Reissner/Neumayr (Hrsg)Zeller Handbuch – Betriebsvereinbarungen

Manz Verlag, Wien 2014, XXVIII, 988 Seiten, € 218,–

PETERJABORNEGG (LINZ)

Nach dem bereits in zweiter Auflage (2011) erschienenen Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht und dem 2010 publizierten Zeller Handbuch Arbeitsvertrags-Klauseln haben die beiden Herausgeber (Gert-Peter Reissner und Matthias Neumayr) in – fast möchte man sagen logischer – Konsequenz ihrer bisherigen Anstrengungen und Verdienste um das österreichische Arbeitsrecht mit dem vorliegenden „Zeller Handbuch – Betriebsvereinbarungen“ ein für Arbeitsrechtspraxis und Arbeitsrechtswissenschaft wichtiges neues Werk geschaffen. Die Konzeption ist gleichermaßen umfassend wie einfach: Nach einem von den Herausgebern selbst bearbeiteten Allgemeinen Teil über die Grundlagen des Betriebsvereinbarungsrechts werden die einzelnen möglichen Betriebsvereinbarungen entsprechend der Reihenfolge ihrer gesetzlichen Zulassung in den zentralen Bestimmungen der §§ 96, 96a und 97 ArbVG sowie ergänzend dazu auch in den Sondertatbeständen des UrlG und des AZG nach einheitlicher Vorlage dargestellt und kommentiert: Nach der jeweiligen (vielfach sehr gründlichen) Einführung zum Betriebsvereinbarungstatbestand folgen „Konzeptionen“ mit entsprechenden Musterformulierungen und detaillierten Erläuterungen, sowie abschließend die in Betracht zu ziehenden „Folgen“ bzw „Rechtsfolgen“ des Abschlusses oder auch Nichtabschlusses der betreffenden BV und allfällige besondere Beendigungsfragen. Zuletzt findet sich ein eigener Abschnitt zum Thema „Freie Betriebsvereinbarungen“.

Das Team der BearbeiterInnen (neben den beiden Herausgebern noch weitere 18 AutorInnen, UniversitätslehrerInnen,214ebenso wie wissenschaftlich interessierte PraktikerInnen) ist sachbedingt ähnlich groß wie in den beiden anderen Werken der „Zeller Familie“. So ist es nicht verwunderlich, dass sich nach Umfang und Intensität der einführenden Abhandlungen, Mustervorschläge sowie speziellen Kommentierungen teilweise doch deutliche Unterschiede zeigen, allerdings wird in jedem Fall ein beachtliches Mindestniveau gehalten, was eine hohe Qualität des Gesamtwerkes gewährleistet.

