Corona-Kurzarbeit und Bestandsschutz

Autor: WALTER J. PFEIL
aus: DRdA 3/2021

Die Adaptierung der Regelungen über die Kurzarbeit (KUA) waren und sind eine der wichtigsten Grundlagen für die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie auf Arbeitsmarkt und Beschäftigung. Durch die KUA und ihre Unterstützung aus öffentlichen Mitteln sollen Arbeitsverhältnisse soweit als möglich erhalten werden. Das steht naturgemäß in Widerspruch zu – offenbar zunehmenden – Bestrebungen von AG-Seite, Arbeitsverhältnisse zu beenden.*

  1. Problemstellung

  2. Der allgemeine rechtliche Rahmen

    1. AMSG und KUA-RL

    2. Sozialpartnervereinbarungen

  3. Andere Grundlagen für einen Bestandsschutz?

    1. Normwirkung der SPV-BV als BV

    2. Auslegung der SPV-BV

    3. Einzelvertragliche Übernahme der SPV-EV

  4. Schlussfolgerungen

1.
Problemstellung

Eine der ersten und wesentlichsten Reaktionen auf die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Beschäftigung bestand in der Anpassung der bestehenden Regelungen über die KUA. Durch die dort vorgesehenen Förderungen sollen vorübergehende, nicht saisonbedingte wirtschaftliche Schwierigkeiten von Betrieben abgefangen und die sonst drohende Beendigung von Arbeitsverhältnissen und damit Arbeitslosigkeit verhindert werden. Diese grundlegende Anordnung in § 37b Abs 1 Z 1 Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG, BGBl 1994/313zuletzt idF BGBl I 2021/42BGBl I 2021/42) wurde im Zuge des (1.) Covid-19-Gesetzes BGBl I 2020/12BGBl I 2020/12 um einen Abs 7 ergänzt, dessen erster Satz seither klarstellt, dass auch „wirtschaftliche Schwierigkeiten als Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19)“ vorübergehende, nicht bloß saisonbedingte wirtschaftliche Schwierigkeiten iSd Abs 1 Z 1 leg cit sind.*

Die damit auch in diesem Fall möglichen Beihilfen (kurz: KUA-B) sind bekanntlich an weitere Voraussetzungen geknüpft: Neben der Verständigung der regionalen Geschäftsstelle des AMS und der Beratung des betreffenden AG mit dieser unter Beiziehung des BR und der in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der AG und der AN (vgl § 37b Abs 1 Z 2 AMSG) bedarf es vor allem einer Vereinbarung der „für den Wirtschaftszweig in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der AG und der AN“, die meist – und vor allem auch von den Vertragsparteien selbst – als Sozialpartnervereinbarung (SPV) bezeichnet wird. In dieser müssen nach Z 3 dieser Bestimmung „Vereinbarungen über die Leistung einer Entschädigung während der Kurzarbeit (Kurzarbeitsunterstützung) und die näheren Bedingungen der Kurzarbeit sowie die Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes getroffen werden“.

Weitere Vorgaben für die SPV finden sich in § 37b Abs 2 AMSG sowie in der auf Grundlage des Abs 4 dieser Bestimmung vom Verwaltungsrat des AMS erlassenen Richtlinie (RL), die der Bestätigung des Arbeitsministers im Einvernehmen mit der Wirtschaftsministerin und dem Finanzminister bedarf. Die dafür derzeit geltende RL ist nach ihrem Pkt 8. am 1.10. 2020 in Kraft getreten und war vorerst bis 31.3.2021 befristet („Phase 3“), ist aber inzwischen bis 30.6.2021 verlängert worden („Phase 4“). Diese „Bundesrichtlinie Kurzarbeitsbeihilfe (KUA-COVID-19)“ mit der GZ BGS/AMF/0722/9986/2021 ist ebenso auf der Website des AMS kundgemacht wie die jeweils maßgebenden Sozialpartnervereinbarungen (aktuell in ihren ab 1.4.2021 geltenden „Formularversionen 9.0“), bei denen zwischen solchen für Betriebe mit (daher in der Folge: SPV-BV) und solchen für Betriebe ohne BR (SPV-EV) unterschieden wird.* Die nachfolgenden Ausführungen gehen daher grundsätzlich von der Rechtslage aus, wie sich am 1.4.2021 darstellt. Diese hat sich aber für die interessierenden Fragen im Vergleich zu den unmittelbar davor geltenden Regelungen nicht geändert, so dass die vorliegende Analyse zumindest für die seit 1.10.2020 geltenden KUA-Richtlinien sowie die SPV in ihren Versionen 8.0 und 9.0 maßgebend ist.

Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung dient das Modell der KUA der Erhaltung von Arbeitsverhältnissen und damit der Verhinderung von Arbeitslosigkeit. Insofern kommt der Begrenzung der Möglichkeit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch AG besondere Bedeutung zu. Das AMSG enthält dazu keine eigenen Regelungen, sondern formuliert in § 37b Abs 2 nur Vorgaben für die SPV bzw in Abs 4 für die KUA-RL.

Letztere sieht in 6.4.3.1. lediglich Anforderungen für die SPV vor, zu denen nach lit c dieser Regelung die „Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes während des Kurzarbeitszeitraumes und allenfalls eines darüber hinaus gehenden zusätzlichen Zeitraumes (Behaltefrist)“ gehört. Von diesen Voraussetzungen „kann das AMS ausnahmsweise absehen, wenn wichtige Gründe vorliegen, welche die Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes unmöglich erscheinen lassen“. AG, die sich an diese Vorgaben halten und auch die sonstigen Voraussetzungen (insb nach 6.4. KUA-RL) erfüllen, erhalten eine KUA-B iSd § 37b AMSG. Bei Nichteinhaltung kann es zumindest zur (allenfalls auch nur teilweisen) Rückforderung der gewährten Beihilfen kommen (vgl 6.10. KUA-RL).

