Haberer/Krejci (Hrsg)Konzernrecht – Handbuch

Manz Verlag, Wien 2016 XXXVIII, 1164 Seiten, Leinen, € 240,–

PETERJABORNEGG (LINZ)

Das geltende Unternehmensrecht ist im Allgemeinen auf rechtlich selbständige, ihre eigenen Zwecke und Interessen verfolgende Unternehmen ausgerichtet. Davon ausgehend versucht es, einen gerechten Ausgleich widerstreitender Interessen von Gesellschaftern (Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern), Mitgliedern von Unternehmensverwaltungsorganen, AN und Gläubigern zu schaffen. Dazu steht das Konzernmodell in einem gewissen Gegensatz, weil dort mehrere rechtlich selbständige Unternehmen zu einer mehr oder weniger kompakten wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden, wodurch es über Beherrschungs- und Abhängigkeitsverhältnisse zu fremdbestimmter Leitung kommt, die den auf das einzelne Unternehmen abgestimmten Interessenausgleich aus dem Lot bringt. Dies kann bei den einzelnen Konzernunternehmen – gleichsam als „Konzerngefahr“ – zu Benachteiligungen von Gesellschaftern (insb Minderheitsgesellschaftern), zu besonderen Haftungsrisken für Verwaltungsorganmitglieder, zu Beeinträchtigungen von AN-Interessen und auch zu Benachteiligungen von Gläubigern und der Allgemeinheit (namentlich bei Steuern und Sozialversicherungsabgaben) führen. Selbstverständlich könnte der Gesetzgeber dafür in einem durchnormierten Konzernrecht Abhilfe schaffen. Genau das ist aber in Österreich trotz der großen praktischen Bedeutung von Konzernen bislang nicht geschehen, vielmehr gilt ein System bloß faktischer Anerkennung auf Basis gesetzlicher Definitionen in § 15 AktG und § 115 GmbHG und nur ganz wenigen, aber jeweils für sich genommen durchaus bedeutsamen Einzelregelungen. Umfassendere Teilregulierungen gibt es vor allem im Rechnungslegungsrecht, im AN-Mitbestimmungsrecht und auch im Steuerrecht.

Während die sondergesetzlichen Regelungen stets auch im Fachschrifttum gebührend Beachtung gefunden haben, fehlte bisher eine umfassende rechtswissenschaftlich fundierte Gesamtdarstellung des österreichischen Konzernrechts. Mit dem hier zu besprechenden Werk haben nunmehr als Herausgeber und maßgebende Mitautoren Thomas Haberer und Heinz Krejci (letzterer trotz seiner schweren Krankheit, die ihn übrigens in bewunderungswürdiger Weise nicht abgehalten hat, auch noch andere wertvolle wissenschaftliche Beiträge, wie zB die Monographie zum „Recht auf Streik“, zu verfassen) diese Lücke im rechtswissenschaftlichen Schrifttum geschlossen, und zwar – das darf gleich vorweg hervorgehoben werden – in einer nach Anlage, Inhalt und wissenschaftlicher Durchdringung der Materie bei gleichzeitiger hoher Praxistauglichkeit hervorragenden Weise.

Die insgesamt 32 Autoren und Autorinnen behandeln in neun Teilen, untergliedert in 26 Kapitel, alle irgendwie relevanten Teile des Konzernrechts. Ein genaueres inhaltliches Eingehen auf sämtliche Beiträge ist aus Platzgründen ausgeschlossen. Immerhin sei festgehalten, dass bereits die ausführliche von Haberer und Krejci verfasste Grundlegung (S 1 bis 103) dadurch beeindruckt, dass in umfassender Weise die Vor- und Nachteile der Konzernbildung sowie die damit zusammenhängenden möglichen Interessenbeeinträchtigungen durch Fremdbestimmung beherrschter bzw abhängiger Unternehmen dargestellt werden. Im Besonderen wird deutlich gemacht, dass es beim Konzernrecht letztlich um ein Schutzrecht zugunsten der schon eingangs erwähnten verschiedenen Interessenträger und damit zugleich um die Schranken zuläs-509siger Verfolgung von Konzerninteressen geht. All das wird ausführlich an Hand der gesellschaftsrechtlichen Konzernrechtsvorschriften des Aktien- und GmbH-Rechts, des Verhältnisses von Konzern und Satzungen bzw Gesellschaftsverträgen der Konzernunternehmen, der spezifischen Probleme von Vertrags- und faktischen Konzernen sowie besonderer Themenbereiche wie Konzerneingangs- und Konzernleitungskontrolle, Haftung für Fehlverhalten im Konzern und Beendigung des Konzerns abgehandelt. Eine wichtige Grundlage für diesen Beitrag bildet übrigens das schon seinerzeit für die österreichische wissenschaftliche Bearbeitung des Konzernrechts bedeutsame Gutachten von Krejci für den 10. Österreichischen Juristentag 1988 (S 229 bis 416).

