SurreyArbeitsschutzrecht und Meditation. Gesundheitliche Prävention bei psychischen Arbeitsrisiken durch gestörte soziale Beziehungen – am Beispiel der Meditation

Dr. Kovač Verlag, Hamburg 2024, 420 Seiten, kartoniert, € 128,30

ANDREAS RAFFEINER

Psychische Belastungen am Arbeitsplatz sind ein zunehmendes Problem in der gegenwärtigen Arbeitswelt. Mobbing, Konflikte und schlechte Führung können langfristig zu gesundheitlichen Schäden führen, die nicht nur die betroffenen AN belasten, sondern auch wirtschaftliche Auswirkungen auf Unternehmen und das Gesundheitssystem haben. In diesem Kontext untersucht Karina Surrey in dem zu besprechenden Werk die Rolle der Mediation als präventives Mittel im Arbeitsschutzrecht. Dabei argumentiert sie, dass die Mediation dazu beitragen kann, soziale Konflikte frühzeitig zu entschärfen und damit psychische Belastungen zu reduzieren. Mit ihrer 2023 an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg eingereichten Dissertation, welche die Grundlage des Werkes darstellt, liefert Surrey eine interdisziplinäre Analyse, die arbeitsrechtliche, psychologische und arbeitswissenschaftliche Perspektiven verbindet. Ihre Zielsetzung ist es, Mediation keineswegs nur als nachträgliche Konfliktlösungsmethode zu betrachten, sondern als präventives Instrument in das Arbeitsschutzrecht aufzunehmen.

Das Buch ist in vier wichtige Kapitel unterteilt. Im ersten Abschnitt gibt Surrey eine fundierte Einführung in psychische Belastungen, die durch gestörte soziale Beziehungen entstehen können. Sie beleuchtet arbeitsgerichtliche Entscheidungen zu Mobbing und Konflikten und analysiert deren gesundheitliche Folgen. Dabei greift sie auf arbeitswissenschaftliche Modelle, wie das Belastungs-Beanspruchungs-Modell, das Kommunikationsquadrat und das Eisberg-Modell, zurück. Ein Fokus liegt auf der Rolle von Führungskräften: Die Verfasserin zeigt, wie deren Verhalten das Betriebsklima und die mentale Gesundheit der Beschäftigten beeinflusst. Sie beschreibt ferner auch Kommunikationsstörungen, die Konflikte eskalieren lassen können.

Das zweite Kapitel befasst sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene. Surrey untersucht die Arbeitsschutz-Rahmen-RL 89/391/EWG 398 und die EU-Rahmenvereinbarungen zu arbeitsbedingtem Stress (2004) und Belästigung am Arbeitsplatz (2007). Ein wesentliches Thema ist die Frage, inwiefern psychische Belastungen bislang nicht explizit in den europäischen Arbeitsschutzrichtlinien verankert sind. Die Autorin argumentiert, dass die existierenden Vorschriften eher auf physische Sicherheit abzielen und psychische Risiken nur unzureichend berücksichtigt werden. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Mediation in der EU. Die Verfasserin analysiert die EU-RL 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen und stellt fest, dass diese nur eine begrenzte Bedeutung für arbeitsrechtliche Konflikte hat.

Im dritten Kapitel geht Surrey auf die deutschen Regelungen zum Arbeitsschutz ein. Sie erläutert das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und hebt ausdrücklich die Vorschriften zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (§ 5 Abs 3 Nr 6 ArbSchG) hervor. Ein Schwerpunkt liegt auf den bestehenden Präventionsinstrumenten: betriebliche Gesundheitsförderung nach § 20b SGB V, betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 167 SGB IX und die Rolle des BR gemäß Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Die Autorin stellt fest, dass diese Instrumente zwar generell geeignet sind, um psychische Belastungen zu adressieren, jedoch in der Praxis wiederholt nicht effektiv genutzt werden. Hier setzt sie an, um die Mediation als ergänzendes Verfahren vorzuschlagen.

Im vierten Teil entwickelt Surrey anschauliche Empfehlungen zur Integration der Mediation in das Arbeitsschutzrecht. Sie diskutiert unterschiedliche Möglichkeiten, Mediation als verpflichtende oder freiwillige Maßnahme in Arbeitsschutzgesetze oder Verordnungen einzuführen. Ein Kern ihrer Begründung ist die Stärkung der Partizipationsrechte der Beschäftigten. Sie zeigt, dass viele Konflikte aufgrund ungleichmäßiger Machtverhältnisse zwischen AG und AN nicht gelöst werden. Mediation könnte hier als neutraler Vermittlungsprozess helfen. Hervorzuheben ist ihre Diskussion zur Verhältnismäßigkeit einer gesetzlichen Regelung. Die Autorin argumentiert, dass eine verpflichtende Einführung der Mediation nicht immer angemessen wäre, da nicht alle Konflikte für eine solche geeignet sind. Stattdessen schlägt sie vor, Mediation als optionales Angebot in die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen zu integrieren.

Die Publikation Surreys stützt sich auf eine bunte Palette juristischer, psychologischer und arbeitswissenschaftlicher Quellen. Beeindruckend ist die detaillierte Untersuchung der Legislative auf nationaler und europäischer Ebene. Die Autorin diskutiert viele Fallbeispiele und rechtliche Rahmenbedingungen, was das Buch wertvoll für Praktiker:innen macht. Die Lösungen sind praxisorientiert und könnten realistisch in bestehende Strukturen integriert werden. Indem sie Mediation als präventive Maßnahme in das Arbeitsschutzrecht einbinden möchte, geht die Verfasserin über bestehende Konzepte hinaus. Sie verbindet arbeitsrechtliche Regelungen mit Erkenntnissen der Psychologie und Kommunikationswissenschaft, was zu einem ganzheitlichen Ansatz führt.

Aufgrund der interdisziplinären Herangehensweise und der ausführlichen juristischen Analyse richtet sich das zu besprechende Buch in erster Linie an Fachleute. Leser:innen ohne juristischen oder mediationsbezogenen Hintergrund könnten Probleme haben, alle Aspekte nachzuvollziehen. Die theoretische Beweisführung ist authentisch, doch eine empirische Untersuchung zur tatsächlichen Durchschlagskraft von Mediation im Arbeitsschutz wäre wünschenswert gewesen.

Surreys Buch ist eine bedeutsame und umfassende Untersuchung zur Integration der Mediation in das Arbeitsschutzrecht. Sie zeigt kundig auf, dass psychische Belastungen durch soziale Konflikte eine ernste Bedrohung für die Gesundheit von Beschäftigten darstellen und dass bestehende rechtliche Werkzeuge nicht immer genügen. Durch ihren interdisziplinären Ansatz bietet sie innovative Lösungsansätze, die sowohl für Jurist:innen als auch für Mediator:innen und Arbeitsschutzexpert:innen von Interesse sind. Die Maßnahmen könnten dazu beitragen, Konflikte frühzeitig zu entschärfen und die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz langfristig zu verbessern. Insgesamt ist das Buch ein wertvoller Beitrag zur Debatte über psychische Gesundheit und Rechtsschutz in der Arbeitswelt. Es ist empfehlenswert für Fachkräfte, die sich mit Arbeitsschutz, Mediation oder betrieblichen Gesundheitsmaßnahmen beschäftigen.