Kozak/Felten/Mosler (Hrsg)Arbeits- und Sozialrecht als Haltung. Festschrift für Christoph Klein
Verlag des ÖGB, Wien 2024, 364 Seiten, gebunden, € 59,–
Kozak/Felten/Mosler (Hrsg)Arbeits- und Sozialrecht als Haltung. Festschrift für Christoph Klein
Die zu besprechende Festschrift würdigt mit Christoph Klein eine Persönlichkeit, die beginnend mit einer Tätigkeit als Assistent an der Universität Salzburg, über die Beschäftigung als Referent und Bereichsleiter in der Arbeiterkammer Wien, einer Funktionsübernahme als Generaldirektor-Stellvertreter im damaligen Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, bis hin zur Position des Direktors der Arbeiterkammer
Wien und Schriftleiters dieser Zeitschrift stark interessen- und gesellschaftspolitisch engagiert war. Darauf weist offenkundig der Titel („Haltung“) der ihm gewidmeten Festschrift hin, der damit auch zum Ausdruck bringt, dass das Arbeitsrecht und das Sozialrecht nicht nur als rein „neutrale“ Normkomplexe zu verstehen sind, da diese aufgrund ihrer entwicklungsgeschichtlichen (entstehungsideologischen) Wurzeln einen spezifischen Schutzhintergrund aufweisen, der ihre Ausgestaltung und Zielsetzung maßgeblich geprägt hat.
Die vorliegende Festschrift enthält 26 Beiträge, wovon 17 Abhandlungen dem Arbeitsrecht, 7 Beiträge dem Sozialrecht und 2 Aufsätze der Sozialpolitik zugeordnet werden können. Der Kreis der Autor:innen entstammt den Wirkungsfeldern des Geehrten und vereinigt im Wesentlichen (aktive und ehemalige) Universitätsangehörige, Richter:innen von Höchstgerichten sowie Mitarbeiter:innen von gesetzlichen Interessenvertretungen der AN und AG. Naturgemäß sind die in der Festschrift versammelten Beiträge thematisch breit gefächert. Es finden sich nämlich Beiträge, die aktuelle Trends, wie zB die Digitalisierung (dazu der Beitrag von Melzer/Melzer) oder die Themenfelder Künstliche Intelligenz (KI) (dazu die Beiträge von Felten und Goricnik) und Home-Office (dazu der Beitrag von Peyrl) aufgreifen, ebenso wie solche, die eher zeitübergreifende Fragestellungen zum Gegenstand haben (etwa die Beiträge von Cerny zu Sprache und Demokratie oder von Gahleitner zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Beendigung von Geschäftsführer:innendienstverhältnissen).
Einen gewissen Schwerpunkt stellen Abhandlungen zu arbeitszeitrechtlichen Themenstellungen dar (dazu die Beiträge von Dvorák, Gruber-Risak und Schindler), was wohl dem Interessenschwerpunkt des Geehrten als Herausgeber eines Kommentars zum Arbeitszeitgesetz (Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz7 [2021]) geschuldet sein dürfte. Aus rechtspolitischer Sicht betrachtet ist hervorhebenswert, dass mehrere Beiträge Gestaltungsvorschläge an den Gesetzgeber unterbreiten und damit wertvolle Impulse zur weiteren Rechtsentwicklung geben (etwa Auer-Mayer zur Adaption des UrlG in Bezug auf „Workations“ und dem Phänomen des tageweisen Urlaubsverbrauchs oder Niksova im Hinblick auf die mangelnde Unionsrechtskonformität von § 24 Abs 2 KBGG). Übergreifend lässt sich sagen, dass die Autor:innen die von ihnen gewählten Themenstellungen auf durchwegs hohem Niveau behandeln, sodass ein Erkenntnisgewinn durch die Lektüre der Einzelbeiträge absolut garantiert wird. Ein näherer, aus Platzgründen notwendigerweise eklektischer Blick auf einzelne Beiträge der Festschrift soll dies verdeutlichen.
