Besonderer Arbeitszeitschutz für „grenzüberschreitendes Zugpersonal“ – Aber wer fällt darunter?

Autorin: SUSANNE AUER-MAYER
aus: DRdA 3/2021

Im Arbeitszeitgesetz finden sich ua gesetzliche Sonderregelungen für „Arbeitnehmer auf Haupt- oder Nebenbahnen“. Diese Bestimmungen gehen auf die Vorgaben der RL 2005/47/EG zurück und gelten daher zum Teil nur für das „grenzüberschreitende Zugpersonal“. Auch § 19a ARG sieht ausschließlich für das „grenzüberschreitend eingesetzte Zugpersonal“ gesonderte Regelungen zur wöchentlichen Ruhezeit vor. Offen ist freilich, welche Normierungen in jenen praktisch häufigen Fällen zu gelten haben, in denen AN nur – aber eben doch – teilweise im grenzüberschreitenden Zugverkehr eingesetzt werden. Der Beitrag versucht, eine Antwort auf diese Frage zu geben.

  1. Ausgangslage und Problemstellung

  2. Überblick über die für das Zugpersonal geltenden besonderen arbeitszeitrechtlichen Vorgaben

  3. Konkretisierung des „grenzüberschreitenden Zugpersonals“

    1. Begriff „Zugpersonal“

    2. Exkurs: Auswirkungen der Qualifikation als „Zugpersonal“ auf die Beurteilung des Vorliegens einer Entsendung?

    3. Auslegung des Begriffs „grenzüberschreitendes Zugpersonal“

  4. Welche Vorgaben gelten für nur teilweise grenzüberschreitend eingesetztes Zugpersonal?

  5. Zusammenfassung

1.
Ausgangslage und Problemstellung

Mit der RL 2005/47/EG wurde die zwischen der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) und der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (CER) abgeschlossene „Vereinbarung über bestimmte Aspekte der Einsatzbedingungen des fahrenden Personals im interoperablen grenzüberschreitenden Verkehr“ (im Folgenden: CER-ETF-VB) für verbindlich erklärt. In Umsetzung der diesbezüglichen Vorgaben wurden mit BGBl I 2008/124BGBl I 2008/124 in den §§ 18f ff AZG Sonderregelungen für „Arbeitnehmer auf Haupt- oder Nebenbahnen“* getroffen.* Dabei hat sich der österreichische Gesetzgeber hinsichtlich einiger Normierungen der RL für eine Geltung für alle AN auf Haupt- und Nebenbahnen entschieden (vgl näher noch unten 3.). Bezüglich anderer hat er sich dagegen auf die notwendigen Umsetzungsmaßnahmen für den grenzüberschreitenden Zugverkehr beschränkt. Die besonderen Arbeitszeitvorgaben des AZG gelten daher zum Teil explizit nur für das „grenzüberschreitende Zugpersonal“. Auch die (für die AN erheblich günstigeren) Regelungen zur wöchentlichen Ruhezeit in § 19a ARG finden nur auf das „grenzüberschreitend eingesetzte Zugpersonal“ Anwendung.

Als „grenzüberschreitendes Zugpersonal“ ist gem § 18f Abs 1 Z 3 AZG jenes Zugpersonal anzusehen, „das mindestens eine Stunde seiner täglichen Arbeitszeit“ im interoperablen grenzüberschreitenden Verkehr gem Z 6 – folglich in einem grenzüberschreitenden Verkehr, für den gemäß der RL 2001/14/EG5) mindestens zwei Sicherheitsbescheinigungen für das Eisenbahnunternehmen erforderlich sind – eingesetzt wird. Die CER-ETFVB definiert als „im interoperablen grenzüberschreitenden Verkehr eingesetztes fahrendes Personal“ dagegen „alle Arbeitnehmer, die Mitglied des Zugpersonals sind und bezogen auf eine Tagesschicht 188 für mehr als eine Stunde im interoperablen grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt sind“ (vgl Z 2.2).

In der Praxis bestehen nicht zuletzt angesichts dieser abweichenden Formulierungen divergierende Auffassungen über den persönlichen Anwendungsbereich der auf der RL 2005/47/EG basierenden Vorgaben. Insb ist umstritten, inwieweit die Sonderregelungen für den grenzüberschreitenden Zugverkehr auch bei nur teilweise grenzüberschreitendem Einsatz von AN eingehalten werden müssen.*

Im Folgenden soll zunächst ein kurzer Überblick über jene Regelungen gegeben werden, für welche die Qualifikation als „Zugpersonal“ sowie die Differenzierung zwischen grenzüberschreitend und nicht grenzüberschreitend eingesetztem Zugpersonal konkret relevant ist. Im Anschluss daran soll näher untersucht werden, welche Personengruppen als „grenzüberschreitendes Zugpersonal“ anzusehen sind und welche Konsequenzen dies für die Geltung der Sonderregelungen im AZG und ARG hat. Eine zumindest teilweise Tätigkeit der betroffenen AN im „interoperablen grenzüberschreitenden Verkehr“ wird dabei vorausgesetzt. Auch liegt den Ausführungen die Prämisse zugrunde, dass für die betroffenen AN unter Berücksichtigung der Anknüpfung nach internationalem Privatrecht (vgl insb Art 8 Rom I VO)* österreichisches Arbeitszeitrecht gilt. Im Lichte der Entscheidung des EuGH in der Rs Dobersberger* soll freilich auch kurz auf die Frage der Auswirkungen einer Qualifikation als „Zugpersonal“ auf die Einordnung einer Tätigkeit als Entsendung aus dem Ausland nach Österreich eingegangen werden.

