Update: Die Corona-Kurzarbeit geht in die 2. Phase

Autorin: REGINA ZECHNER
aus: DRdA-infas 4/2020

Die Sozialpartner haben Mitte März rasch auf die Corona-Krise reagiert und gemeinsam mit den zuständigen Ministerien und dem Arbeitsmarktservice (AMS) ein neues, flexibleres Kurzarbeitsmodell entwickelt. Mit Stand 25.5.2020 haben rund 113.700 Unternehmen eine Kurzarbeitsbeihilfe für ca 1,3 Mio AN beim AMS beantragt.* In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass das Modell seine Hürden hat. Von Seiten der AG wurde der hohe bürokratische Aufwand und die Komplexität der Lohnabrechnung während der Corona-Kurzarbeit kritisiert. Von Seiten der AN gab es Unverständnis darüber, dass trotz 100 %-iger Arbeitsleistung während der Kurzarbeit nicht zwangsläufig auch 100 % des Entgelts gebührt. Darüber hinaus hat die AN-Vertretung aufgezeigt, dass es zu beträchtlichen Über-, aber auch Unterförderungen kommen kann.

All diese Probleme sollen nun in der Verlängerungsphase der Kurzarbeit bzw bei Erstanträgen ab 1.6.2020 beseitigt werden. Dazu wurde eine neue Sozialpartnervereinbarung abgeschlossen und die Bundesrichtlinie Kurzarbeit (KUA-COVID-19) geändert. Auch § 37b AMSG, der die Kurzarbeitsbeihilfe regelt, wurde zuletzt adaptiert.

1.
Die Neuregelung des § 37b AMSG

Da sich die Abrechnung der Nettoersatzrate in der Praxis höchst komplex gestaltet hat, erfüllen AG die Nettogarantie nunmehr auch dann, wenn den AN während der Kurzarbeit ein Bruttoentgelt gem § 37b Abs 6 AMSG bzw der dazu erlassenen Verordnung geleistet wird. Die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend hat, angelehnt an die Pauschalsatztabelle (zur Ermittlung der Kurzarbeitsbeihilfe) des AMS, eine entsprechende Kurzarbeits-Mindestbruttoentgelt-Tabelle auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Familie und Jugend (BMAFJ) kundgemacht, in der den möglichen Kurzarbeits-Nettoentgelten in 5 Euro-Schritten die entsprechenden Bruttobeträge zugeordnet werden. Die Lohnverrechnung wird also insofern vereinfacht, als das pauschale Nettoentgelt nicht mehr selbstständig auf brutto hochgerechnet, sondern nur mehr der entsprechende Bruttobetrag aus der Tabelle ermittelt werden muss.

§ 37b AMSG idF BGBl I 2020/51BGBl I 2020/51ist rückwirkend mit 1.3.2020 in Kraft getreten und gilt daher auch für bereits laufende oder bereits beendete Kurzarbeitsprojekte mit Beginn vor dem 1.6.2020.

Im Folgenden werden die mit der neuen Sozialpartnervereinbarung vom 25.5.2020 (Formulardatum 22.5.2020) – wie bisher als BV und Einzelvereinbarung – einhergehenden wesentlichen Neuerungen der Corona-Kurzarbeit sowie der aktuellen Bundesrichtlinie (BRL) Kurzarbeit des AMS dargestellt. Diese gelten für alle Erstanträge auf Kurzarbeit und Verlängerungsanträge ab 1.6.2020. Die Kurzarbeit kann um weitere drei Monate auf maximal sechs Monate verlängert werden, wenn die coronabedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten weiter anhalten. Auf zum 1.6.2020 noch laufende oder bereits beendete Kurzarbeitsvereinbarungen haben die Änderungen keine Auswirkungen.