Ludwig Dvorák (AK Wien) diskutiert unter dem prägnanten Titel „Leistung soll sich lohnen“ die möglichen Auswirkungen der beiden EuGH-Judikate in den Rs Lufthansa City und KfH, die sich mit der Thematik von Überstundenzuschlägen auch für Teilzeitbeschäftigte beschäftigen, auf die österreichische Rechtslage. Dvorák attestiert dabei den kontextuell relevanten Regelungen in Gestalt von § 19d Abs 3a, 3b Z 1 und 3c AZG, gegen das Unionsrecht zu verstoßen und plädiert dabei folgerichtig für eine entsprechende gesetzgeberische Neugestaltung, die die momentan bestehende Diskriminierung teilzeitbeschäftigter AN beseitigt. 504
Die Mitbestimmungsmöglichkeit des BR beim Einsatz Künstlicher Intelligenz im Bewerbungsprozess nimmt Elias Felten (Universität Salzburg) in den Blick. Ausgehend von einer Darstellung der Befugnisse des BR im Zusammenhang mit der Neueinstellung von AN konfrontiert der Autor diese mit der Situation, dass arbeitgeberseitig eine KI-gesteuerte Bewerber:innenauswahl durchgeführt wird. Dabei gelangt Felten überzeugend zum Ergebnis, dass der Tatbestand von § 96 Abs 1 Z 2 ArbVG mit den darin angesprochenen „Personalfragebögen“ weit zu interpretieren ist, sodass darunter auch Softwareprogramme zu subsumieren sind, die eingereichte Bewerbungsunterlagen im Wege von Algorithmen oder KI analysieren. Damit gelingt es Felten gleichzeitig zu zeigen, dass das ArbVG – obwohl vor über einem halben Jahrhundert in Kraft getreten – durchaus in der Lage ist, neue technologische Entwicklungen aufzunehmen und in sein Regelungskonzept zu integrieren.
Rudolf Mosler (Universität Salzburg) behandelt ebenfalls eine betriebsverfassungsrechtliche Themenstellung und analysiert in seinem Beitrag Umfang und Reichweite des Privilegierungsverbots für Betriebsratsmitglieder. Anhand von plastischen Beispielen, wie etwa die Gewährung von Sachbezügen oder günstigeren Arbeitsbedingungen, Freistellungen für gewerkschaftliche Tätigkeiten oder Essenseinladungen, macht Mosler deutlich, dass bei der Beantwortung der Frage, ob Betriebsratsmitglieder aus ihrer Funktion unberechtigterweise Vorteile für sich selbst ziehen, eine differenzierende Sichtweise geboten ist und pauschale Verdächtigungen gegenüber Betriebsratsmitgliedern daher nicht angebracht sind.
Eine in der Rechtswirklichkeit zu beobachtende Problematik bei Anfechtungsprozessen im Rahmen des Allgemeinen Kündigungsschutzes macht Wolfgang Kozak (AK Wien) zum Gegenstand seines Beitrags. AN, die als Reaktion auf eine in erster Instanz erfolgreichen Anfechtungsklage dienstfrei gestellt werden und im Instanzenzug letztlich obsiegen, sehen sich mit der durch die Anrechnungsregel von § 1155 Abs 2 HS 2 ABGB rechtlich legitimierten Situation konfrontiert, dass AG aufgrund der ausgesprochenen Dienstfreistellung jenen Betrag, den AN in der Phase der Dienstfreistellung verdient haben oder hätten können, auf das zu leistende Entgelt iSv § 1155 ABGB anrechnen können, womit aber – Kozak zufolge – der Sinn der einstweiligen Urteilswirkung von § 61 ASGG konterkariert werde, da das arbeitgeberseitige Vorgehen AN faktisch dazu zwinge, in der Phase der Dienstfreistellung eine Überbrückungsbeschäftigung zu suchen. Abhilfe gegen diese für AN missliche Rechtslage sieht Kozak in der möglichen teleologischen Reduktion von § 1155 Abs 2 HS 2 ABGB, für welche Kozak in den Wirkungen des Unionsrechts und den neuen Erkenntnissen zum Recht auf Beschäftigung eine taugliche Grundlage identifiziert.
Speziell das Recht auf Beschäftigung wird von Gert-Peter Reissner (Universität Graz) in seinem Beitrag thematisiert. Anlass dafür geben jüngere höchstgerichtliche Entscheidungen, die ein derartiges Recht verneinen und von Reissner kritisch bewertet werden. Der Autor bejaht hingegen ein allgemeines, nicht nur auf bestimmte Berufsgruppen beschränktes Recht auf Beschäftigung und begründet sein Ergebnis mit einer auf § 18 TAG sowie §§ 9 und 18 BAG gestützten Rechtsanalogie, wobei aber der Inhalt eines derartigen Rechts im Wege einer Interessenabwägung im Detail zu bestimmen sei.
