Phase III – Die Corona-Kurzarbeit geht in die Verlängerung

PHILIPP BROKES
aus: DRdA-infas 06/2020

Mit einer Rezession von knapp 7 % gegenüber dem Vorjahr sinkt die österreichische Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 wesentlich stärker, als das in der letzten spürbaren Wirtschaftskrise 2008/09 der Fall war. Die jüngste Konjunkturprognose des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) machte dabei vor allem klar, dass trotz der zahlreichen Lockerungen, die seit Inkrafttreten der COVID-19-Lockerungsverordnung (BGBl II 2020/197BGBl II 2020/197) schlagend wurden, die Wirtschaftsleistung das Vorkrisenniveau selbst Ende 2021 noch nicht erreicht haben wird.

Das Warten auf die wiederholt angekündigte „zweite Infektionswelle“ und die besonders hohe – wenn auch mittlerweile stabile – Arbeitslosenquote machten vor allem eines deutlich: Das krisensichere und sich in der ersten Phase des akuten Lockdowns zweifelsohne bewährte Corona-Kurzarbeitsmodell muss fortgeführt werden.

Dies nahmen die Sozialpartner zum Anlass, um in zahlreichen gemeinsamen Verhandlungsrunden während der Sommermonate ein ausgewogenes Instrument auf die Beine zu stellen und zugleich die ersten beiden Phasen der Kurzarbeit (März bis Mai und Juni bis August) mit den bisher gesammelten Praxiserfahrungen bestmöglich zu evaluieren.

Ein gemeinsames Ziel kristallisierte sich dabei schon im frühen Stadium der Verhandlungen heraus: Das gut funktionierende System der Kurzarbeit dürfe in seinen Grundpfeilern nicht umgeworfen werden. Jene Mechanismen, die sich zu Beginn der Krise besonders gut bewährt hatten, sollten jedenfalls beibehalten werden, sodass zur Wahrung der allgemeinen Rechtssicherheit bei allen Beteiligten an nur wenigen Schrauben spürbar gedreht werden sollte.

Der vorliegende Beitrag soll die Eckpunkte der neuen Sozialpartnervereinbarung kompakt zusammenfassen.

1.
Geltungsbeginn und Geltungsdauer

Grundsätzlich war auf Grundlage der bisherigen Arbeitsmarktservice-(AMS-)Bundesrichtlinie (KUA-COVID-19) eine Kurzarbeitsförderung für einen maximalen Zeitraum von drei Monaten möglich. Mit Beginn der zweiten Kurzarbeitsphase am 1.6.2020 wäre die Förderung in den allermeisten Betrieben daher Ende August 2020 ausgelaufen. Jene Betriebe, die das Kurzarbeitsbegehren jedoch erst später eingebracht haben, hätten sich hingegen bis September 2020 in Kurzarbeit befunden.

Um einen einheitlichen Start der dritten Kurzarbeitsphase zu gewährleisten, wurde durch den AMS-Verwaltungsrat noch im August 2020 eine Änderung der geltenden Richtlinie beschlossen, die eine ausnahmsweise Verlängerung sämtlicher laufender Kurzarbeitsprojekte bis 30.9.2020 ermöglichen sollte.

So konnte gewährleistet werden, dass die dritte Phase der Corona-Kurzarbeit ab 1.10.2020 gelten würde.

Wenngleich die Sozialpartner den Wunsch äußerten, betroffenen Betrieben die Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Kurzarbeitsmodells für bis zu zwölf Monate zu ermöglichen, wurde seitens der Bundesregierung eine Finanzierung für vorerst sechs Monate zugesagt.

Demnach kann die Kurzarbeit vorerst bis 31.3.2021 gemeldet werden. Ein darüber hinausgehendes Bestehen des vorliegenden Modells ist nicht ausgeschlossen, hängt aber insb von der Zustimmung der zuständigen Bundesministerien ab.

2.
Wirtschaftliche Begründung erforderlich

Während in den ersten beiden Phasen der Kurzarbeit die wirtschaftliche Betroffenheit von der Corona-Krise nahezu vermutet wurde, soll die Inanspruchnahme der Kurzarbeit ab Herbst (wieder) vom Vorliegen konkreter wirtschaftlicher Schwierigkeiten abhängen, wie sie von § 37b Abs 1 AMSG vorgesehen sind.

Dem Antrag auf Gewährung einer Kurzarbeitsforderung ist demnach eine schriftliche wirtschaftliche Begründung beizulegen, die nicht nur eine Offenlegung der konkreten Umsatzzahlen erfordert, sondern auch die Inanspruchnahme sonstiger Förderungen und Zuschüsse (Härtefallfonds, Fixkostenzuschuss, Cofag-Hilfe etc) erfragt.

