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Unverhältnismäßiger Eingriff in Pensionsrechte durch neuen Pensionskassen-Kollektivvertrag? – Feststellungsinteresse nach § 54 Abs 1 ASGG setzt erworbene Anwartschaftsrechte voraus

MARTINA CHLESTIL
§ 72 Abs 1 Z 2,
§ 17 Abs 1 DO.B

Die Bekl ist ein österreichischer Sozialversicherungsträger. Auf die Dienstverhältnisse der bei der Bekl angestellten Ärztinnen und Ärzte ist die Dienstordnung B für die Ärzte und Dentisten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.B) anzuwenden. Bis 31.12.2003 enthielt das Pensionsrecht der DO.B (Abschnitt IV, §§ 71-94a) eine direkte Leistungszusage an die DN. Der Anspruch auf Pensionsleistungen setzte (ua) die Erfüllung einer zehnjährigen Wartezeit voraus (§ 72 Abs 1 Z 2, § 17 Abs 1 DO.B).

Am 1.1.2004 trat der KollV Pensionskassen (KV-PK) in Kraft. Er gilt nach Ablauf der Wartefrist (§ 6 Abs 4 lit f KV-PK) für alle DN von österreichischen Sozialversicherungsträgern, die zuletzt nach dem 31.12.1995 in ein Dienstverhältnis zu einem Sozialversicherungsträger eingetreten sind und nach dem 30.6.2004 in 348 einem aufrechten Dienstverhältnis zu einem Sozialversicherungsträger stehen. Er regelt die Errichtung einer betrieblichen Pensionskasse (Sozialversicherungspensionskasse AG) und die Einbeziehung der von seinem persönlichen Geltungsbereich erfassten DN in die Pensionskasse. Korrespondierend sieht die DO.B seit 1.7.2004 vor (zunächst in § 70a, seit 1.1.2011 in § 70a Abs 1), dass ihre pensionsrechtlichen Bestimmungen nur auf jene Ärztinnen und Ärzte Anwendung finden, die zuletzt vor dem 1.1.1996 in den Dienst eines österreichischen Sozialversicherungsträgers eingetreten sind.

Am 21.7.2004 richtete die bekl AG ein Schreiben an die vom persönlichen Geltungsbereich des KV-PK erfassten DN. Es lautete auszugsweise wie folgt:

„Mit Inkrafttreten des Pensionskassenkollektivvertrages (KV-PK) werden alle Dienstnehmer, die zuletzt nach dem 31.12.1995 in den Dienst der [Bekl] eingetreten sind und nach dem 30. Juni 2004 in einem aufrechten Dienstverhältnis zur [Bekl] stehen, hinsichtlich der in den Dienstordnungen festgeschriebenen Dienstordnungs-Pensionsleistung in eine Pensionskasse übergeführt. Hierfür wird eine betriebliche Pensionskasse, die Sozialversicherungspensionskasse AG, vom Hauptverband geschaffen. Das bedeutet, dass nicht mehr die [Bekl] eine DO-Pension ausbezahlt, sondern die Pensionskasse nach Maßgabe des für Sie (DG-Beitrag) und von Ihnen (DN-Beitrag) einbezahlten Kapitals Vorsorgeleistungen erbringt.“

