Covid-19-Pandemie: Umfangreiche Änderungen im Insolvenzrecht

Autorin: MARGIT MADER
aus: DRdA-infas 4/2020

Es gibt wohl kaum einen Lebensbereich, der von der derzeit grassierenden COVID-19-Pandemie nicht in irgendeiner Form tangiert wird. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber durch umfangreiche Covid-19-Sammelgesetze Rechnung getragen. Jene Maßnahmen, die für das Insolvenzverfahren und das Verwaltungsverfahren der IEF-Service GmbH relevant sind, sind im 2. und 4. COVID-19-Gesetz enthalten.

1.
Insolvenzverfahren
1.1.
Allgemeines

Das 2. COVID-19-Gesetz* umfasst 44 Artikel. Für das Insolvenzverfahren sind das COVID-19-Justiz-BegleitG,* die Änderung des § 69 Abs 2a Insolvenzordnung (IO)* sowie die Neuerungen im ASVG zur Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen* relevant.

Das BG betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (1. COVID-19-JuBG)* enthält im ersten Hauptstück Sonderbestimmungen für das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen. Die §§ 1 bis 4 regeln Fristen und Anhörungen und sind daher auch in Insolvenzverfahren anzuwenden. Mit dem 4. COVID-19-Gesetz* wurden allerdings im III. Hauptstück, Art 37 nur wenig später, umfangreiche Spezialregelungen für das Insolvenzverfahren, die insb Fristen (§ 7) sowie Zustellungen (§ 8) neu regeln, getroffen. § 5 regelt das Mahnwesen in Verbindung mit einem Sanierungsplan neu. Die Bestimmungen des 1. COVID-19-JuBG treten mit 31.12.2020 wieder außer Kraft.*

Art 22 des 2. COVID-19-Gesetzes beinhaltet eine zeitlich unbefristete Erweiterung des § 69 Abs 2a IO. Epidemien und Pandemien sind demnach künftig als Naturkatastrophen anzusehen.*

Art 43 sieht durch den neu eingefügten § 733 ASVG beitragsrechtliche Erleichterungen für DG in Form einer Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum Februar, März und April 2020 vor. Hinsichtlich der Beiträge von März bis Mai 2020 sind darüber hinaus keine Insolvenzanträge durch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) zu stellen. Auch die Beiträge nach dem Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) werden für den Zeitraum Februar, März und April 2020 gestundet.

Mit dem 4. COVID-19-Gesetz* wurden in Art 37 mit dem 2. COVID-19-JuBG, III. Hauptstück, umfangreiche Spezialbestimmungen für das Insolvenzverfahren eingeführt, die insb den Fristenlauf, die Zustellungen, die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung, die Gewährung von Überbrückungskrediten bei Inanspruchnahme einer Kurzarbeitsbeihilfe sowie die Stundung bereits festgelegter Zahlungsplanraten neu regeln. Diese Maßnahmen sollen es den wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen ermöglichen, die Krise ohne Insolvenzverfahren zu überstehen.

1.2.
Insolvenzanträge
1.2.1.
Insolvenzantragspflicht – Epidemie/Pandemie als Naturkatastrophe

Der Schuldner hat, wenn die Voraussetzungen für die Konkurseröffnung – dh Zahlungsunfähigkeit (§ 66 IO) oder Überschuldung (§ 67 IO) – vorliegen, diese ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu beantragen.* Wird die Zahlungsunfähigkeit durch eine Naturkatastrophe (Hochwasser, Lawine, Schneedruck, Erdrutsch, Bergsturz, Orkan, Erdbeben oder eine ähnliche Katastrophe vergleichbarer Tragweite) ausgelöst, verlängert sich die Frist auf 120 Tage.* Diese Aufzählung wurde durch das 2. COVID-19-Gesetz um die Begriffe „Epidemie“ und „Pandemie“ erweitert, sodass künftig auch in diesen Fällen die 120-tägige Antragsfrist zur Verfügung steht. Gem § 67 Abs 2 IO gilt dies auch bei Eintritt der Überschuldung. Diese Regelung tritt mit 22.3.2020 in Kraft und gilt ohne zeitliche Befristung; ein Außerkrafttreten wurde nicht vorgesehen.

