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Befristung des ärztlichen Einzelvertrags

RUDOLFMOSLER (SALZBURG)
§§ 342 Abs 1 Z 2 und Z 10, 343, 345 Abs 2 Z 1, 345a Abs 2 Z 1 ASVG (aufgehoben durch BGBl 2013/130BGBl 2013/130)
VfGH 11.3.2014 B 390/2012BSK 23.11.2011 R 7-BSK/11LSK NÖ 4.5.2011 LSK 1/10
  1. Die Zuständigkeit der Landesschiedskommission nach § 345a Abs 2 Z 1 (nun § 345 Abs 2 Z 1) ASVG ist auch hinsichtlich der Auslegung und Anwendung von „Vereinbarungen zum Gesamtvertrag“ gegeben, die von den Parteien des Gesamtvertrags abgeschlossen wurden und den Gesamtvertrag näher ausführen sollen.

  2. § 343 ASVG enthält eine taxative Aufzählung. Der VfGH schließt – anders als die Bundesschiedskommission (BSK) – daraus, dass die Befristung eines Einzelvertrages im Gesamtvertrag nicht vereinbart werden darf.

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Am 21.3.1994 schloss der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (im Folgenden: Hauptverband) mit der nunmehr beschwerdeführenden Partei, der Ärztekammer für Niederösterreich, ua für die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (NöGKK) einen Gesamtvertrag ab. Darin wurde in § 5 Abs 3 betreffend die „Auswahl der Vertragsärzte“ vorgesehen, dass bis zur Besetzung einer freien Vertragsarztstelle im Falle eines dringenden Bedarfes im Einvernehmen mit der Kammer ein befristeter Einzelvertrag abgeschlossen werden kann.

Am selben Tag trafen der Hauptverband und die Ärztekammer für Niederösterreich außerdem „Vereinbarungen zum Gesamtvertrag“. In diesen Ausführungsbestimmungen wurde ua normiert, dass „[d]ie Einzelverträge [...] grundsätzlich mit einem Jahr zu befristen [sind]“. Nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei schloss daraufhin die NöGKK mit den Kassenvertragsärzten zu Beginn ihrer Tätigkeit ausschließlich auf ein Jahr befristete Einzelverträge ab

1.1. Mit einem am 9.12.2010 bei der Landesschiedskommission für Niederösterreich eingelangten Schriftsatz beantragte die beschwerdeführende Partei, die Landesschiedskommission möge feststellen, dass jene Ausführungsbestimmung zum Gesamtvertrag, der zufolge Einzelverträge grundsätzlich zu befristen sind, keine Anwendung finde. Begründend führte die nunmehr beschwerdeführende Partei aus, dass das ASVG eine Befristung von Einzelverträgen nicht vorsehe und auch die Endigungsgründe von Einzelverträgen in § 343 ASVG abschließend genannt seien. Daraus folge, dass eine Regelung über die Befristung von Einzelverträgen in einem Gesamtvertrag unzulässig und infolge dessen unanwendbar sei.

1.2. Mit Bescheid vom 4.5.2011 wies die Landesschiedskommission für Niederösterreich den genannten Feststellungsantrag ab. Begründend führte sie aus, dass gesamtvertragliche Regelungen, die eine Befristung eines Einzelvertrages vorsehen, grundsätzlich zulässig, im Hinblick auf die Zwecke des Kündigungsschutzes nach § 343 ASVG jedoch auf Ausnahmefälle zu beschränken seien. Als solche kämen insb die Deckung eines vorüber-168

gehenden Bedarfes sowie die – hier vorliegende – Befristung zur Erprobung des Kassenvertragsarztes in Betracht, weshalb die betreffende Vorschrift in den Ausführungsbestimmungen zum Gesamtvertrag anwendbar sei.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung an die BSK. Diese wies die Berufung mit folgender Begründung ab:

