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Ehrverletzende Formulierungen in Schriftsatz berechtigten zur Entlassung

RICHARD HALWAX

Die Kl war beim bekl Gemeindeverband, dem der Betrieb des Allgemeinen öffentlichen Bezirkskrankenhauses * (kurz: BKH) obliegt, als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin beschäftigt. In einem anderen Verfahren gegen den Bekl verwendete die Kl in einem Schriftsatz – bezogen auf das Verhalten von Vorgesetzten – Formulierungen und Begriffe wie „psychische Folter“, „unmenschliche Behandlung“, „Erniedrigung“, „Peiniger“, „Grausamkeit“ und erwähnte in diesem Zusammenhang menschenrechtswidrige Diktaturen und das Ende des 2. Weltkrieges. Mit Schreiben vom 19.10.2020 sprach der Bekl daher die Auflösung des Dienstverhältnisses zur Kl mit sofortiger Wirkung aus. 366

Die Kl begehrte die Feststellung des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses. Gegen das Urteil des OLG Innsbruck als Berufungsgericht vom 27.8.2024 erhob die Kl ao Revision an den OGH. Der OGH wies die ao Revision mangels Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück.

Neue Argumente für eine Vorlage zeigt die Revision nicht auf.

Die Entlassung der Kl erfolgte nach § 34 Abs 2 lit b VBG 1948, dem Tatbestand der erheblichen Ehrverletzung. „Ehrverletzungen“ sind alle Handlungen (insb Äußerungen), die geeignet sind, das Ansehen und die soziale Wertschätzung des Betroffenen durch Geringschätzung, Vorwurf einer niedrigen Gesinnung, üble Nachrede, Verspottung oder Beschimpfung herabzusetzen und auf diese Weise das Ehrgefühl des Betroffenen zu verletzen. Nicht notwendig ist, dass die Ehrverletzung öffentlich erfolgt und gerichtlich strafbar ist. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als erhebliche Ehrverletzung und damit als Entlassungsgrund zu qualifizieren ist, kommt es darauf an, ob die Äußerung des AN objektiv geeignet ist, ehrverletzend zu wirken und ob sie im konkreten Fall diese Wirkung auch erreicht hat.

Erhebliche Ehrverletzungen verlieren den Charakter eines Entlassungsgrundes, wenn die Begleitumstände des Falls, wie etwa die Erregung über das vorausgegangene Verhalten des Beleidigten oder die Verteidigung gegen einen vermeintlich ungerechtfertigten Standpunkt, die Beleidigung im Einzelfall als noch entschuldbar und die Weiterbeschäftigung des betreffenden AN als noch nicht unzumutbar erscheinen lassen.

Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass die von der Kl in einem anderen Verfahren gegen den Bekl in einem Schriftsatz – bezogen auf das Verhalten von Vorgesetzten – verwendeten Formulierungen und Begriffe „psychische Folter“, „unmenschliche Behandlung“, „Erniedrigung“, „Peiniger“, „Grausamkeit“ und die Erwähnung von menschenrechtswidrigen Diktaturen und dem Ende des 2. Weltkrieges diesen Tatbestand erfüllen.

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die Kl zwar einerseits von der inhaltlichen Richtigkeit dieses Vorbringens überzeugt war, zugleich aber den Inhalt und die Wortwahl dieses Vorbringens und die darin verwendeten Formulierungen bewusst auch deshalb gewählt und verwendet hat, um den Bekl sowie bestimmte Vorgesetzte zu provozieren, persönlich anzugreifen, zu verunglimpfen und in fachlicher und persönlicher Sicht gegenüber anderen Personen herabzuwürdigen.

Die Revision tritt dem im Wesentlichen mit dem Argument entgegen, dass ausgehend von den Gesamtumständen diese Formulierungen gerechtfertigt, jedenfalls aber entschuldbar seien. Sie habe im auf Bossing gestützten Verfahren einen Verstoß gegen Art 3 EMRK geltend gemacht, weshalb sie das Fehlverhalten der Vorgesetzten aufzeigen habe müssen, nämlich dass sie sich einer erniedrigenden und menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt fühle. Dies habe auch der subjektiven Wahrnehmung der Kl entsprochen.

Bereits das Berufungsgericht hat darauf verwiesen, dass dessen ungeachtet die Verwendung dieser Formulierungen die Grenzen des zulässigen Vorbringens zur Verfolgung des Rechtsstandpunkts sprengen, dass weiters der Bekl in zeitlichem Zusammenhang keine Handlungen oder Äußerungen vorgenommen habe, die auch nur Anlass für diese Formulieren hätten bilden können und sich aus dem Sachverhalt zwar allenfalls Unzulänglichkeiten auf Seiten des Bekl ableiten ließen, aber kein wie immer geartetes Verhalten, dass diese Vorwürfe rechtfertigen könne.

Der Revision gelingt es nicht, eine Unrichtigkeit dieser Rechtsauffassung aufzuzeigen.

Dass in einem gerichtlichen Verfahren die Parteien gehalten sind, ihren Standpunkt in einer sachlichen, nicht beleidigenden, diffamierenden oder herabwürdigenden Weise vorzutragen, verletzt – entgegen der Auffassung der Revision – auch nicht das Recht auf ein faires Verfahren. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall.

Für die Beurteilung der Berechtigung der Entlassung hat es keinen Einfluss, dass das Gericht im Verfahren, in dem der Schriftsatz eingebracht wurde, diesen nicht zum Anlass für eine Vorgangsweise nach §§ 86, 86a ZPO genommen hat, ebenso wenig der Umstand, dass die von der Kl verwendeten Formulierungen nicht zum Gegenstand einer Privatanklage gemacht wurden.

Die Gründe für die vorzeitige Auflösung eines Dienstverhältnisses sind bei sonstiger Verwirkung des Entlassungsrechts unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, geltend zu machen. Der DG darf mit der Ausübung seines Entlassungsrechts nicht wider Treu und Glauben so lange warten, dass der DN aus diesem Zögern auf einen Verzicht auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe schließen muss. Der DN, dem ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen wird, soll darüber hinaus nicht ungebührlich lange über sein weiteres dienstrechtliches Schicksal im Unklaren gelassen werden.

Bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Entlassung durch juristische Personen ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Willensbildung in der Regel umständlicher ist als bei physischen Personen. Dadurch bedingte Verzögerungen sind daher anzuerkennen. Dies gilt auch für Fälle, in denen ein Kollegialorgan einzuberufen und zu informieren 367 ist. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass – auch im Hinblick auf die von der Kl selbst geforderte rechtzeitige Information und Vorbereitungszeit der übrigen Mitglieder der kollegialen Führung und der erforderlichen Vorbereitungszeit – kein Verzicht auf die Geltendmachung des Entlassungsgrundes anzunehmen ist, war laut OGH nicht zu beanstanden.