Wenn der erwartete Rückgang bei Umsatz, abgesetzter Produktion, Auftragseingängen oder des Arbeitsvolumens für den beantragten Kurzarbeitszeitraum weniger als 15 % im Vergleichszeitraum des Vorjahres beträgt, erfolgt durch die Sozialpartner eine Einzelfallprüfung der tatsächlichen Notwendigkeit einer Kurzarbeitsförderung. Gleichzeitig reicht es für das vereinfachte (stichprobenartige) Prüfverfahren aus, wenn aufgrund der Eigeneinschätzung des Unternehmens nur eine dieser vier Kennziffern einen Rückgang von mehr als 15 % für den beantragten Zeitraum ausweist.

Neu ist dabei auch, dass die beizulegende wirtschaftliche Begründung zusätzlich immer dann von einem Steuerberater, einem Bilanzbuchhalter oder einem Wirtschaftsprüfer eigenhändig zu bestätigen ist, wenn die Kurzarbeitsförderung für mehr als fünf AN beantragt wird.

Unbestritten ist in dieser Maßnahme der Versuch zu sehen, mit einer zusätzlichen Hürde die Inanspruchnahme der Kurzarbeit auf jene Betriebe zu beschränken, die tatsächlich von coronabedingten (und nicht den üblichen saisonalen), wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen sind.

3.
Mindestarbeitszeit: 30 %, Höchstarbeitszeit: 80 %

Medial teilweise widersprüchlich interpretiert wurde die schon bisher geltende Bandbreite von 10 % und 90 %, in der die gekürzte Normalarbeitszeit im Durchschnitt der Dauer der Kurzarbeit liegen musste, die für die dritte Phase zu Lasten der AG geändert wurde.

Während der AG in den ersten beiden Phasen der Kurzarbeit mindestens 10 % der Arbeitsleistung der kurzarbeitenden Beschäftigten abrufen und selbst bezahlen musste, wird diese Hürde mit Oktober auf 30 % erhöht. Gleichzeitig darf höchstens nur noch im Ausmaß von 80 % der bisherigen Normalarbeitszeit gearbeitet werden.

Während eine Unterschreitung der 30 %-Mindestarbeitszeit für das AMS den Tatbestand einer Rückforderung der Kurzarbeitsbeihilfe darstellt, wird bei einer Überschreitung der 80 %-Höchstarbeitszeit allerdings nur der überschießende Teil von der jeweils gewährten Beihilfe gekürzt.

Als Erleichterung muss die erforderliche Bandbreite aber nicht etwa monatlich, sondern lediglich im Zeitraum der Inanspruchnahme der Kurzarbeitsbeihilfe im Durchschnitt erreicht werden – im Idealfall daher während eines Zeitraums von sechs Monaten. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, bei Vorliegen besonderer wirtschaftlicher Indikatoren mit Zustimmung der Sozialpartner von der Erfüllung der Mindestarbeitszeit abzusehen.

4.
Weiterhin großzügige Nettoersatzraten

Eine wesentliche Forderung der AN-Vertreter im Verhandlungsgremium war die Beibehaltung der hohen Nettoersatzraten für die kommende Kurzarbeitsphase. Während AN mit Einkommensausfällen von bis zu 20 % zweifelsohne zu den besonderen Leidtragenden der aktuellen Krise zählen, war es letztendlich eine Frage der Fairness, noch höhere Einkommensausfälle hintanzuhalten.

Diesem Gedanken folgte schließlich auch die AG-Seite: Auch in Phase III gilt daher bei einem Einkommen vor Kurzarbeit von bis zu € 1.700,- brutto eine garantierte Nettoersatzrate von 90 % vom vor der Kurzarbeit bezogenen Nettoentgelt. Bei Einkommen vor Kurzarbeit bis € 2.685,- beträgt der Ersatz 85 %, darüber hinaus 80 %.

5.
Dynamische Entgeltbetrachtung

Ein Novum im bisherigen – durchaus statischen – System der Kurzarbeits-Lohnverrechnung stellt die nunmehr geplante Entgeltdynamik dar.

Während sich in den ersten beiden Phasen der Kurzarbeit das monatlich garantierte Entgelt am Einkommen vor Kurzarbeit bemaß, blieben in der Zwischenzeit schlagend gewordene Lohnerhöhungen auf Grund von Kollektivvertragssprüngen, Biennalien und Vorrückungen nahezu unberücksichtigt: Während sie zwar den Wert der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden erhöhten, führten sie zu keiner Neuberechnung der Bemessungsgrundlage für die garantierte Nettoersatzrate.

