159Rückforderung der Notstandshilfe wegen Verschweigens des Bezugs einer Witwenpension – bloße Mitteilung über das Ableben des Ehegatten an das AMS ist nicht ausreichend
Rückforderung der Notstandshilfe wegen Verschweigens des Bezugs einer Witwenpension – bloße Mitteilung über das Ableben des Ehegatten an das AMS ist nicht ausreichend
Die Revisionswerberin war im Bezug von Notstandshilfe, als ihr Ehemann am 18.5.2024 plötzlich verstarb. Das Ableben des Ehegatten teilte sie umgehend ihrer AMS-Betreuerin mit. Mit Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom 16.6.2024 wurde sie darüber informiert, dass sie für die Zeit ab 369 19.5.2024 eine Witwenpension in Höhe von monatlich € 2.177,- netto erhalten wird. Diese Information hat sie nicht an das Arbeitsmarktservice (AMS) weitergeleitet.
Mit Bescheid vom 5.2.2025 wurde die Notstandshilfe für den Zeitraum vom Juli bis Dezember 2024 widerrufen und die Revisionswerberin zur Rückzahlung von € 6.397,87 verpflichtet. Die Witwenpension sei auf die Notstandshilfe anzurechnen. Die Revisionswerberin sei nach § 50 AlVG verpflichtet gewesen, dem AMS den Bezug der Witwenpension zu melden, was sie unterlassen habe. Damit sei der zweite Rückforderungstatbestand nach § 25 Abs 1 erster Satz AlVG („Verschweigung maßgebender Tatsachen“) erfüllt.
Die dagegen eingebrachte Beschwerde war nicht erfolgreich. Das BVwG bestätigte die Ansicht des AMS und ergänzte, dass es nicht darauf ankomme, ob die Revisionswerberin zuvor das Ableben ihres Ehegatten gegenüber ihrer AMS-Betreuerin erwähnt habe bzw das AMS daher den Bezug der Witwenpension selbst hätte feststellen können. Ein allfälliges Mitverschulden der Behörde sei nämlich nicht maßgeblich. Auch sei nicht relevant, aus welchen Motiven die Meldung unterlassen wurde. Die ordentliche Revision wurde ausgeschlossen.
In ihrer ao Revision brachte die Revisionswerberin vor, dass die Rückforderung gem § 25 AlVG Abs 1 erster Satz AlVG vorsätzliches Handeln erfordern würde. Das BVwG hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, um zu prüfen, ob Vorsatz vorliegt. Die Revisionswerberin hätte sich nach dem Tod ihres Ehemannes in einer Ausnahmesituation befunden. Die dadurch verursachte Unterlassung der Meldung des Pensionsbezuges sei eine Unachtsamkeit gewesen, nicht aber als vorsätzlich zu qualifizieren. Im Übrigen hätte berücksichtigt werden müssen, dass sie ihrer AMS-Betreuerin zwar nicht den Pensionsbezug, aber doch zumindest den Tod ihres Ehemannes mitgeteilt habe. Das AMS hätte den Bezug einer Witwenpension selbst ermitteln können bzw die Revisionswerberin auf die Übermittlung eines Pensionsbescheides hinweisen müssen.
Nach Ansicht des VwGH war der Sachverhalt so weit unstrittig, dass eine mündliche Erörterung nicht erforderlich war.
Inhaltlich kommt das Höchstgericht zum Ergebnis, dass der Rückforderungstatbestand „Verschweigung maßgebender Tatsachen“ erfüllt ist. Der Zweck des § 50 Abs 1 AlVG ist es, die Behörde in die Lage zu versetzen, jede Änderung in den Verhältnissen des Arbeitslosen, die zu einer Änderung des Leistungsanspruches führen könnte, daraufhin zu prüfen, ob die Leistung einzustellen oder zu ändern ist. Die Verletzung der Meldepflicht des § 50 Abs 1 AlVG rechtfertigt in der Regel die Annahme einer Verschweigung maßgebender Tatsachen iSd § 25 Abs 1 AlVG und somit die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen. Es trifft zwar zu, dass die Erfüllung des Rückforderungstatbestandes der Herbeiführung des Bezugs durch Verschweigung maßgebender Tatsachen das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes voraussetzt. Der VwGH hat aber klargestellt, dass sich der Vorsatz nur auf die Verletzung der Meldepflicht und nicht auch darauf beziehen muss, dass das AMS tatsächlich keine Kenntnis von den meldepflichtigen Tatsachen erlangt, wobei es ausreicht, dass die Meldepflichtverletzung billigend in Kauf genommen wird.
Im vorliegenden Fall war nicht strittig, dass die Revisionswerberin darüber in Kenntnis war, dass der Bezug einer Witwenpension eine iSd § 50 Abs 1 AlVG zu meldende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist. Die Revisionswerberin hat im Beschwerdeverfahren auch nicht behauptet, dass Umstände vorgelegen wären, die eine solche Meldung tatsächlich verunmöglicht hätten. Davon ausgehend waren die Voraussetzungen des Rückforderungstatbestandes der Herbeiführung des Bezugs durch Verschweigung maßgebender Tatsachen nach § 25 Abs 1 AlVG erfüllt. Dass die Revisionswerberin der Meldung an das AMS im Zuge der Trauer um ihren Ehegatten allenfalls eine geringere Priorität eingeräumt hat, ist nicht von Bedeutung. Den insoweit in der Sphäre der meldepflichtigen Person liegenden Motiven bzw Gründen, aus denen die Meldung unterblieben ist, kommt keine Relevanz zu. Ebenso ist für die Erfüllung des Rückforderungstatbestandes der Verschweigung maßgebender Tatsachen iSd § 25 Abs 1 AlVG nicht von Bedeutung, ob das AMS aufgrund einer Mitteilung der Revisionswerberin gegenüber ihrer Betreuerin über das Ableben ihres Ehegatten selbst den Bezug einer Witwenpension durch die Revisionswerberin hätte ermitteln können. Werden maßgebende Tatsachen gem § 25 Abs 1 erster Satz AlVG verschwiegen, so kommt es nicht darauf an, dass ein die Leistung aus der AlV beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder vom AMS leicht hätte festgestellt werden können, so wie überhaupt ein „Mitverschulden“ der Behörde am Überbezug im Falle des Verschweigens von maßgebenden Tatsachen oder unwahrer Angaben ohne Belang ist.
Die Revision wurde daher mangels Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG zurückgewiesen. 370