150

Freiwillige Anwendung von Kollektivvertrags-Gehaltsbestimmungen bedingt nicht Anwendbarkeit des Zusatz-KollV

ANDREAS WELLENZOHN
Zusatz-KollV „Zweckzuschuss“
zum SWÖ-KV

Die Kl sind zur Durchführung der Vollzeit-Betreuung eines Patienten in Oberösterreich in dessen privaten Räumlichkeiten als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerinnen tätig. Der Patient ist im familiären Umfeld in adaptierten Räumen untergebracht. Die Räume sind wie eine Intensivstation eingerichtet. Da es damals nicht möglich war, den Patienten auf Dauer auf einer Intensivstation in einer österreichischen Krankenanstalt zu betreuen, wurde bei ihm zu Hause eine intensivmedizinische Versorgung eingerichtet. In einer Grundsatzvereinbarung zwischen der Bekl und dem Oö Gesundheitsfonds ist geregelt, dass der Bekl die Kosten für die Mitarbeiterinnen ersetzt werden.

In den Dienstverträgen wird nicht auf einen KollV Bezug genommen. Nur in einer Änderungsvereinbarung zum Dienstvertrag der Erstkl wird hinsichtlich des Grundgehalts auf einen „Kollektivvertrag“ Bezug genommen, ohne diesen allerdings namentlich zu nennen. Noch vor dem Jahr 2022 forderte eine Kollegin der Kl über ihren Rechtsvertreter die Bekl auf, die Entlohnung nach dem Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ-KV) vorzunehmen. Die Bekl akzeptierte dies und entlohnt seitdem sämtliche Mitarbeiterinnen nach diesem KollV. Sämtliche kollektivvertraglichen Erhöhungen wurden und werden ihr von der Drittkl (Teamleiterin) mitgeteilt und von ihr auch bezahlt. Den 357 von den Kl geforderten Pflegezuschuss leistet die Bekl jedoch nicht.

Die Kl begehrten von der Bekl die Zahlung des Pflegezuschusses (je für bestimmte Monate der Jahre 2022 bis 2024) nach dem jeweils geltenden Zusatz-KollV „Zweckzuschuss“ zum SWÖ-KV. Dazu brachten sie vor, dass auf ihre Dienstverhältnisse der SWÖ-KV Anwendung finde. Die Bekl habe sich zumindest schlüssig dem SWÖ-KV unterworfen. Die Voraussetzung des fachlichen Geltungsbereichs des Zusatz-KollV sei gegeben, weil die Intensivstation in den privaten Räumlichkeiten des Patienten als teilstationäre und stationäre Einrichtung der Langzeitpflege nach landesgesetzlichen Regelungen anerkannt werde. Ebenso werde nach landesgesetzlichen Regelungen ein mobiler Betreuungs- und Pflegedienst erbracht. Auch wenn die Bekl nicht formal Mitglied beim SWÖ-KV sei, hätten die Kl nach dem LSD-BG zwingend Anspruch auf das Entgelt, das ihnen nach dem SWÖ-KV zustehe.

Die Bekl bestritt und wandte zusammengefasst ein, dass der SWÖ-KV auf die Dienstverhältnisse der Kl nicht zur Anwendung komme, weil die Bekl nicht Mitglied des SWÖ sei. Die Pflegezuschüsse stünden den Kl nicht zu, weil die Bekl zu keiner der in der Geltungsbereichsbestimmung des Zusatz-KollV aufgezählten Anstalten bzw Einrichtungen gehöre und weder nach dem KAKuG noch nach irgendeiner landesgesetzlichen Regelung errichtet sei bzw betrieben werde. Sie habe den Kl die Zahlung des Pflegezuschusses auch nicht zugesagt.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren auf Zahlung der Pflegezuschüsse unter Verweis auf § 3 LSD-BG statt. Da die Kl in den letzten Jahren nach dem SWÖ-KV entlohnt worden seien, der SWÖ-KV also von der Bekl auf die Dienstverhältnisse der Kl tatsächlich angewandt worden sei, seien diese auch entsprechend dem SWÖ-KV zu entlohnen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge. § 3 Abs 2 LSD-BG sei nicht geeignet, die entgeltrechtlichen Bestimmungen des SWÖ-KV auf die in Deutschland ansässige Bekl anzuwenden. Eine (schlüssige) Unterwerfung der Bekl unter den Zusatz-KollV sei aus den Verfahrensergebnissen nicht ableitbar. Die ordentliche Revision wurde zugelassen.