Ergänzend zur allgemeinen Einführung empfiehlt sich die Lektüre des Beitrages von Martin Gelter über rechtsökonomische und rechtsvergleichende Aspekte (S 237 bis 258), ua auch deshalb, weil dort (auf S 253 ff) sehr anschaulich die unterschiedlichen Regelungs- bzw Nichtregelungsmodelle des Konzernrechts (nämlich Außerachtlassung des Konzernzusammenhangs im Gesellschaftsrecht, Nachteilsausgleich oder Vorrang des Konzerninteresses) dargestellt und analysiert werden.

Ulrich Torggler behandelt (auf S 105 bis 129) die Personengesellschaft als Tochter- und Muttergesellschaft im Konzern und legt dabei sehr präzise und mit einer Reihe von eigenen interessanten Lösungsansätzen den Schutz von (Minderheits-)Gesellschaftern sowie Gesellschaftsgläubigern dar, wobei er traditionell nach Konzerneingangs- und Konzernleitungsschranken differenziert und auch auf mögliche Konzernausgangsschranken eingeht.

Rainer van Husen gibt (auf S 131 bis 155) einen guten Überblick zur „Genossenschaft als Konzernbaustein“, wobei er auf Basis allgemeiner genossenschaftsrechtlicher Grundsätze einschließlich des zwingenden Förderungszwecks sowie einiger einschlägiger gesetzlicher Detailregelungen wie der Vorschriften zur AN-Mitbestimmung, zum Rechnungslegungsrecht, zum Eigenkapitalersatzrecht und speziell auch zum Kreditinstituteverbund gem § 30a BWG die große Rechtsunsicherheit aufzeigt, die sich schon bei den zentralen Fragen nach der Zulässigkeit von Genossenschaften als herrschende oder beherrschte Unternehmen stellen. Aus Sicht des Arbeitsrechtlers erscheint es etwas merkwürdig, wenn als Belegstelle für die nur ganz kursorisch angeführten konzern- und genossenschaftsbezogenen Regelungen des § 110 ArbVG lediglich der kurze Hinweis auf einen Kommentar zu § 4 AVRAG dient.

Bei dem von Krejci (S 157 bis 196) als Konzernbaustein besprochenen (ideellen) Verein bereitet schon das zwingende Erfordernis eines „nicht auf Gewinn berechneten“ Vereinszwecks argumentative Probleme. Allerdings soll damit nach herrschender Deutung die Führung von auf Gewinnerzielung gerichtete Unternehmen nicht ausgeschlossen sein, sondern muss lediglich gewährleistet werden, dass ein allenfalls erzielter Gewinn der Verwendung im Rahmen des eigentlichen Vereinszwecks zugeführt und nicht auf die Vereinsmitglieder verteilt wird. Ist solcherart im Rahmen des Vereinszwecks auch eine wirtschaftliche Tätigkeit möglich, so kommt ein Verein sowohl als herrschendes als auch als beherrschtes Konzernunternehmen in Betracht. Krejci erörtert dazu eingehend die vereinsrechtlichen Erfordernisse sowie Zulässigkeitsschranken für Vertrags- und faktische Vereinskonzerne sowie die Rechtsfolgen von entsprechenden Verstößen von Vereinsorganen.