Nachdem die tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden auf Grund kurzarbeitsbedingter Arbeitsausfälle nur selten den vollen Wert des garantierten Mindestentgelts erreichten und eine allfällige Aufzahlung durch den AG aber nur bei dessen Überschreitung vorgesehen wäre, behielten die meisten kurzarbeitenden Beschäftigten seit März 2020 ein unverändertes Grundentgelt.

Die nunmehr getroffene Regelung der dynamischen Entgeltbetrachtung soll diesem Problem entgegenwirken: So muss die Bemessungsgrundlage für das Kurzarbeitsentgelt immer dann neu bemessen und ein neues garantiertes Mindestbruttoentgelt ermittelt werden, wenn AN von einer kollektivvertraglichen Vorrückung, einem Biennalsprung oder einer Umstufung betroffen sind, die ohne Kurzarbeit eine Auswirkung auf ihr laufendes Entgelt haben würden. Selbiges betrifft vergleichbare Entgeltregelungen allgemeiner Art, wie insb Mindestlohntarife, Satzungen und Vertragsschablonen.

Wird daher für den KollV der metalltechnischen Industrie ab November eine Lohnerhöhung von 1,45 % beschlossen und wurde das Kurzarbeitsentgelt eines Beschäftigten zuvor auf Basis seines kollektivvertragsbasierten Einkommens von € 2.000,- brutto bemessen, ist dieses Kurzarbeitsentgelt ab November ausgehend von einem Einkommen von € 2.029,- brutto neu zu ermitteln.

Anzumerken ist, dass die Bemessungsgrundlage nur in jenem Ausmaß zu erhöhen ist, wie sie ohne Kurzarbeit zu erhöhen wäre. Sieht ein Kollektivvertragsabschluss etwa nur eine Erhöhung der Mindestlöhne ohne Aufrechterhaltung allfälliger Überzahlungen vor und war das Entgelt eines Beschäftigten vor Kurzarbeit bereits überkollektivvertraglich, ist eine Neuberechnung der Bemessungsgrundlage nicht vorzunehmen.

Besonders erwähnenswert ist dabei, dass für die dynamische Entgeltbetrachtung sämtliche Erhöhungen seit 1.3.2020 zu berücksichtigen sind. Wenngleich eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage erst in Lohn- und Gehaltszahlungszeiträumen ab 1.10.2020 zu erfolgen hat und eine Rückwirkung (iS einer Aufrollung bisheriger Monate) nicht vorgesehen ist, sind zu diesem Zeitpunkt sämtliche Entgelterhöhungen zu berücksichtigen, die (bereits vor dem 1.10.) kurzarbeitenden AN nicht gewährt wurden.

6.
Aus-, Fort- und Weiterbildung während Kurzarbeit

Die ungewisse Dauer der Corona-Krise, mögliche erneute Betriebseinschränkungen ab Herbst und damit steigende, kurzarbeitsbedingte Ausfallsstunden, somit in letzter Konsequenz ein überdurchschnittlich langes Brachliegen der vollwertigen beruflichen Betätigung führten in den Verhandlungen zur Schaffung einer Weiterbildungsmöglichkeit für kurzarbeitende AN.

Konkret sollen AN auf Grundlage der neuen Sozialpartnervereinbarung verpflichtet werden, „eine vom Arbeitgeber angebotene Aus,- Fort- oder Weiterbildungsveranstaltung zu absolvieren“.

Damit ist jedenfalls klargestellt, dass den AG grundsätzlich keine Verpflichtung trifft, derartige Maßnahmen in laufender Kurzarbeit – etwa als Bedingung für den Erhalt der Förderung – tatsächlich anzubieten. Umgekehrt stellt sich zugleich die Frage nach der Reichweite der Weiterbildungsbereitschaft der Beschäftigten, die der AG mit dieser Maßnahme beanspruchen kann.

Wenngleich nicht mit der „Kurzarbeit mit Qualifizierung“ iSd § 37c AMSG gleichzusetzen, ist in diesem Zusammenhang der arbeitsmarktpolitische Telos der Kurzarbeit nicht außer Acht zu lassen. Wie schon die „Kurzarbeit mit Qualifizierung“ (Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht [85. Lfg 2020] – Förderbare Kurzarbeit und Kurzarbeit mit Qualifizierung Rz 176) müsste demnach auch die Weiterbildungspflicht im Rahmen der Corona-Kurzarbeit wohl nur soweit greifen können, als die vom AG angebotene Maßnahme betriebsunabhängig arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist. Dieses Argument kann zudem dadurch bekräftigt werden, als immerhin 60 % der jeweiligen Kurskosten aus Mitteln des AMS getragen werden sollen.