Der OGH erachtete die dagegen erhobene Revision der Kl für zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass auf die Dienstverhältnisse der Kl diese Zusatz-Kollektivverträge nicht unmittelbar anwendbar sind, weil die Bekl nicht Mitglied des SWÖ ist. Die Feststellungen tragen aber auch die von den Revisionswerberinnen behauptete konkludente Anwendbarkeit der Zusatz-Kollektivverträge nicht.

Richtig ist, dass die Bekl die Kl schon vor dem Jahr 2022 nach dem SWÖ-KV entlohnt hat und seitdem auch die jährlichen kollektivvertraglichen Erhöhungen faktisch nachvollzieht. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann aber alleine daraus noch nicht zweifelsfrei geschlossen werden, dass sich die Arbeitsvertragsparteien auch konkludent den – erst Jahre später geschaffenen – Zusatz-Kollektivverträgen unterworfen hätten. Der von den Revisionswerberinnen angestellte Vergleich zwischen § 2 SWÖ-KV und § 2 Zusatz-KollV ist ebenfalls nicht geeignet, die konkludente Anwendung der Zusatz-Kollektivverträge zu begründen, ist doch der fachliche Anwendungsbereich des SWÖ-KV viel weiter gefasst als jener der Zusatz-Kollektivverträge. Diese könnten daher nur im Wege der jeweiligen Satzungserklärung auf die Dienstverhältnisse der Kl zur Bekl Anwendung finden.

Die Zusatz-Kollektivverträge „Zweckzuschuss“ zu den SWÖ-Kollektivverträgen 2022, 2023 und 2024 über einen Pflegezuschuss wurden zur Satzung erklärt.

Der fachliche Geltungsbereich der Satzungen wurde wie folgt definiert:

„§ 1.

(1) Fachlich: folgende Einrichtungen nach landesrechtlichen Regelungen:

1. teilstationäre und stationäre Einrichtungen der Langzeitpflege,

2. mobile Betreuungs- und Pflegedienste oder

3. mobile, teilstationäre und stationäre Einrichtungen der Behindertenarbeit.“

Schon aufgrund der Wortinterpretation scheidet eine Anwendung der Satzungen auf die Dienstverhältnisse der Kl aus. Die Bekl ist weder eine „teilstationäre“ (das ist ua eine Einrichtung wie betreutes Wohnen) noch eine „stationäre“ Einrichtung der Langzeitpflege (das sind ua Alten- und Pflegeheime, Seniorenzentren), sondern erbringt ihre Dienstleistungen in einer privaten Räumlichkeit des Patienten, in der er intensivmedizinisch betreut wird.

Eine der Anstaltspflege gleichwertige (Kranken-)Behandlung kann aber auch nicht unter den Begriff „mobile Betreuungs- und Pflegedienste“ iSd § 1 Abs 1 Satz 2 der Satzungen subsumiert werden, handelt es sich doch dabei in der Regel um Tätigkeiten im Rahmen der Hauskrankenpflege und der mobilen Betreuung und Hilfe, die, abhängig von der konkreten Situation der pflege- und unterstützungsbedürftigen Person, mehrmals täglich oder wöchentlich erbracht werden. Eine 24-Stunden-Betreuung, wie sie die Bekl anbietet, ist davon aber nicht erfasst. Die Klagebegehren sind daher schon deshalb nicht berechtigt, weil die Bekl nicht vom fachlichen Geltungsbereich der Satzungen erfasst ist.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben. 358