2.
Überblick über die für das Zugpersonal geltenden besonderen arbeitszeitrechtlichen Vorgaben

Für das gesamte Zugpersonal gelten zunächst, auf Z 5 CER-ETF-VB zurückgehende, gesonderte Vorgaben zu den Ruhepausen (§ 18h Abs 1 AZG). Gem § 18h Abs 2 leg cit ist die Arbeitszeit der TriebfahrzeugführerInnen bei einer Gesamtdauer der Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden durch eine Ruhepause von mindestens 30 Minuten (Z 1), bei einer solchen von mehr als acht Stunden dagegen durch eine Ruhepause von mindestens 45 Minuten (Z 2) zu unterbrechen. Für das Zugbegleitpersonal besteht dagegen nach Abs 3 nur die Verpflichtung, die Arbeitszeit bei einer Gesamtdauer von mehr als sechs Stunden durch eine Ruhepause von mindestens 30 Minuten zu unterbrechen. In beiden Fällen muss die zeitliche Lage und die Länge der Ruhepause gem Abs 4 ausdrücklich ausreichend sein, um eine effektive Erholung des Zugpersonals zu sichern. Ebenfalls unabhängig von einer Grenzüberschreitung darf gem § 18i Abs 1 AZG die Fahrzeit der TriebfahrzeugführerInnen zwischen zwei Ruhezeiten neun Stunden (werden mindestens drei Stunden im Nachtzeitraum gem § 12a Abs 1 gefahren, acht Stunden) nicht überschreiten (vgl auch Z 7 CER-ETF-VB). Ferner sind die Aufzeichnungen über die Arbeitszeit des gesamten Zugpersonals gem § 18k AZG für mindestens ein Jahr aufzubewahren, wodurch Z 8 CER-ETF-VB umgesetzt wird.

Demgegenüber differenzieren die Vorgaben zu den einzuhaltenden Ruhezeiten explizit danach, ob es sich um grenzüberschreitendes Zugpersonal handelt:

Dies betrifft zunächst die in Umsetzung der Z 3 und 4 CER-ETF-VB ergangenen Regelungen des § 18g AZG zu den täglichen Ruhezeiten: Das grenzüberschreitende Zugpersonal hat gem Abs 1 eine tägliche Ruhezeit von zwölf Stunden einzuhalten. Diese Ruhezeit kann gem Z 1 leg cit einmal pro Woche auf mindestens neun Stunden verkürzt werden, wenn dafür eine entsprechende Verlängerung der nächsten täglichen Ruhezeit am Wohnort erfolgt. Zudem besteht nach Z 2 leg cit – sogar ohne Ausgleich – die Möglichkeit einer Verkürzung der Ruhezeit auf mindestens acht Stunden, wenn es sich um eine auswärtige tägliche Ruhezeit, sohin um eine solche handelt, die nicht am üblichen Wohnort des/der AN verbracht wird.*

Für das nicht grenzüberschreitend tätig werdende Zugpersonal sowie für andere AN, die in Haupt- oder Nebenbahnunternehmen sonstige fahrplangebundene Tätigkeiten ausüben (vgl § 18 Abs 1 Z 1 lit b AZG), sind dagegen nach § 18g Abs 2 AZG die Vorgaben des § 18a für AN in Straßenbahn-, Oberleitungsomnibus- und Seilbahnunternehmen (sinngemäß) anzuwenden. Für diese gilt daher gem § 18g Abs 2 iVm § 18a Abs 1 grundsätzlich die Ruhezeit nach § 12, (nur) durch KollV kann jedoch deren Verkürzung auf acht Stunden zugelassen werden. Diese Verkürzung ist innerhalb der nächsten 21 Tage durch entsprechende Verlängerung einer anderen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit auszugleichen. An höchstens zwei Tagen pro Woche kann durch KollV ferner sogar eine Verkürzung auf mindestens sechs Stunden zugelassen werden, wobei die erste Verkürzung innerhalb von sieben Tagen und die zweite Verkürzung innerhalb von 14 Tagen auszugleichen ist.* Für LenkerInnen (konkret als TriebfahrzeugführerInnen) sind zudem gem § 18g Abs 2 iVm § 18a Abs 2 die spezifischen Pausenvorgaben des § 13c Abs 1 bis 4 und des § 14 zur Nachtarbeit anzuwenden. 189

Große Unterschiede zwischen grenzüberschreitendem und nicht grenzüberschreitendem Zugpersonal bestehen zudem hinsichtlich der wöchentlichen Ruhezeit. In Bezug auf letzteres kann (wie allgemein bei AN in Verkehrsbetrieben) gem § 19 Abs 1 letzter Satz ARG durch KollV die wöchentliche Ruhezeit und die Ruhezeit an Feiertagen abweichend von den §§ 3, 4 und 7 geregelt werden. Die wöchentliche Ruhezeit darf gem § 19 Abs 2 Z 1 in einzelnen Wochen 36 Stunden unterschreiten oder ganz unterbleiben, wenn in einem kollektivvertraglich festgelegten Zeitraum eine durchschnittliche Ruhezeit von 36 Stunden erreicht wird. Zur Berechnung dürfen nur mindestens 24-stündige Ruhezeiten herangezogen werden.* Die Lage der Ersatzruhe kann abweichend von § 6 festgelegt (Z 2) und in Fällen des besonderen Bedarfes zur Aufrechterhaltung des Verkehrs eine finanzielle Abgeltung der Ersatzruhe vorgesehen werden (Z 3). In Betrieben von Gebietskörperschaften können gem § 19 Abs 3 dienstrechtliche Vorschriften, die den wesentlichen Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwingend festlegen, Regelungen iSd Abs 1 und 2 treffen.

Für grenzüberschreitend eingesetztes Zugpersonal iSd § 18f Abs 1 Z 3 AZG finden gem § 19a ARG lediglich die Z 2 und 3 des § 19 Abs 2 AZG Anwendung. Anstelle der sonst geltenden wöchentlichen Ruhezeiten haben diese dagegen nach § 19a ARG neben einer 36-stündigen wöchentlichen Ruhezeit pro Kalenderwoche auch Anspruch auf die Verlängerung von zwölf wöchentlichen Ruhezeiten pro Jahr auf 60 Stunden, die den Samstag und den Sonntag umfassen müssen (Z 1), auf die Verlängerung von zwölf weiteren wöchentlichen Ruhezeiten pro Jahr auf 60 Stunden, die nicht den Samstag und den Sonntag umfassen müssen (Z 2) sowie auf 28 weitere 24-stündige Ruhezeiten (Z 3). Diese keineswegs einfach verständliche Regelung dient der Umsetzung der Z 6 CER-ETF-VB. Grenzüberschreitend eingesetztes Zugpersonal hat demnach im Ergebnis jährlich Anspruch auf insgesamt 104 24-stündige Ruhezeiten. Davon sind 48 in Form von 24 „Doppelruhen“ à 60 Stunden (wovon wiederum die Hälfte das Wochenende einschließen muss) zu gewähren, weitere 28 in Form von 36-stündigen Ruhezeiten und schließlich weitere 28 in Form von bloß 24-stündigen Ruhezeiten. Insb diese Vorgabe bedeutet eine erhebliche Besserstellung des grenzüberschreitenden Zugpersonals.