„1. Gemäß § 345a Abs 2 Z 1 ASVG ist die Landesschiedskommission zuständig ‚zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Gesamtvertrages über die Auslegung oder die Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrages‘. Gegen die Entscheidungen der Landesschiedskommission kann gemäß § 345a Abs 3 ASVG Berufung an die Bundesschiedskommission erhoben werden. Die ‚Vereinbarungen zum Gesamtvertrag‘ vom 21.3.1994 sind eine gesamtvertragliche Regelung.2. Der normativ auf die Einzelverträge einwirkende Teil eines Gesamtvertrags ist nach den Grundsätzen auszulegen, die für die Interpretation von Gesetzen (insbesondere §§ 6 und 7 ABGB) gelten (R 2-BSK/03 = SSV-NF 18/A 7 uva). Bei der Auslegung des Gesamtvertrags ist auch die Vertragspraxis der Gesamtvertragsparteien, also deren Verständnis des Gesamtvertrags zu berücksichtigen, wenn es sich um eindeutige und auch deutlich erkennbare gemeinsame Auffassungen der Vertragsparteien handelt [...]. Zwischen den Streitteilen besteht Einigkeit darüber, dass der letzte Satz in Punkt 3. unter der Überschrift ‚Zu § 5‘ der ‚I. Ausführungsbestimmungen‘ der ‚Vereinbarungen zum Gesamtvertrag‘ vom 21.3.1994 sich nicht nur auf § 5 Abs 3 des Gesamtvertrags vom 21.3.1994 bezieht.3.1. Die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge haben ‚nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen‘ insbesondere die Auswahl der Vertragsärzte und Vertragsgruppenpraxen, den Abschluss und die Lösung der mit diesen zu treffenden Abmachungen (Einzelverträge) zu regeln (§ 342 Abs 1 Z 2 ASVG).3.2 § 343 Abs 2 bis 4 ASVG enthält Fälle der Auflösung von Einzelverträgen (Abs 2: Fälle des Erlöschens des Vertragsverhältnisses ohne Kündigung; Abs 3: Fälle, in denen der Träger der Krankenversicherung zur Auflösung des Vertragsverhältnisses verpflichtet ist; Abs 4: Kündigung des Vertragsverhältnisses von beiden Teilen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist, wobei der Krankenversicherungsträger nur wegen wiederholter nicht unerheblicher oder wegen schwerwiegender Vertrags- oder Berufspflichtverletzungen unter Angabe der Gründe kündigen kann. Der gekündigte Arzt oder die gekündigte Vertrags-Gruppenpraxis kann die Kündigung bei der Landesschiedskommission anfechten). Die Frage der Befristung eines Einzelvertrags behandelt das Gesetz nicht ausdrücklich.3.3. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin regelt § 343 Abs 2 bis 4 ASVG die Beendigung des Einzelvertrags nicht abschließend, wäre doch sonst nach zutreffender Auffassung die Bestimmung des § 342 Abs 1 Z 2 ASVG sinnlos und selbst eine einvernehmliche Lösung als Beendigungsmöglichkeit des Einzelvertrags ausgeschlossen, woran es kein vernünftiges Interesse gäbe (vgl Mosler in
Strasser
[Hrsg], Arzt und gesetzliche Krankenversicherung 275 f, 281; Albegger, Die Auflösung des kassenärztlichen Einzelvertrages 82; Geist in
Jabornegg/Resch/Seewald
, Der Vertragsarzt 198 f; aA Selb in
Tomandl
, System 595 [Stand 1993/94]; s auch Krejci, Probleme des individuellen Kassenarztvertrages, ZAS 1989, 109 [116]). Der Einzelvertrag ist ein (zivilrechtliches) Dauerschuld-Verhältnis, Dauerschuldverhältnisse können gemäß § 1449 ABGB befristet werden. Mangels einer speziellen Regelung im ASVG ist die grundsätzliche Möglichkeit und Zulässigkeit einer Befristung von Einzelverträgen zu bejahen (Mosler in
Strasser
[Hrsg], Arzt und gesetzliche Krankenversicherung 275 f, 281; Albegger, Die Auflösung des kassenärztlichen Einzelvertrages 82).
3.4. Wenngleich es grundsätzlich zulässig ist, im Gesamtvertrag die Befristung eines Einzelvertrags vorzusehen, so müssen nach herrschender, von der Bundesschiedskommission geteilter Auffassung solche Regelungen im Hinblick auf die Beachtung des Schutzzwecks des Kündigungsschutzes (§ 343 Abs 4 ASVG) auf Ausnahmefälle beschränkt sein (Mosler in
Strasser
[Hrsg], Arzt und gesetzliche Krankenversicherung 278; Albegger, Die Auflösung des kassenärztlichen Einzelvertrages 82; Geist in
Jabornegg/Resch/Seewald
, Der Vertragsarzt 198; Krejci, Probleme des individuellen Kassenarztvertrages, ZAS 1989, 109 [116]). So wäre die Vereinbarung im Gesamtvertrag, die eine Aneinanderreihung von befristeten Einzelverträgen vorsieht (‚Kettenarztverträgen‘) unzulässig, stellte dies doch eine Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes dar (Mosler aaO 277; Albegger aaO 83 ff; Krejci aaO 116).
3.5. Mit dem Schutzzweck des § 343 Abs 4 ASVG vereinbar ist hingegen eine kurze Befristung bei einem vorübergehenden Bedarf – wie im gegenständlichen Fall in § 5 Abs 3 des Gesamtvertrags iVm der Bestimmung: ‚Die Einzelverträge sind grundsätzlich mit einem Jahr zu befristen.‘ in den ‚Vereinbarungen zum Gesamtvertrag‘ vom 21.3.1994 vorgesehen – und im Fall der Erprobung des Arztes (‚Probearztverträge‘; Mosler aaO 278; Albegger aaO 85 ff).3.5.1. Im ersten Fall begründet der bloß vorübergehende Bedarf hinreichend den Zweck der Befristung, der sie im Zusammenhalt mit ihrer Beschränkung auf ein Jahr vor dem Hintergrund des Kündigungsschutzes unbedenklich erscheinen lässt (vgl Mosler aaO 278).3.5.2. Im zweiten Fall scheinen zwar auch bei einer Befristung des ersten Einzelvertrags (anfängliche, einmalige Befristung) die Interessen des Arztes (Errichtungskosten; Investitionen in Geräteausstattung) gegen die Zulässigkeit einer kurzen Befristung zu sprechen, doch steht dem jedenfalls gleichwertig das Interesse am Schutz der Versicherten gegenüber. Die tatsächliche Erprobung des Vertragsarztes kann durch ein noch so ausführliches, streng formalisiertes Auswahlverfahren nicht ersetzt werden, wie die Landesschiedskommission zutreffend ausführte. Die Befristung ist geeignet, Defizite des Auswahlverfahrens auszugleichen169und den Anspruch der Versicherten auf eine ausreichende Behandlung besser zu gewährleisten, erlaubt sie doch die Prüfung, ob der Arzt die in ihn gesetzten Erwartungen in der Praxis bestätigen kann (Mosler aaO 278; Albegger aaO 85 ff).4. Die streitverfangene Bestimmung ‚Die Einzelverträge sind grundsätzlich mit einem Jahr zu befristen.‘ lässt eine Auslegung im Sinn der vorstehenden Ausführungen unter Punkt 3.5.1. und 3.5.2. zu. Einem möglichen Missbrauch der Befristungsmöglichkeit durch den Krankenversicherungsträger wirkt die Regelung in den ‚Vereinbarungen zum Gesamtvertrag‘ entgegen, wonach zwischen Kammer und Kasse das Einvernehmen herzustellen ist, wenn der befristete Einzelvertrag, aus welchen Gründen immer, nicht verlängert wird. Ist insoweit die Anwendbarkeit der streitverfangenen Bestimmung zu bejahen, kann dem Antrag kein Erfolg beschieden sein. Der Bescheid der Landesschiedskommission war daher zu bestätigen.“