2.
Antrag auf Kurzarbeitsbeihilfe – Beginn der Förderung für Erst- oder Verlängerungsanträge ab dem 1.6.2020

Schon die BRL KUA-COVID-19 mit Stand vom 25.3.2020 sah grundsätzlich vor, dass Kurzarbeitsbegehren von den AG vor Einführung bzw Verlängerung der Kurzarbeit einzubringen waren. Angesichts der besonderen Umstände aufgrund der Corona-Epidemie war jedoch auch eine rückwirkende Antragstellung möglich.* Die Anordnung, bei Fristversäumnissen Nachsicht zu gewähren, wurde bereits mit BRL vom 27.4.2020, in Kraft getreten mit 20.4.2020, eingeschränkt. Bei Kurzarbeitsprojekten, die noch im März 2020 begonnen haben, musste der Antrag auf Kurzarbeitsbeihilfe spätestens am 20.4.2020 gestellt werden. Wurde der Antrag später eingebracht, so wurde die Kurzarbeitsbeihilfe frühestens ab 1.4.2020 gewährt. *Zuletzt wurde die BRL in diesem Punkt am 16.6.2020 abgeändert. Neue Kurzarbeitsbegehren (Erstanträge) können ab 1.6.2020 nicht mehr rückwirkend gestellt werden. Verlängerungsanträge können weiterhin rückwirkend eingebracht werden. Ab 1.7.2020 ist der Antrag innerhalb von drei Wochen ab dem geplanten Beginn der zweiten Phase der Kurzarbeit (Verlängerung) einzubringen. *

3.
Ausmaß und Lage der Arbeitszeit in der Kurzarbeit für Erst- oder Verlängerungsanträge ab dem 1.6.2020 – Verbot von Arbeit auf Abruf

Mit der Verlängerung der Kurzarbeit um bis zu weitere drei Monate beginnt im Verhältnis zwischen AG und AN ein neuer Durchrechnungszeitraum. Die erste Kurzarbeitsphase ist daher nach Ablauf der drei Monate endgültig abzurechnen und es kann überprüft werden, ob mit der im Durchrechnungszeitraum ausbezahlten Nettoersatzrate die durchschnittlich geleistete Arbeit abgegolten wurde. Bei Verlängerung der Kurzarbeit ist eine neue Kurzarbeitsvereinbarung (BV oder Einzelvereinbarung) abzuschließen.

Im Verhältnis zwischen AG und AMS, ist zur Beurteilung der Zulässigkeit der im Kurzarbeitsbegehren angegebenen Gesamtausfallstunden und damit dem Anspruch auf Kurzarbeitsbeihilfe jedoch der gesamte Kurzarbeitszeitraum (erste und zweite Phase) maßgeblich.

Die Arbeitszeit muss während der Kurzarbeit im Durchschnitt weiterhin um mindestens 10 und maximal 90 % reduziert werden. Die neue Sozialpartnervereinbarung sieht jedoch nicht mehr vor, dass die AG hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit eine Auswahl zwischen vorgegebenen Optionen zu treffen haben. Festgelegt werden muss weiterhin, um wieviel Prozent die Arbeitszeit im Durchschnitt herabgesetzt wird und welche wöchentliche Arbeitszeit sich daraus während der Kurzarbeit am Beispiel einer Vollzeit beschäftigten Person ergibt. Außerdem wird nunmehr klargestellt, dass die Lage der reduzierten Normalarbeitszeit in der Kurzarbeit nach der vor Kurzarbeit geltenden Rechtsgrundlage festzulegen ist.

Eine Änderung der vereinbarten Arbeitszeit ist nur im Einvernehmen mit dem BR bzw in Betrieben ohne BR mit dem/der jeweiligen AN zulässig.

Über das vereinbarte Arbeitszeitausmaß hinaus kann Arbeitsleistung auch einseitig angeordnet werden, wenn (taxativ)

  1. Lage und Dauer der Arbeitszeit den AN drei Tage im Vorhinein bekanntgegeben werden (die Verständigungsfrist kann entfallen, wenn unvorhersehbare Umstände vorliegen),

  2. keine berücksichtigungswürdigen Interessen des/der jeweiligen AN entgegenstehen (Ablehnungsrecht iSd § 19d AZG) und

  3. die geänderte Arbeitszeit in der Kurzarbeit in der vereinbarten Lage der Normalarbeitszeit vor Kurzarbeit liegt.

Neu ist weiter, dass die Arbeitszeit während der Kurzarbeit für AN unterschiedlich festgelegt oder vereinbart werden kann.

Klargestellt wird nun auch, dass flexible Arbeitszeitmodelle in der Kurzarbeit möglich sind und aufrecht bleiben. Eine Anpassung der zB Gleitzeitvereinbarung wird jedoch in aller Regel erforderlich sein. Das nicht zuletzt auch, weil Zeiten des Bezuges der Kurzarbeitsbeihilfe gem der neuen Sozialpartnervereinbarung in ihren Auswirkungen zu neutralisieren sind. Explizit angeführt wird, dass Zeiten, für die eine Kurzarbeitsbeihilfe gewährt wurde, nicht zu Minusstunden am Zeitkonto führen dürfen. *

4.
Welches Nettoentgelt gebührt während der Kurzarbeit bei Erst- oder Verlängerungsanträgen, die ab dem 1.6.2020 gestellt werden?