1.2.2.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung

Die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung nach § 69 iVm § 67 IO soll nicht lebensfähige Unternehmen dazu veranlassen, zum Schutz der Gläubiger und anderer relevanter Interessengruppen möglichst frühzeitig ein Konkurs- oder Sanierungsverfahren zu initiieren. Die unter normalen Wirtschaftsbedingungen herangezogenen Kriterien zur Identifikation nicht lebensfähiger Unternehmen sind in der aktuellen Krise jedoch nicht aussagekräftig, da bei vielen Unternehmen eine rechnerische Überschuldung eintreten kann und aufgrund der unsicheren Marktsituation eine valide Fortbestehensprognose nicht durchgeführt werden kann. Die Verpflichtung nach § 69 iVm § 67 IO soll daher vorübergehend ausgesetzt werden, um zu verhindern, dass zahlreiche bisher lebensfähige Unternehmen in der vorherrschenden Ausnahmesituation im Rahmen eines Insolvenzverfahrens veräußert oder zerschlagen werden müssen, da aufgrund der anhaltenden Krise eine Sanierung mittels Sanierungsplan nicht erfolgreich umgesetzt werden kann. Die vorübergehende Aussetzung der Antragspflicht wird nicht von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht. Während der Dauer der Aussetzung ist auch eine Haftung der betroffenen Organe wegen einer Verletzung des § 69 Abs 2 IO ausgeschlossen, sofern nicht gleichzeitig auch Zahlungsunfähigkeit vorliegt.*

Tritt im Zeitraum von 1.3. bis 30.6.2020 eine Überschuldung des Unternehmens ein, so ist die Insolvenzantragspflicht des Schuldners gem § 9 Abs 1 2. COVID-19-JuBG ausgesetzt. Der Schuldner hat aber nach Ablauf dieses Zeitraums ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach Ablauf des 30.6.2020, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen. Ein späterer Antrag ist nur dann rechtzeitig, wenn bei Ablauf der 60-Tage-Frist noch nicht 120 Tage seit dem Eintritt der Überschuldung vergangen sind.* Der Antrag ist in diesem Fall somit spätestens binnen 120 Tagen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen.* Dem Schuldner soll demnach jedenfalls die 120-Tage-Frist des § 69 Abs 2a IO zugute kommen. Ist die Überschuldung hingegen bereits vor dem 1.3.2020 eingetreten, bleibt die Insolvenzantragspflicht unverändert aufrecht.*

Die Insolvenzantragspflicht des Schuldners bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bleibt davon unberührt. Im Zeitraum von März bis Juni 2020 wird die Antragspflicht folglich sowohl bei juristischen als auch bei natürlichen Personen nur durch den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ausgelöst.

1.2.3.
Insolvenzantrag eines Gläubigers

Auch auf Antrag eines Insolvenzgläubigers ist ein Insolvenzverfahren nur bei Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit – nicht aber bei bloßer Überschuldung – zu eröffnen.* Damit wird verhindert, dass im Zeitraum vom Inkrafttreten des 2. COVID-19-JuBG* bis zum Ablauf des 30.6.2020 ein lediglich auf Überschuldung des Schuldners gestützter Insolvenzantrag eines Gläubigers zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führt.

