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Pflegegeldstufe 5: Kein unzulässiger Freiheitsentzug durch Hochklappen einer Seitenbegrenzung

ELISABETH BISCHOFREITER

Die 1932 geborene Kl, die in ihrer Wohnung im Rahmen einer 24-Stunden-Pflege betreut wird, hat einen Pflege- und Betreuungsbedarf von mehr als 180 Stunden. Sie ist nicht in der Lage, selbständig zu gehen oder zu stehen. Bei der Kl liegt eine schwere Verhaltensstörung vor, sie leidet an zunehmender Demenz. Ihre Verwirrtheitszustände bedingen, dass sie hin und wieder die Tendenz hat, von einer Sitzgelegenheit zu rutschen bzw das Bett zu verlassen und dann in Sturzgefahr gerät. Zu ihrer Sicherung wird die Kl nach einem Oberschenkelhalsbruch untertags entweder unter ständige Beobachtung der 24-Stunden-Pflegerin gestellt oder – wenn diese einkaufen geht – ins Bett gelegt und dessen Seitenbegrenzung hochgeklappt. Ohne Seitenbegrenzung könnte man die Kl nicht allein lassen. In der Nacht hat die Kl vier- bis fünfmal Verwirrungszustände im Monat. Die Kl schläft nicht mehr durch, eine Selbstgefährdung (ohne Seitenbegrenzung) kann in der Nacht nicht ausgeschlossen werden.

Mit Bescheid vom 21.10.2024 lehnte die Bekl den Antrag der Kl auf Erhöhung des bis dahin bezogenen Pflegegeldes der Stufe 5 ab.

Mit ihrer dagegen erhobenen Klage begehrt die Kl die Gewährung von Pflegegeld der Stufe 6, weil die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson während des Tages und der Nacht erforderlich sei. Das Erstgericht gab der Klage statt, da die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson zur Verhinderung der Selbstgefährdung erforderlich sei. Mit der Seitenbegrenzung des Pflegebetts sei eine unzulässige Freiheitsbeschränkung verbunden, die bei der Beurteilung des Pflegegeldes nicht fiktiv einbezogen werden dürfe. Das Berufungsgericht gab der Berufung der bekl Sozialversicherungsanstalt statt. Mit dem Hochklappen der Seitenbegrenzung am Bett sei keine (unzulässige) Freiheitsbeschränkung verbunden, zumal die Kl zu einem selbständigen Gehen und Stehen nicht mehr in der Lage sei.

Der OGH erachtete die ordentliche Revision mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung als nicht zulässig.

Thema des Verfahrens vor dem OGH war ausschließlich die Frage, ob die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson während des Tages und der Nacht mit Blick auf die Wahrscheinlichkeit einer Eigen- oder Fremdgefährdung der Kl erforderlich ist. Das Heimaufenthaltsgesetz (HeimAufG) regelt (nur) die Voraussetzungen und die Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen in den in § 2 Abs 1 leg cit genannten Heimen und Einrichtungen und findet damit bei häuslicher Pflege keine Anwendung. Davon abgesehen liegt nach gesicherter Rsp nur dann eine Freiheitsbeschränkung vor, wenn die betreute oder gepflegte Person noch über die Möglichkeit zur willkürlichen körperlichen Fortbewegung verfügt. Der Anlassfall ist aber gerade davon geprägt, dass die Kl zu einem selbständigen Gehen oder Stehen nicht mehr in der Lage ist. Im Übrigen hat der OGH in vergleichbaren Konstellationen die Verwendung eines niedrigen Steckgitters, das der hier vorliegenden Seitenbegrenzung entspricht, als zulässige Maßnahme qualifiziert, um eine geistig verwirrte, mobilitätsbehinderte Person am Verlassen des Bettes zu hindern und deren Sturzgefahr hintanzuhalten. Auch die Aufsichtsperson hat weitestgehend keine andere Möglichkeit, die Kl am Verlassen des Bettes zu hindern, als durch entsprechende körperliche Eingriffe dafür zu sorgen, dass sie im Bett liegen bleibt. Dasselbe Ergebnis wird aber mit einem niedrigen Steckgitter erreicht.