Darüber hinaus wird in § 18i Abs 2 AZG nur bezüglich der grenzüberschreitenden TriebfahrzeugführerInnen eine zusätzliche Beschränkung dahingehend statuiert, dass diese Fahrzeit innerhalb eines Zeitraumes von zwei aufeinander folgenden Wochen 80 Stunden nicht überschreiten darf (vgl auch Z 7 CER-ETF-VB).*

Nicht zuletzt kann gem § 18j der KollV nur für Zugpersonal, das nicht grenzüberschreitend eingesetzt wird, Abweichungen von den §§ 18h (Ruhepausen) und 18i Abs 1 (Fahrzeit) zulassen.*

Vor dem geschilderten Hintergrund hat die Einordnung als „grenzüberschreitendes Zugpersonal“ erhebliche Bedeutung für die Rechte der betroffenen AN.

3.
Konkretisierung des „grenzüberschreitenden Zugpersonals“
3.1.
Begriff „Zugpersonal“

Die damit notwendige Begriffsklärung setzt im ersten Schritt eine Antwort auf die Frage voraus, welche Personengruppen als „Zugpersonal“ anzusehen sind.

§ 18f Abs 1 Z 1 definiert als solches „das Personal, das als Triebfahrzeugführer oder Zugbegleitpersonal an Bord eines Zuges beschäftigt wird“. TriebfahrzeugführerIn ist gem Z 2 „jeder Arbeitnehmer, der für das Fahren eines Triebfahrzeuges verantwortlich ist“.* Das „Zugbegleitpersonal“ wird gesetzlich nicht näher konkretisiert. Schon ein Blick in die RL 2005/47/EG zeigt jedoch, dass dieser Begriff – jedenfalls im Anwendungsbereich der RL – unionsrechtskonform weit zu verstehen ist. Denn Z 5 CER-ETF-VB trifft hinsichtlich der einzuhaltenden Pausen explizit differenzierende Regelungen für TriebfahrzeugführerInnen und „das übrige Personal an Bord eines Zuges“. Unionsrechtlich sind damit offenkundig als Zugbegleitpersonal all jene AN anzusehen, die nicht als TriebfahrzeugführerInnen tätig sind, aber dennoch in Zügen arbeiten. Dass es sich hierbei (auch) um Tätigkeiten im fahrenden Zug handeln muss, legt nicht nur der Terminus Zugbegleitpersonal nahe, sondern ergibt sich auch aus der explizit auf „fahrendes Personal“ abstellenden Definition der Z 2.2 CER-ETF-VB.

Folglich ist davon auszugehen, dass das gesamte fahrende Personal das „Zugpersonal“ bildet. Diese Annahme wird etwa auch durch Aussagen in einem im Oktober 2012 vorgelegten Bericht der Europäischen Kommission bestätigt. Dort wird (im Kontext der Darstellung der zahlenmäßigen Verbreitung des grenzüberschreitenden Zugpersonals) neben TriebfahrzeugführerInnen und SchaffnerInnen ausdrücklich auch auf „weiteres Servicepersonal an Bord von Personenzügen“ wie „Servicepersonal im Bord-Bistro oder -Restaurant oder Zugpersonal in Nachtzügen, das für Betten und Frühstück sorgt“, hingewiesen.*

Da sich im AZG keine Anhaltspunkte für eine (unionsrechtlich problematische) engere Auslegung oder ein (wohl auch kaum praktikables) differenziertes Begriffsverständnis in grenzüberschreitenden und nicht grenzüberschreitenden Fällen finden, ist der Begriff „Zugpersonal“ nach § 18f Abs 1 Z 1 AZG ebenfalls weit im genannten Sinn zu 190 verstehen. Er erfasst daher das gesamte „fahrende Personal“ und folglich alle AN, die ihre Arbeitszeit (auch) in fahrenden Zügen verbringen.

Grundsätzlich kein Zugpersonal sind damit Personen, die sonstige fahrplangebundene Tätigkeiten (vgl § 18 Abs 1 lit b AZG) außerhalb des Zuges ausüben (zB Verschubpersonal).* Dasselbe ist für AN anzunehmen, die zwar den Zug fallweise betreten, dies aber (wie beim Be- und Entladen) stets nur im stehenden Zustand des Zuges tun. Nicht zuletzt ist mit Blick auf den Zweck der Regelungen auch administratives Bahnpersonal auszunehmen, das den Zug bloß (etwa auf einer Dienstreise) als Beförderungsmittel wählt.*

Zu Recht werden dagegen auch in der österreichischen Literatur insb ZugbegleiterInnen und SchaffnerInnen, aber ebenso das Personal von Schlaf- und Speisewagenunternehmen und Sicherheitspersonal, als Beispiele für Zugbegleitpersonal genannt.* Die Materialien weisen überdies ausdrücklich darauf hin, dass AN, die an Bord von Haupt- oder Nebenbahnen eingesetzt werden (und daher Teil des Zugpersonals sind),* nicht zwingend auch in Eisenbahnunternehmen beschäftigt sein müssen. Als Beispiel wird erneut auf das Personal von Schlaf- oder Speisewagenunternehmen hingewiesen.*

Auch aus teleologischer Sicht wäre im Übrigen im Hinblick auf die Ziele des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit der AN nicht nachvollziehbar, weshalb etwa zwar SchaffnerInnen den Sonderbestimmungen für das Zugpersonal unterliegen sollten, nicht aber im selben Zug tätiges Cateringpersonal.

Bei richtiger Auslegung ist daher davon auszugehen, dass auch das an Bord von Zügen beschäftigte Cateringpersonal und vergleichbare AN als Zugbegleitpersonal und damit als Teil des Zugpersonals anzusehen sind. Dies jedenfalls dann, wenn sich die Tätigkeiten nicht in der Be- und Entladung des stehenden Zuges erschöpfen.

