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Anspruch auf Familienzeitbonus auch bei vorübergehender Aufhebung des gemeinsamen Haushalts wegen unvorhersehbaren Krankenhausaufenthalts des anderen Elternteils

KRISZTINAJUHASZ

Im Fall eines unvorhersehbaren, medizinisch erforderlichen stationären Krankenhausaufenthalts des anderen Elternteils während der Familienzeit des Vaters liegt ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 1 Z 3, Abs 3 FamZeitbG vor.

SACHVERHALT

Der Kl und seine Lebensgefährtin sind Eltern des am 25.9.2018 geborenen Kindes. Die Entbindung erfolgte in einem Krankenhaus. Die Lebensgefährtin des Kl und das Kind verließen die Klinik am 29.9.2018 und begaben sich in die bereits zuvor vom Kl und seiner Lebensgefährtin gemeinsam bewohnte Wohnadresse. Die Lebensgefährtin des Kl musste im Oktober und November 2018 aufgrund einer durch die Geburt ausgelösten bipolaren Störung stationär in einer Krankenanstalt behandelt werden. Der Kl hatte seinem DG ursprünglich einen späteren Antritt der Familienzeit bekannt gegeben. Aufgrund des unvorhergesehenen stationären Aufenthalts seiner Lebensgefährtin stellte er nach entsprechender Vereinbarung mit dem DG den Antrag auf Familienzeitbonus für den Zeitraum von 8.10. bis 7.11.2018. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war der Anspruch des Kl auf Familienzeitbonus für diesen Zeitraum.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Mit Bescheid wies die Bekl den Antrag des Kl mit der Begründung ab, dass während der Dauer der Anstaltspflege die Anspruchsvoraussetzung der Familienzeit nicht vorgelegen sei.

Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Bekl ab, ließ aber die Revision zu, weil die Frage, ob ein Krankenhausaufenthalt nur der Mutter dem Anspruch des Vaters auf Familienzeitbonus entgegenstehe, höchstgerichtlich nicht beantwortet war.

Die Revision war nicht berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1.1. Als ‚Familienzeit‘ iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG versteht man den Zeitraum zwischen 28 und 31 Tagen, in dem sich ein Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich seiner Familie widmet und dazu die Erwerbstätigkeit unterbricht, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt, keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sowie keine Entgeltfortzahlung aufgrund von oder Leistungen bei Krankheit erhält. […]

1.3. […] der Anspruch auf Familienzeitbonus eines Vaters für sein Kind [ist] (ua) an die Voraussetzung geknüpft, dass der Vater, das Kind und der andere Elternteil im gemeinsamen Haushalt leben (§ 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG) und sich der Vater im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet (§ 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG; 10 ObS 109/18d).

1.4. Ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG liegt nur dann vor, wenn der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind, wobei eine bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hautpwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse nicht schadet.

1.5. Die Familienzeit und der beantragte Bezugszeitraum müssen sich decken. Die Familienzeit darf nicht kürzer andauern als der gewählte Familienzeitbonus- Anspruchszeitraum (10 ObS 109/18d mwN). […]

3.1. Im vorliegenden Fall kann daran, dass sich der Kläger in Familienzeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG befindet, kein Zweifel bestehen. Diese Bestimmung stellt ausschließlich auf die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch den Vater (bzw beziehenden Elternteil) […] sowie darauf ab, dass er sich im relevanten Zeitraum ausschließlich der Familie widmet. Ob auch der andere Elternteil Betreuungsleistungen erbringt, ist für das Vorliegen von Familienzeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG irrelevant.

3.2. Entscheidend für den geltend gemachten Anspruch ist vielmehr ausschließlich das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG.

4.1. Der Oberste Gerichtshof hat zur Auslegung dieser Bestimmung bereits ausgesprochen, dass eine ‚dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft‘ […] dann vorliegt, wenn eine Wohnund Wirtschaftsgemeinschaft tatsächlich aufgenommen wird und dies in der Absicht geschieht, sie auf Dauer zu führen […]. Eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft kann daher bereits ab dem ersten Tag vorliegen (10 ObS 50/19d).

4.2. […] Auf die tatsächliche Dauer einer Wohnund Wirtschaftsgemeinschaft kommt es im Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 FamZeitbG nur insofern an, als diese zumindest während des Bezugs des Familienzeitbonus bestehen muss (10 ObS 50/19d).

5.1. Damit wurde aber keineswegs für einen Fall wie den vorliegenden […] eine abschließende Beurteilung getroffen. […] 178

5.2. Diese Rechtsprechung gründet auf der Erwägung, dass während des Krankenhausaufenthalts der Mutter und des Kindes nach der Geburt die Pflege und Betreuung des Kindes durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt wird […]. Der den Familienbonus beantragende Vater erbringt daher während dieser Zeit im Normalfall keine Betreuungsleistungen, sodass der vom Gesetzgeber intendierte Leistungszweck während dieses Zeitraums nicht erreichbar ist (10 ObS 109/18d).

