155Gemeinnütziger Studentenheimbetreiber unterliegt nicht dem Geltungsbereich der Satzung zum SWÖ-Kollektivvertrag
Gemeinnütziger Studentenheimbetreiber unterliegt nicht dem Geltungsbereich der Satzung zum SWÖ-Kollektivvertrag
Die Kl ist seit 1.2.2001 bei der Bekl als Reinigungskraft beschäftigt. Als gemeinnützige Vereinigung betreibt die Bekl Studentenheime mit dem Ziel, Studierenden durch wirtschaftliche Förderung das Studium zu erleichtern und ihre wirtschaftlichen Interessen zu vertreten. Insb Studierende aus Familien mit niedrigem Einkommen sollen ohne Unterschied ihrer konfessionellen und nationalen Zugehörigkeiten durch das Angebot von Studentenheimplätzen zu günstigen Preisen gefördert werden.
Die Kl begehrte unter Berufung auf den KollV der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ-KV) 4.387,29 € sA an zusätzlichen Entgelten für den Zeitraum von November 2020 bis März 2024. Der Bekl wandte dagegen ein, dass der SWÖ-KV nicht anwendbar sei.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
Der OGH sah die dagegen erhobene ao Revision der Bekl zwar als zulässig, aber nicht als berechtigt. Er begründete dies damit, dass die Bekl nicht Mitglied des Vereins Sozialwirtschaft Österreich ist und damit eine unmittelbare Anwendung des SWÖ-KV nicht in Betracht kommt. Wohl aber kann das Bundeseinigungsamt nach § 18 ArbVG einem KollV durch Erklärung zur Satzung auch außerhalb seines räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereiches rechtsverbindliche Wirkung zuerkennen, wenn die von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse im Verhältnis zu jenen, die dem KollV unterliegen, im Wesentlichen gleichartig sind. Dementsprechend wurde der SWÖ-KV mit den Verordnungen BGBl II 2020/271, 2021/92, 2022/68, 2023/8 und 2024/25 zur Satzung erklärt, wobei der jeweilige § 1 dieser Verordnungen unter der Überschrift „Geltungsbereich der Satzung“ lautet:
„a) Fachlich: für Anbieter sozialer oder gesundheitlicher Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitativer Art für Personen, die entsprechender Hilfe oder Betreuung bedürfen, mit folgenden Ausnahmen:
öffentlich-rechtliche Einrichtungen
Heilbade-, Kur- und Krankenanstalten
Rettungs- und Sanitätsdienste
Privatkindergärten, -kinderkrippen und -horte (Privatkindertagesheime)
selbst organisierte bzw. elternverwaltete Kindergruppen
Einrichtungen der Kinderbetreuung durch Tagesmütter(-väter).“
Dem Vorbringen der Kl, wonach die Bekl in den fachlichen Anwendungsbereich der Satzung falle, weil sie „soziale Dienste betreuender Art“ anbiete und Studierende „betreue“, weil sie den Studierenden nicht nur Wohnraum zur Verfügung stelle, sondern nach ihren Stauten auch „direkte Unterstützungen“ gewähre, wurde nicht gefolgt. 364
Die Auslegung der Satzungserklärung als Verordnung erfolgt nach §§ 6, 7 ABGB. Ausgangspunkt ist daher die Wortinterpretation. Dabei ist nach dem Wortsinn der Norm und innerhalb des durch den äußerst möglichen Wortsinn abgesteckten Rahmens nach der Bedeutung eines Ausdrucks im allgemeinen Sprachgebrauch oder dem des Gesetzgebers und in seinem Zusammenhang innerhalb der Regelung zu fragen. Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass der Begriff „betreuen“ iS von „in seine Obhut nehmen“ oder „für jemanden sorgen“ verstanden wird. Da der Begriff „betreuen“ damit stets die Übernahme einer Verantwortung impliziert, fallen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch weder das bloße Zurverfügungstellen von Wohnraum noch sonstige – rein finanzielle – Unterstützungen unter diesen Begriff.
Auch aus der vorgebrachten Rz 73 der Vereinsrichtlinien des Bundesministeriums für Finanzen auf „die Betreuung von Studenten zB im Wege des Unterhaltens von Studentenheimen“ ist für die Kl nichts gewonnen, weil es sich um eine vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Formulierung handelt. So besteht nach § 3 Abs 1 Studentenheimgesetz die Verpflichtung eines Studentenheimbetreibers auch nur darin, dass er Heimplätze für Studierende zur Verfügung stellt. Eine hinzutretende Betreuung der Studierenden ist – anders als beispielsweise in den in § 27b KSchG genannten Heimverträgen – nicht vorgesehen. Soweit der Gesetzgeber überhaupt von der Betreuung Studierender spricht (§ 155 Abs 1 BDG; § 49b Abs 1 VBG), betrifft dies ihre hier nicht interessierende fachliche Betreuung durch Universitätslehrer.
Dass die Bekl als gemeinnütziger Studentenheimbetreiber iSd § 3 Abs 2 Studentenheimgesetz „soziale Dienste“ erbringt, bedeutet noch nicht, dass sie auch dem SWÖ-KV unterliegen würde, weil für die Anwendung dieses KollV darüber hinaus erforderlich ist, dass es sich um Dienste „betreuender Art“ handelt, was auf die von der Bekl angebotenen Leistungen nicht zutrifft. Soweit die Bekl vorbringt, dass Mietgegenstände in Studentenheimen nach § 1 Abs 2 Z 1 MRG vom Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes ausgenommen sind, ist ihr entgegenzuhalten, dass nicht ersichtlich ist, welche Bedeutung dies für die Frage haben könnte, welchem KollV die vom Betreiber eines Studentenheims abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse unterliegen.
Der Betrieb eines Studentenheims ist damit kein „sozialer Dienst präventiver, betreuender oder rehabilitativer Art“, sodass das Arbeitsverhältnis der Kl nicht dem SWÖ-KV unterliegt. Die Entscheidungen der Vorinstanzen wurden daher bestätigt.