Corona, Arbeit und wo bleiben die Kinder? – Kinderbetreuung und Dienstverhinderung in Zeiten einer Pandemie

Autorin: RUTH ETTL
aus: DRdA-infas 01/2021

Die Corona-Krise bringt verschiedenste Probleme für AN mit sich. Arbeitende Eltern sind in diesem Zusammenhang besonders belastet. Gilt es doch, auch in dieser Ausnahmesituation, Arbeit (egal, ob am ursprünglichen Arbeitsplatz oder im Homeoffice) und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen.

Aufgrund der gesetzlichen Obsorgepflicht sind die Eltern ua für die Pflege und Erziehung ihrer Kinder verantwortlich. Das inkludiert, dass die Kinder auch entsprechend betreut wer-den – abhängig ua auch von deren Alter (ab dem 14. Lebensjahr wird bspw angenommen, dass keine durchgehende Betreuung eines gesunden Kindes zu Hause mehr notwendig ist – dies kann sich im Einzelfall aber ausnahmsweise auch anders darstellen). Wenn es keine anderen zumutbaren Betreuungsmöglichkeiten gibt, hatten AN schon bisher für einen gewissen Zeitraum einen Rechtsanspruch auf Freistellung bei Entgeltfortzahlung. Der Artikel soll dazu dienen, einen Überblick über die verschiedenen bezahlten Freistellungsmöglichkeiten zwecks Kinderbetreuung zu verschaffen – einschließlich des neuen Rechtsanspruchs auf Sonderbetreuungszeit.

Vorab sei noch darauf hingewiesen, dass auch während Homeoffice Freistellungsansprüche zur Kinderbetreuung bestehen und Freizeitphasen sowie Kinderbetreuung nicht durch Arbeit überlagert werden sollten. Auch wenn sich dies in der Praxis aufgrund von teils unklaren rechtlichen Regelungen während der Corona-Krise und des Drucks von manchen AG oftmals als schwierig gestaltet und viele Eltern daher keinen Freistellungsanspruch geltend machen, sondern versuchen, im Homeoffice auch noch die Kinderbetreuung zu meistern.*

1.
Pflegefreistellung

Gem § 16 UrlG haben (Wahl- und Pflege-)Eltern einen Anspruch auf Pflegefreistellung zur notwendigen Betreuung ihres erkrankten Kindes (Pflegefreistellung ieS). Dies gilt unabhängig davon, ob sie mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt leben oder nicht. Bei der Betreuung der leiblichen Kinder der/des EhegattIn, eingetragenen Partnerin/Partners oder LebensgefährtIn ist allerdings ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind Voraussetzung.

Außerdem gibt es noch die Möglichkeit, die Freistellung zur Begleitung eines erkrankten Kindes, das das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, bei einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus (Heil- oder Pflegeanstalt) in Anspruch zu nehmen (Begleitungsfreistellung).

Der Anspruch auf Pflegefreistellung nach § 16 UrlG besteht je Elternteil im Ausmaß der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit („einer Woche“) pro Arbeitsjahr. Dabei sind Zeiten einer Pflegefreistellung ieS und einer allfälligen Betreuungsfreistellung (siehe nachfolgend) auf dieses Ausmaß gleichermaßen anzurechnen.

Erkrankt ein Kind im Laufes des Jahres erneut und hat das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet, gebührt jedem Elternteil zudem eine zusätzliche Woche Pflegefreistellung, wenn kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Dienstverhinderung aufgrund anderer Regelungen wie bspw § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b Abs 5 ABGB zusteht (erweiterte Pflegefreistellung).

Es besteht auch dann ein Anspruch auf Pflegefreistellung, wenn der/die AN wegen der notwendigen Betreuung eines gesunden Kindes an der Arbeitsleistung verhindert ist, weil die Person, die das Kind normalerweise ständig betreut, aus bestimmten, schwerwiegenden Gründen (bspw schwere Erkrankung, Krankenhausaufenthalt etc) ausgefallen ist (Betreuungsfreistellung). Das würde auch Situationen erfassen, wenn etwa die bisherige Betreuungsperson an COVID-19 erkrankt oder unter Quarantäne gestellt wird. Ist das Kind aber nicht krank und muss kurzfristig zu Hause betreut werden, weil die Schule oder der Kindergarten die Betreuung nicht gewährleistet, greift dieser Anspruch auf Betreuungsfreistellung nicht. Stattdessen kommen die allgemeinen Regeln der bezahlten Dienstfreistellung (§ 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b ABGB) und die sogenannte Sonderbetreuungszeit in Betracht. Auch die Inanspruchnahme einer Betreuungsfreistellung ist auf die oben angeführte Gesamtdauer anzurechnen.

Wenn diese zeitlich pro Jahr mit idR einer Woche begrenzte Freistellung nicht ausreicht, kann auch auf andere günstigere Regelungen wie § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b Abs 5 ABGB zurückgegriffen werden (§ 16 UrlG).

