Aus-, Weiter- und Fortbildung im Arbeitsverhältnis1
Aus-, Weiter- und Fortbildung im Arbeitsverhältnis1
Aus-, Weiter- und Fortbildung ist in einer sich immer schneller verändernden Arbeitswelt Voraussetzung dafür, dass Arbeitnehmende mit dem rasanten Wandel von Technologien, Anforderungen und Arbeitsprozessen Schritt halten können. In Umsetzung von Art 13 Transparenz-RL hat der Gesetzgeber mit § 11b AVRAG erstmals allgemein Bildungsmaßnahmen im Arbeitsverhältnis gesetzlich verankert. Es bedarf daher Klarheit darüber, welche Rechte und Pflichten für Arbeitnehmende und Arbeitgebende sich daraus ergeben.
Einleitung und Fragestellung
Aus-, Weiter- und Fortbildung und Arbeitsvertragsrecht
Das Berufsbild als Inhalt der Arbeitspflicht
Besteht eine Verpflichtung der Arbeitnehmenden zu Bildungsmaßnahmen?
Exkurs: Arbeitszeitrechtliche Einordnung
Besteht ein Recht der Arbeitnehmenden auf „Bildungsmaßnahmen“?
Das sogenannte „Recht auf Beschäftigung“
Wann besteht ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Bildungsmaßnahmen?
Konkretisierung und Bemessung des Anspruchs
Zwischenergebnis 1
Art 13 Transparenz-RL: Was ist umzusetzen?
Das Regelungsziel der Transparenz-RL
Analyse: Was ist gemäß Art 13 Transparenz- RL umzusetzen?
§ 11b AVRAG: Wie wurde umgesetzt?
Was ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen?
Systematische Betrachtung
Übereinstimmungen von § 11b AVRAG und Art 13 Transparenz-RL
Unterschiede zwischen § 11b AVRAG und Art 13 Transparenz-RL
Was bedeutet „Voraussetzung“?
Inhaltliche Kriterien an Bildungsmaßnahmen?
Zwischenergebnis 2
Rückersatz von Ausbildungskosten
Transparenz-RL
§ 11b AVRAG versus § 2d AVRAG
Ergebnis
Die Berufsausübung – auch im Rahmen von Arbeitsverträgen – erfordert heute, nicht zuletzt aufgrund der rasant fortschreitenden technischen Entwicklung, unstrittig einen kontinuierlichen Wissenserwerb der Arbeitnehmenden. Dies war nicht immer so. Eine Befragung der KI Microsoft 365 Copilot zur Evolution der Weiterbildung im Bereich der individuellen Mobilität im Straßenverkehr ergibt Folgendes:1„Die Geschichte der individuellen Mobilität ist eine Geschichte des Fortschritts – und damit auch eine Geschichte des Lernens. Seitdem Menschen sich auf Rädern fortbewegen, hat sich nicht nur die Technik verändert, sondern auch die Anforderungen an jene, die sie beherrschen wollen. Weiterbildung war dabei stets der
435 Schlüssel, um mit dem Wandel Schritt zu halten. Im frühen 20. Jahrhundert war Mobilität noch analog und tiergestützt. Der Kutscher benötigte keine formale Ausbildung, sondern praktische Erfahrung im Umgang mit Pferden, Wagen und Wegen. Wissen wurde informell weitergegeben – durch Beobachtung, Nachahmung und Routine. Mit dem Aufkommen des Automobils änderte sich das Berufsbild grundlegend. Der KFZ-Mechaniker trat auf den Plan, und mit ihm die Notwendigkeit technischer Schulung. Die ersten Berufsschulen entstanden, und das Lernen wurde institutionalisiert. Mit dem Einzug der Elektromobilität und der Digitalisierung wurde Weiterbildung zur Daueraufgabe. Hochvolt-Systeme, Batterie-Management, Software diagnostik und vernetzte Fahrzeuge erfordern heute ein tiefes Verständnis von Elektronik, Informatik und Sicherheitsstandards. Die klassische Ausbildung reicht nicht mehr aus – regelmäßige Schulungen, Online-Kurse und Zertifizierungen sind Pflicht. Lernformate haben sich ebenfalls gewandelt: E-Learning, Simulationen und Augmented Reality ergänzen die Werkbank.
