar zum LSD-BG nicht nur ein hervorragender Arbeitsbehelf für die Praxis gelungen ist. Seine Ausführungen sind vielmehr auch für die Wissenschaft von hohem Interesse. Damit hat er einen wesentlichen Beitrag zur inhaltlichen Durchdringung dieses komplexen Rechtsbereichs geleistet.