Homeoffice: Vom Anlassfall Corona-Krise zu geregelten Verhältnissen

Autorin: PETRA STREITHOFER
aus: DRdA-infas 3/2020

Anlässlich der COVID-19-Krise kamen Gesetzgeber und Betriebe in puncto Homeoffice in Bewegung: Vielerorts wurde von einem Tag auf den anderen Homeoffice vereinbart. Wer diese Arbeitsform etablieren will, muss zunächst wichtige Eckpunkte klären. Das gilt auch für die Rechtsetzung.

1.
Anlassfall Corona-Krise

Homeoffice muss zwischen AG und AN vereinbart werden. Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde den Arbeitsvertragsparteien durch Betretungsverbote nahegelegt, möglichst Arbeit „außerhalb der Arbeitsstätte“ zu vereinbaren, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Dazu wurde § 2 Z 4 der VO gem § 2 Z 1 des COVID-19-MaßnahmenG (Stammfassung: BGBl II 2020/98BGBl II 2020/98), wonach die berufliche Tätigkeit eine Ausnahme vom Betretungsverbot öffentlicher Orte begründen kann, mit BGBl II 2020/108BGBl II 2020/108ergänzt: „Dabei ist darauf zu achten, dass eine berufliche Tätigkeit vorzugweise außerhalb der Arbeitsstätte erfolgen soll, sofern dies möglich ist und Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber ein Einvernehmen finden.“ Auf Grund der Bewegungseinschränkungen im öffentlichen Raum kam als zu vereinbarende Verlagerung der Tätigkeit außerhalb der Arbeitsstätte de facto nur das Homeoffice in Betracht. Die tags zuvor kundgemachte VO BGBl II 2020/107BGBl II 2020/107, die ein striktes Betretungsverbot vorgesehen hätte, wenn die Vereinbarung von Homeoffice möglich wäre, wurde damit flugs verworfen. Zahlreiche AN und AG sind dennoch der „Einladung“ zur Vereinbarung von Homeoffice gefolgt.

Mit dem 3. COVID-19-Gesetz (BGBl I 2020/23BGBl I 2020/23) wurden weitgehend Forderungen von Gewerkschaften und Arbeiterkammern zum besseren Schutz von AN im ASVG und B-KUVG erfüllt:

  • Erstens müssen AN, deren Zugehörigkeit zur COVID-19-Risikogruppe attestiert ist, vom Dienst freigestellt werden, so sie „nicht Arbeitsleistung in der Wohnung erbringen (Homeoffice)“ oder durch Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz eine COVID-19-Infektion mit größtmöglicher Sicherheit ausgeschlossen werden kann (§ 735 Abs 3 ASVG, § 258 Abs 3 B-KUVG).

  • Zweitens wurde zum Unfallversicherungsschutz klargestellt: Rückwirkend mit 11.3.2020 gelten als „Arbeitsunfälle auch Unfälle, die sich im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis oder mit der die Versicherung begründenden Funktion am Aufenthaltsort der versicherten Person (Homeoffice) ereignen“ (§ 175 Abs 1a und 1b ASVG, § 90 Abs 1a und 1b B-KUVG). Damit wurde der Rechtssicherheit Vorrang vor der schwierigen Abgrenzung von privaten und beruflichen Tätigkeiten im Eigenheim eingeräumt. Die Regelung gilt allerdings ausdrücklich nur für die Dauer von Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nach dem COVID-19-MaßnahmenG.