“
Es ist unschwer zu erkennen, dass sich die arbeitsrechtlichen Grundlagen nicht in derselben Geschwindigkeit wie die Technik weiterentwickelt haben. Immerhin bilden immer noch die GewO 18592 und das AngG 19213 in vielen Teilen unverändert einen wesentlichen Teil des Individualarbeitsrechts. Der dynamische Wandel der Arbeitswelt hat daher in der arbeitsrechtlichen Vertragspraxis in diesem Ausmaß nicht stattgefunden. Dies betrifft auch Bildungsmaßnahmen, die in der Regel in Arbeitsverträgen bislang nur selten Erwähnung finden. Vereinzelt findet man direkt in Arbeitsverträgen Ausbildungskostenrückersatzvereinbarungen, die allerdings so allgemein gehalten sind, dass sie den Anforderungen des § 2d AVRAG nicht entsprechen und daher unwirksam sind.4 Auch Kollektivverträge sind – soweit überblickt – diesbezüglich zurückhaltend. Eine Ausnahme stellt etwa der Uni-KollV dar, der in § 10 die Arbeitnehmenden zu regelmäßiger Fortbildung verpflichtet.
Erstmals im Zuge der Umsetzung von Art 13 der Richtlinie 2019/1152/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der EU (Transparenz-RL) wurde mit § 11b AVRAG auf gesetzlicher Ebene eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsrecht implementiert, die Verpflichtungen der Arbeitgebenden im Zusammenhang mit Aus-, Fort- und Weiterbildung begründet. Diese Regelung sieht im Wesentlichen vor, dass bestimmte Bildungsmaßnahmen zur Arbeitszeit zählen und die Kosten von den Arbeitgebenden zu tragen sind. Die Reichweite dieser Verpflichtung wird im Schrifttum ausführlich diskutiert.5 Bereits der Wortlaut von § 11b AVRAG stellt klar, dass der Gesetzgeber keine umfassende Regelung des Themas „Bildungsmaßnahmen“ im Arbeitsrecht vorgenommen hat, sondern im Wesentlichen nur eine Umsetzung von Art 13 der Transparenz-RL, der diese Themenstellung nicht umfassend regelt, erfolgt ist. Ungeachtet dessen wird im Folgenden nicht nur auf die Frage der Auslegung des § 11b AVRAG eingegangen, sondern auch untersucht, wie sich die Neuregelung in das bereits bestehende Arbeitsvertragsrecht einfügt. Daher wird zunächst in einem ersten Schritt der Frage nachgegangen, ob und inwieweit Aus-, Weiter- und Fortbildung bereits bislang zu den wechselseitigen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag zählen und welche Rechtsfolgen daraus abgeleitet werden können. In einem zweiten Schritt wird der Umsetzungsbedarf dargestellt, der sich aus Art 13 Transparenz-RL ergibt. Schließlich wird in einem dritten Schritt der normative Inhalt von § 11b AVRAG erarbeitet.
