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Keine Ex-lege-Beendigung bei bedingter Nachsicht einer strafrechtlichen Verurteilung

RICHARD HALWAX
§ 41 Abs 1 Z 5 Wr VBO 1995;

Der Kl war seit * 2012 als Vertragsbediensteter der Stadt Wien beschäftigt. Auf das vorliegende Dienstverhältnis ist das Gesetz über das Dienstrecht der Vertragsbediensteten der Gemeinde Wien (Vertragsbedienstetenordnung 1995 [VBO]) anwendbar.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28.3.2023 wurde der Kl wegen Verbrechen nach § 3g (aF) Verbotsgesetz 1947 in mehreren Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt. Diese wurde gem § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Weiters wurde gem § 44 Abs 2 StGB die Rechtsfolge der Auflösung des Dienstverhältnisses „gemäß § 34 Abs 3 VBG 1995“ unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren ebenfalls bedingt nachgesehen.

Die Bekl teilte dem Kl mit Schreiben vom 26.4.2023 mit, dass das Dienstverhältnis aufgrund dieser rechtskräftigen Verurteilung gem § 46 Z 1 VBO als beendet gelte.

Der Kl begehrte zuletzt die Feststellung, dass das zwischen ihm und der Bekl bestehende Dienstverhältnis aufrecht sei und ununterbrochen bestehe; in eventu begehrte er, dass die erklärte Beendigung, in eventu vorzeitige Auflösung des zwischen den Parteien bestehenden Dienstverhältnisses für rechtsunwirksam erklärt werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte rechtlich dazu aus, dass die Bekl dem Kl den Ausspruch der Beendigung des Dienstverhältnisses am 26.4.2023 zur Kenntnis gebracht habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und änderte das Urteil dahingehend ab, dass festgestellt wurde, dass das Dienstverhältnis des Kl zur Bekl aufrecht sei und über den 26.4.2023 hinaus ununterbrochen bestehe.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil keine oberstgerichtliche Rspr zur Frage vorliege, ob trotz vom Strafgericht ausgesprochener (bedingter) Nachsicht der Rechtsfolge der Auflösung eines Dienstverhältnisses gem § 41 Abs 1 Z 5 VBO 1995 dieses dennoch durch gerichtliche Verurteilung ex lege ende.

Die Revision ist laut OGH zulässig, allerdings nicht berechtigt.

Gem §§ 41 Abs 1 Z 5, 46 Z 1 VBO 1995 endet das Dienstverhältnis des Vertragsbediensteten unter anderem durch Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen, wenn die verhängte Freiheitsstrafe ein Jahr übersteigt. Die Beendigung des Dienstverhältnisses erfolgt somit ex lege.

Gem § 44 Abs 2 StGB können Nebenstrafen und Rechtsfolgen einer Verurteilung unabhängig von der Hauptstrafe bedingt nachgesehen werden. Als „Rechtsfolgen“ iS dieser Bestimmung sind dabei nicht sämtliche Nebenfolgen, sondern nur jene Folgen einer strafgerichtlichen Verurteilung zu verstehen, die insoweit unabhängig vom Willen des Gerichts unmittelbar kraft Gesetzes eintreten, als hierbei nur die Entscheidung über deren bedingte Nachsicht dem richterlichen Ermessen unterliegt.

§ 27 Abs 2 StGB bestimmt, dass, wenn eine strafgerichtliche Verurteilung nach einem Bundesgesetz eine andere als die im § 27 Abs 1 StGB genannte Rechtsfolge (Amtsverlust eines Beamten) nach sich zieht, die Rechtsfolge, wenn nichts anderes bestimmt ist, soweit sie nicht im Verlust besonderer auf Wahl, Verleihung oder Ernennung beruhender Rechte besteht, nach fünf Jahren endet. Eine derartige Einschränkung auf Rechtsfolgen nach einem Bundesgesetz enthält § 44 Abs 2 StGB nicht.

Ob aufgrund der Einschränkung des § 27 Abs 2 StGB hinsichtlich des (zeitlichen) Erlöschens von Rechtsfolgen auf solche nach einem Bundesgesetz auch eine Einschränkung hinsichtlich der bedingten Nachsicht von Rechtsfolgen auf solche nach einem Bundesgesetz für § 44 Abs 2 StGB abzuleiten sei, wie dies die Revision meint, muss hier laut OGH aber schon deshalb nicht beantwortet werden, weil das Zivilgericht an den Spruch des verurteilenden strafgerichtlichen Erkenntnisses gebunden ist.

Demnach sah das Strafgericht die Rechtsfolge der Auflösung des Dienstverhältnisses „gemäß § 34 Abs 3 VBG“ unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach. Zwar unterliegt das Dienstverhältnis des Kl nicht dem VBG, sondern der VBO, es ergibt sich aber eindeutig aus dem Spruch und dem in seiner Gesamtheit zu beurteilenden rechtskräftigen Urteil der Entscheidungswille des Strafgerichts, nämlich dem Kl die Rechtsfolge des Funktionsverlustes bedingt nachzusehen.

Entgegen der Ansicht der Revision führt dies auch nicht zu einem Eingriff in die verfassungsrechtliche Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz der Länder und Gemeinden nach Art 21 Abs 1 B-VG in Angelegenheiten des Dienstrechts. Die Frage, ob eine Rechtsfolge bedingt nachgesehen wird, ist unter Berücksichtigung der Präventionsvoraussetzungen des § 43 StGB vom erkennenden Strafgericht zu treffen und unterliegt der Strafrechtskompetenz des Bundes. Es steht den Ländern und Gemeinden unabhängig von der bedingten Nachsicht der Rechtsfolge nach § 44 Abs 2 StGB weiterhin im Rahmen ihrer Dienstrechtskompetenz 359 die Möglichkeit offen, (dennoch) eine Entlassung auszusprechen. Die Dienstbehörde kann schließlich auch bei einer ex lege erfolgenden Auflösung des Dienstverhältnisses entscheiden, dass der Verurteilte abermals in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis treten kann.

Zusammenfassend wurde somit vom Strafgericht – für die Zivilgerichte bindend – die Rechtsfolge der Ex-lege-Auflösung des Dienstverhältnisses des Kl bedingt nachgesehen.