Die VO gem § 2 Z 1 des COVID-19-MaßnahmenG und somit auch deren § 2 Z 4 trat mit 30.4.2020 außer Kraft. Die mit 1.5.2020 in Kraft getretene COVID-19-LockerungsV (BGBl II 2020/197BGBl II 2020/197) beinhaltet keine Aufforderung zur Vereinbarung von Homeoffice mehr. Wohl aber sind AG nach Empfehlung der Arbeitsinspektion angehalten, als organisatorische Schutzmaßnahme weiterhin die Zahl der in der Arbeitsstätte anwesenden Personen zu minimieren - z. B. indem sie Homeoffice ermöglichen. *

Seit dem 9. COVID-19-Gesetz (BGBl I 2020/31BGBl I 2020/31) ist die Regelung des § 258 Abs 3 B-KUVG für die Risikogruppe laut § 29p VertragsbedienstetenG 1948 auch auf die davon erfassten Vertragsbediensteten sowie andere Personen in einem vertraglichen Dienst- oder Ausbildungsverhältnis zum Bund anzuwenden.

2.
Begriffsbestimmung

Homeoffice ist eine Variante der Telearbeit, bei der statt der Arbeitsstätte des AG die private Wohnung des/der AN als dauernder oder zeitweiser Arbeitsort vereinbart wird, typischerweise unter Einsatz von IT und Telekommunikation. Eine gesetzliche Definition von Homeoffice gibt es im Arbeits- und Sozialrecht bis dato nicht. Mit den Änderungen des ASVG und B-KUVG mit dem 3. COVID-19-Gesetz wurde der Begriff erstmals im Wortlaut eines einschlägigen Gesetzes verwendet. Der Begriff Telearbeit wird lediglich in § 36a Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 bestimmt: „Telearbeit“ liegt demnach vor, wenn der Beamte „regelmäßig bestimmte dienstliche Aufgaben in seiner Wohnung oder einer von ihm selbst gewählten, nicht zu seiner Dienststelle gehörigen Örtlichkeit unter Einsatz der dafür erforderlichen Informations- und Kommunikationstechnik“ verrichtet.

3.
Arbeitsrechtliche Regelungsebenen: KollV – BV – Einzelvereinbarung

Für die Kollektivvertragspartner ist eine Rahmenvereinbarung zur Telearbeit der Europäischen Sozialpartner gem Art 155 Abs 2 AEUV aus dem Jahr 2002 beachtlich. Regelungen zu Telearbeit finden sich mittlerweile in einer Reihe von Kollektivverträgen. Zumeist wird in den Kollektivverträgen ein Rahmen vorgegeben und zu bestimmten Punkten auf BV oder schriftliche Einzelvereinbarung verwiesen. Für letztere wurden in manchen Kollektivverträgen sogar Mustervereinbarungen aufgenommen, siehe zB § 9 iVm Anhang 3 des KollV Information und Consulting.

In Betrieben mit BR empfiehlt sich der Abschluss von Betriebsvereinbarungen, um die Rahmenbedingungen für Telearbeit festzulegen. Hierfür gibt es mannigfache Anknüpfungspunkte, etwa in § 97 Abs 1 ArbVG: Benützung von Betriebsmitteln (Z 6), Maßnahmen zur Unfallverhütung und zum Gesundheitsschutz (Z 8), Maßnahmen zur menschengerechten Arbeitsgestaltung (Z 9) etc. Kontrollmöglichkeiten des AG mittels IT können sich uU zu Kontrollmaßnahmen, welche die Menschenwürde berühren, verdichten – und diesfalls zustimmungspflichtig iS einer BV nach § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG sein. Weitere Betriebsvereinbarungstatbestände kreisen um den Datenschutz sowie Arbeitszeitthemen, zB Gleitzeit.

Einzelvertragliche Vereinbarungen zum Homeoffice sollten tunlichst in Schriftform erfolgen, üblich ist ein Zusatz zum Dienstvertrag. Selbst bei weitgehenden Regelungen durch KollV und BV ist eine individuelle Vereinbarung notwendig. So etwa zur Festlegung oder freien Wahl des außerbetrieblichen Arbeitsorts, Ausmaß und Lage der Arbeitszeit im Homeoffice, (Nicht-)Erreichbarkeit uvm.

