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Sittenwidrigkeit einer vertraglichen Vereinbarung über die Rückzahlungsverpflichtung von Provisionsakonti bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

GREGOR KALTSCHMID

Der Bekl war als Außendienstmitarbeiter mit einem sehr geringen Fixum sowie einer „leistungsabhängigen Folgeprovisionsgarantie“ und einer „leistungsabhängigen Garantie sämtlicher Bonifikationen“ bei der Kl beschäftigt. Es wurden monatliche Akontozahlungen bezüglich der variablen Gehaltsbestandteile vereinbart. Eine Abrechnung mit tatsächlich ins Verdienen gebrachten Beträgen sollte nach 61 Monaten erfolgen, ein dann vorhandenes Guthaben ausbezahlt, ein Negativsaldo zu Lasten der Kl ausgebucht werden. Bei vorheriger Beendigung des Vertrags sollte ein Negativsaldo vom AN zurückbezahlt werden.

Zweck der Regelung war nach den Feststellungen, für einen vorübergehenden Zeitraum neuen Außendienstmitarbeitern Folgeprovisionen und Bonifikationen zu gewähren, die „in Wahrheit in diesem Zeitraum nicht verdient sind, und somit ein Gesamteinkommen zu erzielen, das für den Mitarbeiter auch akzeptabel ist. Der Zweck des Rückforderungsvorbehalts ist auch die Bindung des Mitarbeiters, zumal die in den ersten Jahren auf Basis der Zusatzvereinbarung ausbezahlten Folgeprovisionen und Bonifikationen in Wahrheit nicht einer erbrachten Leistung gegenüberstehen“.

Als das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von 61 Monaten endete, forderte die Kl vom Bekl einen großen Teil der bezahlten Akonti zurück.

Das Berufungsgericht beurteilte die Vereinbarung insgesamt als sittenwidrig.

Der OGH wies die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück und führte aus:

Der OGH hat wiederholt ausgesprochen, dass eine Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich geleisteter Provisionsakonti wirksam begründet werden kann. Vorgeschossene und erst zu verdienende Beträge werden üblicherweise bewusst und vereinbarungsgemäß gegen spätere Verrechnung (spätestens Endabrechnung bei Beendigung des Verhältnisses) geleistet. Die Rückzahlung des Überbezugs kann dann nicht unter Hinweis auf einen „gutgläubigen“ Verbrauch verweigert werden.

Damit ist aber keine Aussage darüber getroffen, ob dessen ungeachtet eine konkrete Vertragsgestaltung über die Abrechnung und Rückzahlung von Akonti zu einer unzulässigen Beschränkung der Kündigungsfreiheit des DN führt.

Aus § 20 AngG, insb dessen Abs 4, wird der Grundsatz abgeleitet, dass das Kündigungsrecht bzw die Kündigungsfreiheit des AN nicht durch Gestaltungen im KollV oder im Arbeitsvertrag unbillig erschwert werden darf. Entscheidend für diese Frage ist neben dem Gebot der Fristengleichheit das Gebot, diese Kündigungsfreiheit auch nicht durch andere Abreden zu erschweren, wie zB den Verfall von Kautionen, die Vereinbarung von Vertragsstrafen, den Wegfall von Erfolgsbeteiligungen oder durch die Abrede, dass der AN im Falle der Kündigung bereits empfangene Leistungen wieder zurückerstatten muss.

Im Falle der Ausübung des Kündigungsrechts des DN dürfen diesem nicht finanzielle Opfer in einem Ausmaß auferlegt werden, dass sie die Kündigungsfreiheit wirtschaftlich in erheblichem Umfang beeinträchtigen, wie dies etwa dann der Fall ist, wenn dem DN der Verlust von Teilen des durch Arbeitsleistung bereits verdienten Entgelts bei Kündigung vor Ablauf einer bestimmten Zeit droht.

Unter welchen Voraussetzungen die an die Vertragsbeendigung geknüpften Nachteile von solchem Gewicht sind, dass eine unzulässige Beschränkung des Kündigungsrechts vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Eine Einschränkung der Kündigungsfreiheit wird jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn der finanzielle Nachteil für den AN ein solches Ausmaß erreicht, dass der Verlust dieser Beträge durchschnittliche AN von der beabsichtigten Kündigung (vor allem zum Zweck des Antritts eines anderen bevorzugten Arbeitsplatzes) abhalten kann.

Im konkreten Fall ergab sich aus der Vereinbarung, dass die Kl in den ersten fünf Jahren eine als solche bezeichnete leistungsabhängige Bezahlung bietet, von der sie selbst annimmt, dass sie besonders am Beginn des Dienstverhältnisses periodenbezogen nicht ins Verdienen gebracht werden kann, dies unabhängig davon, dass die Zielvorgaben auf Angaben des AN gründen. Damit ist aber notwendigerweise verbunden, dass bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses vor Ablauf von fünf Jahren der AN mit beträchtlichen Rückforderungsansprüchen konfrontiert ist. Zusätzlich beträgt die vereinbarte Rückzahlungsquote im ersten Jahr 100 %, für jedes weitere Jahr 10 % weniger, ist also in der Zeit, in der am wenigsten mit einer Zielerreichung zu rechnen ist, am höchsten. Beim Bekl beträgt der danach rückzuzahlende Betrag für nicht einmal drei Jahre 63.688,51 €, bei Berücksichtigung, dass ihm zumindest der kollektivvertragliche Mindestlohn zu verbleiben hat, noch immer 56.467,49 € und damit ca 48 % des insgesamt bezogenen Entgelts. Die Rückzahlungsvereinbarung ist zudem nicht abhängig von der Art der Beendigung.

Eine Rückzahlung kann vom AN, der die Zielvorgaben nicht erreicht, nur dadurch vermieden werden, dass er die vorgegebenen fünf Jahre im Unternehmen 354 verbleibt, da dann ein Negativsaldo von der Kl getragen wird. Diese Bindung ist auch eines der Ziele, die die Kl mit der Vertragsgestaltung erreichen will.

Dass der AN danach allenfalls Vorschüsse behält, ohne die dafür vorgesehene Leistung zu erbringen, ist zwar richtig, wird von der Kl aber, sofern der Mitarbeiter länger als fünf Jahre im Unternehmen bleibt, offenbar in Kauf genommen.

Auch wenn es sich daher bei Provisionsakonti prinzipiell um noch nicht verdientes Entgelt handelt, ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die konkrete Ausgestaltung des Vertrags, die auf eine Bindung des AN an das Unternehmen über einen Zeitraum von fünf Jahren abzielt, eine grobe Verletzung der rechtlich geschützten Interessen des AN durch eine unzulässige Einschränkung der Kündigungsfreiheit darstellt, die als sittenwidrig iSd § 879 ABGB anzusehen ist, nicht korrekturbedürftig.

Die Revision war daher zurückzuweisen.