DeinertInternational Labour Law under the Rome Conventions – A Handbook

C.H. Beck/Hart/Nomos Verlag, Baden-Baden 2017, 540 Seiten, gebunden, € 170,–

MARTINRISAK (WIEN)

Durch die fortschreitende Globalisierung, die sich weiter vertiefende europäische Integration und nicht zuletzt auch durch die Digitalisierung nehmen das Arbeitsrecht betreffende Sachverhalte mit Auslandsbezug zu. Es geht dabei nicht nur um GrenzgängerInnen, Entsendungen in den unterschiedlichsten Formen sowie um die Arbeit für AG in anderen Staaten, sondern auch um online-Crowdwork, Tele-Commuting und grenzüberschreitende Unternehmensrestrukturierungen. Um bei derartigen Konstellationen das im konkreten Fall anwendbare Arbeitsrecht zu ermitteln, bedarf es eines internationalen, zwischen den einzelnen Staaten koordinierten Kollisionsrechts. Dieses wird in der EU, soweit es das Arbeitsvertragsrecht betrifft, durch die Rom I-VO bereitgestellt, die von der Entsende-RL 96/71/EG flankiert ist. Letztere ist in ihren Inhalten mehr als umstritten, wie nicht zuletzt der sich schwierig gestaltende politische Prozess um die Neufassung der Richtlinie auf Basis des seit 2016 vorliegenden Vorschlages der EU-Kommission (COM [2016] 128 final) zeigt. Das kollektive Arbeitskollisionsrecht hingegen hat überhaupt keine europaweite Regelung erfahren, die Meinungen, welche Prinzipien zur Anknüpfung (Territorialitätsprinzip versus Anknüpfung an das Arbeitsvertragsstatut) nun Anwendung finden sollen, sind geteilt.

Dieses hochkomplexe Terrain des Arbeitskollisionsrechts zu kartographieren und Lösungswege aufzuzeichnen, hat Olaf Deinert, Professor für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht an der Georg-August-Universität Göttingen, in seinem 2013 erschienenen Buch „Internationales Arbeitsrecht“ unternommen. Zu dessen Würdigung sei auf die Rezension von Niksova in ZAS 2014, 292 verwiesen und hier nur der auch stark rechtsvergleichende Zugang hervorzuheben. Diese Methode ist bei der Zuordnung einzelner Materien (zB dem Kündigungsschutz) zu den verschiedenen Anknüpfungstatbeständen von großer Bedeutung, weitet den Horizont der LeserInnen und erfüllt darüber hinaus diese oft trocken und technische anmutende Materie mit Leben. Nunmehr ist eine überarbeitete englische Version dieses Werkes unter dem Titel „International Labour Law under the Rome Conventions“ erschienen. Nicht enthalten ist in der englischen Version das Kapitel zum kollektiven Arbeitsrecht (Tarifvertrag und Betriebsverfassung); der Teil zum Arbeitskampf, der insb damit verbundene schadenersatzrechtliche Fragen behandelt (siehe insb Art 9 der Rom II-VO), wurde im Kapitel zum Umfang des Arbeitsvertragsstatuts eingebaut. Dieser Entfall ist insofern bedauerlich, da das internationale kollektive Arbeitsrecht noch nicht ausreichend beforscht ist und gerade von der rechtsvergleichenden Methode profitieren würde; er ist aber auch nachvollziehbar, da die deutsche Version stark auf die deutsche Rechtslage Bezug nimmt und deshalb wohl grundlegend neu geschrieben hätte werden müssen.

Was den Aufbau betrifft, so ist das Werk in fünf Kapitel gegliedert. In der Einleitung (Introduction) erfolgt eine Befassung mit dem Gegenstand, den Zielen, Methoden und Quellen des Arbeitsverweisungsrechts, wobei auch auf die Einflüsse des EU-Rechts eingegangen wird. Das zweite Kapitel (General doctrines of private international law of relevance to employment law) ist dem den Allgemeinen Teil des internationalen Privatrechts gewidmet, wobei es um die Qualifikation (classification), den Ordre public (public policy) und um die Rück- und Weiterverweisungen (simple and multiple renvoi) geht. Bei ersterem wird insb auch auf den Begriff des Arbeitsvertrages (individual employment contract) eingegangen, wobei sich auch sehr interessante rechtsvergleichende Ausführungen finden und Kritik an dem sE zu engen Begriffsverständnis des EuGH geübt wird (S 50 f).