Grundsätzlich gebührt weiter – abhängig vom bisherigen Bruttoentgelt – die Nettoersatzrate in Höhe von 80 bis 90 % des Nettoentgelts vor Kurzarbeit. Bei der Ermittlung der Nettoersatzrate ist jedoch zukünftig meist nur mehr das Entgelt des letzten vollentlohnten Monats vor Kurzarbeit bzw bei Vorliegen eines unregelmäßigen Entgelts, jenes der letzten drei Monate heranzuziehen (nicht mehr auch der letzten 4 bzw 13 Wochen).* Besteht kein voll entlohnter Monat, ist das Bruttoentgelt auf Basis des Arbeitsvertrages zu ermitteln. Die Nettoentgeltgarantie während der Kurzarbeit erfüllen AG auch dann, wenn ein Bruttoentgelt gem § 37b Abs 6 AMSG bezahlt wird (vgl oben Pkt 1.).

Die Kurzarbeitsbeihilfe erhalten AG vom AMS jedoch auch künftig erst nachdem die AN einen voll entlohnten Monat vorweisen können. Das Entgelt dieses Monats wird der Berechnung der Kurzarbeitsbeihilfe zugrunde gelegt.

Neu vereinbart wurde, dass die Nettoersatzrate anzupassen, dh zu erhöhen, ist, wenn ein Lehrling während der Kurzarbeit ins nächste Lehrjahr übertritt oder die Lehrabschlussprüfung erfolgreich absolviert. In diesen Fällen gebührt die Nettoersatzrate auf Basis der neuen Lehrlingsentschädigung bzw des Entgelts für AN mit Lehrabschluss. *

Bei Kurzarbeitsvereinbarungen ab dem 1.6.2020 wird das monatliche Entgelt außerdem nicht mehr wie bisher durchgerechnet, sondern es ist auf den einzelnen Monat abzustellen. Wird mit der pauschalen Nettoersatzrate, die in einem Monat tatsächlich geleistete Arbeit nicht abgegolten, so gebührt das entsprechende Entgelt laut KollV, BV oder Arbeitsvertrag. Im ersten Schritt der Abrechnung ist daher zu überprüfen, welches Entgelt zuzüglich der entsprechenden Zulagen (zB Nachtzulagen) für die geleisteten Stunden laut KollV etc gebührt. Ist die Nettoersatzrate niedriger, dann gebührt das der Arbeitsleistung entsprechende höhere Entgelt. Dabei ist unerheblich, ob der/die AN in den anderen Monaten der dreimonatigen Kurzarbeitsphase weniger gearbeitet hat und mit der Nettoersatzrate die im Durchschnitt geleistete Arbeit abgegolten wäre. Diese Änderung führt dazu, dass (kollektiv-)vertragliche Lohn-/Gehaltserhöhungen oder Biennalsprünge während der zweiten Kurzarbeitsphase – abhängig von der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit – zu einem höheren monatlichen Entgelt führen. *

5.
Auffüllpflicht und Beendigung von Arbeitsverhältnissen in der Kurzarbeit

Die neue Sozialpartnervereinbarung unterscheidet weiterhin zwischen der Behaltepflicht während der Dauer der Kurzarbeit und der an die Kurzarbeit anschließenden Behaltefrist von einem Monat. Da sich die Behaltefrist laut Vereinbarung ausdrücklich nur auf die von der Kurzarbeit betroffenen AN bezieht, gilt die Behaltepflicht für alle AN des Betriebs. * Die Behaltepflicht kann jedoch auch nur für einzelne fachlich und organisatorisch abgegrenzte Betriebsteile vereinbart werden.

Die Behaltefrist beträgt einen Monat. Die Frist kann jetzt aber verkürzt werden, wenn sich die Verhältnisse nach Abschluss der Vereinbarung wesentlich verschlechtern und der BR bzw die Gewerkschaft, sofern kein BR eingerichtet ist, zustimmt. Diese Zustimmung kann durch den Regionalbeirat der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des AMS ersetzt werden.

Die neue Sozialpartnervereinbarung regelt außerdem detailliert, unter welchen Voraussetzungen Arbeitsverhältnisse während der Kurzarbeit beendet werden können und wann AG dazu verpflichtet sind, den Beschäftigtenstand wiederaufzufüllen (Auffüllpflicht).

