144Verpflichtung zur Entgeltrückzahlung bei Abänderung des erstinstanzlichen Urteils durch den OGH
Verpflichtung zur Entgeltrückzahlung bei Abänderung des erstinstanzlichen Urteils durch den OGH
Der Bekl war bei den Kl laufend im Rahmen von jeweils auf ein Jahr befristeten Bühnenarbeitsverträgen beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis gelangte das Theaterarbeitsgesetz (TAG) zur Anwendung. Mit Schreiben vom 13.9.2019 gaben die Kl eine Nichtverlängerungserklärung zum 31.8.2020 ab.
In einem Vorverfahren begehrte der Bekl die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses über den 31.8.2020 hinaus. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Oberlandesgericht gab der Berufung gegen diese Entscheidung nicht Folge. Der OGH gab der Revision Folge und wies das Klagebegehren ab.
Aufgrund des Ersturteils im Vorverfahren erklärte sich der Bekl gegenüber den Kl arbeitsbereit. Diese antworteten ihm, dass er unter ausdrücklichem Vorbehalt der Rückforderung „unter Beibehalt der Bezüge dienstfrei gestellt werde“. In der Folge zahlten die Kl dem Bekl für Mai bis August 2022 Entgelt von insgesamt € 12.341,64 netto.
Die Kl begehren die Rückzahlung von € 12.341,64 netto sA. Durch die Entscheidung des OGH sei das fiktiv fortbestandene Arbeitsverhältnis weggefallen, wodurch § 1155 ABGB nicht mehr anwendbar sei. Der rechtliche Grund, das Entgelt zu behalten, bestehe nicht mehr. Dieses sei nach § 1435 ABGB zurückzuzahlen. Da der Bekl dienstfrei gestellt gewesen sei, bestehe auch keine andere Rechtsgrundlage für den Entgeltanspruch.
Der Bekl bestreitet. Ab dem stattgebenden Urteil erster Instanz sei von einem aufrechten Arbeitsverhältnis auszugehen, aus dem der AN Arbeitsbereitschaft und der AG Lohnzahlung schulde. Der Verzicht auf die Arbeitsleistung sei der Sphäre des AG zuzurechnen. Ein anderes Verständnis des § 61 ASGG bewirke, dass der AG keinen Anreiz habe, den AN zu beschäftigen. Damit werde der Zweck des § 61 ASGG, dem AN auf Basis eines stattgebenden erstgerichtlichen Urteils die Deckung seiner Lebenshaltungskosten zu ermöglichen, unterlaufen.
Das Erstgericht gab der Klage statt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Bekl Folge und wies das Klagebegehren ab. Der rückwirkende Wegfall des Arbeitsverhältnisses führe nicht zur Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen.
Die zugelassene Revision wurde vom OGH aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen als zulässig und auch berechtigt erkannt.
Nach § 61 Abs 1 ASGG hemmt die rechtzeitige Erhebung der Berufung gegen das erste Urteil des Gerichts erster Instanz nur den Eintritt der Rechtskraft, nicht jedoch den Eintritt der Verbindlichkeit der Feststellung, den der Rechtsgestaltungswirkung oder den der Vollstreckbarkeit in (ua) Rechtsstreitigkeiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Nach § 61 Abs 2 Satz 2 ASGG wirken Urteile nach § 61 Abs 1 Z 1 und 2 ASGG „unbeschadet eines allfälligen Rückzahlungsanspruchs“.
Wird daher einer Klage auf Feststellung des aufrechten Arbeitsverhältnisses oder einer Kündigungsanfechtung mit einem erstinstanzlichen Urteil stattgegeben, so hat der AN aufgrund der vorläufigen Wirksamkeit des Urteils gem § 61 ASGG während des laufenden Verfahrens Anspruch auf das Entgelt nach § 1155 ABGB.
Nach der Rsp besteht dieser Anspruch allerdings nur vorläufig. Wird die Anfechtungsklage später endgültig abgewiesen, so muss der AN die für die Dauer des Prozesses erhaltenen Beträge zurückzahlen. Die Folge der vorläufigen Verbindlichkeitswirkung nach § 61 ASGG besteht darin, dass das Arbeitsverhältnis vorläufig als fortbestehend fingiert wird, was die vorläufige Anwendbarkeit des § 1155 ABGB ermöglicht, der ein Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraussetzt.