Das umfangreiche dritte Kapitel, das wohl das Herzstück des Buches darstellt, beschäftigt sich mit den einzelnen Anknüpfungen (connecting factors) des internationalen Privatrechts betreffend den Arbeitsvertrag. Es geht dabei um die Rechts- und Geschäftsfähigkeit (capacity and contractual capability), das sogenannte Formstatut (law governing formal validity) und das Arbeitsvertragsstatut (law governing employment contracts). Hier wird auch auf Sonderprobleme eingegangen, wie zB auf die Ausweichklausel (escape clause) in Art 8 Abs 4 Rom I-VO oder den Statutenwechsel (change of appiccable law). Breiter Raum ist auch den Sonderanknüpfungen (special connecting rules) und insb den Eingriffsnormen (overriding mandatory rules) gewidmet, wobei auch die Sonderanknüpfung in der Entsende-RL 96/71/EG ausführlich behandelt wird.

Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem konkreten Umfang des Arbeitsvertragsstatuts (scope of law applicable to the employment contract) erfolgt dann im vierten Kapitel. Hier wird konsequent rechtsvergleichend gearbeitet, vor die Auseinandersetzung mit dem Kollisionsrecht ist immer eine vergleichende Darstellung des Sachrechts (substantive law) gestellt, wobei auf ausgewählte Rechtsordnungen, immer jedoch auf das deutsche und das österreichische Recht eingegangen wird. Damit ist das Werk über das Kollisionsrecht hinaus auch für international arbeitende WissenschafterInnen und PraktikerInnen hilfreich. In diesem Zusammenhang wird kollisionsrechtlich das Schicksal des Arbeitsvertrages von seinem Zustandekommen über die Haupt- und Nebenleistungsplichten bis hin zur Rechtsnachfolge und der Beendigung dargestellt. Hier zeigt sich auch, dass eben nicht alles Individualarbeitsrecht Arbeitsvertragsrecht ist, wie zB im Zusammenhang mit dem AN-Schutzrecht, wo es aber auch Grenzfälle gibt, wie zB bei dem gesetzlichen Überstundenzuschlag, der von Deinert im Zusammenhang mit § 90 SeemannsG (nun wohl § 51 SeearbeitsG) als Eingriffsnorm gesehen515wird. Im Zusammenhang mit der Beendigung werden auch Nachwirkungen des Arbeitsvertrages, wie insb nachvertragliche Wettbewerbsverbote und Betriebspensionen, behandelt. Wie bereits erwähnt, ist in diesem Kapitel auch ein Abschnitt zum Arbeitskampf integriert. Das abschließende fünfte Kapitel ist vor allem der verfahrensrechtlichen Anknüpfung nach der Brüssel Ia-VO und dem Lugano-Übereinkommen gewidmet. Im Anhang sind die wichtigsten EU-Rechtsakte sowie ein umfangreiches Stichwortverzeichnis enthalten.

Mit der überarbeiteten englischsprachigen Fassung des sich in kurzer Zeit als Standardwerk in diesem Feld etablierten Buches „Internationales Arbeitsrecht“ von Deinert wird sowohl für die Wissenschaft als auch für die Praxis in zweierlei Weise ein wichtiger Beitrag zur Fortentwicklung geleistet: Einerseits wird englischsprachigen JuristInnen dieses wichtige Werk zugänglich gemacht und kann sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene wichtige Anstöße liefern. Andererseits steht international arbeitenden deutschsprachigen RechtswissenschafterInnen und PraktikerInnen ein der deutschen Dogmatik folgendes Werk zur Verfügung, das oft mühsame eigene Übersetzungen spart und eine perfekte Referenz bietet.