AG-Kündigungen können grundsätzlich erst nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen werden. Schon während der Kurzarbeit oder in der Behaltefrist können aber berechtigte Entlassungen, die Auflösung in der Probezeit und Kündigungen aus personenbezogenen Gründen ausgesprochen oder eine einvernehmliche Auflösung vereinbart werden. Eine Kündigung zum Zweck der Verringerung des Beschäftigtenstandes ist nur zulässig, wenn der Fortbestand des Unternehmens oder Betriebsstandortes gefährdet ist und der BR bzw die Gewerkschaft (wenn kein BR eingerichtet ist) innerhalb von sieben Tagen zustimmt. Wird die Zustimmung verweigert, muss eine Ausnahmebewilligung des Regionalbeirats der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des AMS vorliegen.

Eine Auffüllpflicht trifft die AG im Fall einer unberechtigten Entlassung, eines berechtigten vorzeitigen Austritts durch den/die AN, bei einer AG-Kündigung aus personenbezogenen Gründen oder bei einer einvernehmlichen Auflösung, wenn vor Abschluss der Vereinbarung keine Beratung durch BR, Gewerkschaft oder Arbeiterkammern des/der AN erfolgt ist.

Keine Verpflichtung, den Beschäftigtenstand wiederaufzufüllen besteht, wenn ein bereits gekündigtes oder ein befristetes Arbeitsverhältnis in der Kurzarbeit ausläuft, der/die AN verstirbt, die Beendigung wegen Pensionsanspruchs ausgesprochen wird (unabhängig von der Beendigungsart), vor der einvernehmlichen Auflösung eine Beratung durch den BR, die Gewerkschaft oder Arbeiterkammer (AK) stattgefunden hat, bei Selbstkündigung durch den/die AN, bei berechtigter Entlassung oder unberechtigtem Austritt sowie bei einer genehmigten (siehe oben) AG-Kündigung zur Verringerung des Beschäftigtenstandes.

6.
Der Kurzarbeitsdienstzettel

Nach Einführung der Kurzarbeit haben AN bei den Arbeiterkammern und Gewerkschaften darüber geklagt, dass ihnen keine Kopie der Sozialpartnervereinbarung ausgehändigt wurde bzw sie teilweise keine Informationen über die wesentlichen Eckpunkte der Vereinbarung (genaues Ausmaß der Arbeitszeitreduktion, Beginn der Kurzarbeit, etc) erhalten haben. Es ist daher zu begrüßen, dass ab 1.6.2020 alle von der Kurzarbeit betroffenen AN eines Unternehmens aufgrund der neuen Sozialpartnervereinbarung einen Anspruch auf einen Kurzarbeitsdienstzettel bzw eine Kopie der Sozialpartnervereinbarung haben. Dieser ist den AN innerhalb eines Monats ab Beginn der Kurzarbeit auszuhändigen.

7.
Problem der Über- und Unterförderung

Die AK hat aufgezeigt, dass es beim bisher bestehenden Kurzarbeitsmodell zu einer erheblichen Überförderung kommen kann. Je mehr die in der Kurzarbeit geleistete Arbeit der Nettoersatzrate entspricht und je höher das Entgelt ist, umso höher ist auch die Überförderung. Diese entsteht dadurch, dass das AMS nach einer Pauschalsatztabelle die Ausfallstunden nicht nur bis zu den der Nettoersatzrate entsprechenden Arbeitsstunden, sondern bis zur Normalarbeitszeit vor Kurzarbeit ersetzt.* Bei den Sozialpartnern und im Arbeitsministerium besteht Einvernehmen darüber, dass Überförderungen zukünftig vermieden werden sollen. * Bei neuen Kurzarbeitsprojekten und Verlängerungsbegehren mit Beginn ab 1.6.2020 wird die Kurzarbeitsbeihilfe daher nicht mehr nach Pauschalsätzen je Ausfallstunden berechnet, sondern nach der Differenzmethode.* Auf die Ansprüche der AN während der Kurzarbeit hat dies keine Auswirkungen.

ANMERKUNG DER AUTORIN:

Die Corona-Kurzarbeit ist derzeit mit 30.9.2020 befristet. Es besteht aber Einigkeit darüber, dass auch nach Auslaufen der derzeitigen Richtlinie arbeitsmarktpolitische Maßnahmen erforderlich sein werden, um einen erneuten Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Die Sozialpartner, die Bundesregierung und das AMS beraten daher über die Rahmenbedingungen einer neuen (Corona-)Kurzarbeit sowie anderer Fördermaßnahmen.