1.2.4.
Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen

Art 43 des 2. COVID-19-Gesetzes sieht beitragsrechtliche Erleichterungen für DG vor. Da-nach sind den, mit Betretungsverbot belegten oder von Betriebsbeschränkungen oder Schließungen betroffenen Unternehmen die Beiträge für die Beitragszeiträume Februar, März und April 2020 verzugszinsenfrei zu stunden. Den davon nicht erfassten Unternehmen können die Beiträge für diese Beitragszeiträume auf Antrag verzugszinsenfrei gestundet werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass diese Beiträge wegen der Coronavirus-Pandemie aus Gründen der Unternehmensliquidität nicht entrichtet werden können. Auch die Beiträge nach dem BMSVG werden für den Zeitraum Februar, März und April 2020 gestundet. In den Kalendermonaten März, April und Mai 2020 sind bereits fällige Beiträge abweichend von § 64 ASVG nicht einzutreiben sowie keine Insolvenzanträge wegen der Nichtentrichtung bereits fälliger Beiträge zu stellen. Weiters sind abweichend von § 114 Abs 1 Z 2 bis 6 ASVG keine Säumniszuschläge vorzuschreiben.* Durch diese Regelungen soll es in der nächsten Zeit zu deutlich weniger Insolvenzanträgen kommen.

1.3.
Überbrückungskredite

Die Gewährung eines Überbrückungskredits in der Höhe einer vom Kreditnehmer beantragten COVID-19-Kurzarbeitsbeihilfe gem § 37b Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) während des Zeitraums, in dem die Verpflichtung des Schuldners, bei Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, nach § 9 2. COVID-19-JuBG ausgesetzt ist, und dessen sofort nach Erhalt der Kurzarbeitsbeihilfe erfolgte Rückzahlung an den Kreditgeber unterliegen nicht der Anfechtung nach § 31 IO, wenn für den Kredit weder ein Pfand noch eine vergleichbare Sicherheit aus dem Vermögen des Kreditnehmers bestellt wurde und dem Kreditgeber bei Kreditgewährung eine allenfalls bereits bestehende Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers nicht bekannt war.*

Die COVID-19-Kurzarbeitsbeihilfe wird monatlich im nachhinein vom AMS zur Auszahlung gebracht. Es besteht daher derzeit ein hoher Bedarf an Überbrückungskrediten, um die Gehälter der AN in Kurzarbeit bis zur Auszahlung der COVID-19-Kurzarbeitsbeihilfe vorzufinanzieren. Nach § 31 IO würde die Gewährung und Rückzahlung solcher Kredite der Anfechtung unterliegen, wenn der Kreditnehmer bereits materiell insolvent war und dies dem Kreditgeber bekannt war oder bekannt sein musste. Eine Anfechtung ist bei Vorliegen eines tauglichen Sanierungskonzepts zwar ausgeschlossen, die Erstellung eines solchen Konzepts benötigt jedoch Zeit und ist zudem aufgrund der aktuellen Wirtschaftssituation erschwert. Auch eine valide Fortbestehensprognose kann aufgrund der vorherrschenden Krise nicht erstellt werden. Um eine schnelle und unbürokratische Zwischenfinanzierung bis zur Auszahlung der Kurzarbeitsbeihilfe zu gewährleisten, soll die Gewährung eines unbesicherten Überbrückungskredits und dessen kurzfristige Rückzahlung in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren nicht der Anfechtung unterliegen.* Für diese Überbrückungskredite besteht somit nach § 10 2. COVID-19-JuBG ein eingeschränkter Anfechtungsschutz.*

1.4.
Zustellungen im Insolvenzverfahren

§ 3 1. COVID-19-JuBG normiert ein Zustellungsverbot. Danach sind nur solche gerichtlichen Erledigungen abzufertigen, deren Zustellung zur Abwendung einer Gefahr für Leib und Leben, Sicherheit und Freiheit oder zur Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens einer Verfahrenspartei dringend geboten sind. Zustellungen, die unter Verwendung des elektronischen Rechtsverkehrs erfolgen, sind weiterhin vorzunehmen. Dieses Zustellungsverbot ist mit Ablauf des Tages der Kundmachung des 4. COVID-19-Gesetzes, also ab dem 5.4.2020, wieder aufgehoben worden.*