In beiden Varianten der SPV wird in IV.2. die „Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes“, differenzierend zwischen der Behaltepflicht während der Kurzarbeit (jeweils lit a) und der Behaltefrist nach der Kurzarbeit (jeweils lit b) wortgleich geregelt. Während sich die erste Zeitspanne aus dem KUA-Begehren und der dazu ergangenen, einen entsprechenden Förderungsvertrag begründenden Förderungsmitteilung des AMS (vgl 7.1.3. KUA-RL) ergibt, wird die Behaltepflicht nach Ende der KUA in den Sozialpartnervereinbarungen der Versionen 8.0 und 9.0 mit einem Monat festgelegt.

Die Behaltepflicht nach der KUA bezieht sich naturgemäß nur auf AN, die von der KUA betroffen waren, wobei diese Behaltefrist mit Zustimmung der Gewerkschaft (subsidiär durch entsprechende Entscheidung des Regionalbeirates der regionalen AMS-Geschäftsstelle) verkürzt werden oder ganz entfallen kann (beide Sozialpartnervereinbarungen IV.2.b). Ansonsten dürfen AG-Kündigungen grundsätzlich erst nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen werden.

Diese Einschränkung soll – abgesehen von anderen Formen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die offenbar nicht als Beeinträchtigung des Ziels des KUA-Modells gesehen werden* – in zwei Fällen für arbeitgeberseitige Kündigungen nicht gelten (vgl jeweils SPV IV.2.c): Zum einen, wenn diese zum Zweck der Verringerung des Beschäftigtenstandes erfolgt, weil sonst „der Fortbestand des Unternehmens bzw Betriebsstandortes in hohem Maß gefährdet ist“, sofern der BR (in der SPV-EV die Gewerkschaft) und wieder subsidiär der AMS-Regionalbeirat zustimmt; zum anderen, wenn die Kündigung „aus personenbezogenen Gründen … während der KUA oder vor Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen wird“. Während bei der ersten Ausnahme keine Auffüllverpflichtung für den AG besteht, muss bei der zweiten Ausnahme vom Kündigungsverbot der SPV innerhalb angemessener Zeit eine andere Arbeitskraft eingestellt werden.

Damit stellt sich die Frage, ob AG während der KUA oder der anschließenden Behaltefrist zur Kündigung berechtigt sind bzw welche Rechtsfolgen eine solche Kündigung hat. Angesichts des überaus komplexen Regelungswerks kann diese Frage nicht sofort beantwortet werden. Vielmehr ist zuvor der rechtliche Rahmen auszuloten, indem die Rechtsnatur und die Bedeutung der Grundlagen im AMSG und der KUA-RL (2.1.) und vor allem der SPV (2.2.) untersucht wird. Erst daraus lassen sich Schlussfolgerungen ableiten, ob bzw inwieweit einzelnen AN auf Grund dieser Regelungen ein Bestandsschutz zukommt (3.) und welche Rechtsfolgen sich aus einer den KUA-Regelungen widersprechenden AG-Kündigung ergeben (4.).

2.
Der allgemeine rechtliche Rahmen
2.1.
AMSG und KUA-RL

Das AMSG regelt zunächst in seinem 1. Teil die Organisation des AMS, das nach § 1 Abs 1 ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit ist, dem die Durchführung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes obliegt. Im 2. Teil des AMSG sind dann die Aufgaben und die dafür vorgesehenen Leistungen definiert. Diese haben alle dem in § 29 Abs 1 festgelegten Ziel zu dienen, „zur Verhütung und Beseitigung von Arbeitslosigkeit … auf ein möglichst vollständiges, wirtschaftlich sinnvolles und nachhaltiges Zusammenführen von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage hinzuwirken, und dadurch die Versorgung der Wirtschaft mit Arbeitskräften und die Beschäftigung aller Personen … bestmöglich zu sichern“. Dafür kommen Dienstleistungen (vgl § 32 AMSG) und zusätzlich auch finanzielle Leistungen insb in Form von Beihilfen zum Einsatz, durch die ua die Aufrechterhaltung einer Beschäftigung gefördert werden soll, auf die aber kein Rechtsanspruch besteht (§ 34 Abs 2 Z 4 und Abs 3 AMSG).

Um genau eine solche Leistung handelt es sich bei der KUA-B, die als eine Form der „Beihilfen zur Beschäftigungssicherung“* nach § 37b Abs 1 AMSG „AG gewährt werden [kann], die zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit Kurzarbeit für AN durchführen“. Die KUA-B dient nach Abs 3 Satz 1 dieser Bestimmung „dem teilweisen Ersatz der zusätzlichen Aufwendungen für die Kurzarbeitsunterstützung sowie für die Beiträge zur Sozialversicherung und zur betrieblichen Mitarbeitervorsorge“.

Unmittelbare AdressatInnen der KUA-B sind demnach die AG, deren AN sich auf Grund einer entsprechenden Vereinbarung in KUA befinden und von ersteren zum teilweisen Ausgleich des sonst entstehenden Entgeltausfalls Kurzarbeitsunterstützung (in der Folge: KUA-U) erhalten. Über deren Höhe und Gestaltung sagt das AMSG nichts, was nicht überraschen kann, weil die Entgeltfestlegung zwischen AG und AN auch sonst grundsätzlich nicht gesetzlich determiniert ist.* Sehr wohl ordnet das AMSG aber Rechtsfolgen für die KUA-U an, indem sie diese in § 37b Abs 5 Satz 1 der Lohnsteuer- und der Sozialversicherungspflicht unterwirft. Satz 2 und 3 dieser Bestimmung verpflichten den AG darüber hinaus zur (alleinigen) Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge für die Differenz zwischen der aus dem reduzierten Entgelt plus KUA-U resultierenden und der (regelmäßig höheren) letzten Beitragsgrundlage vor der KUA.* Vor diesem Hintergrund ist es zwar zutreffend, die KUA-B der Privatwirtschaftsverwaltung zuzurechnen, um bloße Selbstbindungen des AMS und des Bundes handelt es sich bei den Regelungen im AMSG dagegen nicht,* wenn und weil sie durchaus unmittelbar verbindliche (hier: steuer- bzw sozialversicherungsrechtliche) Anordnungen treffen.