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG in der bis zum Ablauf des 31.12.2013 geltenden Fassung gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Begründend führt die beschwerdeführende Partei aus, dass durch eine Befristung von Einzelverträgen der Kündigungsschutz des § 343 ASVG unterlaufen würde. Auch könne einem Kassenvertragsarzt nur bei Einhaltung dieses Kündigungsschutzes zugemutet werden, umfangreiche Investitionen auch zum öffentlichen Wohl der Versichertengemeinschaft zu tätigen. Schließlich sei nicht ersichtlich, worin der Vertragsarzt erprobt werden solle, zumal die Frage nach seiner hinreichenden Qualifikation bereits im Auswahlverfahren zu beantworten sei.

3. [...]

4. [...]

II. Rechtslage [...]

III. Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

1. Gem § 345a Abs 2 Z 1 ASVG ist die Landesschiedskommission dazu berufen, über Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Gesamtvertrages über die Auslegung oder die Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrages zu entscheiden. Gegen ihre E kann gem § 345a Abs 3 ASVG Berufung an die BSK erhoben werden.

Im vorliegenden Fall begehrte die Ärztekammer für Niederösterreich als Partei des Gesamtvertrages die Feststellung, dass eine bestimmte Vorschrift der „Vereinbarungen zum Gesamtvertrag“ unanwendbar ist. Da diese Vereinbarungen von den Parteien des Gesamtvertrages (am gleichen Tag wie dieser selbst) abgeschlossen worden sind, liegt unstreitig eine gesamtvertragliche Regelung iSd § 341 Abs 1 ASVG vor. Die BSK hat folglich zu Recht ihre Zuständigkeit für den vorliegenden Fall bejaht.

2. Die Beschwerde ist jedoch begründet:

2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der stRsp des VfGH (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde ua dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn die angefochtene E wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001).

2.2. Ein solcher Fehler ist der belangten Behörde unterlaufen:

2.2.1. Gem § 342 Abs 1 ASVG haben die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge „nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen“ bestimmte Gegenstände zu regeln. Zu diesen zählen gem § 342 Abs 1 Z 2 leg cit insb der Abschluss und die Lösung der mit den Vertragsärzten zu treffenden Abmachungen (Einzelverträge).

2.2.2. Näher geregelt ist die Beendigung des Vertragsverhältnisses sodann in § 343 ASVG. Insb erlischt nach dessen Abs 2 das Vertragsverhältnis zwischen dem Vertragsarzt und dem Träger der KV ohne Kündigung in dort eigens angeführten Fällen, zu denen die Befristung des Vertragsverhältnisses nicht zählt. § 343 Abs 3 leg cit normiert zudem Fälle, in denen der Träger der KV zur Auflösung des Vertragsverhältnisses verpflichtet ist; Abs 4 leg cit wiederum schreibt die Kündigungsmöglichkeit von beiden Teilen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist fest.