In Insolvenzverfahren können die Gerichte aber die besonderen Zustellungen an Gläubiger – so wie dies in § 257 Abs 3 IO für Verfahren mit einer ungewöhnlich großen Anzahl von Gläubigern vorgesehen ist – entfallen lassen.* Unterbleibt die Zustellung, ist der wesentliche Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks in der Insolvenzdatei bekannt zu machen; den Gläubigern ist auf deren Verlangen eine Ausfertigung der Entscheidung zuzustellen. Auch die Zustellung des Insolvenzedikts an die Insolvenzgläubiger ist vom Entfall der Zustellung-en umfasst. Der Entfall ist befristet; er gilt nur solange, als die Fristen gem § 1 Abs 1 1. COVID-19-JuBG unterbrochen sind, derzeit also bis zum Ablauf des 30.4.2020.

Darüber hinaus entfällt – ohne zeitliche Befristung – eine gesonderte Benachrichtigung von Flugplätzen, Bahnhöfen und Schiffsstationen, Kreditinstituten und Verwahrungsanstalten sowie der vorgesetzten Dienstbehörde des Schuldners über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und die amtswegige Ausstellung einer Bestellungsurkunde an den Insolvenzverwalter.*

1.5.
Unterbrechung und Verlängerung verfahrensrechtlicher Fristen

§ 1 Abs 1 1. COVID-19-JuBG sieht für Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen eine Unter-brechung aller verfahrensrechtlicher Fristen bis zum 30.4.2020 vor.*

Für den Bereich der Insolvenzverfahren wurde diese Regelung mit dem 4. COVID-19-Gesetz wieder aufgehoben und ist gem § 7 Abs 1 2. COVID-19-JuBG nicht mehr anzuwenden. Die Fristenunterbrechung hat als kurzfristige Maßnahme auf bereits anhängige Insolvenzverfahren abgestellt. Deren Beibehaltung würde aber die Abwicklung der Insolvenzverfahren wesentlich erschweren und die Sanierungschancen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens drastisch vermindern. Aus diesem Grund sollen in Insolvenzverfahren Fristen nicht mehr unterbrochen werden.* Bereits unterbrochene Fristen beginnen wieder neu zu laufen. Bei Berechnung einer Frist nach § 125 Abs 1 ZPO ist der Tag nicht mitzurechnen, an dem das Bundesgesetzblatt, das die Verlautbarung dieses BG enthält, herausgegeben und versendet wird.*

Das Gericht kann verfahrensrechtliche Fristen,* deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses BG fällt, von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten oder des Insolvenzverwalters mit Beschluss angemessen, höchstens jedoch um 90 Tage, verlängern.* Die Flexibilisierung der Fristenregelungen soll verhindern, dass die relativ kurzen und starren Fristen der IO eine mögliche Unternehmenssanierung verhindern und an-stelle dessen angemessene „maßgeschneiderte“ Lösungen ermöglichen. Dabei sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insb, ob die Verlängerung überhaupt geeignet ist, die nötigen Voraussetzungen für eine Sanierung zu schaffen. Die Verlängerung darf 90 Tage nicht überschreiten.

Absonderungsrechte sowie Rechte auf Aussonderung nicht zur Insolvenzmasse gehöriger Sachen werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt.* Rechte auf Ab- oder Aussonderung können daher auch nach Insolvenzeröffnung im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden. Wenn aber durch die Erfüllung eines Ab- oder Aussonderungsanspruchs die Fortführung des Unternehmens gefährdet werden könnte, kann die Ab- oder Aussonderung dieser Vermögenswerte innerhalb der ersten sechs Monate ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gefordert werden. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Erfüllung zur Abwendung schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteile des Berechtigten unerlässlich ist und eine Zwangsvollstreckung in anderes Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird.*

Gem § 7 Abs 3 2. COVID-19-JuBG kann die Frist des § 11 Abs 2 IO vom Gericht nur dann verlängert werden, wenn die Verlängerung geeignet ist, aufgrund einer in Aussicht stehenden Verbesserung der wirtschaftlichen Situation den Abschluss eines Sanierungsplans zu erreichen, dessen Erfüllung voraussichtlich möglich ist und der dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger entspricht. Eine Verlängerung der Frist des § 11 Abs 2 IO kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn auch die sonstigen Voraussetzungen des § 11 Abs 2 IO erfüllt sind.