5.3. Das Erfordernis der Erbringung von Betreuungsleistungen als Anspruchsvoraussetzung wird auch durch den mit BGBl I 2019/24BGBl I 2019/24 neu eingeführten § 2 Abs 3a FamZeitbG zusätzlich zum Ausdruck gebracht.

5.4. Die dargestellten Erwägungen schlagen aber in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem nicht das Kind, sondern allein die Mutter des Kindes stationär in einer Krankenanstalt aufgenommen ist, nicht durch. Vielmehr erbringt der Vater, der mit dem Kind an der Familienwohnadresse aufhältig ist, dort allein den Haushalt führt und das Kind versorgt – anstatt, wie es die Materialien vorsehen, bloß seine Partnerin dabei zu unterstützen (vgl ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 1) –, die vom FamZeitbG vorausgesetzten Leistungen in einem besonders hohen Ausmaß. […]

6.2. Im Fall des stationären Krankenhausaufenthalts des anderen Elternteils ist zwar die tatsächliche Wohngemeinschaft der Eltern für die Dauer des Aufenthalts aufgehoben. Das ändert aber nichts daran, dass bei einem zeitlich begrenzten Krankenhausaufenthalt das für die Annahme einer ‚dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft‘ wesentliche Element der Absicht, diese auf Dauer zu führen (vgl 10 ObS 50/19d), nicht beseitigt wird. Ebenso wenig ist das gemeinsame Wirtschaften beendet, ändert doch ein vorübergehender Krankenhausaufenthalt nichts an der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung eines auf drei Personen ausgelegten Haushalts.

7.1. Gemessen am klaren Gesetzeszweck des FamZeitbG ist im Fehlen einer Ausnahmeregel vom Erfordernis des tatsächlichen Aufenthalts des ‚anderen Elternteils‘ an der Familienwohnadresse in Fällen eines unvorhersehbaren, medizinisch erforderlichen stationären Krankenhausaufenthalts dieses Elternteils eine verdeckte Gesetzeslücke zu erkennen, die eine teleologische Reduktion (vgl RS0008979; RS0008839) des § 2 Abs 3 FamZeitbG erforderlich macht. Der überschießende, keine Ausnahme vorsehende Gesetzeswortlaut ist daher dahin zu reduzieren, dass in einem solchen Fall der gemeinsame Haushalt iSd § 2 Abs 1 Z 3, Abs 3 FamZeitbG weiterbesteht.“

ERLÄUTERUNG

§ 2 Abs 3 FamZeitbG verlangt, dass der Vater, das Kind und der andere Elternteil „in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben“. Auf die tatsächliche Dauer einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft kommt es im Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 FamZeitbG nur insofern an, als diese zumindest während des Bezugs des Familienzeitbonus bestehen muss. Die Annahme, wonach eine „dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ trotz der wesentlich kürzeren Bezugsdauer des Familienzeitbonus einen gemeinsamen Haushalt in der Dauer von mindestens 91 Tagen voraussetze, wurde vom OGH bereits ausdrücklich abgelehnt (19.11.2019, 10 ObS 50/19d).

Der OGH hat mehrfach klargestellt, dass während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind nach der Geburt kein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG vorliegt, weil in dieser Zeit die Pflege und Betreuung des Kindes durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt wird (OGH 30.7.2019, 10 ObS 101/19d; RS0132377). Mit der Novelle zum FamZeitbG, BGBl I 2019/24BGBl I 2019/24, wurde mit § 2 Abs 3a FamZeitbG eine – auf Geburten nach dem 31.12.2018 anzuwendende – Ausnahmebestimmung geschaffen, nach der ausnahmsweise der gemeinsame Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG auch angenommen wird, wenn bei einem medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalt des Kindes dieses durch den Vater und den anderen Elternteil im Mindestausmaß von jeweils durchschnittlich vier Stunden täglich persönlich gepflegt und betreut wird.

Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, sollen erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, eine finanzielle Unterstützung erhalten. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Familiengründungszeit wichtig ist, damit das Neugeborene rasch eine sehr enge emotionale Bindung (auch) zum Vater aufbauen kann. Der Vater soll seine unter den Auswirkungen der gerade erfolgten Geburt stehende Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings, bei den Behördenwegen, bei Haushaltsarbeiten etc bestmöglich unterstützen, um den Zusammenhalt in der Familie von Anfang an zu stärken. Diese Zielsetzungen wurden im vorliegenden Fall in einem besonders hohen Ausmaß verwirklicht; der Vater hat seine Partnerin nicht nur unterstützt, sondern die Pflege und Betreuung des gemeinsamen Kindes zur Gänze geleistet.

Für den Fall eines stationären Krankenhausaufenthalts des anderen Elternteils – wie hier der Mutter – wurde im FamZeitbG keine Regelung getroffen. Diese verdeckte Gesetzeslücke wurde daher durch den OGH im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeszweck im Wege der teleologischen Reduktion geschlossen und der Revision war daher nicht Folge zu geben.179