2.3. Beim Gesamtvertrag handelt es sich – ähnlich dem arbeitsrechtlichen KollV – um einen zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und der jeweils örtlich zuständigen Ärztekammer abgeschlossenen privatrechtlichen Normenvertrag, der, soweit er Rechte und Pflichten der Ärzte und der Sozialversicherungsträger als Partner des Einzelvertrags regelt, auf Letzteren unmittelbar einwirkt (§ 341 Abs 3 ASVG; vgl VfSlg 15.907/2000 mwH auf die Vorjudikatur). Der Gesamtvertrag beruht daher nicht auf der Privatautonomie der vertragschließenden Parteien, sondern auf gesetzlicher Ermächtigung; er kann daher nur in Angelegenheiten, die das Gesetz bestimmt, abgeschlossen werden, und er ist insoweit, als sein zulässiger Regelungsgegenstand durch Gesetz und Verordnung inhaltlich determiniert ist, an diese Vorgaben gebunden (VfSlg 15.697/1999). Eine Gesetz oder Verordnung widersprechende Bestimmung eines Gesamtvertrages wäre nach § 879 ABGB nichtig (VfSlg 19.251/2010).

2.3.1. Das gesetzliche Erfordernis des Bestehens von „Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Gesamtvertrages“ als Zuständigkeitsvoraussetzung für die Entscheidung einer Frage der Auslegung des Gesamtvertrages soll offensichtlich rein theoretische Auslegungsfragen des Gesamtvertrages von170einer Entscheidung durch die Landesschiedskommission, die diesfalls einer Gutachtertätigkeit gliche, fernhalten.

2.3.2. Die Entscheidung einer Auslegungsstreitigkeit über den Inhalt des Gesamtvertrages setzt demnach aber einen bestimmten Sachverhalt voraus, dessen anhand des Gesamtvertrages vorzunehmende rechtliche Beurteilung zwischen den Parteien des Gesamtvertrages strittig ist, mit der Folge, dass diese Auffassungsdivergenz über die Auslegung (oder die Anwendung) des Gesamtvertrages zu einer „Gefährdung der Rechtssphäre“ (so zutreffend BSK SSV-NF7/A2 mwH) der antragstellenden Partei führt. Der hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung strittige Sachverhalt, der Anlass zur Antragstellung gibt, ist daher vom antragstellenden Vertragspartner konkret darzulegen und bestimmt in der Folge den Verfahrensgegenstand (VfSlg 18.943/2009).

2.3.3. Die beschwerdeführende Partei beantragte die Feststellung, dass jene Ausführungsbestimmung zum Gesamtvertrag, der zufolge Einzelverträge grundsätzlich zu befristen sind, keine Anwendung finde, weil das ASVG eine Befristung von Einzelverträgen nicht zulasse. Die beschwerdeführende Partei und die belangte Behörde vertreten in diesem Zusammenhang übereinstimmend die – denkmögliche – Auffassung, dass die strittige Bestimmung „Die Einzelverträge sind grundsätzlich mit einem Jahr zu befristen“ eine Befristung beim erstmaligen Abschluss von Einzelverträgen auf ein Jahr generell zulässt, und gehen davon aus, dass sie auch in der Praxis von der beteiligten GKK in dieser Weise gehandhabt wird. Gegenstand des Verfahrens ist sohin die Frage, ob eine Bestimmung dieses Inhalts zulässigerweise durch Gesamtvertrag vereinbart werden kann.

2.4. Die belangte Behörde bejaht dies mit der Begründung, dass die Vorschrift des § 343 ASVG die Beendigung eines Einzelvertrages nicht abschließend regle, weshalb eine Befristung desselben auf ein Jahr – unter Wahrung der Schutzzwecke des § 343 leg cit – bei vorübergehendem Bedarf und bei Beginn des Vertragsverhältnisses zulässig sei. Mit dieser Auslegung des § 343 ASVG hat die belangte Behörde die Rechtslage jedoch in besonderem Maße verkannt.

2.4.1. Bereits in seinem – von der belangten Behörde gänzlich unbeachtet gebliebenen – Erk VfSlg 19.248/2010 hat der VfGH – bezogen auf eine vorläufige Untersagung der Berufsausübung gem § 62 Abs 1 Ärztegesetz 1998 – zum Ausdruck gebracht, dass die keines Kündigungsausspruches bedürfenden Endigungsgründe in der Vorschrift des § 343 ASVG abschließend geregelt sind: Der dort normierte Tatbestand des Verlustes der Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes ist daher nur im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung, nicht aber bereits im Falle einer bloß vorläufigen Untersagung der Berufsausübung erfüllt. Der VfGH hält an seiner Auffassung fest, dass die keines Kündigungsausspruches bedürfenden Endigungsgründe in § 343 Abs 2 ASVG abschließend geregelt sind, weil diese Sichtweise sowohl durch eine systematische als auch durch eine historische Interpretation dieser Norm gestützt wird:

2.4.1.1. Gem § 342 Abs 1 Z 2 ASVG kann die Auflösung von Einzelverträgen ausschließlich „nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen“ Gegenstand eines Gesamtvertrages sein. Damit legt diese Vorschrift unmissverständlich fest, dass eine gesamtvertragliche Regelung, die Modalitäten der Auflösung eines Einzelvertrages betrifft, an den Rahmen der nachfolgenden Bestimmungen, näherhin des § 343 ASVG, gebunden ist. § 343 ASVG kennt den Endigungsgrund der Befristung eines Vertragsverhältnisses jedoch nicht, sieht man davon ab, dass ein Einzelvertrag gem § 343 Abs 2 Z 7 ASVG bei Erreichen der Altersgrenze mit Ablauf des jeweiligen Kalendervierteljahres endet. Die Festlegung einer Altersgrenze längstens mit der Vollendung des 70. Lebensjahres schreibt das Gesetz für den Gesamtvertrag ausdrücklich vor (§ 342 Abs 1 Z 10 ASVG). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Endigung des Einzelvertrages durch Zeitablauf auch in anderen Fällen zulassen wollte; dies schon im Hinblick auf das Gewicht des Kündigungsschutzes, der unbefristeten Einzelverträgen gem § 343 Abs 4 ASVG zukommt. Dies gilt nicht nur für die Befristung von Einzelverträgen im Allgemeinen, sondern auch für eine Befristung zum Zwecke einer Probezeit.

2.4.1.2. Anders als die belangte Behörde vermeint, erweist sich die Regelungsbefugnis der Gesamtvertragsparteien iSd § 342 Abs 1 Z 2 ASVG (über Abschluss und Lösung der Einzelverträge) bei einer solchen Deutung des § 343 ASVG keineswegs als inhaltsleer. Sie ermächtigt die Gesamtvertragspartner vielmehr dazu, in den dort angeführten Angelegenheiten im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben konkretisierende Regelungen hinsichtlich der näheren Modalitäten zu treffen. Die Erläuterungen zur Stammfassung des ASVG (vgl RV 599 BlgNR 7. GP 102) führen dazu ausdrücklich aus, dass „die Bedingungen, die im Gesamtvertrag bezüglich der Auflösung des Vertrages zu vereinbaren sein werden, [...] für beide Vertragsteile gleich sein [müssen]. Sie müssen mit den Bestimmungen des § 343, insbesondere auch des § 343 Abs 5 über die Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist im Einklang stehen“.

2.4.1.3. Im Hinblick darauf, dass die Kündigung eines Einzelvertrages gem § 343 Abs 4 ASVG beiden Vertragspartnern unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende offensteht und Partner eines Vertrages schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen jedenfalls berechtigt sind, einen einmal geschlossenen Vertrag einvernehmlich auch wieder aufzulösen, muss die Zulässigkeit einer einvernehmlichen Auflösung – im Gegensatz zur Zulässigkeit der Befristung – nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen werden. Aus der Annahme einer abschließenden Regelung der Endigungsgründe in § 343 ASVG folgt daher – entgegen der Auffassung der belangten Behörde – keineswegs, dass auch die einvernehmliche Auflösung eines Einzelvertrages nicht zulässig wäre.

2.4.1.4. Auch die weiteren Ausführungen in den – von der belangten Behörde nicht herangezogenen – Materialien zu § 343 ASVG, dessen Wortlaut171

im Wesentlichen seit der Stammfassung unverändert ist, legen letztendlich die Annahme einer abschließenden Regelung nahe. Sie führen in diesem Zusammenhang nämlich Folgendes aus (vgl RV 599 BlgNR 7. GP 102):

„Das Sozialversicherungs-Überleitungsgesetz hat keine nähere Regelung hinsichtlich der Aufnahme der Ärzte in ein Vertragsverhältnis und der Auflösung des Vertragsverhältnisses getroffen, sondern in dieser Hinsicht den Verträgen völlig freien Spielraum gelassen. Dies wurde als ein gewisser Mangel empfunden, der durch die Bestimmungen des § 343 der Vorlage beseitigt werden soll. Im § 343 Abs 1 werden die Träger der Krankenversicherung verpflichtet, bei der Aufnahme der Ärzte in das Vertragsverhältnis im Einvernehmen mit der zuständigen Ärztekammer vorzugehen. Es wird damit einer schon seit langem vertretenen Forderung der Ärzteschaft nach gesetzlicher Verankerung des Rechtes ihrer Interessenvertretungen, bei der Aufnahme der Ärzte in das Vertragsverhältnis mitzuwirken, Rechnung getragen. Im Abs 2 werden die Gründe taxativ aufgezählt, die zu einem Erlöschen des Vertragsverhältnisses ohne vorherige Kündigung führen. Auch diese Bestimmung stellt ebenso wie die ergänzend hinzutretende Bestimmung des Abs 3 über die Verpflichtung des Trägers der Krankenversicherung zur Auflösung des Vertragsverhältnisses mit einem Vertragsarzt einen bedeutsamen Ausbau des gegenwärtig geltenden Rechtes dar. Die Abs 4 und 5 gewährleisten dem Vertragsarzt einen gewissen Schutz vor ungerechtfertigter oder vor unbegründeter vorzeitiger Auflösung des Vertrages.“

2.4.1.5. Schließlich hat auch der VwGH, als er in derartigen Rechtssachen noch angerufen werden konnte, in seiner Rsp § 343 ASVG hinsichtlich der Endigungsgründe als eine abschließende Regelung erachtet (vgl VwGH 27.9.1961, 1218/60).