Dies gilt auch für die Fristen der §§ 25a und 26a IO. Es handelt sich hierbei um die sechsmonatige Vertragsauflösungssperre des § 25a IO und die einjährige Rückforderungssperre des § 26a IO für eine Sache, die dem Schuldner von einem nach dem Eigenkapitalersatz-Gesetz (EKEG) erfassten Gesellschafter zum Gebrauch überlassen wurde. Diese Fristen gelten aber nur dann, wenn die Geltendmachung oder Ausübung des Rechts die Fortführung des Unternehmens gefährden könnte.

Für die Verlängerung der in § 7 Abs 3 2. COVID-19-JuBG erwähnten Fristen sind nach der Intention des Gesetzgebers* strenge Kriterien heranzuziehen, da dadurch auch die Rechte der Absonderungsgläubiger, der Aussonderungsberechtigten und der Vertragspartner tangiert werden. Eine Verlängerung ist demnach nur dann gerechtfertigt, wenn eine hohe Sanierungschance besteht.*

In einem Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung ist dem Schuldner die Eigenverwaltung zu entziehen, wenn der Sanierungsplan nicht innerhalb einer bestimmten Frist nach Eröffnung des Verfahrens von den Gläubigern angenommen wird.* Diese Frist wurde durch § 7 Abs 4 2. COVID-19-JuBG von bisher 90 Tagen auf 120 Tage verlängert. Dadurch soll iS einer größeren Flexibilität sämtlichen Beteiligten mehr Zeit für das Zustandekommen eines Sanierungsplanes eingeräumt werden.*

Alle Verlängerungsbeschlüsse sind gem § 7 Abs 6 2. COVID-19-JuBG in der Insolvenzdatei bekannt zu machen.

1.6.
Hemmung von Fristen für die Anrufung des Gerichts

Die Fristenhemmung für Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen ist in § 2 1. COVID-19-JuBG geregelt.* Nach dieser Bestimmung ist die Zeit vom Inkrafttreten dieses BG am 22.3.2020 bis zum Ablauf des 30.4.2020 in die Zeit, in der bei einem Gericht eine Klage oder ein Antrag zu erheben oder eine Erklärung abzugeben ist, nicht einzurechnen. Es handelt sich somit um eine Fortlaufhemmung. Dies gilt jedoch nur für jene Fristen, die zu diesem Zeitpunkt bereits laufen oder im Hemmungszeitraum zu laufen beginnen.* Diese Bestimmung wird durch das 4. COVID-19-Gesetz nicht berührt und gilt für materiellrechtliche Fristen.* Sie hat ua auch für die Jahresfrist zur Einbringung der Anfechtungsklage nach § 43 Abs 2 IO Bedeutung.*

1.7.
Nicht betroffene Fristen

Für Fristen, die weder unter § 1 noch unter § 2 1. COVID-19-JuBG fallen, ändert sich nichts. Keine Änderung ergibt sich somit für materiellrechtliche Fristen, deren Einhaltung nicht geboten ist, um einen Nachteil zu vermeiden, wenn nicht innerhalb der Frist bei einem Gericht eine Klage oder ein Antrag erhoben oder eine Erklärung abgegeben wird.* Auch die Fristen nach § 25 IO zur Auflösung der Arbeitsverhältnisse werden weder gehemmt noch unterbrochen. Wird das Unternehmen geschlossen, haben die AN das Recht, innerhalb eines Monats ab öffentlicher Bekanntmachung des Beschlusses, mit dem die Schließung des Unternehmens oder Unternehmensbereiches bewilligt wird, den Austritt zu erklären. Auch der Insolvenzverwalter kann im Falle der Betriebsschließung unter Einhaltung der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder der zulässigerweise vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist sowie unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen (Mutterschutz, Behinderteneinstellung usw) Kündigungen aussprechen.