3.2.
Exkurs: Auswirkungen der Qualifikation als „Zugpersonal“ auf die Beurteilung des Vorliegens einer Entsendung?

Der EuGH hat in der Rs Dobersberger*das Vorliegen einer Entsendung nach Österreich – für viele überraschend – hinsichtlich des in ÖBB-Zügen tätigen Cateringpersonals verneint. Vor diesem Hintergrund könnte man auf den ersten Blick erwägen, ob die Subsumtion von AN unter das „Zugpersonal“ auch bedeuten könnte, dass bezüglich des Personals im Ausland ansässiger Unternehmen gleichsam generell das Vorliegen einer Entsendung nach Österreich verneint würde. Eine nähere Betrachtung zeigt jedoch, dass ein solcher Schluss unzutreffend wäre.

Vereinfacht gesagt ging es in der Rs Dobersberger um die Frage, ob die Tätigkeit in Ungarn wohnender AN, die durch die in Ungarn ansässige Henry am Zug Hungary Kft im Bordservice der ÖBB-Züge zwischen Salzburg/München und Budapest eingesetzt wurden, den Vorgaben der Entsende-RL* und daher auch den diesbezüglichen österreichischen Umsetzungsvorschriften unterlag. Der EuGH hielt hierzu zunächst fest, dass sich in Zügen erbrachte Dienstleistungen wie Bordservice, Reinigung oder Verpflegung zwar als Ergänzung der Beförderungsleistung von Fahrgästen in Zügen darstellten, jedoch mit dieser nicht naturgemäß verbunden seien, da letztere auch unabhängig von diesen ergänzenden Dienstleistungen durchgeführt werden könne. Daraus folgerte er, dass die genannten ergänzenden Dienstleistungen, die nicht unter die Bestimmungen des Titels des AEUV über den Verkehr fielen, den Vorgaben der Art 56 ff AEUV zur Dienstleistungsfreiheit und damit grundsätzlich auch jenen der Entsende-RL unterlägen.*

In weiterer Folge kam der EuGH jedoch zum Ergebnis, dass hinsichtlich der betroffenen AN mangels hinreichender Verbindung der Arbeitsleistung zu Österreich keine Entsendung nach Österreich anzunehmen war. Die AN erbrachten nämlich seiner Ansicht nach sämtliche Tätigkeiten mit Ausnahme des Bordservice während der Zugfahrten in Ungarn und traten auch ihren Dienst dort an bzw beendeten ihn dort. Daraus schloss er, dass der wesentliche Teil der mit den betreffenden Dienstleistungen verbundenen Arbeit in Ungarn erbracht wurde.*

Nun lässt sich sowohl diese Begründung als auch das Ergebnis des EuGH mit guten Gründen kritisieren.* Unabhängig davon kann jedoch die Subsumtion von AN unter den Begriff „Zugpersonal“ iSd RL 2005/47/EG bei richtiger Interpretation des Urteils keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Vorliegen einer Entsendung haben. Denn der EuGH hat in seiner E (zu Unrecht) darauf abgestellt, dass der wesentliche Teil der Dienstleistungen sowie der Dienstantritt und das Dienstende nicht in Österreich lagen. Das bedeutet zunächst keineswegs, dass der Einsatz im Ausland ansässigen Cateringpersonals auch bei anderer Gestaltung nicht den Vorgaben der Entsende-RL unterliegt. Noch weniger kann und darf daraus aber geschlossen werden, dass eine Qualifikation des Cateringpersonals als Zugpersonal einen Ausschluss sämtlichen Zugpersonals von der Entsende-RL zur Folge hätte. Entscheidend dafür ist vielmehr iSd durch den EuGH aufgestellten Kriterien, ob ein ausreichendes Naheverhältnis zu Österreich besteht.

Diskutieren könnte man im Lichte des Hinweises des EuGH auf die Nichtgeltung der Vorgaben zum 191 Verkehr (Art 90 ff AEUV) im Fall Dobersberger allenfalls, ob – gleichsam im Umkehrschluss – ein Ausschluss jener AN von den Vorgaben der Entsende-RL anzunehmen sein könnte, die (doch) Dienstleistungen auf dem Gebiet des Verkehrs, also solche erbringen, die „naturgemäß“ mit der Beförderung von Personen oder Waren von einem Ort zum anderen mit Hilfe eines Transportmittels verbunden sind. Abgesehen davon, dass die Annahme einer Nichtgeltung der Entsende-RL im Verkehrsbereich schon im Ansatz nicht überzeugt,* stünde jedoch selbst eine solche in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Qualifikation von AN als „Zugpersonal“ iSd RL 2005/47/EG. Auch ein solcher (fälschlicher) Ausschluss wäre unabhängig von der Subsumtion unter das „Zugpersonal“ zu prüfen. Denn letzteres muss nach der dargelegten Auffassung gerade nicht zwingend „Verkehrsdienstleistungen“ ieS erbringen, sondern nur an Bord eines Zuges beschäftigt sein. Hingewiesen sei schließlich auch darauf, dass die RL 2005/47/EG auf die Kompetenz der Union im Bereich der Sozialpolitik (Titel X), konkret auf Art 155 AEUV (ex-Art 139 EGV), und nicht auf das Verkehrskapitel (Titel VI) gestützt wurde.

Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass die Subsumtion von AN unter das „Zugpersonal“ iSd RL 2005/47/EG als solche keine Auswirkungen auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Entsendung hat.

3.3.
Auslegung des Begriffs „grenzüberschreitendes Zugpersonal“

Nachdem das „Zugpersonal“ konkretisiert wurde, ist nunmehr zu klären, unter welchen Voraussetzungen dieses Zugpersonal als „grenzüberschreitend“ anzusehen ist. Wie bereits erwähnt, definiert § 18f Abs 1 Z 3 AZG als „grenzüberschreitendes Zugpersonal“ jenes Zugpersonal, „das mindestens eine Stunde seiner täglichen Arbeitszeit“ im interoperablen grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt wird. Unklar ist insb, inwieweit AN auch bei nur teilweise grenzüberschreitender Tätigkeit unter diese Definition zu subsumieren sind.

Explizite Regelungen für diesen Fall fehlen sowohl im AZG/ARG als auch in der RL 2005/47/EG.* Einschlägige höchstgerichtliche Judikatur liegt, soweit ersichtlich, ebenfalls nicht vor. Das gebotene Verständnis des Begriffs „grenzüberschreitendes Zugpersonal“ ist daher im Wege der Auslegung zu ermitteln.