Zudem präzisiert die neue Sozialpartnervereinbarung, dass allfällige Ausbildungskostenrückersatzvereinbarungen iSd § 2d AVRAG für Maßnahmen im Rahmen der Bildungsverpflichtung während der Kurzarbeit unwirksam sein sollen. Dies impliziert, dass der Abschluss solcher Vereinbarungen grundsätzlich denkbar erschien, die Kosten für die Maßnahmen jedoch keinesfalls auf betroffene AN abgewälzt werden sollten.

§ 2d Abs 1 AVRAG sieht für den Rückersatz von Ausbildungskosten vor: „Ausbildungskosten sind die vom Arbeitgeber tatsächlich aufgewendeten Kosten für jene erfolgreich absolvierte Ausbildung, die dem Arbeitnehmer Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die dieser auch bei anderen Arbeitgebern verwerten kann.“

Allerdings haben sich die Sozialpartner in der letzten Phase der Verhandlungen bewusst dazu entschieden, den Umfang der kurzarbeitsbedingten Bildungspflicht mit der Wortwahl „Aus-, Fort- und Weiterbildung“ weiter zu fassen als in § 2d Abs 1 AVRAG vorgesehen. Damit müssen zwangsläufig auch rein betriebsinterne Fortbildungen erfasst sein, ohne darauf abstellen zu müssen, ob betroffene AN auch tatsächlich eine Zunahme ihrer Berufschancen auf dem Arbeitsmarkt durch Inanspruchnahme der angeordneten Bildungsmaßnahme erfahren können.

Schranke der Weiterbildungspflicht kann und muss somit letztendlich der einzelne Arbeitsvertrag sein. Während dies bei einem auf BV basierenden Kurzarbeitsprojekt unbestritten ist – eine solche kann die vertraglich bedungene Tätigkeit nicht abbedingen –, ist auch bei einer durch Einzelvereinbarung eingeführten Kurzarbeit nicht davon auszugehen, dass die Vertragsparteien konkludent einer zukünftigen Änderung der vereinbarten Tätigkeit zustimmen.

Klargestellt wurde zudem, dass allfällige Bildungszeiten als Arbeitszeit gelten und wertmäßig bis zur garantierten Nettoersatzrate abgedeckt sind. Darunter fallen auch Lernzeiten, so-weit diese im jeweiligen Kurs- bzw Lehrplan ausdrücklich ausgewiesen sind. Auch dadurch ist eine Koppelung der Reichweite der Weiterbildungspflicht mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit naheliegend, unterliegt das tätigkeitsbezogene Weisungsrecht des AG im Rahmen der Arbeitszeit doch stets den vertragsrechtlichen Schranken.

Nachdem das Fortschreiten der Pandemie und die dementsprechende Entwicklung der Konjunktur schwer bis gar nicht vorhersehbar sind, sieht die Sozialpartnervereinbarung schließlich das Recht des AG vor, eine Unterbrechung oder gar einen vorzeitigen Abbruch der Bildungsmaßnahme anzuordnen. Obwohl damit wohl Fälle des unerwarteten Hochfahrens der Arbeitsleistung und eines entsprechenden Personalbedarfs gemeint sein sollen, ist der AG nach dem Wortlaut der Sozialpartnervereinbarung an das tatsächliche Vorliegen betrieblicher oder wirtschaftlicher Gründe nicht gebunden.

Zwar behalten davon betroffene AN das Recht, die Bildungsmaßnahme binnen 18 Monaten ab diesem Zeitpunkt auf Kosten des AG nachzuholen, die Bestimmung sieht allerdings keinen Rechtsanspruch vor, dies auch tatsächlich in der Arbeitszeit zu tun.

7.
Fazit

Im Wesentlichen wurde mit der neuen Sozialpartnervereinbarung zur dritten Phase der Corona-Kurzarbeit ein ausgewogenes und praxistaugliches Kriseninstrument geschaffen, das sein bewährtes Potential, die Arbeitslosigkeit bestmöglich hintanzuhalten, beibehalten konnte. Wiewohl die kritischen Stimmen aus der Praxis der Lohnverrechnung insb im Hinblick auf die nunmehr dynamische Entgeltbetrachtung abzuwarten bleiben, wurde damit ein greifbarer Weg gefunden, um Lohnerhöhungen aus den bevorstehenden Kollektivvertragsabschlüssen auch an jene Beschäftigten weiterzureichen, die von den Auswirkungen der Krise ganz besonders stark betroffen sind.