Welche Arbeitsleistungen die Arbeitnehmenden ihren Arbeitgebenden schulden, ergibt sich aus ihren Arbeitsverträgen.6 Allerdings werden dort die zu erbringenden Tätigkeiten typischerweise nur sehr kurz und allgemein bzw generell-abstrakt durch allgemein gehaltene Berufsbezeichnungen beschrieben.7 Das Spektrum der Berufsbezeichnungen geht – um mit den Bespielen im Bereich der Mobilität zu bleiben – von ungelernten Arbeitskräften, die zB KFZ reinigen und aufbereiten, über gelernte qualifizierte Facharbeiter:innen, wie zB KFZ-Mechatroniker:innen, weiters Absolvent:innen der Sekundarstufe, wie zB HTL-Ingenieur:innnen, bis hin zu im tertiären Bildungssektor ausgebildeten Akademiker:innen, zB Fertigungstechniker:innen (in der Autoindustrie). Seit 28.3.2024 ist in Umsetzung des Art 4 Abs 2 lit c sublit ii Transparenz- RL gem § 2 Abs 1 Z 8 AVRAG die vorgesehene Verwendung und eine kurze Beschreibung der zu erbringenden Arbeitsleistungen im Dienstzettel anzuführen. Zumindest sind daher seither die typischerweise zu erbringenden Arbeitsleistungen verpflichtend schriftlich festzuhalten.8 Aber auch 436 bei einer solchen, dem AVRAG entsprechenden, Vertragsgestaltung und Dokumentation stellt sich die Auslegungsfrage, welche Tätigkeiten die Arbeitnehmenden aufgrund ihres Arbeitsvertrages zu erbringen haben bzw wie weit das diesbezügliche Weisungsrecht der Arbeitgebenden geht.9
Um diese Frage zu beantworten, sind auch im Arbeitsrecht – ungeachtet des § 1153 ABGB10 bzw des § 6 AngG11 – zunächst die klassischen Methoden der Vertragsauslegung heranzuziehen: Fehlt eine detaillierte Aufzählung der einzelnen Tätigkeiten, zB im Rahmen einer umfangreicheren Arbeitsplatz- bzw Tätigkeitsbeschreibung, ist im Hinblick auf die inhaltliche Arbeitspflicht die (erkennbare) Absicht der Parteien zu erforschen (§ 914 ABGB).12 Die Interpreten haben dabei den Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs, also der Verkehrssitte entspricht.13 Geht man bei der Vertragsauslegung demgemäß vor, dann erkennt man, dass den Berufsbezeichnungen in den Arbeitsverträgen idR bestimmte Berufsbilder zugeordnet werden können. Diese Berufsbilder haben sich in der Arbeitswelt iS einer zusammenfassenden Beschreibung der typischen Aufgaben, Anforderungen, Qualifikationen und Arbeitsbedingungen eines bestimmten Berufs herausgebildet.14
Bei ungelernten Arbeitnehmenden ergeben sich die Berufsbilder allein aus der Berufs- und Verkehrssitte, wie zB bei KFZ-Reiniger:innen, die KFZ reinigen und aufbereiten. Bei gelernten Arbeitskräften ergeben sie sich aus den idR normativ geregelten Ausbildungsvorschriften, zB bei Mechatroniker:innen aus der Mechatronik-Ausbildungsordnung.15 Die den vertraglich vereinbarten Berufs- bzw Tätigkeitsbezeichnungen zuzuordnenden (und im Rahmen der Ausbildung erlernten) Berufsbilder werden bereits im Rahmen der einfachen Auslegung im Wege der Übung des redlichen Verkehrs bzw der Berufs- und Verkehrssitte zum Inhalt der Arbeitsverträge. Sie stecken den inhaltlichen Rahmen der Arbeitspflicht ab, wenn sonst keine detaillierten Abreden (ausdrücklich oder schlüssig im Wege des § 863 ABGB) getroffen wurden. Daraus folgt, dass die Arbeitsvertragsparteien im Zweifel davon ausgehen können, dass die Verpflichtung zur Arbeitsleistung alle Tätigkeiten umfasst, die Angehörige des jeweiligen Berufsbilds gewöhnlich auch sonst zu leisten bereit sind.16 Beispielsweise kann eine Mechatronikerin, die sich als solche im Rahmen eines Arbeitsvertrages verpflichtet, davon ausgehen, dass sie jene Tätigkeiten dem Arbeitgebenden schuldet, die sie in ihrer Ausbildung erlernt hat. Umgekehrt kann ein Arbeitgebender erwarten, diese Tätigkeiten anweisen zu können. Eines Rückgriffs auf die dispositive Regelung des § 1153 ABGB, der einer ergänzenden Auslegung nach der Verkehrssitte vorgeht, bedarf es dazu nicht.17 Die Berufsausübung hat daher – mangels abweichender ausdrücklicher Vereinbarung – nach dem jeweiligen in der Ausbildung erlernten Berufsbild zu erfolgen. Besonderes gilt für Berufe, die berufsrechtlich determiniert sind. Dies betrifft insb die medizinischen Berufe, wie zB die Angehörigen des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes.18