2.
Dienstverhinderung nach § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b Abs 5 ABGB

In § 8 Abs 3 AngG (für Angestellte) bzw in § 1154b Abs 5 ABGB (für ArbeiterInnen) findet sich die Möglichkeit einer bezahlten Dienstverhinderung aus wichtigen persönlichen Gründen.

Dieser bezahlte Freistellungsanspruch besteht pro Anlassfall, wenn der/die AN aus berücksichtigungswürdigen Gründen (wie bspw der notwendigen Betreuung eines Kindes) während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Arbeitsleistung verhindert ist. In der Lehre hat sich als Richtwert eine Woche pro Anlassfall herauskristallisiert, es gab aber auch schon eine gerichtliche Entscheidung, die in einem außergewöhnlichen Fall einen Monat bezahlte Freistellung zugestand.*

Aber auch hier greift der Freistellungsanspruch nicht, wenn es andere zumutbare Betreuungsmöglichkeiten gibt – wie bpsw in den Phasen des ersten und zweiten Lockdowns der Corona-Krise, in denen es zwar keinen regulären Schulbetrieb, aber sehr wohl einen Notbetrieb zur Kinderbetreuung in der Schule gab. In dieser Konstellation besteht lediglich die Möglichkeit, mit dem/der AG eine Sonderbetreuungszeit zu vereinbaren (siehe Pkt 4.3.).

3.
Einseitiger Urlaubsantritt (§ 16 Abs 3 UrlG)

Wenn der/die AN seinen/ihren Anspruch auf bezahlte Dienstfreistellung/Pflegefreistellung verbraucht hat, kann er/sie zur notwendigen Pflege eines erkrankten Kindes, das das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, einseitig Urlaub antreten. Dh, es braucht ausnahmsweise keine Vereinbarung mit dem/der AG. Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht diesfalls aber nur, wenn der/die AN noch einen offenen Urlaubsanspruch hat. Andernfalls bleibt diese Zeit unbezahlt.* Das (allenfalls unbezahlte) Fernbleiben von der Arbeit zur notwendig gewordenen Pflege oder Betreuung seines Kindes stellt grundsätzlich keinen Entlassungsgrund dar.

4.
Sonderbetreuungszeit gem § 18b AVRAG ab 1.11.2020
4.1.
Allgemeines

Im Laufe der Pandemie wurde rasch klar, dass die bestehenden Ansprüche nicht ausreichen, um den Anforderungen von Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Praxis auch während der Corona-Krise – vor allem hinsichtlich der zeitlich doch beschränkten Freistellungsansprüche – gerecht zu werden. Aufgrund der Forderungen von Gewerkschaften und AK wurde ein neues Instrument in verschiedenen Varianten geschaffen, das zeitlich befristet gelten soll – die Sonderbetreuungszeit.

Sonderbetreuungszeit ermöglicht allgemein die Freistellung des/der AN von der Arbeit bei laufendem Entgelt bei Vorliegen von bestimmten Dienstverhinderungen aufgrund von Corona-Maßnahmen. Sie gilt zeitlich befristet, die derzeitige Fassung (*) bis 9.7.2021 (Ende des Schuljahres 2020/21). Während der Sonderbetreuungszeit ist von der /dem AG der/dem AN das bisher geleistete Entgelt unverändert fortzuzahlen. Sonderbetreuungszeit ist insgesamt bis zu vier Wochen möglich. Besonders an der Sonderbetreuungszeit ist auch, dass die/der AG Kostenersatz vom Bund erhält – für die neue Sonderbetreuungszeit ab 1.11.2020 sogar das gesamte der/dem AN fortgezahlte Entgelt.

Die erste Variante der Sonderbetreuungszeit wurde im Frühjahr für Situationen geschaffen, in denen AG freiwillig eine bezahlte Freistellung gewährten, um es den AN zu ermöglichen, die Corona-Maßnahmen in Bezug auf den Kindergarten- und Schulbetrieb leichter bewältigen zu können. Rechtsanspruch auf diese Freistellung bestand aber keiner.

Die aktuelle Regelung der Sonderbetreuungszeit wurde im Oktober 2020 verhandelt und gilt rückwirkend ab 1.11.2020. Sie wurde beschlossen, um Sachverhalte abzufedern, in denen Schulen und Kindergärten zwar grundsätzlich geöffnet sind, aber Kinder als K1-Kontaktperson oder wegen einzelner behördlich geschlossener Gruppen oder Klassen nicht in die Schule gehen dürfen. Das Besondere an der Neuregelung ist der von Gewerkschaften und der AK geforderte Rechtsanspruch bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen.