Setzt man zunächst am Wortlaut des § 18f Abs 1 Z 3 AZG an, sollte jedenfalls unstrittig sein, dass Einsatzzeiten im grenzüberschreitenden Verkehr, die innerhalb einer täglichen Arbeitszeit niemals das Mindestausmaß von einer Stunde erreichen, für eine Subsumtion unter den Begriff des „grenzüberschreitenden Zugpersonals“ nicht ausreichen. Damit genügt etwa ein täglicher „Auslandseinsatz“ von 15 Minuten von vornherein nicht. Dieses Ergebnis steht auch mit der RL 2005/47/EG im Einklang, die ebenfalls auf eine Tätigkeit von mindestens einer Stunde „bezogen auf eine Tagesschicht“ abstellt.

Fraglich ist dagegen, ob es für die Qualifikation als „grenzüberschreitendes Zugpersonal“ ausreicht, wenn AN nur an einzelnen Tagen ihrer wöchentlichen Arbeitszeit, an diesen aber mindestens eine Stunde grenzüberschreitend tätig sind. Die Formulierung des § 18f Abs 1 Z 3 AZG scheint auf den ersten Blick gegen eine solche Auslegung zu sprechen, ist doch pauschal die Rede von „seiner [nämlich der des AN] täglichen Arbeitszeit“. Dies könnte man so verstehen, dass die tägliche Arbeitszeit stets, also an allen Arbeitstagen, für zumindest eine Stunde im grenzüberschreitenden Verkehr abgeleistet werden muss. Für ein solches Verständnis könnte auch sprechen, dass die Regelung des § 19a ARG zu den wöchentlichen Ruhezeiten auch auf das jeweilige (Arbeits-)Jahr abstellt, ohne Vorgaben dafür zu enthalten, ob und allenfalls wie diese Ruhezeiten bei nur teilweise grenzüberschreitender Tätigkeit zu „aliquotieren“ sind.

Schon ein Blick in die Materialien zu § 18f AZG legt freilich nahe, dass der Gesetzgeber nicht von einer Auslegung ausgegangen ist, wonach nur AN, die jeden Arbeitstag im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt werden, als grenzüberschreitendes Zugpersonal anzusehen sind. So wird in den ErläutRV ausgeführt, dass die Mindestvorgaben des Anhangs zur RL 2005/47/EG zwar grundsätzlich nur für das grenzüberschreitend eingesetzte Zugpersonal umzusetzen seien, eine Regelung über Mischverwendungen in der RL aber nicht enthalten sei. Da eine Differenzierung, die „ausschließlich auf die Tatsache des Grenzübertrittes“ abstelle, zum einen als nicht ganz sachgerecht empfunden werde und zum anderen auch äußerst schwer zu kontrollieren sei, sei vorgesehen, dass für das gesamte Zugpersonal zumindest hinsichtlich Ruhepausen und Fahrzeit grundsätzlich dieselben Regelungen gelten sollten.* Der österreichische Gesetzgeber ging also offenbar davon aus, dass eine „Grenzüberschreitung“ im geforderten Sinn auch bei bloß punktuellen Grenzübertritten (für mindestens eine Stunde) vorliegt. Andernfalls wäre wohl nicht gerade das Problem der Kontrollierbarkeit hervorgehoben worden.

Hinzu kommt, dass in § 18j AZG – offenkundig vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben – ausdrücklich nur für Zugpersonal, das nicht grenzüberschreitend eingesetzt wird, die Möglichkeit einer Abweichung durch KollV vorgesehen wurde. In den Erläuterungen wird dazu ausgeführt, dass für das Zugpersonal, das „ausschließlich im nationalen Verkehr“ tätig sei, zwar (mit Ausnahme der Ruhezeiten) grundsätzlich dieselben Regelungen gelten sollten wie für grenzüberschreitend eingesetzte AN, dass (nur) für ersteres jedoch 192 Abweichungen von diesen Mindestvorgaben durch KollV möglich sein sollten.29) Auch dies deutet darauf hin, dass der österreichische Gesetzgeber bei Umsetzung der RL 2005/47/EG die Annahme zugrunde gelegt hat, dass deren Regelungen nur dann nicht eingehalten werden müssen, wenn gar kein grenzüberschreitender Einsatz im geforderten Mindestausmaß von einer Stunde erfolgt.

Vor allem aber sprechen die Vorgaben der RL 2005/47/EG selbst deutlich gegen eine Auslegung, wonach „grenzüberschreitendes Zugpersonal“ nur bei grenzüberschreitender Tätigkeit an allen Arbeitstagen vorliegt:

So definiert Z 2.2 CER-ETF-VB als „im interoperablen grenzüberschreitenden Verkehr eingesetztes fahrendes Personal“ wie erwähnt alle AN, die Mitglied des Zugpersonals sind und „bezogen auf eine Tagesschicht für mehr als eine Stunde“ im interoperablen grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt sind.* Es ist also gerade nicht die Rede von „jeder“ oder sonst einer Mindestzahl der Tagesschichten. Gefordert wird nur, dass bezogen auf „eine“ Tagesschicht – also bezogen auf eine tägliche (und nicht etwa die wöchentliche) Arbeitszeit – mindestens eine Stunde grenzüberschreitend gearbeitet wird.* Ist dies der Fall, ist die betreffende Person dem Wortlaut nach im grenzüberschreitenden Verkehr iSd Z 2.2 CER-ETF-VB eingesetzt und unterliegt daher grundsätzlich den Vorgaben der RL (vgl aber näher noch unten 5.). Dies unabhängig davon, ob sie an anderen Tagen rein im innerstaatlichen Verkehr eingesetzt wird. Von einem solchen Verständnis geht offenkundig auch die Kommission aus, wenn sie etwa in dem bereits erwähnten Bericht festhält, die meisten SchaffnerInnen würden nur – aber eben doch – einen Teil ihrer Schichten „im grenzüberschreitenden Verkehr“ tätig.*

Dieses schon nach dem Wortlaut naheliegende Ergebnis wird auch durch teleologische Argumente bestätigt: Ziel der RL bzw der CER-ETF-VB ist zum einen der Schutz von Sicherheit und Gesundheit der im interoperablen grenzüberschreitenden Verkehr beschäftigten AN. Zum anderen sollen durch Verhinderung eines Wettbewerbs, der allein auf den Unterschieden zwischen den Arbeitsbedingungen in den Mitgliedstaaten beruht, faire Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden.*