Auch die Beistellung der Arbeitsmittel sowie Kostentragungsfragen sollten vorab geklärt sein. Leitlinie ist, dass AG im Arbeitsverhältnis die notwendigen Arbeitsmittel zu stellen und Aufwendungen, die AN bei der Tätigkeit für den AG entstehen, analog zu § 1014 ABGB abzugelten haben. Von diesen Grundsätzen kann in begrenztem Ausmaß abgewichen werden (siehe etwa Risak, Home Office I – Arbeitsrecht, ZAS 2016, 203 f). Diese Möglichkeit sollte sorgsam genutzt werden, um sich nicht den Unwägbarkeiten einer sittenwidrigen Risikoüberwälzung und damit nichtigen Vereinbarung auszusetzen. Zu den Besonderheiten der Arbeitsmittel für Bildschirmarbeit siehe unter 4.2.

4.
ArbeitnehmerInnenschutzrecht
4.1.
Anwendbarkeit des ASchG und zugehöriger Verordnungen

Beim Arbeitsort „Homeoffice“ handelt es sich nach Ansicht des Arbeitsinspektorats um eine „auswärtige Arbeitsstelle“ iSd § 2 Abs 3 ASchG. Das ASchG ist – bis auf die arbeitsstättenbezogenen Bestimmungen – auch im Homeoffice anwendbar. 2) Das umfasst insb die AG-Pflicht zur Arbeitsplatz-Evaluierung gem § 4 ASchG: AG müssen demnach bestehende Gefahren erheben und beurteilen sowie passende Schutzmaßnahmen festlegen. Da AG grundsätzlich kein Zutrittsrecht zur Privatwohnung der AN haben, weist das Arbeitsinspektorat auf die Möglichkeit hin, eine Muster-Evaluierung für Telearbeitsplätze auszuarbeiten und den AN zur Verfügung zu stellen. Die Evaluierung muss nach § 5 ASchG Eingang in die Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente finden. Eine Muster-Evaluierung reicht auch hier, da nach § 1 Abs 1 DOK-VO gleichartige Arbeitsplätze zusammengefasst dokumentiert werden können. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die AG-Pflichten zur Information und Unterweisung der AN nach §§ 12 und 14 ASchG. Diese haben etwa zur ergonomischen Einrichtung eines Bildschirmarbeitsplatzes zu erfolgen. Die präventivdienstliche Betreuung durch Sicherheitsfachkräfte, ArbeitsmedizinerInnen und gegebenenfalls Arbeits- und OrganisationspsychologInnen umfasst auch AN, die im Homeoffice arbeiten. Das Betreten der Privatwohnung der AN durch die Präventivfachkräfte bedarf jedoch der Zustimmung der AN. In der Praxis ist eine persönliche Beratung auch über andere Kommunikationskanäle bzw bei Anwesenheit der AN in der Arbeitsstätte möglich.

4.2.
Bildschirmarbeit

Typischerweise werden bei der Arbeit im Homeoffice regelmäßig Bildschirmgeräte genutzt, sodass Bildschirmarbeit iSd § 68 Abs 3 ASchG iVm § 1 Abs 4 BS-V vorliegen wird. Im Jahr 1997 wurde das ASchG als Reaktion auf die aufkeimende Telearbeit um die §§ 67 Abs 6, 68 Abs 7 ASchG ergänzt (BGBl I 1997/9). Nach den Erläuterungen sollte sichergestellt werden, dass bei „Tele-Heimarbeit“ die vom AG „zur Verfügung gestellten Bildschirmgeräte und sonstigen Einrichtungen den technischen Anforderungen zu entsprechen haben“ (ErläutRV 461 BlgNR 20. GP 10). Aus § 67 Abs 1, 2, 4 und 6 sowie § 68 Abs 2 und 7 ASchG folgt für das Homeoffice: AG sind verpflichtet, Bildschirmarbeitsplätze ergonomisch zu gestalten. Vom AG gestellte Bildschirmgeräte samt Zubehör müssen dem Stand der Technik und den ergonomischen Anforderungen entsprechen und mit einer benutzerfreundlichen Software ausgestattet sein. Zu den ergonomischen Anforderungen ist insb § 3 BS-V beachtlich, wonach ua eine externe Tastatur erforderlich ist. Das gilt auch für regelmäßig eingesetzte tragbare Geräte (Laptop, Tablet). Aus § 67 Abs 2 letzter Satz iVm Abs 6 ASchG wird abgeleitet, dass AG keine Pflicht trifft, Arbeitstische, Arbeitsflächen und Sitzgelegenheiten im Homeoffice zu stellen. Wenn sie diese Gegenstände stellen, müssen sie aber den ergonomischen Anforderungen entsprechen.