AdressatInnen der KUA-RL sind dagegen ihrem Pkt 5. zufolge die MitarbeiterInnen des AMS. Insofern scheint es sich um eine bloß interne Verwaltungsverordnung zu handeln. Hier bedarf es freilich einer genaueren Betrachtung, weil Richtlinien des AMS auf Grund ihres normativen, zumindest auch an Rechtsunterworfene gerichteten Inhalts durchaus als Rechtsverordnung zu qualifizieren sind.* Auch der Umstand, dass das AMS hier im übertragenen Wirkungsbereich im Namen und auf Rechnung des Bundes tätig wird (§ 42 Abs 1 AMSG) und – wohl dementsprechend – die KUA-RL nur mit Bestätigung des Arbeitsministers im Einvernehmen mit der Wirtschaftsministerin und dem Finanzminister erlassen werden darf (vgl noch einmal § 37b Abs 4 letzter Satz AMSG), könnte die Annahme einer über bloße Selbstbindung hinausgehenden Regelung nahelegen.

Für den vorliegenden Zusammenhang kann die Frage, ob sich aus den KUA-Richtlinien verbindliche Anordnungen für die AG ergeben, aber dahingestellt bleiben. Im Hinblick auf den Bestandsschutz während der KUA oder einer anschließenden Behaltezeit enthalten die Richtlinien nämlich keine eigenständigen Regelungen, sondern verweisen dafür lediglich auf die Sozialpartnervereinbarungen. Insofern ist in der Tat deren Auslegung entscheidend. *) Dabei müssen aber die Vorgaben des – insoweit höherrangigen – Gesetzes und der diese konkretisierenden KUA-Richtlinien stets berücksichtigt werden.* Und stets geht es dabei, um es noch einmal zu betonen, zuallererst um die Vermeidung von Arbeitslosigkeit und die grundsätzliche Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes (§ 37b Abs 1 bzw Abs 2 Satz 2 AMSG sowie 6.1. KUA-RL).

Auch diese Vorgaben sind freilich nicht eindeutig: Während beim zweiten Ziel bereits der Wortlaut eine abstrakte, nicht auf einzelne Arbeitsverhältnisse abstellende Betrachtungsweise nahelegen könnte, nach der nur die Arbeitsplätze als Gesamtheit geschützt wären,* stellt sich Arbeitslosigkeit nicht bloß abstrakt als gesellschaftliches bzw wirtschaftliches Problem dar. Vielmehr ist eine Person nach der grundlegenden – und gerade im vorliegenden Kontext nicht zu übergehenden – Legaldefinition in § 12 Abs 1 AlVG (erst) arbeitslos, wenn sie eine Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat und keine neue oder weitere Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt. Ob bzw unter welchen Voraussetzungen eine solche Beschäftigung – zumal trotz der Möglichkeiten auf Grund der KUA – beendet werden kann und darf, wirkt sich somit konkret und unmittelbar auf die Erreichung der Ziele in § 37b AMSG und der KUA-RL aus. Damit kann keine Rede davon sein, dass ein aus einer SPV allenfalls abzuleitender individueller Bestandsschutz zu einer „Vereitelung“ der von § 37b AMSG verfolgten Ziele führen könnte bzw die Sozialpartnervereinbarungen hier über die gesetzlichen Vorgaben hinausgingen.* Wie diese erreicht bzw umgesetzt werden können, lassen nämlich sowohl das Gesetz als auch die KUA-RL weitgehend offen.

2.2.
Sozialpartnervereinbarungen

Die praktisch wichtigste Voraussetzung für die Gewährung von KUA-B liegt vielmehr im Abschluss von Vereinbarungen der „für den Wirtschaftszweig in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der AG und der AN“, die auch „die Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes“ zu regeln haben (§ 37b Abs 1 Z 3 AMSG). Weder diese noch eine andere Bestimmung des AMSG enthält eine Aussage zur Rechtsnatur einer solchen SPV. Schriftliche Vereinbarungen zwischen kollektivvertragsfähigen Körperschaften gelten nach Maßgabe des § 2 ArbVG an sich als KollV. Da nicht ersichtlich ist, dass bzw warum hier davon abgewichen werden sollte, könnte es sich somit auch bei den vorliegenden Sozialpartnervereinbarungen um einen solchen handeln.*

Das setzt zum einen voraus, dass es eine gesetzliche Regelungsbefugnis gibt, und zum anderen, dass auch die formellen Bedingungen erfüllt sind. Ersteres kann zumindest im Hinblick auf den hier interessierenden Bestandsschutz grundsätzlich bejaht werden, da Regelungen, die eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch den AG erschweren oder daran bestimmte Rechtsfolgen zugunsten der AN knüpfen, problemlos als Inhaltsnormen iSd § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG qualifiziert werden können.* Ob dagegen auch eine Ermächtigung nach Z 7 dieser Bestimmung vorliegt, ist zweifelhaft:* Immerhin wird dort verlangt, dass „sonstige Angelegenheiten … durch Gesetz dem KollV übertragen“ werden. Anders als sonst, insb bei den Zulassungsnormen im Arbeitszeitrecht, hat der Gesetzgeber hier nun gerade keine Ermächtigung für den KollV ausgesprochen. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen sollte bei der Prüfung, ob eine Normsetzungsbefugnis vorliegt, ein strenger Maßstab angelegt werden.* Insofern wird aus der Vorgabe für Vereinbarungen der kollektivvertragsfähigen Körperschaften in § 37b Abs 1 Z 3 und 2 AMSG noch keine Regelungsbefugnis iSd § 2 Abs 2 Z 7 ArbVG abzuleiten sein. Da aus verfassungsrechtlicher Sicht eine klare gesetzliche Grundlage für die Befugnis zur Normsetzung erforderlich ist, muss auch die Deutung der SPV als „Vertrag sui generis“* scheitern, auf den die Regelungen zum KollV allenfalls analog angewendet werden könnten.