Die neue Sonderbetreuungszeit gilt auch unabhängig von einem bisherigen Verbrauch der alten Sonderbetreuungszeit. Das bedeutet, dass bis 31.10.2020 gewährte Zeiten einer Sonder-betreuungszeit nicht anzurechnen sind – weder auf den Rechtsanspruch noch auf ab 1.11.2020 vereinbarte Sonderbetreuungszeiten (Achtung: eine nach den alten Regeln vereinbarte Sonderbetreuungszeit ab 1.11. wird angerechnet).

Der/die AG bekommt nun – das ist ebenfalls neu im Vergleich zu den Vorgängerregelungen – das gesamte (dh 100 %) an den/die AN gezahlte Entgelt, begrenzt bis zur monatlichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage (2020: € 5.370,-) zurückerstattet. Der/die AG kann den Anspruch auf Vergütung der Sonderbetreuungszeit binnen sechs Wochen ab deren Ende bei der Buchhaltungsagentur des Bundes geltend machen. Eine zu Unrecht bezogene Vergütung ist zurückzuzahlen.

4.2.
Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit

Allgemein gilt, dass der/die AN zuerst alles Zumutbare unternehmen muss, damit die vereinbarte Arbeitsleistung zustande kommt. Nur in den Fällen, wo es keine alternativen Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt, besteht bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ein An-spruch auf Sonderbetreuungszeit. Zudem muss der/die AG unverzüglich nach Bekanntwerden der Verhinderung (bspw Schließung der Schule, Quarantäne des Kindes) verständigt werden.

Einen Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit gibt es in folgenden Fällen:

4.2.1.

Zur notwendigen Betreuung von Kindern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, für die eine Betreuungspflicht besteht, bei teilweiser oder vollständiger Schließung von Einrichtungen aufgrund behördlicher Maßnahmen.

Davon sind Situationen erfasst, in denen der Kindergarten oder die Schule behördlich (zumindest teilweise) geschlossen werden und dort keine Betreuung angeboten wird. Dies gilt auch, wenn bspw ganze Klassen oder Kindergartengruppen wegen positiven Corona-Fällen geschlossen werden. Wenn Schule oder Kindergarten eine Notbetreuung anbieten, besteht weiterhin die Möglichkeit, eine Sonderbetreuungszeit im Einvernehmen mit dem/der AG zu vereinbaren (siehe Pkt 4.3.).

4.2.2.

Der Anspruch auf Sonderbetreuungszeit besteht bei behördlich angeordneter Quarantäne (§ 7 EpidemieG) des Kindes, sowohl wenn das Kind selbst an COVID-19 erkrankt ist, als auch, wenn es als ansteckungs- oder infektionsverdächtige Kontaktperson abgesondert wird. Der Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit besteht – im Gegensatz zur Vereinbarungsmöglichkeit – unabhängig davon, ob sonstige Ansprüche auf Freistellung zur Betreuung eines Kindes (bspw nach AngG, ABGB und UrlG) bestehen.

4.3.
Vereinbarung

Wo der Rechtsanspruch nicht greift – bspw wenn in Schulen zwar kein Regelunterricht, aber eben eine Betreuungsmöglichkeit angeboten wird, also Betreuung durch den/die AN in dem Sinne nicht notwendig wäre –, besteht aber auch weiterhin die Möglichkeit, Sonderbetreuungszeit nach den aktuellen Regelungen zu vereinbaren. Dh, hier ist die Zustimmung des/der AG nötig. Die Vereinbarung kann zur Betreuung eines Kindes bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, für das eine Betreuungspflicht besteht, bei teilweiser oder vollständiger behördlicher Schließung von Einrichtungen (bspw Schulen, Kindergärten, einzelner Klassen, Gruppen) getroffen werden. Dies gilt jedoch nur für AN, deren Arbeitsleistung nicht für die Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlich ist – was de facto der/die AG entscheiden wird. Damit ist jedoch jedenfalls nicht gemeint, dass AN aus bestimmten Beschäftigtengruppen (etwa in Einzelhandel, Pflege oder Gesundheit) per se von der Inanspruchnahme der Sonderbetreuungszeit ausgeschlossen wären.

Die Möglichkeit, Sonderbetreuungszeit zu vereinbaren, gibt es aber nur dann, wenn keine anderen arbeitsrechtlichen Ansprüche auf Dienstfreistellung unter Fortzahlung des Entgelts bestehen. Andernfalls trägt der/die AG das Risiko, keinen Kostenersatz durch den Bund zu erhalten.

5.
Zusammenfassung

Im Ergebnis gibt es während der Corona-Krise für AN verschiedene arbeitsrechtliche Instrumente, um die notwendige Betreuung eines kranken oder auch gesunden Kindes für eine gewisse Zeit übernehmen zu können, ohne auf einen Teil des Entgelts verzichten zu müssen. Wichtig ist es aber, dass arbeitende Eltern diese Ansprüche in der Praxis ohne Benachteiligung geltend machen können und AG auch die Möglichkeit einer vereinbarten Sonderbetreuungszeit bei ohnedies vollem Kostenersatz durch den Bund nutzen.