Der kl Angestellten-BR begehrte die Feststellung nach § 54 Abs 1 ASGG, dass auch die von ihm vertretenen (mindestens drei) Ärztinnen und Ärzte, deren Dienstverhältnisse zur Bekl zwischen 1.1.1996 und 31.12.2003 begonnen hätten, einen Anspruch auf eine Pension aus der in der DO.B geregelten direkten Leistungszusage abzüglich der Pensionskassenleistung hätten; hilfsweise einen Anspruch auf die Leistung eines Nachschusses an die Pensionskasse, der diese in die Lage versetze, ihnen eine Pension in der Höhe der in der DO.B geregelten direkten Leistungszusage zu leisten; und hilfsweise einen Anspruch auf eine individuelle Ausgleichszahlung in einer Höhe, die sicherstelle, dass die Differenz zwischen der hypothetischen Leistung aus der in der DO.B geregelten direkten Leistungszusage und der Pensionskassenleistung 15 % nicht übersteige. Der KV-PK greife unsachlich und unverhältnismäßig in die Rechte der vom Klagebegehren umfassten DN aus der in der DO.B geregelten direkten Leistungszusage ein und sei daher in diesem Umfang nichtig. Das erste Eventualbegehren gründe auf das Schreiben vom 21.7.2004, das als Zusage einer Pension in der Höhe der in der DO.B geregelten direkten Leistungszusage durch eine neue Pensionsschuldnerin – die Pensionskasse – auszulegen sei. Das zweite Eventualbegehren beruhe auf der Rsp des VfGH, dass Pensionskürzungen von DN infolge der kollektivvertraglichen Einbeziehung in eine Pensionskasse 15 % nicht übersteigen dürften.

Die Bekl beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete, dass die vom Klagebegehren umfassten DN im Zeitpunkt des Inkrafttretens des KV-PK mangels Ablaufs der in der DO.B geregelten zehnjährigen Wartezeit keine geschützte Rechtsposition gehabt hätten, in die der KV-PK unsachlich und unverhältnismäßig eingreifen hätte können. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Der OGH schloss sich den Vorinstanzen an und führte ergänzend aus:

Nach der stRsp des OGH entsteht eine Anwartschaft des AN auf eine Betriebspension aufgrund einer direkten Leistungszusage des AG erst mit dem Ablauf der Wartezeit (vgl OGH 7.7.2004, 9 ObA 27/04t: „mangels des Ablaufs der zulässig gewillkürten Wartefrist konnte daher ein Anwartschaftsrecht des Klägers nicht entstehen“; OGH 26.1.2010, 9 ObA 123/09t: „erst nach Ablauf der Wartezeit kann aber von einem Rechtsanspruch auf Anwartschaft gesprochen werden“; OGH 29.4.2021, 9 ObA 57/20b, Rz 26: „nach Ablauf der Wartezeit kann von einem Rechtsanspruch auf Anwartschaft gesprochen werden“; ua). Das Urteil des Berufungsgerichts steht im Einklang mit dieser Rsp.

Der kl BR will dem weiterhin entgegenhalten, dass der KV-PK unsachlich und unverhältnismäßig in die pensionsrechtlichen Rechtspositionen der vom Klagebegehren umfassten DN eingegriffen habe. Seine Argumentation beruht laut OGH aber durchwegs auf der Annahme, dass schon vor dem Ablauf der zehnjährigen Wartezeit (§ 72 Abs 1 Z 2, § 17 Abs 1 DO.B) Anwartschaften der DN auf Pensionsleistungen gem der in der DO.B geregelten direkten Leistungszusage entstanden seien. Diese Annahme widerspricht der dargelegten Rsp. Da der kl BR seine Annahme auch nicht näher begründet, besteht für den OGH kein Anlass für die Überprüfung der Rsp.

Das weitere Argument des kl BR, dass der KV-PK dem Art V Abs 2 BPG (Übergangs- und Schlussbestimmungen) widerspreche und daher nichtig sei, hat der OGH bereits in einem eine Auslagerungs-BV betreffenden Fall mit ausführlicher Begründung widerlegt (OGH 29.11.2016, 9 ObA 134/16w, Pkt 3.). Auch ist die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die Bekl den vom Klagebegehren umfassten DN mit dem Schreiben vom 21.7.2004 keine Pensionsleistung in einer bestimmten Höhe zugesagt habe, vertretbar und bedarf gerade vor dem Hintergrund des darin enthaltenen Satzes „Das bedeutet, dass nicht mehr die [Bekl] eine DO-Pension ausbezahlt, sondern die Pensionskasse nach Maßgabe des für Sie (DG-Beitrag) und von Ihnen (DN-Beitrag) einbezahlten Kapitals Vorsorgeleistungen erbringt.“ keiner Korrektur.

Mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung war die ao Revision des kl Angestellten-BR daher zurückzuweisen. 349