Da für den vorliegenden Zusammenhang die Ermächtigung nach Z 2 der letztgenannten Bestimmung ausreichen würde, haben die Kollektivvertragsparteien insoweit in der Tat die Wahl, ob sie die SPV für die KUA als KollV oder in anderer Weise ausgestalten.* Dass sie sich – anders als etwa in dem der oben (FN 14) zitierten VwGH-E zugrunde liegenden Sachverhalt – gegen erstere Option entschieden haben, zeigt der Umstand, dass sie von der für die Normwirkung nach § 11 ArbVG unabdingbaren Hinterlegung nach dessen § 14 Abs 1 Abstand genommen haben. Und dass dies kein „Versehen“ ist, lässt die Formulierung im Vorspann der SPV erkennen, nach der die Kollektivvertragsparteien davon ausgehen, dass ihre Vereinbarung „gleichzeitig … insbesondere eine BV gem § 97 Abs 1 Z 13 ArbVG bzw ein Vertrag zu Gunsten Dritter gemäß § 881 ABGB ist.

Die vorliegenden Sozialpartnervereinbarungen entfalten daher keine Normwirkung. Ihnen kommt zunächst lediglich schuldrechtliche Wirkung zu, die Kollektivvertragsparteien müssen sich daher zumindest um die Umsetzung der Vereinbarung bemühen und auf ihre jeweiligen Mitglieder einwirken, sich daran zu halten.* Möglicherweise gehen die aus der SPV resultierenden Verpflichtungen aber doch weiter und betreffen auch unmittelbar die einzelnen Arbeitsverhältnisse.

3.
Andere Grundlagen für einen Bestandsschutz?
3.1.
Normwirkung der SPV-BV als BV

Eine solche unmittelbare Wirkung könnte sich daraus ergeben, dass die SPV-BV ja auch eine BV darstellen soll, der gem § 31 Abs 1 ArbVG ebenfalls Normwirkung zukommt, wenn die Voraussetzungen nach § 29 ArbVG erfüllt sind.* Davon ist die Schriftform hier evident, und die Zustimmung der dazu befugten Betriebsparteien ist in der SPV-BV ausdrücklich vorgesehen.* Damit ist erneut die Frage der Regelungsermächtigung entscheidend. Soweit eine solche nicht in einem anderen KollV vorgesehen ist (und die SPV kann wie ausgeführt – derzeit – nicht als solcher qualifiziert werden), müssen sich die entsprechenden Regelungen auf einen gesetzlichen Vorbehalt stützen. Da sich dafür im AMSG kein Anhaltspunkt findet, kann sich die erforderliche Grundlage nur aus dem ArbVG ergeben.

Dieser Aspekt bleibt in den bisherigen literarischen Stellungnahmen, die einen Bestands-schutz bei KUA – grundsätzlich oder zumindest in concreto – verneinen, weitgehend ausgeblendet. Teilweise wird wenigstens auf den Betriebsvereinbarungstatbestand nach § 97 Abs 1 Z 13 ArbVG verwiesen,* auf den auch die SPV-BV ausdrücklich Bezug nimmt. Dieser ermächtigt allerdings zunächst nur zur vorübergehenden Anordnung der Verkürzung der Arbeitszeit, was eine Regelung im Hinblick auf (eine Kürzung auch der) Entgeltansprüche nach ganz überwiegender Auffassung nicht einschließt.* Dem ist auch mit Blick auf die offenkundige Absicht des Gesetzgebers wohl zuzustimmen.*

Mitunter wird vertreten, dass die Ermächtigung nach § 97 Abs 1 Z 13 ArbVG auch Grundlage für die normative Anordnung einer Behaltepflicht iZm Kurzarbeit sein könnte.* Dieser Rückgriff erscheint aber entbehrlich, weil die Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit des AG für einen bestimmten Zeitraum (arg § 37b Abs 2 Satz 1 AMSG: „während der Kurzarbeit und in einem allenfalls darüber hinaus zusätzlich vereinbarten Zeitraum nach deren Beendigung“) problemlos auf eine andere Ermächtigung gestützt werden kann. Diese findet sich in § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG. Dort wird zwar nur auf „Kündigungsfristen und Grund für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ abgestellt, das schließt jedoch nach ganz herrschender Auffassung auch die Normierung von Kündigungsgründen und insoweit auch einen individuellen Kündigungsschutz mit ein.* Dem ist aus systematischen und teleologischen Überlegungen beizupflichten, umso mehr als sich ein zeitlich eng begrenztes* Kündigungsverbot im Ergebnis kaum von einer Verlängerung der sonst geltenden Kündigungsfristen unterscheidet.

Dass die SPV-BV auf diese Betriebsvereinbarungsermächtigung nicht ausdrücklich verweist, schadet nicht. Abgesehen davon, dass die SPV – natürlich entsprechende Zustimmung der Betriebsparteien vorausgesetzt – nur „insbesondere“ eine BV nach § 97 Abs 1 Z 13 ArbVG sein soll, bedarf es für die Normwirkung einer schriftlichen Vereinbarung der Betriebsparteien lediglich einer Regelungsermächtigung und nicht auch einer ausdrücklichen Bezugnahme auf diese im Text der Vereinbarung.