2.4.2. Soweit die belangte Behörde die Frage, ob der betreffende Satz in den Ausführungsbestimmungen zum Gesamtvertrag als gültige Rechtsnorm anzuwenden ist, ohne Bedachtnahme auf die und ohne nähere Auseinandersetzung mit der Rsp des VfGH bzw den Gesetzesmaterialien unter Berufung auf die ihr Ergebnis vermeintlich stützende Interessenlage zum „Schutz der Versicherten“ bejaht hat, hat sie das Verhältnis des Gesamtvertrages zu § 343 ASVG in einer der Willkür gleichzuhaltenden Weise verkannt.

IV. Ergebnis

– [...]

ANMERKUNG
1.
Zur Zuständigkeit der Landesschiedskommission und der Bundesschiedskommission

Eine Landes-Ärztekammer und der Hauptverband schließen – offenbar mit Zustimmung der beteiligten Krankenversicherungsträger gem § 341 Abs 1 ASVG – „Gesamtvertragliche Vereinbarungen“ ab, die als Ausführungsbestimmungen den am selben Tag abgeschlossenen Gesamtvertrag ergänzen sollen. Geht man davon aus, dass die formalen Voraussetzungen eines Gesamtvertrags erfüllt sind (insb Unterschriften der zuständigen Organe der vertragsschließenden Parteien, ordnungsgemäße Kundmachung), sind auch die „Gesamtvertraglichen Vereinbarungen“ als Gesamtvertrag iSd § 341 ASVG zu werten. Auf die Bezeichnung kommt es nicht an. Die Gesamtverträge sind in der Praxis oft in Rahmen- und Zusatzvereinbarungen aufgesplittet. Der Gesamtvertrag kann also aus verschiedenen entsprechenden Vereinbarungen bestehen (vgl dazu Mosler in

Strasser
[Hrsg], Arzt und gesetzliche Krankenversicherung [1995] 215 f).

§ 345a Abs 2 Z 1 ASVG (nunmehr § 345 Abs 2 Z 1 ASVG) verlangt eine Streitigkeit zwischen den Gesamtvertragsparteien „über die Auslegung oder Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrages“. Mit dem VfGH ist davon auszugehen, dass die Zuständigkeit der Landesschiedskommission und der BSK eine reale Streitigkeit voraussetzt und nicht für die Entscheidung theoretischer Auslegungsfragen iS eines Rechtsgutachtens besteht. Ärztekammer und Hauptverband waren sich zwar über die Auslegung des bestehenden Gesamtvertrags einig, nicht aber, ob eine bestimmte Regelung zur Anwendung kommen kann. Dabei macht es keinen Unterschied, aus welchem Grund die Anwendung strittig ist. Obwohl die Ärztekammer vorher selbst einer völlig eindeutig formulierten Regelung im Gesamtvertrag zugestimmt hat, kann sie sich darauf berufen, dass ihre Anwendung – wegen behaupteter Gesetzwidrigkeit – strittig ist. Das darin zum Ausdruck kommende venire contra factum proprium (also das Zuwiderhandeln gegen das eigene frühere Verhalten) mag bedenklich erscheinen, es ist aber nicht unzulässig, weil das Gesetz die Überprüfung des Gesamtvertrags erlaubt. Die Zuständigkeit der Landesschiedskommission und der BSK wurde daher zu Recht bejaht.

Die mittlerweile eingetretene Änderung der Rechtslage hat an der Zuständigkeit der Landesschiedskommission nichts geändert (nunmehr § 345 Abs 2 Z 1 ASVG). An Stelle der Berufung an die BSK, die nun nur mehr für die Festsetzung des Inhalts eines Gesamtvertrags zuständig ist (§ 346 Abs 1 iVm § 348 ASVG), ist jetzt die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht möglich (§ 347a ASVG).

2.
Zulässigkeit der Befristung eines Einzelvertrags

Nach dem VfGH ist die Befristung des Einzelvertrags vor allem deshalb unzulässig, weil sie gesetzlich nicht vorgesehen ist. Diese Rechtsansicht überrascht zunächst schon aufgrund ihres methodischen Zugangs. Der Einzelvertrag ist ein zivilrechtlicher Vertrag, auf den grundsätzlich Zivilrecht zur Anwendung kommt. Nur insoweit das ASVG Sonderregeln enthält, gehen diese als – zweiseitig – zwingendes Recht vor. Nun ist zwar richtig, dass die Beendigung des Einzelvertrags detailliert in § 343 ASVG geregelt ist. Danach erlischt der Ein-172zelvertrag in bestimmten Fällen ohne Kündigung (Abs 2), bei Fehlen oder Wegfall der Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs ist der Krankenversicherungsträger zur Auflösung verpflichtet (Abs 3) und schließlich enthält Abs 4 eine Regelung über die Kündigung. Ein Befris tungsverbot wird allerdings nirgends ausgesprochen. Die Fälle des Erlöschens nach § 343 Abs 2 ASVG haben mit einer Ausnahme (Altersgrenze) mit einer Befristung überhaupt nichts zu tun. Es geht dabei um nach Abschluss des Einzelvertrags eingetretene Änderungen auf Seiten des Krankenversicherungsträgers oder in der Person des Arztes, die so gewichtig sind, dass ein sofortiges Ende des Einzelvertrags erfolgen muss. Der VfGH geht zu Unrecht davon aus, dass die Befristung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Beendigung zu sehen ist. Ein Dauerschuldverhältnis kann entweder bis auf weiteres, also unbefristet, oder auf eine bestimmte Zeit vereinbart werden. § 1449 ABGB sieht daher ausdrücklich vor, dass ein Vertrag durch Ablauf der Zeit erlöschen kann. Auch der Arbeitsvertrag und der Mietvertrag als die in der Praxis wichtigsten Dauerschuldverhältnisse können dem Grunde nach unbefristet oder befristet abgeschlossen werden. Es handelt sich also genauso um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz wie es die einvernehmliche Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses ist. Es ist generell möglich, ein Dauerschuldverhältnis einvernehmlich aufzulösen, solange der Gesetzgeber nicht Einschränkungen vorsieht (zB § 104a ArbVG; § 10 Abs 7 MuttSchG). Das Gleiche gilt im Grunde für die Befristung. Dass der VfGH zivilrechtliche Grundsätze nur bei der einvernehmlichen Lösung, nicht aber bei der Befristung heranzieht, ist daher inkonsequent.