Eine in der Praxis der vertragsärztlichen Versorgung zu beobachtende Problematik nimmt Joachim Preiss (SPÖ Parlamentsklub) zum Anlass, den von der SPÖ vorgelegten Vorschlag zur verpflichtenden Einbindung von Wahlärzt:innen zur Behandlung von Kassenpatient:innen vorzustellen und dessen verfassungs- und europarechtliche Unbedenklichkeit zu demonstrieren. Da Kassenpatient:innen vielfach die Erfahrung machen, im Vertragsärzt:innenbereich schwer und/oder nur mit erheblicher Zeitverzögerung einen Behandlungstermin zu erhalten, sollen nach der Vorstellung der SPÖ künftig Wahlärzt:innen verpflichtet werden, Kassenpatient:innen in einem gewissen Umfang zu Kassentarifen behandeln zu müssen. Dieser Vorschlag wird von Preiss kundig auf dem Prüfstand der kontextuell relevanten, zugunsten von Wahlärzt:innen wirkenden Verbürgungen (ua dem Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit und der Erwerbsfreiheit) gestellt und dem gebotenen Verhältnismäßigkeitstest unterzogen, wobei mE noch zu hinterfragen wäre, ob das Urteil des EGMR in der Rs Steindel/Deutschland tatsächlich das von Preiss erarbeitete Ergebnis zu tragen vermag, bezieht sich diese E des EGMR doch auf den Fall, dass Ärzt:innen im Rahmen eines Notfalldienstes zwangsweise herangezogen werden können, während der Vorschlag der SPÖ aber auf die Einbeziehung von Wahlärzt:innen in den Bereich der Regelversorgung abzielt.
Einer in letzter Zeit sehr stark diskutierten Norm widmet Thomas Radner (AK Tirol) seine Aufmerksamkeit. Was Umfang und Reichweite von § 11b AVRAG anbelangt, zeigen sich in der literarischen Disussion gewichtige Meinungsunterschiede, die von Radner souverän aufgegriffen und in seine Analyse integriert werden. Schwerpunktmäßig widmet sich Radner in seinem Beitrag der Frage nach dem Verhältnis von § 11b zu § 2d AVRAG und kommt dabei zum – mE zutreffenden – Ergebnis, dass für Aus-, Fort- und Weiterbildungen im Anwendungsbereich von § 11b AVRAG keine Ausbildungskostenrückersatzvereinbarungen gem § 2d AVRAG abgeschlossen werden können.
Mit der Frage, ob die vom ArbVG vorgegebene Konzentration des Kollektivvertragsabschlusses auf wirtschaftlich-sozial wirkmächtige Berufsvereinigungen mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit vereinbar ist, beschäftigt sich Hannes Schneller (AK Wien) in seinem anspruchsvollen Beitrag. Eine zentrale Rolle bei der Beantwortung der Ausgangsfrage spielt dabei die dem KollV zugeschriebene Richtigkeitsgewähr, die von Schneller als zentraler Legitimationsgrund für das von ihm so bezeichnete, dem ArbVG zugrunde liegende „Prinzip der Zersplitterungsvermeidung“ identifiziert wird. Schneller unterstützt dabei die Sichtweise des Rezensenten vom KollV als den „richtigen Vertrag“ und verneint im Ergebnis, dass kleine(re) Interessenvereinigungen die sachlich „richtige“ Arbeitsbelastung-Entgelt-Adäquanz, als Voraussetzung für die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit an diese, gewährleisten können.
Abschließend betrachtet zeichnen sich die einzelnen Beiträge der Festschrift durch einen hohen wissenschaftlichen Gehalt aus und sind sehr gedankenreich verfasst und durchwegs lesenswert. Sie bieten fundierte Analysen und wertvolle Einblicke, die sowohl für die Forschung als auch für die Rechtspraxis von großer Relevanz sind. 505 Damit gelingt es den in der vorliegenden Festschrift versammelten Beiträgen, der Persönlichkeit und dem Wirken des Geehrten umfassend gerecht zu werden.