Die Regelungen der SPV-BV über die Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes sind somit grundsätzlich für jene AG, die diese Vereinbarung unterschrieben und damit mit dem zuständigen BR darüber eine BV abgeschlossen haben, ebenso wie für deren AN unmittelbar rechtsverbindlich (§ 31 Abs 1 ArbVG). Der Inhalt dieser Vereinbarung ist wegen ihrer Normwirkung objektiv nach den Regeln für die Gesetzesauslegung (§§ 6f ABGB) zu ermitteln. Auf die diesbezüglichen subjektiven Vorstellungen des AG kommt es damit nicht mehr an.*

3.2.
Auslegung der SPV-BV

Dieser objektive Inhalt ist freilich nicht sofort klar. Bemerkenswert ist zunächst, dass für die Zeit während der KUA der/die AG (lediglich) verpflichtet ist, grundsätzlich „jenen Beschäftigtenstand aufrecht zu erhalten, der unmittelbar vor Beginn des KUA-Zeitraumes bestanden hat“ (IV.2.a) SPV-BV). Dagegen bestimmt lit c eigentlich unmissverständlich: „AG-Kündigungen dürfen frühestens nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen werden“. Sofern keine der in der Folge dort angeführten Ausnahmen zur Anwendung kommt, muss aus diesem Wortlaut auf die Nichtigkeit unzulässiger AG-Kündigungen geschlossen werden.* Dem kann auch nicht der Zweck der Regelungen im AMSG bzw in der KUA-RL entgegengehalten werden, weil dieser – wie ausgeführt – eben nicht nur (wohl von den einzelnen Arbeitsverhältnissen abstrahierend) auf den Beschäftigtenstand, sondern auch auf die Vermeidung von konkreter Arbeitslosigkeit abzielt. Diese Nichtigkeit wird freilich nicht absolut wirken, sondern muss vom AN geltend gemacht werden.

Zwei grundsätzliche Grenzen sind allerdings zu beachten. Diese ergeben sich zum einen aus dem Gesetz, zum anderen relativieren die Sozialpartnervereinbarungen selbst diese Verpflichtung. Von vornherein unbeachtlich sind dort zunächst jene Fälle, in denen weder eine AG-Kündigung noch eine sonst dem AG zuzurechnende Beendigung vorliegt und für die daher kein wie immer ausgestaltetes Kündigungsverbot gelten kann.* Für all diese Beendigungsformen ist auch keine Auffüllverpflichtung des AG vorgesehen.

Anders ist die Situation bei einer Beendigung während der KUA bzw innerhalb der Behaltefrist durch unberechtigte Entlassung oder berechtigten vorzeitigen Austritt. Dass hier eine Auffüllverpflichtung vorgesehen ist,* geht offenbar auf die Überlegung zurück, dass die Beendigung in diesen Fällen eindeutig dem AG zuzurechnen, ja idR sogar von diesem verschuldet ist. Während ein Kündigungsverbot für den AG beim berechtigten Austritt ebenfalls nicht greift, ist das bei der unberechtigten Entlassung differenzierter zu sehen. Eine solche ist jedenfalls dann rechtsunwirksam, wenn sie gegen einen besonderen Entlassungsschutz verstößt oder wenn nur ein besonderer Kündigungsschutz besteht, der dann aber nicht durch eine ungerechtfertigte Entlassung unterlaufen werden darf.* Da die Sozialpartnervereinbarungen an dieser zwingenden Rechtslage nichts ändern können, muss eigentlich davon ausgegangen werden, dass der AG diesfalls seiner Auffüllverpflichtung primär dadurch nachkommen muss, dass er das betreffende bestandsgeschützte Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung fortsetzt, wenn der AN die Nichtigkeit der Beendigung geltend macht. Die Auffüllverpflichtung ieS würde damit erst schlagend werden, wenn der AN die unwirksame Beendigung akzeptiert und von dem ihm in stRsp zugestandenen Wahlrecht Gebrauch macht (dazu unten 4.).*

Eine Auffüllverpflichtung des AG sehen die Sozialpartnervereinbarungen auch bei einvernehmlichen Auflösungen vor, wenn diese ohne vorherige Beratung des AN über die Folgen der Auflösung erfolgt ist, wobei diese Beratung nach der SPV-BV durch den BR, nach der SPV-EV durch Gewerkschaft oder Arbeiterkammer zu erfolgen hat. Gab es eine solche Beratung, ist die einvernehmliche Auflösung zulässig und löst auch keine Auffüllverpflichtung aus. Der Zweck dieser Differenzierung ist erkennbar, den AN von voreiligen Zustimmungen abzuhalten, damit er einen sonst vielleicht bestehenden Kündigungsschutz nicht leichtfertig preisgibt. Das ist genau der Regelungsansatz des § 104a ArbVG, dem eigentlich keine eigenständige Bedeutung zukommt, sondern der nur eine Flankierung des in der Systematik des ArbVG unmittelbar anschließenden Kündigungs- und Entlassungsschutzes darstellt. Gerade diese Bestimmung wird freilich als Problem gesehen, weil die SPV-BV hier eine Erweiterung der Mitwirkungsbefugnisse des BR bringen würde, die mit der ganz herrschenden (und grundsätzlich auch zutreffenden) Konzeption eines „absolut zwingenden Betriebsverfassungsrechts“ nicht vereinbar sei.* Allerdings sieht die SPV-BV gar nicht vor, dass der BR den Verhandlungen über eine einvernehmliche Auflösung beizuziehen wäre.* Die dortige Anordnung könnte vielmehr – und insoweit gesetzeskonform – auch so verstanden werden, dass die Auffüllpflicht des AG dann nicht besteht, wenn der AN von seiner Beratungsmöglichkeit nach § 104a ArbVG Gebrauch gemacht hat und so das Risiko einer unbedachten Zustimmung ausgeschlossen werden kann.*Vor diesem Hintergrund ließe sich dann auch die Auffüllpflicht nach der SPV-EV bei nicht erfolgter Beratung durch Gewerkschaft/Arbeiterkammer problemlos rechtfertigen.

Heikler ist die Frage der Einbindung des BR bei der Differenzierung der Zulässigkeit von AG-Kündigungen. Die Sozialpartnervereinbarungen unterscheiden hier zwischen einer Kündigung „aus personenbezogenen Gründen“, die eine Auffüllverpflichtung auslöst, während eine solche nicht besteht, wenn die Kündigung vom AG „zum Zweck der Verringerung des Beschäftigtenstandes“ ausgesprochen wird. Dafür reicht allerdings die Betriebsbedingtheit nicht aus: Vielmehr muss „der Fortbestand des Unternehmens bzw Betriebsstandortes in hohem Maß gefährdet“ sein und (nach der SPV-BV) der BR (nach der SPV-EV die Gewerkschaft) innerhalb von sieben Tagen zustimmen, wobei diese Zustimmung durch eine „Ausnahmebewilligung durch den RGS-Regionalbeirat“ ersetzt werden kann.