Nach § 68 Abs 7 ASchG kommt § 68 Abs 3 ASchG bei Telearbeit nicht zur Anwendung: § 68 Abs 3 ASchG begründet den Anspruch der AN auf eine Arbeitsorganisation des AG, die regelmäßige Bildschirmpausen bzw Tätigkeitswechsel zur Entlastung der Augen ermöglicht sowie auf Augenuntersuchungen und gegebenenfalls eine „Bildschirmbrille“. ME konnte man im Jahr 1997 wohl davon ausgehen, dass AN im Homeoffice eine Arbeitsorganisation, die augenentlastende Phasen ermöglicht, selbst in der Hand haben. Fraglich ist, ob diese Gestaltungsfreiheit bei den heutigen technischen Steuerungsmöglichkeiten des AG noch in allen Fällen garantiert ist. Der Anspruch auf Augenuntersuchungen und Bildschirmbrille bei Telearbeit wird nach Novak (in Novak/Lechner-Thomann, ASchG [2013] § 67 Rz 24) aus der allgemeinen arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht abgeleitet, wonach AG auf ihre Kosten für den Gesundheitsschutz der AN zu sorgen haben.

5.
Schlussbemerkung

In den Wirren der Corona-Krise wurde der Arbeitsplatz oft so abrupt ins Homeoffice verlegt, dass der AN-Schutz in den Hintergrund getreten ist. AN wurden sich selbst überlassen. So blieb etwa die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes samt der dafür notwendigen Ausstattung auf der Strecke. Mit der Beruhigung der Situation muss die Lücke zwischen Sein und Sollen geschlossen werden. Dazu bedarf es auch eines klareren Regelwerks. Die Rechtsgrundlagen für den AN-Schutz im Homeoffice sind veraltet. Die bislang einzige Anpassung des ASchG an die Besonderheiten von Telearbeit erfolgte mit der Novelle BGBl I 1997/9zur Bildschirmarbeit. Die BS-V gilt noch in der Stammfassung BGBl II 1998/124. Auf europäischer Ebene steht die Modernisierung der BildschirmarbeitsRL (90/270/EWG) an, die nunmehr auch schon 30 Jahre alt ist. 1990 war von Internetzugängen in Haushalten noch keine Rede. Die Informationstechnologie hat seitdem Quantensprünge gemacht und damit Telearbeit wie wir sie heute kennen ermöglicht. Es kann der damaligen Rechtsetzung nicht unterstellt werden, dass sie beim Gesundheitsschutz eine Schlechterstellung des Arbeitens im Homeoffice gegenüber dem Arbeiten in der Arbeitsstätte im Sinne hatte. Der Schwung, den die Corona-Krise für das Arbeiten im Homeoffice gebracht hat, mag genutzt werden, um die Rahmenbedingungen für diese Arbeitsform zu verbessern. Im Ausnahmezustand der Corona-Krise haben so manche AN überraschend die Vor- und Nachteile von Homeoffice erlebt. Auch psychische Belastungen, wie entgrenzte Arbeitszeiten durch das Verschwimmen von Privat- und Berufsleben, müssen mit klugen betrieblichen und individuellen Strategien begrenzt werden. Nach einem gut strukturierten Tag im Homeoffice soll auch gelten: Einfach mal abschalten.