Ihr Berufsbild ist gesetzlich geregelt und ist der privatautonomen Gestaltung weitgehend entzogen. In der gesetzlich geregelten Ausprägung wird es zum Mindestinhalt des Arbeitsvertrages.19
Die Berufsbilder entwickeln sich stetig und zunehmend schneller weiter, sodass sich auch die Tätigkeiten innerhalb dieser dynamisch verändern. Das erkennt man bereits daran, dass sich die im Rahmen der Ausbildung zu vermittelnden Lehrinhalte laufend verändern. Insb der rasante technologische Fortschritt zeigt deutlich, wie schnell Erlerntes nicht mehr aktuell ist.20 In einer KFZ-Werkstatt müssen heute zweifellos andere Tätigkeiten verrichtet werden als jene, die vor 20 Jahren in der Ausbildung erlernt wurden. Insoweit müssen sich entlang dieser Entwicklung auch die zu erbringenden Arbeitsleistungen stetig weiterentwickeln, um dem Berufsbild gerecht zu werden: Ein/e KFZ-Mechatroniker: in muss das KFZ wieder fahrbereit machen (können), auch wenn sich die im PKW steckende Technologie von Modellreihe zu Modellreihe weiterentwickelt und andere Arbeitsschritte unter Zuhilfenahme weiterentwickelter Arbeitsmittel erforderlich sind. Vor diesem Hintergrund kann man daher allgemein festhalten, dass in den meisten Fällen unselbständiger Arbeit laufend der Erwerb von Wissen und Fähigkeiten erforderlich ist, um den im Arbeitsvertrag vereinbarten Beruf längerfristig ausüben zu können. Mit der Berufsausübung ist daher die Notwendigkeit von Fort-, Weiter- und Ausbildung, idF kurz „Bildungsmaßnahmen“, verbunden. Bereits im Jahr 1978 hat der OGH diesbezüglich klargestellt, dass arbeitsvertragliche Verwendungen, die weitergehende Fortbildungen und Instruktionen erfordern, Arbeitnehmende verpflichten, auf Verlangen und auf Kosten der Arbeitgebenden an Weiterbildungsveranstaltungen teilzunehmen.21 Streitgegenständlich war der Fall eines Versicherungsvertreters, der sich geweigert hat, an vom Arbeitgebenden angeordneten 437 Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen, weil er fürchtete, dass ihm dadurch Provisionen entgehen würden. Die Fortbildungen waren aber für die genaue Kenntnis der für den Abschluss von Versicherungsverträgen maßgebenden Bestimmungen sowie einzuhaltender betriebsinterner Vorschriften erforderlich. Zentrales Argument des OGH war, dass erst die streitgegenständliche Fortbildung dem klagenden Versicherungsvertreter die ordnungsgemäße Ausübung seiner Tätigkeit ermöglicht hätte. Dieses Ergebnis lässt sich zwanglos auf die erkennbare Absicht der Parteien iSd § 914 ABGB stützen. Man kann daher Folgendes festhalten: Bildungsmaßnahmen sind ein allgemeiner Bestandteil der arbeitsvertraglichen Pflichten, wenn und insofern diese erst die ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeit innerhalb des vereinbarten Berufsbildes ermöglichen. Dabei bedarf es auch keiner – immer wieder thematisierten – Differenzierung zwischen Fortbildung (Aktualisierung und Erhaltung von Fähigkeiten) und Weiterbildung (spezielle Fähigkeiten im Rahmen des Tätigkeitsbereichs) oder Ausbildung.22 Die Grenze der Bildungspflicht ist stets entlang des jeweiligen (vereinbarten) Berufsbildes zu ziehen.23 Dies hat auch eine qualitative Dimension: Da auch die sorgfältige Dienstleistung zur vertraglichen Hauptleistungspflicht zählt,24 geht es stets darum, die durchschnittliche Qualifikation im jeweiligen Berufsbild zu erhalten: Maßstab hierfür sind auch in diesem Zusammenhang die Dienste, die vergleichbare durchschnittliche Arbeitnehmende erbringen. Im Berufsrecht ist der Sorgfaltsmaßstab ausdrücklich gesetzlich geregelt, zB in § 49 ÄrztG, der zur gewissenhaften Betreuung verpflichtet. Es besteht daher im Ergebnis die Verpflichtung zu Bildungsmaßnahmen in jenem Ausmaß, welches individuell erforderlich ist, um die durchschnittlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des jeweilig vereinbarten Berufes zu behalten. Eines Rückgriffes auf § 1153 ABGB, der im Zweifel auf angemessene Dienste abstellt, braucht es dazu nicht. Die Diskussion über dessen Reichweite kann man sich daher im gegebenen Zusammenhang ersparen.25
