KnopArbeitsrechtliche Fragen der Plattformarbeit. Abhandlungen zum deutschen und internationalen Arbeits- und Sozialrecht, Bd 23

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2024 XXV, 437 Seiten, kartoniert, € 119,90

MARTIN GRUBER-RISAK (WIEN)

Die vorliegende Publikation lässt sich in die mittlerweile doch beachtlich angewachsene Anzahl an Dissertationen im deutschsprachigen Raum einreihen, die das Phänomen der Plattformarbeit aus (arbeits-)rechtlicher Perspektive behandeln (dazu zuletzt Gruber-Risak, Rezension zu Söller, Plattformarbeit, DRdA 2025, 165). Diese Arbeit wurde an der Universität Bonn im WS 2023/24 angenommen und am 4.3.2024 verteidigt. Dieses konkrete Datum ist insofern von Interesse, als am 11.3.2024 die RL (EU) 2024/2831 zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit (idF kurz PlattformarbeitsRL) beschlossen wurde (dazu Gruber-Risak/Warter, Die EU-Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit, DRdA 2024, 266). Die offizielle Veröffentlichung des Richtlinientextes erfolgte dann freilich erst im Oktober 2024 im ABl der EU. Diese Zeitleiste zeigt gut die Dynamik dieses Rechtsgebietes und stellt Dissertant:innen vor gar nicht so leicht zu bewältigende Herausforderungen im Hinblick auf das bewegliche Ziel ihrer Forschungen. Im gegebenen Zusammenhang stellt sich insb die Frage, wie eine neue unionsrechtliche Rechtsgrundlage angemessen berücksichtigt wurde, nachdem das Thema mehrere Jahre vor allem aus nationaler Perspektive beforscht wurde. Der Verfasser der vorliegenden Arbeit hat den naheliegenden Weg gewählt und die PlattformarbeitsRL gegen Ende der Arbeit eingebaut. Die Auseinandersetzung findet sich so in seinem Endkapitel (§ 11) zum Regelungsbedarf und den Lösungsvorschlägen de lege ferenda. Das überzeugt freilich nur bedingt, als es sich bei einer RL ja nicht um einen Lösungsvorschlag handelt, sondern um eine rechtliche Regelung, die eigentlich im Hauptteil bei den konkreten Rechtsfragen zu behandeln wäre. Nachvollziehbar ist es dennoch, dass man nach der Defensio die Dissertation für die Publikation nicht noch einmal substanziell umschreiben möchte. Inhaltlich steht Knop der Plattformarbeits-RL dabei durchaus kritisch gegenüber (S 399): „Die meisten Regelungen begegnen jedoch – teilweise nicht unerheblichen – Bedenken. Die Vermutungsregelung als Herzstück der jeweiligen Entwürfe ist in keiner der vorgeschlagenen Fassungen wirklich brauchbar.“

Die Arbeit selbst ist in erster Linie dogmatischjuristisch und beschränkt dankenswerterweise die allgemeinen Ausführungen zur Plattformarbeit auf das für einen Einstieg in das Thema Notwendige, um dann über rund 350 Seiten die mit dieser Arbeitsform im Zusammenhang stehenden Rechtsfragen zu behandeln. Diese gehen übrigens – entgegen dem Titel nun doch etwas überraschend – über das Arbeitsrecht hinaus und umfassen auch das Sozialversicherungsrecht (§ 9, S 252-302); nicht weitergehend behandelt sind hingegen andere arbeitsrechtliche Fragen, wie zB die des algorithmischen Managements und des Gleichbehandlungsrechts. Inhaltlich bietet die Arbeit für österreichische Leser:innen viel Bekanntes, da im Wesentlichen die Problembereiche behandelt werden, die für Österreich bereits in der 2016 veröffentlichten Dissertation von Warter (Crowdwork) bearbeitet wurden, wie insb die Frage der Einordnung der Vertragsverhältnisse sowie die Anwendung der Bestimmungen zur Heimarbeit und betreffend die arbeitnehmer:innenähnlichen Personen. Zitiert wird diese Arbeit jedoch nicht, wie überhaupt kaum rechtsvergleichend gearbeitet wird. Dies erfolgt nur selektiv; so wird der Aufsatz des Rezensenten in ZAS 2015, 11, im Literaturverzeichnis angeführt, weitere Bezugnahmen auf die österreichische Diskussion erfolgen jedoch nicht, wie insb eine Auseinandersetzung mit Lutz/Risak, Arbeit in der Gig-Economy (2017), wo über diesen älteren Aufsatz weit hinausgegangen wird.

Damit gliedert sich diese Arbeit in die Vielzahl der Dissertationen ein, die im rein deutschen Kontext verbleiben und wenig über den nationalen Tellerrand hinausblicken. So fällt generell auf, dass in arbeitsrechtlichen Dissertationen in Österreich und Deutschland in sehr unterschiedlicher Weise rechtsvergleichend gearbeitet wird. Während es in Österreich für eine gute bis sehr gute Arbeit essenziell ist, sich mit dem deutschen Meinungsstand auseinander zu setzen, so ist das in Deutschland nur selten der Fall. Gerade das Beispiel der arbeitsrechtlichen Dissertationen über Plattformarbeit zeigt, dass in Österreich eine wissenschaftliche Befassung mit diesem Thema schon viel früher eingesetzt hat und eine Bezugnahme mit dieser daher überaus fruchtbar sein könnte. Derzeit ist das aber in rechtsvergleichernder Hinsicht eher eine Einbahnstraße von Österreich nach Deutschland.

Auch ein weiterer Kritikpunkt ist anzubringen: Nach dem Vorwort sollen Rsp und Literatur bis Mai 2024 berücksichtigt sein. Die bereits 2023 erschienene Arbeit von Söller zum selben Thema (dazu die Rezension in DRdA 2025, 165) scheint jedoch nicht im Literaturverzeichnis auf; auch die Kommentierung der sogenannten Crowdworker-E des BAG (1.12.2020, 9 AZR 102/20) von Gruber-Risak/Warter in AuR 2021, 329 wird nicht berücksichtigt; ebenso hat die Expertise des Rezensenten für den Dritten Gleichstellungsbericht der (deutschen) Bundesregierung „Soziale Sicherung von Plattformarbeitenden“ (https://www.bmbfsfj.bund.de/resource/blob/227384/dfc677893740f93599fa06f8-d4e136d7/gruber-risak-martin-soziale-sicherung-vonplattformarbeitenden-data.pdf, abgefragt am 31.7.2025) keinen Niederschlag gefunden. Es ist zu hoffen, dass dies die einzigen Lücken in der Aufarbeitung der in Deutschland erschienenen Literatur sind.

Die vorliegende Publikation hinterlässt somit einen durchwachsenen Eindruck: Sie bietet wieder einmal eine (kritische) Aufarbeitung des deutschen Meinungsstandes zum Stand Mai 2025 betreffend die arbeitsund sozialrechtlichen Aspekte der Plattformarbeit, stellt aber wegen der anstehenden Richtlinienumsetzung doch freilich eher eine Momentaufnahme dar. 507