1.8.
Tagsatzungen

Wenn aufgrund von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung der COVID-19-Pandemie getroffen werden, die Bewegungsfreiheit oder der zwischenmenschliche Kontakt eingeschränkt ist, sind auch Anhörungen, mündliche Verhandlungen, Vollzugsaufträge und Protokollaranbringen einzuschränken.* IS einer weiten Interpretation sind darunter wohl alle Tagsatzungen, Gläubigerversammlungen und Gläubigerausschusssitzungen zu subsumieren. Wenn eine Anhörung oder eine mündliche Verhandlung unbedingt erforderlich ist, kann diese auch ohne das Erfordernis der persönlichen Anwesenheit aller Beteiligten unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel (zB einer Videokonferenz) durchgeführt werden.

1.9.
Sanierungsplan – Mahnung nach der IO

Bei Verzug des Schuldners mit der Erfüllung der Sanierungsplanquote kann es zu einem (teilweisen) Wiederaufleben der Forderung kommen (§ 156a IO). Sind die Zahlungsschwierigkeiten auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen, soll der Eintritt dieser Rechtsfolge vermieden werden. Eine schriftliche Mahnung einer nach dem Inkrafttreten dieser Bestimmung fällig gewordenen Verbindlichkeit, die ab dem Inkrafttreten dieses BG bis zum Ablauf des 30.4.2020 abgesendet wird, führt daher nicht zum Verzug nach § 156a Abs 1 IO und somit nicht zum quotenweisen Wiederaufleben der Forderung. Die Mahnung ist unwirksam. Um ein Wiederaufleben zu erreichen, muss der Gläubiger nach dem 30.4.2020 neuerlich mahnen.

2.
Verwaltungsverfahren der IEF-Service GmbH

Regelungen, die das Verwaltungsverfahren der IEF-Service GmbH betreffen, sind im BG betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des VwGH und des VfGH* enthalten.

2.1.
Hemmung der Fristen für verfahrenseinleitende Anträge

Die Zeit vom Inkrafttreten dieses BG am 22.3.2020 bis zum Ablauf des 30.4.2020 ist in die Zeit, in der ein verfahrenseinleitender Antrag im Verwaltungsverfahren (§ 13 Abs 8 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz [AVG]) zu stellen ist, nicht einzurechnen.* Es handelt sich somit um eine Fortlaufhemmung. Dies gilt jedoch nur für Fristen, die zu diesem Zeitpunkt bereits laufen oder im Hemmungszeitraum zu laufen beginnen. Durch Art 1 des 4. COVID-19-Gesetzes* wurde diese Bestimmung lediglich präzisiert, aber inhaltlich nicht abgeändert.

Sowohl bei der sechsmonatigen Frist für die Stellung eines Antrags auf Insolvenz-Entgelt gem § 6 IESG als auch bei der vierwöchigen Frist für die Einbringung einer Klage gegen einen abweisenden Bescheid der IEF-Service GmbH tritt somit eine Fortlaufhemmung ein.*

2.2.
Unterbrechung verfahrensrechtlicher Fristen

Für alle anderen verfahrensrechtlichen Fristen wurde durch das 2. COVID-19-Gesetz eine Verfahrensunterbrechung normiert.* Auch bezüglich dieser Bestimmung wurden in Art 1 des 4. Covid-19-Gesetzes* lediglich Klarstellungen, aber keine inhaltlichen Änderungen vorgenommen. Alle Fristen im Verwaltungsverfahren (zB Verbesserungsaufträge, Aufträge zur Übermittlung von Forderungsverzeichnissen, etc) sind folglich von 22.3.2020 bis 30.4.2020 unterbrochen und beginnen ab 1.5.2020 neu (von vorne) zu laufen, sofern die Frist im oben angeführten Zeitraum beginnt oder abläuft.*