Beiden Zielen könnte kaum entsprochen werden, wenn grenzüberschreitend tätige Eisenbahnunternehmen die Geltung sämtlicher Vorgaben der RL (bzw der nationalen Umsetzungsvorschriften, soweit sie ebenfalls auf grenzüberschreitende Fälle beschränkt sind) schon dadurch verhindern könnten, dass sie ihr Fahrpersonal fallweise, also zB einmal in der Woche oder auch nur einmal im Monat, ausschließlich im innerstaatlichen Verkehr einsetzen. Eben dies wäre aber die Konsequenz, wenn man für die Annahme „grenzüberschreitenden Zugpersonals“ eine grenzüberschreitende Tätigkeit im Mindestausmaß von einer Stunde an jedem einzelnen Arbeitstag fordern würde. Dies hätte – bei rein unionsrechtlicher Betrachtung – zur Folge, dass etwa auch an Tagen, an denen mehrere Stunden grenzüberschreitend gearbeitet wird, die Regelungen der RL zu den einzuhaltenden Mindestpausen, zur Fahrzeit und zur täglichen Ruhezeit nicht eingehalten werden müssten, nur, weil etwa einen Tag pro Woche nicht im grenzüberschreitenden Verkehr gearbeitet wird. Die Intention der RL, Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten zu verhindern, würde damit ebenso unterlaufen wie der intendierte AN-Schutz.

Im Übrigen wäre im Hinblick auf die genannten Ziele auch kaum sachlich begründbar, warum die Vorgaben der RL etwa für eine/n teilzeitbeschäftigte/n AN gelten sollten, der/die an zwei Tagen pro Woche arbeitet und an diesen jeweils vier Stunden im grenzüberschreitenden Verkehr tätig ist, nicht aber für eine/n vollzeitbeschäftigte/n AN, der/die im selben Ausmaß im grenzüberschreitenden Verkehr tätig ist. Dies nur, weil er/sie seine/ihre Arbeitszeit an den anderen Tagen ausschließlich im innerstaatlichen Verkehr ableistet.

Nicht zuletzt weist die Kommission in ihrem Bericht zu Recht darauf hin, dass Unternehmen (etwa durch Personalwechsel an der Grenze, Partnerschaft mit anderen Unternehmen etc) zahlreiche Möglichkeiten haben, grenzüberschreitende Strecken anzubieten, ohne dass das Personal mit dem Zug die Grenze passiert. So kann die Geltung der Vorgaben der RL 2005/47/EG vermieden werden.* In diesem Lichte lässt sich auch eine allfällige übermäßige Belastung der Unternehmen von vornherein nicht als taugliches Gegenargument ins Treffen führen.

Es ist daher davon auszugehen, dass eine Subsumtion unter den Begriff des „grenzüberschreitenden Zugpersonals“ bei unionsrechtskonformer Interpretation des § 18f Abs 1 Z 3 AZG jedenfalls nicht erfordert, dass die betreffenden Personen ausschließlich im grenzüberschreitenden Verkehr tätig werden.

Auch die Notwendigkeit eines bestimmten wöchentlichen oder monatlichen Mindestausmaßes ist aus den geltenden Vorgaben nicht ableitbar. Gefordert wird ausdrücklich nur, dass bezogen auf die Arbeitszeit eines Tages mindestens eine Stunde im grenzüberschreitenden Verkehr gearbeitet wird.* Dies lässt selbst eine Ausnahme für bloß ganz seltene oder einmalige „Auslandseinsätze“ durchaus zweifelhaft erscheinen, mag diese auch im Hinblick auf die Ziele der RL noch vergleichsweise einfacher begründbar sein. Jedenfalls scheidet aber vor dem geschilderten Hintergrund mE eine Auslegung aus, wonach „grenzüberschreitendes Zugpersonal“ nur bei Überwiegen der grenzüberschreitenden Tätigkeit im Vergleich zur rein innerstaatlichen oder bei sonst mehrfachem grenzüberschreitenden 193 Einsatz während einer Woche oder eines Monats anzunehmen ist. Auch eine Durchrechnung der Arbeitszeit der Gestalt, dass die tägliche Arbeitszeit im Durchschnitt einer Woche, eines Monats oder auch eines Jahres mindestens eine Stunde im grenzüberschreitenden Verkehr abgeleistet werden muss, kommt wohl kaum in Betracht. Abgesehen davon, dass die Geltung der maßgeblichen Vorgaben hier regelmäßig erst ex post festgestellt werden könnte, scheitert dieser Ansatz schon am Fehlen jeglicher Anhaltspunkte zur relevanten Dauer eines solchen Durchrechnungszeitraums.

Nicht zuletzt macht erneut ein Blick in die Materialien deutlich, dass mit der von den Vorgaben der RL abweichenden Formulierung des § 18f Abs 1 Z 3 AZG („seiner täglichen Arbeitszeit“ im Gegensatz zu „bezogen auf eine Tagesschicht“) auch nach dem Willen des Gesetzgebers keine inhaltlich abweichende Definition des grenzüberschreitenden Zugpersonals intendiert war. Dort wird ausdrücklich festgehalten, dass gem Z 2 der CER-ETFVB jene AN als grenzüberschreitendes Zugpersonal anzusehen seien, „die mindestens eine Stunde der täglichen Arbeitszeit im interoperablen grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt werden“. Offenkundig wollte der Gesetzgeber somit die Definition der RL übernehmen und hat dies lediglich – unpräzise – in anderen Worten getan.

Zusammenfassend ist somit davon auszugehen, dass für eine Subsumtion unter das „grenzüberschreitende Zugpersonal“ iSd § 18f Abs 1 Z 3 AZG auch eine teilweise grenzüberschreitende Tätigkeit im Mindestausmaß von jeweils einer Stunde der täglichen Arbeitszeit ausreicht. Noch nicht geklärt ist damit allerdings, welche konkreten Auswirkungen dies auf die Geltung der für das Zugpersonal statuierten Vorgaben hat.