Allfällige Einschränkungen ergeben sich aus ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen oder daraus, dass ein vorgesehener Kündigungsschutz umgangen werden kann. Die auflösende Befristung beschränkt die Wirksamkeit des Vertrags und ist daher sowohl auf den Vertragsabschluss als auch (wegen der Festlegung des Vertragsendes) auf die Beendigung bezogen (Mosler in

Strasser
[Hrsg], Arzt und gesetzliche Krankenversicherung 276). § 342 Abs 1 Z 2 ASVG sieht eine Regelungszuständigkeit des Gesamtvertrags für den Abschluss und die Lösung der Einzelverträge vor. Der Wortlaut dieser Bestimmung erfasst eindeutig auch Befristungen. In § 343 ASVG werden das Aufnahmeverfahren und die Beendigung des Einzelvertrags geregelt. Hinsichtlich des Abschlusses des Einzelvertrags verweist § 343 Abs 1 ASVG ausdrücklich auf die – diesbezüglich uneingeschränkte – Regelungszuständigkeit des Gesamtvertrags. Die gesetzlichen Einschränkungen der Beendigung schließen aber eine Befristung jedenfalls nicht unmittelbar aus.

Die Altersgrenze (Abs 2 Z 7) führt zwar zu einer Befristung des Einzelvertrags, ist aber ein ganz spezifischer Fall, der sich von anderen Befristungen deutlich unterscheidet. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Altersgrenze die Absicht, den Generationenausgleich zu fördern und einen gerechten Ausgleich zwischen Vertragsinhabern und Vertragsinteressenten herzustellen (ErläutRV 476 BlgNR 24. GP 6 f). Eine Befristung am Vertragsanfang hat meist einen Erprobungszweck und dient damit auch den Interessen der Versicherten (dieses Argument der BSK wird vom VfGH begründungslos „abgeschmettert“). Wollte man im Übrigen ein allgemeines Befristungsverbot aus der Regelung der Altersgrenze ableiten, müsste man bedenken, dass diese erst mit dem 4. SRÄG 2009 eingeführt wurde. Vor dessen Geltung bezogen sich die Erlöschensgründe nur auf nachträglich eingetretene Sachverhalte. Dass aber die Einführung einer Altersgrenze gleichzeitig auch sonstige Befristungen verbieten sollte, kann man dem Gesetzgeber wohl kaum unterstellen.

Die vom VfGH herangezogenen Gesetzesmaterialien (zur Stammfassung des ASVG) erwähnen die Befristung nicht und enthalten diesbezüglich keine eindeutigen Aussagen. Dort wird ausgeführt, dass „die Bedingungen, die im Gesamtvertrag bezüglich der Auflösung des Vertrages zu vereinbaren sein werden, [...] für beide Vertragsteile gleich sein [müssen]. Sie müssen mit den Bestimmungen des § 343, insbesondere auch des § 343 Abs 5 über die Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist im Einklang stehen“. Diese Formulierung ist ganz offenkundig auf die Kündigung bezogen. Bei der Befristung sind die Bedingungen ohnehin automatisch für beide Vertragsteile gleich. Der Hinweis auf die Einhaltung der Kündigungsfrist zeigt ebenso, dass betont werden sollte, dass der Kündigungsschutz im Gesamtvertrag weder verstärkt noch abgeschwächt werden darf. Eine Befristung ist im Übrigen mit § 343 durchaus im Einklang, weil sie ja keineswegs dort verboten wird. Die Materialien verweisen sogar ganz ausdrücklich auf die Bedingungen, die im Gesamtvertrag bezüglich der Auflösung zu vereinbaren sind. Das soll offenkundig bedeuten, dass grundsätzlich eine Vereinbarung getroffen werden darf, dabei aber die gesetzlichen Regeln beachtet werden müssen.