Wird das erste Urteil des Erstgerichts rechtskräftig im klageabweisenden Sinn abgeändert, hat die klagende Partei – da § 61 Abs 1 ASGG keinen endgültigen Entgeltanspruch schafft – auf der Grundlage von § 1435 ABGB den etwa erhaltenen Geldbetrag wieder zurückzuzahlen.
Gegenstand der Entscheidung im Vorverfahren war zwar kein Kündigungsanfechtungsanspruch, sondern ein solcher auf Feststellung des aufrechten Bestehens des Dienstverhältnisses. § 62 Abs 3 ASGG, der vom Rückwirkungsverbot für Rechtsstreitigkeiten nach § 50 Abs 2 ASGG solche über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich ausnimmt, ist daher nicht unmittelbar anwendbar.
Allerdings wird bei Feststellungsbegehren die Rechtslage nur verbindlich festgestellt, nicht gestaltet. Insoweit wirkt auch ein rechtskräftiges Feststellungsurteil in dem Sinn zurück, dass auch für die Vergangenheit von der festgestellten Rechtslage auszugehen ist. Dies hat nichts mit einer vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordneten Rückwirkung zu tun, sondern ist Folge der mit Rechtskraft des Urteils eintretenden Feststellungswirkung. Aufgrund des den Fortbestand letztlich verneinenden Urteils ist davon auszugehen, 350 dass das Arbeitsverhältnis rechtlich bereits entsprechend der seinerzeitigen Kündigung oder Entlassung (oder, wie hier, Nichtverlängerungserklärung) beendet war.
Lediglich durch die Bestimmung des § 61 Abs 1 Z 1, Abs 2 ASGG trat die Verbindlichkeit des dem Feststellungsbegehren stattgebenden Urteils des Gerichts erster Instanz vorläufig bis zur Beendigung des Verfahrens ein. Diese Verbindlichkeitswirkung erlischt jedoch mit seiner rechtskräftigen Abänderung. Mit der Rechtskraft der Entscheidung stand fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht über den 31.8.2020 hinaus aufrecht bestand. Dementsprechend sind die für Arbeitsverhältnisse geltenden Bestimmungen, darunter § 1155 ABGB, nicht anwendbar. Aufgrund des Wegfalls der Rechtfertigung für die Vermögensverschiebung besteht ein Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt auch die Anwendbarkeit des § 18 TAG auf das Arbeitsverhältnis zu keinem anderen Ergebnis.
Zum einen hat sich der Bekl im Verfahren nicht auf eine Verletzung der Beschäftigungspflicht durch die Kl berufen. Richtig weisen diese darauf hin, dass nur ein Anspruch auf angemessene Beschäftigung besteht, wobei auf den Inhalt des Vertrags, die Eigenschaften und Fähigkeiten des Mitgliedes und die Art der Führung des Betriebs Bedacht zu nehmen ist, weshalb nicht in jedem Fall von einer Rechtswidrigkeit der Nichtverwendung ausgegangen werden kann.
Zum anderen ist nach der Rsp ein solches Recht auf Beschäftigung auch im aufrechten Arbeitsverhältnis nicht durchsetzbar. Demzufolge bestand daher auch während der vorläufigen Verbindlichkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Vorverfahren kein durchsetzbarer Anspruch auf Beschäftigung. Dem allein aus der Arbeitsbereitschaft resultierenden Entgeltanspruch nach § 1155 ABGB ist aber durch die rechtskräftige klagsabweisende Entscheidung die Grundlage entzogen worden.
Der OGH bekräftigt trotz beachtlicher Kritik der Lehre und anderslautender Entscheidung des Berufungsgerichts seine bisherige Rsp.
Für die rechtsanwendende Praxis bedeutet dies allerdings eminente Probleme bei der Rückabwicklung zunächst stattgebender, letztlich aber abweisender Entscheidungen in Anfechtungsverfahren.
Die klagenden AN sind gleich doppelt betroffen: Sie haben nicht nur das trotz verbindlich wiederhergestellten Arbeitsverhältnisses und erklärter Arbeitsbereitschaft empfangene und zur Bestreitung des Lebensunterhalts dienende Arbeitsentgelt mit hohen arbeitsrechtlichen Verzugszinsen zurückzuzahlen, sondern können auch rückwirkend kein Arbeitslosengeld beanspruchen, da ihnen ein diesbezüglicher Antrag aufgrund des (damaligen vorläufigen) Bestehens ihres Arbeitsverhältnisses verwehrt war.