4.
Welche Vorgaben gelten für nur teilweise grenzüberschreitend eingesetztes Zugpersonal?

Folgt man den vorstehenden Ausführungen, so steht fest, dass auch bloß teilweise grenzüberschreitend tätige AN grundsätzlich als „grenzüberschreitendes Zugpersonal“ anzusehen sind. In weiterer Folge stellt sich jedoch die Frage, für welchen Zeitraum diese Qualifikation jeweils zu gelten hat. Konkreter ausgedrückt fragt man sich, ob etwa an einem Tag pro Monat mindestens eine Stunde grenzüberschreitend tätig werdende AN nur am betreffenden Tag, in der jeweiligen Woche, im konkreten Monat oder überhaupt im gesamten Kalenderjahr allen oder auch nur gewissen Vorgaben für das grenzüberschreitende Zugpersonal unterliegen.

Unstrittig sollte hier noch sein, dass die betroffenen AN an jenen Tagen den diesbezüglichen Sondervorschriften unterliegen, an denen sie tatsächlich im grenzüberschreitenden Verkehr tätig werden. Damit müssen jedenfalls an diesen Tagen, neben den – auch durch KollV nicht modifizierbaren* – gesetzlichen Pausenregelungen (§ 18h AZG) die Vorgaben des § 18g Abs 1 AZG zu den täglichen täglichen Ruhezeiten eingehalten werden. Es ist daher eine Ruhezeit von zwölf Stunden einzuhalten, die nur einmal pro Woche – und damit gegebenenfalls auch beim einzigen Auslandseinsatz in dieser Woche – auf mindestens neun Stunden verkürzt werden kann, wenn dafür eine entsprechende Verlängerung der nächsten (!) täglichen Ruhezeit am Wohnort erfolgt. Handelt es sich um eine auswärtige tägliche Ruhezeit, besteht die Möglichkeit einer Verkürzung auf mindestens acht Stunden. Eine weitere Verkürzung kommt auch durch kollektivvertragliche Zulassung nicht in Betracht.*

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, welche Regelungen an jenen Tagen zu gelten haben, an denen keine Grenzüberschreitung erfolgt. Ist also mit einem grenzüberschreitenden Einsatz einmal pro Woche oder auch nur einmal pro Monat eine generelle Geltung der Vorgaben für das grenzüberschreitende Zugpersonal verbunden oder sollen letztere nur für jene Tage Geltung haben, an denen auch tatsächlich grenzüberschreitend gearbeitet wird? Besonders brisant ist dies im Hinblick auf die nach § 19a ARG einzuhaltenden – deutlich erhöhten – wöchentlichen Ruhezeiten. Hervorgehoben sei aber auch die in § 18i Abs 2 AZG umgesetzte Begrenzung der Fahrzeit der grenzüberschreitenden TriebfahrzeugführerInnen mit 80 Stunden innerhalb eines Zeitraumes von zwei aufeinander folgenden Wochen.

Schon unter Berücksichtigung der oben (4.3.) für die weite Auslegung des Begriffs des „grenzüberschreitenden Zugpersonals“ ins Treffen geführten Argumente muss eine Auslegung ausscheiden, wonach die Vorgaben des § 19a ARG – iS eines „Alles oder Nichts“ – nur bei täglicher oder auch überwiegender grenzüberschreitender Tätigkeit innerhalb einer Woche, bzw hinsichtlich der jährlich zu gewährenden „Doppelruhen“ auch innerhalb eines Kalenderjahres, einzuhalten wären. Ebenso wenig überzeugt es, die Fahrzeitbegrenzung des § 18i Abs 2 AZG auf Fälle zu beschränken, in denen innerhalb von zwei Wochen ausschließlich oder überwiegend grenzüberschreitend gearbeitet wurde. Hingewiesen sei hier auch darauf, dass das bloß teilweise grenzüberschreitende Personal unbestritten auch an anderen Tagen – nur eben nicht grenzüberschreitend – arbeitet.

Auch die aliquote Gewährung der vorgesehenen zusätzlichen wöchentlichen Ruhezeiten nur für Wochen, in denen an allen Arbeitstagen ein grenzüberschreitender Einsatz erfolgt ist, scheint aus den bereits genannten Gründen nicht sachgerecht. Eben dies würde dazu führen, dass die Vorgaben der RL leicht umgangen und daher deren Ziele im Ergebnis konterkariert werden könnten. Anhaltspunkte für eine Addition der grenzüberschreitenden Einsatztage (und allenfalls ein ins Verhältnis-Setzen zu den insgesamt gearbeiteten Tagen) sind ebenso weder aus dem AZG/ARG noch aus der RL 2005/47/EG ableitbar. 194

Umgekehrt entspricht es wohl ebenso wenig der Intention der involvierten Normsetzer, infolge bloß vereinzelter grenzüberschreitender Einsätze, etwa in nur einem Monat des Jahres, einen Anspruch der AN auf alle nach § 19a ARG vorgesehenen zusätzlichen jährlichen Ruhezeiten, insb auf alle „Doppelruhen“, zu bejahen. Nahe liegt, dass diese (nur) insoweit zustehen sollen, als weiterhin auch grenzüberschreitend gearbeitet wird.

Vor diesem Hintergrund bleibt letztlich nur eine Lösung unter Bedachtnahme sowohl auf den zeitlichen Bezugspunkt der jeweiligen Regelungen als auch auf die Effektivität der Vorgaben der RL.

Damit muss hinsichtlich der wöchentlichen Ruhezeiten (und ebenso aller anderen auf längere Zeiträume als den einzelnen Arbeitstag Bezug nehmenden Regelungen) ein Ansatz scheitern, wonach die Vorgaben für das „grenzüberschreitende Personal“ – iS einer tagesbezogenen Betrachtung – nur bezüglich jener Tage zur Anwendung gelangen, an denen auch tatsächlich ein grenzüberschreitender Einsatz erfolgt. Alles bisher Gesagte spricht vielmehr dafür, dass auch ein einziger grenzüberschreitender Einsatz innerhalb einer Woche ausreicht, um den in § 19a ARG normierten, keiner Durchrechnung zugänglichen Anspruch auf eine Ruhezeit von 36 Stunden zu begründen. Analoges ist bezüglich der Begrenzungen der Fahrzeit nach § 18i Abs 2 AZG anzunehmen. Diese müssen daher mE hinsichtlich jedes zweiwöchigen Zeitraums eingehalten werden, in dem zumindest einmal ein Einsatz von mindestens einer Stunde im grenzüberschreitenden Verkehr erfolgt ist.