Bei der von Arnold (S 197 bis 213) abgehandelten Privatstiftung beschränken das Verbot der Selbstzweck-Stiftung und die Unzulässigkeit gewerbsmäßiger Tätigkeiten, die über eine bloße Nebentätigkeit hinausgehen, eine mögliche Konzernleitung, hindern sie aber nach hA nicht vollständig, weil man davon ausgeht, dass von einer einheitlichen Leitung und Beherrschung auch dann gesprochen werden kann, wenn diese nicht gleich der Übernahme weitgehender Geschäftsführungsfunktionen gleichkommt. Im Hinblick auf eine mögliche Konzernmitbestimmung der AN in nachgeordneten Gesellschaften ist es von Bedeutung, wenn Arnold in Rz 5.25 ausführt, dass eine bloße Beherrschungsmöglichkeit nicht ausreiche, um eine Aufsichtsratspflicht nach § 22 Abs 1 Z 2 PSG zu begründen. Das dürfte aber so nicht richtig sein, da die Beherrschung auf Grund einer unmittelbaren Beteiligung von mehr als 50 % neben der einheitlichen Leitung iS von § 15 Abs 1 AktG ein im Vergleich zu § 15 Abs 2 AktG zwar eingeschränkter, aber doch bezüglich des Beherrschungsbegriffes selbst gleichartiger Tatbestand für die Aufsichtsratspflicht ist und insoweit die bloße Beherrschungsmöglichkeit iS einer widerlegbaren Vermutung ausreichend ist (vgl mwN Jabornegg in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG-Kommentar § 110 Rz 179 f). Daher ist schon bei Überschreiten der Schwelle von 50 % unmittelbarer Beteiligung ganz grundsätzlich von einer Beherrschung und einer Aufsichtsratspflicht auszugehen, außer die Privatstiftung erbringt den Nachweis bloßer Anteilsverwaltung und widerlegt damit die gesetzliche Beherrschungsvermutung. Dies kommt übrigens auch ganz klar im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck, wo von der „Verwaltung von Unternehmensanteilen der beherrschten Unternehmen“ die Rede ist und damit auch die schlichte Anteilsverwaltung auf den Begriff „beherrschte Unternehmen“ bezogen wird.

Weitere Beiträge beschäftigen sich ausführlich mit folgenden Themen: Europäisches Konzernrecht und Internationales Privatrecht; gesellschaftsrechtliche Schwerpunkte betreffend Leitung und Überwachung, Minderheitsgesellschafter, Kapitalaufbringung und -erhaltung, Cash-Pooling, Haftungsfragen, Unternehmensverträge, Umgründungen, Krise und Insolvenz; Kapitalmarktrecht; Arbeitsrecht; Kartellrecht; Steuerrecht; Rechnungslegung. Dem fachlichen Zuschnitt von DRdA entsprechend soll hier nur noch kurz auf die arbeitsrechtlichen Ausführungen eingegangen werden.

Die Wahrung der arbeitsrechtlichen Schutzzwecke bei Konzernsachverhalten betrifft einerseits ausdrückliche Regelungen wie etwa die Konzernvertretung im Betriebsverfassungsrecht, die Berücksichtigung von „Unternehmensgruppen“ in der Europäischen Betriebsverfassung oder die betriebsverfassungsrechtliche Konzernentsendung in den Aufsichtsrat der Muttergesellschaft, andererseits eine Fülle spezieller Problemlagen „konzernmobiler“ AN wie zB bei Entsendung, Karenzierung oder AG-Wechsel im Konzern, wo sich dann insb Fragen der Arbeitsvertragsgestaltung bzw -auslegung, der AG-Eigenschaft, der Betriebszugehörigkeit510von AN oder auch des allgemeinen Kündigungs- und Entlassungsschutzes stellen. All dies wird im 18. Kapitel (S 685 bis 737) in sehr umfassender und gut gegliederter Weise von Melanie Haberer und Ralf Peschek abgehandelt. Im Vordergrund steht dabei – wie in Rz 18.1 ausdrücklich hervorgehoben wird – der Praxisbezug der AutorInnen, der offenbar auch dafür entscheidend ist, ob und inwieweit einzelne Themenbereiche eingehender mit konkreter Sachargumentation ausgeführt werden oder ob nur schlichte Hinweise auf Auslegungsergebnisse mit Kurzzitaten erfolgen. Letzteres ist eigentlich schade, weil im Falle des Falles doch auch außerhalb des Handbuches umfangreich recherchiert werden muss.