Um das Bild abzurunden, ist eine arbeitszeitrechtliche Einordnung vorzunehmen. Die Rsp – insb jene des EuGH – erhellt regelmäßig den an seinen Rändern noch immer diffusen Begriff der Arbeitszeit und beseitigt zunehmend die noch vorhandenen Grauzonen: Man kann mittlerweile gesichert davon ausgehen, dass Arbeitszeit bereits dann vorliegt, wenn Arbeitgebende ihren Arbeitnehmenden Einschränkungen von solcher Art auferlegen, die ihre Möglichkeiten, ihre Zeit frei zu gestalten und diese ihren eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen. Arbeitszeit liegt danach jedenfalls vor, wenn Arbeitnehmende (allenfalls auch ortsunabhängig) auf der Grundlage ihres Arbeitsvertrages weisungsgemäß unter der Kontrolle ihrer Arbeitgebenden arbeitsvertraglich geschuldete Leistungen erbringen.27 Es ist daher
völlig klar, dass Bildungsmaßnahmen, die von den Arbeitgebenden im Rahmen der Arbeitspflicht der Arbeitnehmenden abgerufen werden, zur Arbeitszeit zählen. Sie stehen dann nämlich zumindest iS von Art 2 Z 1 RL 2003/88/EG „zur Verfügung“. Das hat der EuGH bereits klargestellt:28 Ein Arbeitgebender wies den Arbeitnehmenden aufgrund einer gesetzlichen Vorgabe an, 160 Stunden an beruflicher Fortbildung zu absolvieren. Dazu schloss er einen Vertrag mit einem externen Fortbildungsdienstleister ab, in dessen Räumlichkeiten der Arbeitnehmende die Fortbildung zum Großteil außerhalb seiner Arbeitszeit bzw üblichen Arbeitszeiteinteilung absolvierte. Dafür klagte der Arbeitnehmende Überstundenentlohnung ein. Für den EuGH war es für die Qualifikation als Arbeitszeit im Ergebnis ausschlaggebend, dass die berufliche Fortbildung auf Veranlassung des Arbeitgebenden erfolgt ist. Unerheblich war es für den Gerichtshof, dass sich die Verpflichtung zur beruflichen Fortbildung aus nationalen Rechtsvorschriften ergab. Dies deshalb, da einerseits der Arbeitnehmende bereits auf der Stelle angestellt war – also die Fortbildung seine aktuelle Tätigkeit betraf – und andererseits der Arbeitgebende verpflichtet war, dem Arbeitnehmenden die Teilnahme an dieser Fortbildung vorzuschreiben.
Es darf aber nicht übersehen werden, dass es für die Qualifikation einer Zeit als Arbeitszeit stets erforderlich ist, dass sich Arbeitgebende (außerhalb der gemäß §§ 19c, 19d AZG vereinbarten Lage der Normalarbeitszeit) grundsätzlich mit der Erbringung von Arbeitsleistungen bzw mit der Leistung von Arbeitszeit (zumindest schlüssig) einverstanden erklären müssen.29 Die Arbeitgebenden haben unstrittig auch ein Weisungsrecht, welche Tätigkeiten die Arbeitnehmenden innerhalb ihrer Arbeitszeit auszuführen haben – das ist ein Charakteristikum des Arbeitsvertrages. Daraus folgt auch für Bildungsmaßnahmen, dass diese zwar aufgrund des Arbeitsvertrages geschuldet werden, aber wenn sie ohne zumindest schlüssige Zustimmung des Arbeitgebenden absolviert werden, nicht zur Arbeitszeit zählen. Hinzuweisen ist hier auf die wenig bekannte und auch in diesem Zusammenhang 438 einschlägige Judikatur des OGH, dass Arbeitnehmende eine Warnpflicht im Falle einer auftretenden Überstundennotwendigkeit trifft, um sich ihren Anspruch auf Überstundenvergütung zu sichern.30 Das gilt gleichermaßen für Bildungsmaßnahmen, sodass es daher ein diesbezügliches freies Selbsteinteilungsrecht nicht gibt.31 Bildungsmaßnahmen zählen daher nur dann zur Arbeitszeit, wenn sie mit zumindest schlüssiger Zustimmung der Arbeitgebenden absolviert werden.