Besonders schwierig ist schließlich die Beurteilung hinsichtlich der jährlich zu gewährenden zusätzlichen 52 wöchentlichen Ruhezeiten und damit vor allem der 24 60-stündigen „Doppelruhen“. Auch hier scheint jedoch eine Beurteilung des Anspruchs unter Bedachtnahme auf die Wochen mit – wenn auch nur einmaliger – grenzüberschreitender Tätigkeit letztlich als die sachgerechteste Lösung. Dafür spricht insb, dass zwar die Gesamtzahl der erhöhten Ruhezeiten jährlich festgelegt wird, es sich aber dennoch um jeweils auf die Woche bezogene Ansprüche handelt.

Die vorgesehenen Ruhezeiten stehen daher mE in voller Höhe zu, wenn in jeder Woche des Jahres zumindest an einem Tag grenzüberschreitend gearbeitet wurde. Arbeiten AN dagegen etwa nur in 26 Wochen im Jahr zumindest einen Tag für mindestens eine Stunde im grenzüberschreitenden Verkehr, stehen ihnen (abgesehen von der wöchentlichen Mindestruhezeit von 36 Stunden) nur – aber eben doch – sechs „Doppelruhen“ am Wochenende, sechs weitere „Doppelruhen“ (auch) unter der Woche und 14 zusätzliche 24-stündige Ruhezeiten zu. Dies unabhängig davon, ob sie ein halbes Jahr jede Woche und danach gar nicht mehr grenzüberschreitend tätig werden oder bspw das ganze Jahr über jede zweite Woche ein grenzüberschreitender Einsatz erfolgt. Soweit sich hier im Hinblick auf die Zahl der Wochen keine ganzen Zahlen ergeben, ist wohl im Zweifel zugunsten der AN „aufzurunden“, um eine Verkürzung deren Ansprüche zu verhindern.

Dass dieser Ansatz in der Praxis mit Schwierigkeiten verbunden sein und nicht allen Umgehungsstrategien Vorschub leisten kann, soll nicht in Abrede gestellt werden. Ebenso sind angesichts der unklaren Rechtslage andere Auslegungsvarianten denkbar. Schlussendlich sprechen aber dogmatisch die besten Gründe für die hier vertretene Auffassung.

Dies ändert nichts daran, dass die Rechtslage in Bezug auf teilweise grenzüberschreitend eingesetztes Personal derzeit unzureichend ist. Eine entsprechende ausdrückliche Regelung scheint daher dringend geboten. Das gilt im Besonderen hinsichtlich der wöchentlichen Ruhezeiten. Solange eine Festlegung auf europäischer Ebene nicht gelingt, bleibt dem österreichischen Gesetzgeber vor allem die Möglichkeit, die bestehenden Unklarheiten, wie andere Staaten, durch Aufgabe der verbleibenden Differenzierungen zwischen grenzüberschreitendem und nicht grenzüberschreitendem Zugpersonal zu lösen. De lege ferenda wäre eine solche Lösung nicht nur aus Praktikabilitätsgründen, sondern auch iS einer Gleichbehandlung der Tätigkeiten des fahrenden Personals zu begrüßen.

Nicht zuletzt soll nicht unerwähnt bleiben, dass es auch betroffenen Unternehmen nicht verboten ist, Umsetzungsschwierigkeiten entweder durch eine großzügige Vorgangsweise zugunsten des teilweise grenzüberschreitenden Personals oder durch eine Vermeidung bloß teilweise grenzüberschreitender Einsätze hintanzuhalten.

5.
Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten:

  • Der Begriff des „Zugpersonals“ iSd § 18f Abs 1 Z 1 AZG ist weit dahingehend auszulegen, dass er das gesamte „fahrende Personal“ und folglich alle AN erfasst, die ihre Arbeitszeit (auch) fahrend in Zügen verbringen. Damit ist etwa auch Cateringpersonal unter diesen Begriff zu subsumieren.

  • Ungeachtet der methodischen „Eigenwilligkeit“ des EuGH in so mancher Entscheidung ist davon auszugehen, dass die Subsumtion von AN unter das Zugpersonal iSd RL 2005/47/EG als solche keine Auswirkungen auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Entsendung iSd Entsenderichtlinie hat. Hieran ändert auch die Rs Dobersberger nichts.

  • Die Formulierung des § 18f Abs 1 Z 3 AZG ist richtlinienkonform im Einklang mit Z 2.2 CERETF- VB im Anhang der RL 2005/47/EG auszulegen. Aus dem unterschiedlichen Wortlaut kann daher bei unionsrechtskonformer Interpretation kein Unterschied im Geltungsbereich der maßgeblichen Vorgaben abgeleitet werden.

  • Eine Subsumtion unter den Begriff des „grenzüberschreitenden Zugpersonals“ erfordert grundsätzlich nur, dass Zugpersonal an einem Tag mindestens eine Stunde im grenzüberschreitenden Verkehr arbeitet. Ansatzpunkte für eine zusätzlich notwendige Mindestfrequenz sind weder in der RL noch im AZG/ARG zu finden und lassen sich auch aus teleologischen Gesichtspunkten nicht ableiten. 195

  • Hinsichtlich der Ansprüche der AN scheint eine differenzierte Betrachtung unter Bedachtnahme auf den zeitlichen Bezugspunkt der jeweiligen Regelungenund die Effektivität der Vorgaben der RL indiziert. Dies führt zum Ergebnis, dass die vorgesehenen „Doppelruhen“ in voller Höhe zustehen, wenn in jeder Woche des Jahres zumindest an einem Tag grenzüberschreitend gearbeitet wurde. Bei geringerer Einsatzhäufigkeit erweist sich eine Aliquotierung entsprechend der Zahl derartiger Einsatzwochen als der den Vorgaben und Zielen der RL am besten entsprechende Weg. Damit einhergehende Schwierigkeiten könnten – und sollten – unabhängig von einer Lösung auf europäischer Ebene durch Aufgabe der gesetzlichen Differenzierungen zwischen grenzüberschreitendem und nicht grenzüberschreitendem Zugpersonal vermieden werden.