Ein detailliertes Eingehen auf die vielfältigen Inhalte des Werkes lässt die gebotene Kürze der Buchanzeige nicht zu. Dennoch sei besonders hervorgehoben, dass sich das Handbuch nicht nur mit den „echten“ Betriebsvereinbarungen beschäftigt, sondern sich auch sehr ausführlich den in der betrieblichen Praxis weit verbreiteten unzulässigen (häufig verfälschend und beschönigend als „freie“ bezeichneten) Betriebsvereinbarungen widmet. Dies geschieht einerseits schon im Allgemeinen Teil (Rz 0.179 – 0.192) und andererseits sehr gründlich und umfangreich in dem von Hannes Schneller bearbeiteten sechsten Abschnitt (Rz 44.01 ff). Dort wird zunächst in erfreulicher Klarheit festgehalten, dass die sogenannte „freie BV“ kein Vertrag im klassischen Sinn sei, weshalb sie auch nicht als „Richtlinienvertrag“ gewertet werden könne und jedenfalls kollektivarbeitsrechtlich ein juristisches Nichts darstelle (Rz 44.02). Wenn dann freilich ergänzt wird, dass sie gleichwohl individualarbeitsrechtlich verbindlich sein könne, ist dies vielleicht schon zu viel gesagt: Nicht die unzulässige BV als solche kann individualarbeitsrechtlich verbindliche Wirkung erhalten, sondern die tatsächlichen Gegebenheiten rund um die Einigung zwischen Betriebsinhaber (BI) und Belegschaftsvertretung einschließlich der daraus unmittelbar oder in Verbindung mit der tatsächlichen „Umsetzung“ ableitbaren Erklärungen können eigenständige rechtsgeschäftliche Wirkungen im Verhältnis zu den AN selbst entfalten. Dies richtet sich aber ausschließlich nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen, weshalb es für die Frage entsprechender verbindlicher Vertragsinhalte stets nur auf das Verhältnis des AG zu seinen AN ankommen kann und nicht auf Willen und Verständnis der Belegschaftsvertretung im Vorfeld der jeweiligen einzelvertraglichen Regelungen. Demnach kennzeichnet auch das oft verwendete Schlagwort von der „Vertragsschablonentheorie“ nur einen von mehreren zu beachtenden Aspekten und erscheint insofern zur Charakterisierung der ständigen Judikatur zu den unzulässigen Betriebsvereinbarungen recht unvollständig. Denn allein aus arbeitsvertragsrechtlicher Sicht ist im Verhältnis zwischen AG und betroffenen AN genau zu prüfen, ob und inwieweit die (rechtlich völlig unverbindlichen) Absprachen zwischen BI und BR wirklich in die Einzelverträge eingehen. Die unzulässige BV erhält insb dann als Vertragsschablone keine umfassende verbindliche Wirkung, wenn und soweit sie auf AN-Seite nicht hinreichend publiziert bzw akzeptiert worden ist und sich daher die allenfalls anzunehmenden konkludenten Zustimmungserklärungen der AN oder eine gebotene ergänzende Vertragsauslegung nur auf bestimmte für die AN günstigere Teile beziehen können. Im Ergebnis völlig zutreffend ist es, wenn Schneller in Rz 44.38 eine Umdeutung der unzulässigen und damit nichtigen BV in einen Vertrag zugunsten Dritter oder in eine vollmachtlose Stellvertretung gänzlich ablehnt. Soweit er freilich die Möglichkeiten einer konkludenten Einzelvertragsänderung, einer ergänzenden Vertragsauslegung oder einer „Auslobung“ unter dem Aspekt der „Konversion“ behandelt, halte ich das nicht für richtig. Denn insofern wird kein nichtiges Rechtsgeschäft in ein gültiges umgedeutet, sondern es wird lediglich geprüft, ob nicht ungeachtet der Nichtigkeit der BV als solcher doch aus ganz anderen Gründen die Voraussetzungen für verbindliche Willenserklärungen des AG gegenüber den einzelnen AN vorliegen. Abschließend sei angemerkt, dass es in einem – gerade auch der betrieblichen Praxis gewidmeten – Werk vielleicht sinnvoll gewesen wäre, konkrete Anleitungen zur Vermeidung solcher unzulässigen Betriebsvereinbarungen in dem Sinne zu geben, dass auch für den vielfach anzutreffenden Wunsch von BI und Belegschaftsvertretung zu gemeinsamen Absprachen über unzulässige Betriebsvereinbarungsinhalte eine rechtssichere Vorgangsweise für die letztlich allein möglichen einzelvertraglichen Gestaltungen angeboten wird, wofür ebenfalls Musterformulierungen beigestellt hätten werden können.

Eine weitere Anregung für eine spätere (ganz sicher zu erwartende) Neuauflage wäre auch noch die vertiefte Darstellung von solchen „gemischten“ Betriebsvereinbarungen, in denen zwischen BI und Belegschaftsvertretung gleichzeitig rechtlich jeweils unterschiedlich zu beurteilende sowie zu behandelnde fakultative und erzwingbare Betriebsvereinbarungsinhalte zu finden sind und vielleicht zusätzlich auch noch unzulässige und insoweit nichtige Inhalte mitvereinbart sind. Zwar wird verschiedentlich die damit zusammenhängende Problematik auch im vorliegenden Werk immer wieder angesprochen, eine umfassende Behandlung wäre aber für dieses in der Praxis sehr häufig zu findende Phänomen doch sinnvoll und weiterführend.

Insgesamt ist (auch) dieses Zeller Handbuch als grundlegender und umfassender Arbeitsbehelf uneingeschränkt zu empfehlen. Es bietet eine übersichtliche, den Stand von Rsp und Lehre verlässlich darstellende und weit darüber hinaus auf Detailprobleme eingehende Gesamtdarstellung zum Betriebsvereinbarungsrecht sowie zusätzlich auch noch eine unschätzbare Vielzahl von Musterformulierungen für konkrete Betriebsvereinbarungen samt fundierten Erläuterungen der dabei jeweils zu beachtenden rechtlichen Gegebenheiten. Sehr hilfreich sind auch die immer wieder zu findenden besonders hervorgehobenen „Hinweise“ zu speziellen faktischen und rechtlichen Fragen. Es fällt nicht schwer zu prophezeien, dass auch dieses Buch aus der „Zeller“ Arbeitsrechtsreihe als Standardwerk Anerkennung finden und für die arbeitsrechtliche Praxis unentbehrlicher Ratgeber sein wird. Gleichzeitig bietet es auch viele Denkanstöße für Lehre und Forschung des Arbeitsrechts und trägt damit in bester Tradition zu dessen Fortentwicklung bei.