Damit ist zunächst zweierlei klargestellt: Zum einen, dass auf die Person des AN bezogene Kündigungen ausgenommen und daher nicht der oben angeführten Grundregel „AG-Kündigungen dürfen frühestens nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen werden“ zu unterstellen sind. Deren Ausspruch ist somit auch während der KUA bzw der anschließenden Behaltefrist ohne weiteres zulässig. Andere Bestandsschutzregelungen bleiben freilich weiter beachtlich.*

Zum anderen sind jedoch andere betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgenommen und dürfen daher „frühestens nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen werden“. Sie sind somit jedenfalls auf Grund der normativen Anordnung einer auf § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG gestützten BV* als unwirksam anzusehen, umso mehr, als für sie auch keine Auffüllverpflichtung vorgesehen ist*. Hier stellt sich auch nicht die Frage einer unzulässigen Ausweitung der Mitwirkungsbefugnisse des BR, weil es auf dessen Verhalten gerade nicht ankommt.

Damit ist die zweite Grenze angesprochen, die unstrittig auch für in einer BV vorgesehene Kündigungsbeschränkungen gilt. Über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Befugnisse des BR können hier nicht begründet werden.* Es scheint nicht ausgeschlossen, die Regelung in der SPV-BV,* welche betriebsbedingte Kündigungen bei Gefährdung des Fortbestandes des Unternehmens von der Zustimmung des BR abhängig machen, gesetzeskonform zu interpretieren. Dafür könnten zwei Ansätze in Betracht kommen:

Zunächst könnte diese „Zustimmung“ nicht auf die konkrete Kündigung bezogen, sondern nur iS einer „Bestätigung“ des BR verstanden werden, dass die wirtschaftliche Lage des Unternehmens tatsächlich so prekär ist, dass eine Verringerung des Beschäftigtenstandes erforderlich ist. Da auch die Verweigerung einer solchen „Bestätigung“ die Kündigung zunächst unzulässig machen würde (arg „Zustimmung“ und nicht „Stellungnahme“, „Konsultation“ oä), spricht doch viel mehr dafür, diese Regelung insofern als nichtig anzusehen.*

Wesentlich eher tragfähig scheint dagegen der zweite Ansatz, bei dem die Zustimmung des BR ebenfalls nicht auf konkrete Kündigungen bezogen wird, sondern eine (punktuelle) Änderung der BV in der Form bewirkt, dass betriebsbedingte Kündigungen nun eben wegen der besonderen Umstände zulässig sind. Einer gesonderten Zustimmung der Kollektivvertragsparteien bedarf es dafür nicht, weil sie diese Möglichkeit bereits in der SPV vereinbart haben. Die für die BV erforderliche Zustimmung des AG wird ebenfalls kein Problem darstellen, geht doch von diesem die Initiative für die Kündigungen aus und muss er dementsprechend auch Belege für die große Gefährdung des Fortbestandes vorlegen. Diese Deutung würde den Zustimmungsvorbehalt in der SPV-BV dann zulässig machen, wenn die in § 29 ArbVG geforderte Schriftform eingehalten wird und die insb nach § 30 ArbVG als konstitutiv anzusehende Kundmachung erfolgt. Da Betriebsvereinbarungen aber nur generell-abstrakte Regelungen mit Normwirkung treffen können,* kommt diese Auslegung der SPV-BV nur generell für den betreffenden Betrieb(steil) als solchen in Betracht, nicht aber für konkrete einzelne Kündigungen.*

Ganz unabhängig davon, wie dieser Zustimmungsvorbehalt nun beurteilt werden mag, muss freilich davon ausgegangen werden, dass betriebsbedingte Kündigungen nach der normativen Anordnung in der SPV-BV unwirksam sind, wenn keine „Ausnahmebewilligung“ vorliegt. Soweit also eine solche nicht bereits vom BR (wirksam) erteilt wurde, kann nur mehr der Regionalbeirat der regionalen AMS-Geschäftsstelle eine Verringerung des Beschäftigtenstandes zulassen.* Die Legitimation dafür findet sich nicht nur in 7.2.2. KUA-RL, sondern bereits in §  37b Abs 2 Satz 2 AMSG, hat also eine stabile gesetzliche Grundlage. Dass zur Objektivierung einer vom AG geltend gemachten Gefährdung des Fortbestandes des Unternehmens vom AMS auch die Einschätzung des BR eingeholt wird, ist naheliegend und auch sachgerecht. Ein Vetorecht gegen Kündigungen, das über die Befugnisse nach § 105 ArbVG hinausgeht, lässt sich daraus aber nicht ableiten.

Die in den Sozialpartnervereinbarungen (jeweils in IV.2.b) letzter Absatz) vorgesehene Möglichkeit, die Behaltepflicht zu verkürzen oder entfallen zu lassen, kann neben der KUA-RL (vgl 6.4.3.1.c) ebenfalls bereits auf die gesetzliche Ermächtigung in § 37b Abs 2 Satz 2 AMSG („und in einem allenfalls darüber hinaus zusätzlich vereinbarten Zeitraum“) gestützt werden. Anders als bei der oben angeführten „Ausnahmebewilligung“ geht es hier aber nicht um die Zulassung konkreter Kündigungen in bestimmten Betrieben, sondern um eine generelle Begrenzung oder den Entfall der Behaltepflicht nach der KUA, „wenn sich nach Abschluss der SPV die Verhältnisse wesentlich verschlechtern“. Dementsprechend ist hier in den Sozialpartnervereinbarungen auch keine Zustimmung des BR, sondern jene der Gewerkschaft vorgesehen, die wiederum durch Entscheidung des Regionalbeirats bei der regionalen AMS-Geschäftsstelle ersetzt werden kann.