Im Übrigen ist die Darstellung inhaltlich ansprechend und meist auch gut nachvollziehbar. Der unter Rz 18.3 vorgetragenen allgemeinen Einschätzung, „dass das österreichische Recht aus Sicht der Autoren kein ‚Konzernarbeitsrecht‘, also keine ausdrücklichen Vorschriften zum Arbeitsrecht im Konzern braucht, weil sich so gut wie alle Themen im Rahmen der bestehenden Gesetzeslage lösen lassen“, kann ich jedoch ganz grundsätzlich nicht beipflichten. Denn dort, wo ausdrückliche Regelungen zum AN-Schutz in Konzernsachverhalten fehlen, ist es in der Praxis meist sehr schwer bis fast unmöglich, die sonst anerkannten arbeitsrechtlichen Schutzstandards auch bei arbeitgeberseitiger Ausnutzung des höchst flexiblen Einsatzes von AN in verschiedenen Konzernunternehmen zu halten. Dies betrifft zB die von den Autoren in Rz 18.60 gar nicht problematisierte These, wonach die Betriebszugehörigkeit „entliehener“ AN davon abhängig sei, dass die Überlassung „für längere Zeit gedacht ist“ (siehe dagegen mwN Jabornegg, Ausgliederung und Betriebsverfassungsrecht, in

Brodil
, Ausgliederungen [2009] 43, 56), ebenso die nach hA und auch nach M. Haberer/Peschek (Rz 18.62 ff) doch sehr restriktive Berücksichtigung der Konzernverhältnisse beim allgemeinen Kündigungsschutz, die möglichen Schranken für eine „bewusste Änderung des Kollektivvertrags durch Betriebsübergang“ im Konzern (Rz 18.147 ff), oder die Frage einer konzernweiten Geltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, zu der die in Rz 18.161 zu findende schlichte Feststellung, dass dieser „jedenfalls nicht über die Grenzen des Unternehmens“ hinausgehe, bereits mit guten Sachgründen in Zweifel gezogen worden ist (vgl bloß Kreil, Arbeitsverhältnisse im Konzern [1996] 167 ff; Jabornegg, DRdA 2002, 127 f).

Rein formal sei gerade in dieser Zeitschrift noch darauf hingewiesen, dass M. Haberer/Peschek DRdA unüblich mit RdA zitieren (obwohl das Abkürzungsverzeichnis des Gesamtwerkes insoweit korrekt ist). Angemerkt sei auch, dass das in Rz 18.164 neben dem österreichischen Bankwesengesetz (BWG) zitierte Kreditwesengesetz (KWG) ein deutsches und kein österreichisches Gesetz ist. Ergänzt sei schließlich, dass sich seit der Verfassung des Beitrages (wohl erste Jahreshälfte 2016) Gesetzesänderungen ergeben haben, die noch nicht berücksichtigt werden konnten. Dies betrifft etwa die Rz 18.107 ff (Überlassung und Entsendung mit Auslandsbezug) auf Grund des bzw im Zusammenhang mit dem LSD-BG, BGBl I 2016/44, und die Rz 18.94, wo vom bloß möglichen Plan des deutschen Gesetzgebers zur Untersagung dauerhafter Überlassungen die Rede ist, dieser Plan inzwischen aber – freilich gerade auch mit einem Konzernprivileg – durch das Gesetz zur Änderung des (deutschen) AÜG (d)BGBl I 2017 S 258ausgeführt worden ist.

Überblickt man abschließend noch einmal das Gesamtwerk, so bleibt festzuhalten, dass hier wirklich ein Meilenstein in der rechtswissenschaftlichen und auch rechtspraktischen Aufarbeitung des gesamten österreichischen Konzernrechts gelungen ist, zu dem den Herausgebern und Autoren sowie Autorinnen gratuliert werden kann. Die Benützung ist ein „Muss“ für alle, die irgendwie mit konzernrechtlichen Fragen zu tun haben, sei es in der Praxis, sei es bei künftiger rechtswissenschaftlicher Aufarbeitung von konzernrechtlichen Detailproblemen.