Auch die zweite angeführte Stelle aus den Materialien zur Stammfassung (Zitat in der E) stärkt die Position des VfGH nicht. Es wird nur darauf hingewiesen, dass die Interessenvertretung der Ärzte entgegen der früheren Rechtslage bei der Aufnahme der Ärzte in den Vertrag mitzuwirken hat und gesetzliche Auflösungsregeln bestehen. Dass die Erlöschensgründe des § 343 Abs 2 taxativ aufgezählt sind, ist unbestritten, aber kein eindeutiger Beleg dafür, dass damit ein allgemeines Befristungsverbot verankert werden sollte. Wie schon ausgeführt geht es hier (auch bei der Verpflichtung zur Auflösung und bei der Kündigung) immer um Fallgestaltungen, in denen im Nachhinein ein neuer Sachverhalt auftritt. Eine (relativ kurze) Anfangsbefristung ist ein Fall, an den der Gesetzgeber entweder nicht gedacht oder den als selbstverständlich vorausgesetzt hat.

Soweit der VfGH aus der Existenz des Kündigungsschutzes ein Argument für ein allgemeines Befristungsverbot gewinnen will, ist das ebenso nicht überzeugend. Durch befristete Einzelverträge darf zweifellos der Kündigungsschutz nicht ausgehöhlt werden (vgl schon Krejci, ZAS 1989, 116). Deshalb wäre eine Regelung im Gesamtvertrag unzulässig,173die Befristungen generell und unbeschränkt erlauben würde. Vor allem durch Kettenbefristungen (die auch im Arbeitsrecht unzulässig sind) könnte tatsächlich der Kündigungsschutz umgangen werden. Darauf hat die BSK zu Recht hingewiesen. Auch längere einmalige Befristungen wären im Hinblick auf den Kündigungsschutz problematisch (obwohl sie im Arbeitsrecht erlaubt sind). Eine einmalige Befristung mit relativ geringer Dauer am Beginn des Vertragsverhältnisses, die zum Zweck der Erprobung oder für einen vorübergehenden Bedarf vereinbart wird, greift aber in den Kündigungsschutz nur ganz geringfügig ein.

Wenigstens missverständlich ist der Hinweis auf eine ältere E des VwGH (27.9.1961, 1218/60;

Dragaschnig/Souhrada
[Hrsg], Schiedskommissionen und Vertragspartnerrecht in der österreichischen Sozialversicherung [1983] 471). Es ging dort darum, dass der Gesamtvertrag Vorschriften über die Verlegung der Ordinationsstätte enthielt, aber keine ausdrückliche Sanktion bei Nichteinhalten des vorgeschriebenen Verfahrens. Der Krankenversicherungsträger ging für diesen Fall von einem Erlöschen des Einzelvertrags aus, der VwGH hielt nur eine Kündigung für möglich. Diese E ist nicht zu kritisieren. Abgesehen davon, dass es um die Auslegung des konkreten Gesamtvertrages ging, handelt es sich bei der rechtwidrigen Verlegung der Ordination um ein Fehlverhalten des Arztes. Die Sanktionen für Fehlverhalten sind tatsächlich taxativ im Gesetz geregelt, weshalb die Vereinbarung eines Erlöschensgrundes im Gesamtvertrag unzulässig wäre. Die Ausführungen des VwGH lassen keinen Schluss zu, dass dies auch für den völlig anderen Fall der Befristung gelten sollte.

Auch der Hinweis auf das VfGH-Erk vom 3.12.2010 (B 721/09 VfSlg 19.248) ist wenig hilfreich. Es ging dabei um die Frage, ob der Einzelvertrag schon bei vorläufiger Untersagung der Berufsausübung gem § 62 ÄrzteG vom Krankenversicherungsträger aufzulösen ist. Das ist in § 343 Abs 3 ASVG nicht eindeutig geregelt. Auch wenn man aber der Meinung des VfGH folgt, dass § 343 Abs 3 ASVG so auszulegen ist, dass die Auflösung erst bei endgültigem Verlust der Berufsberechtigung zulässig ist, ergibt sich daraus nichts für den völlig anders gearteten Fall der Befristung.

3.
Prüfmaßstab des VfGH

Letztlich ist auch nicht klar, welchen Prüfmaßstab der VfGH bei der Prüfung, ob die Behörde Willkür geübt hat, tatsächlich anlegt. Einerseits findet man die immer wieder und auch hier zitierte Formel „wenn die angefochtene Entscheidung wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht“. Andererseits fragt man sich, nach welchen Kriterien das beurteilt wird. Von einem „gehäuften“ Verkennen der Rechtslage kann im vorliegenden Fall keine Rede sein, ebenso wenig von einem Widerspruch zu den Rechtsvorschriften „in besonderem Maße“. Es geht letztlich um ein Auslegungsproblem, bei dem die BSK wenigstens von einer vertretbaren Rechtsmeinung ausgegangen ist. Indiz dafür ist immerhin, dass diese Ansicht auch ganz überwiegend in der Literatur (von der BSK zitiert) vertreten wird und beide Gesamtvertragsparteien bei Abschluss des Gesamtvertrags davon ausgegangen sind. Der VfGH hätte daher gar nicht in die materielle Prüfung der E der BSK eintreten dürfen.