In der Sache geht es hier eigentlich um eine teilweise (und vorübergehende) Änderung der SPV. Soweit diese als BV wirkt, ist der oben angeführte Änderungsvorbehalt bereits in dieser vorgesehen und damit für den betreffenden Betrieb unmittelbar verbindlich. Kündigungen nach der KUA-Phase sind demnach insofern – und natürlich nach Maßgabe der sonstigen Kündigungsregelungen – zulässig.*

3.3.
Einzelvertragliche Übernahme der SPV-EV

Die vorstehenden Überlegungen konnten von der Prämisse ausgehen, dass die Regelungen in den Sozialpartnervereinbarungen jedenfalls im Hinblick auf Behaltepflichten auch als BV (nach § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG) gelten und damit Normwirkung entfalten. Dieser Ansatz steht nicht zur Verfügung, wenn die SPV nicht auch als BV angesehen werden kann, was in zwei Fällen denkbar ist. Zum einen, wenn keine gesetzliche oder kollektivvertragsfähige Ermächtigung für die betreffende Regelung vorliegt, zum anderen, wenn im betreffenden Betrieb kein BR besteht. In beiden Fällen muss die Geltung der SPV auf andere Grundlagen gestützt werden, da dieser selbst nur schuldrechtliche Wirkung zwischen ihren Abschlussparteien zukommt (2.2.).

Diese gehen im Vorspann zur SPV-EV zunächst davon aus, dass es sich bei den Begleitmaß-nahmen während der KUA um eine Vereinbarung „insbesondere gemäß § 881 ABGB (Verträge zu Gunsten Dritter)“ handelt. Im selben Zusammenhang wird aber darauf abgestellt, dass die Vereinbarung auch mit „sämtlichen unterzeichnenden AN“ getroffen wird. Da hier somit nicht nur die einzelnen AG, sondern auch deren AN selbst Vertragspartei werden, bedarf es des Rückgriffs auf die Rechtsfigur des Vertrages zu Gunsten Dritter nicht.* Dieser würde ja auch nichts nützen, wenn und weil die KUA für die AN auch Nachteile (insb Entgelteinbußen) bringt.*

Vor diesem Hintergrund ist nicht einsichtig, warum damit den AN nur teilweise „ein direktes Forderungsrecht“ eingeräumt sein soll.* Richtig ist zunächst, dass es hierfür erneut auf die Auslegung der Vereinbarung ankommt, für die – anders als bei der BV – die Parteienabsicht den Ausschlag gibt.* Diese besteht aber bei der KUA allseits darin, dass die bestehenden Arbeitsverhältnisse aufrechterhalten werden. Den Vorteilen für die AN, Beschäftigung und Entgelt zumindest auf absehbare Zeit zu sichern, stehen die Vorteile der AG gegenüber, insb die Stammbelegschaft zu halten, um nach Überwindung der Krise sofort wieder losstarten zu können, und sich zudem zusätzliche Kosten zu sparen, die wegen der Beendigung (insb für Abfertigungen oder offene Urlaubsansprüche) bzw für die Rekrutierung und Einschulung neuer Arbeitskräfte anfallen würden.

Insofern kann keine Rede davon sein, dass den AG hier „Zugeständnisse in einer schwierigen Situation“ zugesonnen würden, die über die Mindestanforderungen des § 37b AMSG hinausgingen.* Zum einen definiert diese Bestimmung selbst gerade keine Mindestanforderungen, sondern delegiert deren Ausgestaltung weitgehend an die SPV und die KUA-RL – notabene auch in dieser Reihenfolge, was zumindest unterstreicht, welch große Bedeutung der Gesetzgeber auch hier der Rolle der kollektivvertragsfähigen Körperschaften beimisst.* Zum anderen spricht das AMSG in § 31 Abs 2 selbst davon, dass die Leistungen (und damit auch die Bedingungen dafür) so zu gestalten sind, „dass sie dem in § 29 genannten Ziel bestmöglich entsprechen“* und „auf einen angemessenen Ausgleich der Interessen der AG und der AN zu achten“ ist.

Auch der hier behauptete „faktische Abschlusszwang“* besteht nicht* bzw – wenn überhaupt – für AG und AN gleichermaßen. Diese Konstellation ist auch nicht ungewöhnlich, sind doch viele öffentliche Förderungen, die explizit oder zumindest mittelbar der Beschäftigungssicherung dienen, davon abhängig, dass die vorgeschaltete arbeitsvertragliche Regelung die Bedingungen für die öffentliche Leistung erfüllt.* Die Vereinbarungen sind daher – auch und gerade nach § 914 ABGB (arg nicht zuletzt „Übung des redlichen Verkehrs“) – so auszulegen, dass die betreffende Förderung auch in Anspruch genommen werden kann.* Der Anlass für all die in FN 57 genannten Modelle geht (meist sogar ausschließlich) auf Umstände im Bereich des AN zurück, dem eine (teilweise) Freistellung ermöglicht werden soll. Während der Vorteil für den AG dort lediglich im Weiterbestand des Arbeitsverhältnisses mit einer bewährten Arbeitskraft liegt, geht es bei der KUA um die Fortführung vieler Arbeitsverhältnisse und vor allem um den Fortbestand bzw die möglichst rasche und umfassende Fortführung des Betriebes.

Wollte man die AG zwar diese Vorteile lukrieren lassen, ihr Risiko aber im Wesentlichen auf die Weiterzahlung eines geringen Entgeltteils reduzieren, würde das an „Rosinen-Picken“ grenzen. Der im AMSG dezidiert grundgelegte (vgl noch einmal § 31 Abs 2), in den Sozialpartnervereinbarungen umgesetzte und durch die Einbindung der sozialpartnerschaftlich besetzten Regionalbeiräte (vgl § 20 Abs 2 AMSG) flankierte Interessenausgleich würde damit völlig ausgehöhlt werden.

Daran kann auch der Verweis auf verfassungsrechtliche Grenzen, insb im Hinblick auf durch die dem AG von Dritten faktisch aufgezwungenen Kündigungsverbote bewirkten, uU unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffe nichts ändern.* Zum einen ist schon höchst zweifelhaft, ob überhaupt ein Grundrechtseingriff vorliegt, wenn zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit, aber genauso zur Sicherstellung der möglichst raschen und umfassenden Wiederaufnahme des Betriebes zeitlich relativ knapp befristete Kündigungsverbote vorgesehen und diese nicht nur von der Zustimmung der Sozialpartner, sondern auch jener der unmittelbar betroffenen Betriebs- und Einzelvertragsparteien (!) abhängig gemacht werden. In diesem Zusammenhang ist nicht zuletzt auf die „Corona-Judikatur“ des VfGH zu verweisen, der schon sehr früh betont hat, dass bei behaupteten Eingriffen in ein Grundrecht (etwa die Unversehrtheit des Eigentums durch das Betretungsverbot für Betriebsstätten) stets die Einbettung dieser Maßnahmen, in concreto insb ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Betretungsverbots, berücksichtigt werden muss.* Auch bei einem zeitlich begrenzten Verbot bei bestimmten, nicht personen-, sondern ausschließlich betriebsbedingten AG-Kündigungen, die im Einzelfall ausnahmsweise doch erlaubt werden können, kann somit auch kein unverhältnismäßiger Verstoß gegen das Grundrecht des AG auf Privatautonomie (bzw Unversehrtheit des Eigentums) angenommen werden. Ebenso wenig ist hier ein „Sonderopfer“ einzelner AG ersichtlich, das unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes problematisch sein könnte.

Gleichheitsrechtlich bedenklich könnte vielmehr ein anderer Gesichtspunkt sein: Wenn Kündigungsverbote während der Behaltezeit nach Ende einer KUA in einer BV nach § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG mit Normwirkung geregelt werden können und dies auch im Wege einer objektiven Auslegung aus der SPV-BV abzuleiten ist, ist kaum zu argumentieren, dass dies in einem Betrieb ohne BR anders sein soll. Die geschilderte, auf eine umfassende und nachhaltige Wirkung des KUA-Modells ausgerichtete und insoweit übereinstimmende Interessenlage von AG und AN erlaubt es daher nicht, bei der Auslegung der durch entsprechende Zustimmung aller Vertragsparteien auf die einzelvertragliche Ebene übernommene SPV-EV zu einem anderen Ergebnis zu kommen.

4.
Schlussfolgerungen

Damit sprechen die wesentlich stärkeren Argumente dafür, die Regelungen der SPV über die Behaltepflicht während der KUA und in der anschließenden höchstens einmonatigen Behaltezeit als ein teilweises Kündigungsverbot für den AG („dürfen frühestens“) zu verstehen. Dieses gilt auf Grund der Ausnahmen in den Sozialpartnervereinbarungen nicht für personenbedingte Kündigungen und auch nicht für Kündigungen, die der Verringerung des Beschäftigtenstandes dienen, wenn sonst „der Fortbestand des Unternehmens bzw Betriebsstandortes in hohem Maß gefährdet“ wäre. Letzteres ist möglicherweise bei Nutzung des Änderungsvorbehalts in der SPV-BV durch die Betriebsparteien, aber jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Regionalbeirat der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des AMS zugestimmt hat.*

In den restlichen Fällen einer „einfachen“ betriebsbedingten Kündigung ist aus der Formulierung „AG-Kündigungen dürfen frühestens nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen“ ein dem besonderen Kündigungsschutz vergleichbarer individueller Bestandsschutz abzuleiten. Für die SPV-BV ergibt sich das aus der – im Wege objektiver Auslegung zu ermittelnder – Normwirkung als BV nach § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG. Für die SPV-EV ergibt sich das aus einer – die übereinstimmende Parteienabsicht, aber auch die Übung des redlichen Verkehrs und den grundrechtlichen Rahmen berücksichtigenden – Auslegung der durch Zustimmung der einzelnen AG und AN auf die einzelvertragliche Ebene übernommenen Regelungen der SPV. Angesichts der hier erforderlichen (und regelmäßig auch vorliegenden) Zustimmungen nicht nur der kollektivvertragsfähigen AG- und AN-Körperschaften, sondern auch aller unmittelbar betroffenen Betriebs- und Einzelvertragsparteien begegnet diese Konstruktion auch keinen grundrechtlichen Bedenken.

In diesen Fällen dennoch ausgesprochene AG-Kündigungen sind daher an sich rechtsunwirksam.* Betroffene AN können daher auf Fortbestand ihrer Arbeitsverhältnisse klagen.

Angesichts der ständigen, wenn auch nicht unproblematischen Judikatur, die AN sogar beim besonderen gesetzlichen Kündigungsschutz ein Wahlrecht zwischen dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und Ansprüchen (wie) aus einer ungerechtfertigten Entlassung zubilligt,* muss dies – umso mehr – auch für durch BV oder EV begründete Kündigungsverbote gelten. AN, die nicht „qualifiziert betriebsbedingt“ (aber ohne die besonderen Anforderungen der hohen Gefährdung des Fortbestandes des Unternehmens) während der KUA oder in der anschließenden Behaltefrist gekündigt werden, könnten daher auch den Anspruch auf Kündigungsentschädigung (insb nach § 1162b ABGB bzw § 29 AngG) und zusätzlich insb Ersatz für nicht verbrauchten Urlaub (§ 10 UrlG) geltend machen.* Die dafür zu Grunde zu legende „fiktive Kündigungsfrist“ ist beginnend mit dem jeweils frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt nach Ende der KUA bzw Behaltepflicht mit jener Zeitspanne zu bemessen, die bis zu einer ordnungsgemäßen Kündigung durch den AG hätte verstreichen müssen.