Da Arbeitnehmende im dargelegten Rahmen zu Bildungsmaßnahmen verpflichtet sind, stellt sich die Anschlussfrage, ob sie arbeitsvertraglich diesbezüglich auch berechtigt sind. Haben sie gegenüber ihren Arbeitgebenden ein Recht auf Bildungsmaßnahmen in dem Ausmaß, zu dem sie auch verpflichtet sind, sie zu absolvieren? Bekanntlich ist die tatsächliche Inanspruchnahme der Arbeitnehmenden typischerweise nicht Bestandteil der arbeitsrechtlichen Austauschbeziehung. Die Arbeitgebenden können die Arbeitsleistungen abrufen, müssen dies aber nicht.32 Daher besteht nach der stRsp des OGH bekanntermaßen kein allgemeines Recht von Arbeitnehmenden auf Beschäftigung.33
Die tatsächliche Inanspruchnahme ist daher üblicherweise nicht Bestandteil der Austauschbeziehung. In bestimmten Konstellationen wird aber vom OGH ein Recht auf Zuweisung von Tätigkeiten bejaht. Nämlich insb dann, wenn ein besonderes materielles Interesse der Arbeitnehmenden an ihrer Arbeitsleistung besteht. In diesen Fällen wird das Recht auf Abnahme der Arbeitsleistung „aus der Natur des abgeschlossenen Arbeitsvertrages“ abgeleitet.34 Was bedeutet dies? Jedenfalls wird nicht auf den Vertragstyp Arbeitsvertrag an sich abgeleitet, sondern auf den jeweiligen spezifischen Vertragsinhalt. Dieser muss seinem Zweck nach für die Abnahmepflicht in Bezug auf die Arbeitsleistung sprechen. Klassiker in diesem Zusammenhang ist der Lehrvertrag nach dem BAG, dessen Zweck in der Erlangung einer bestimmten beruflichen Qualifikation besteht. Nach der Rsp kann es auch aus sonstigen Gründen zu einem Anspruch auf Zuweisung von Tätigkeiten aufgrund „der Natur des Vertrages“ kommen. Nämlich bei Tätigkeiten, die bei Nichtausübung zu einem Qualifikationsverlust führen und bei denen die Arbeitnehmenden für den Qualifikationserhalt auf die Ressourcen ihrer Arbeitgebenden angewiesen sind – zB bei für längere Zeit vom Dienst freigestellte Chirurg:innen35 und Berufssportler:innen.36 Der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung ergibt sich in diesen Fällen zwar ebenfalls primär aus dem Inhalt des Arbeitsvertrages, allerdings spielt hier die Fürsorgepflicht eine zentralere Rolle.37
Zu dem Effekt des Verlustes der Fähigkeit, den Beruf auszuüben, kann es auch dann kommen, wenn an sich die zum Erhalt der Fähigkeiten im jeweiligen Berufsbild erforderlichen Bildungsverpflichtungen von den Arbeitgebenden nicht abgerufen werden. Es ist damit genau jenes materielle Interesse wie zuvor angesprochen. Auch in diesem Zusammenhang gilt, dass die Art der geschuldeten Arbeitsleistung jene Interessen prägt, auf die die Arbeitgebenden entsprechend Rücksicht zu nehmen haben.38 Arbeitnehmende schließen typischerweise einen Arbeitsvertrag ab, um ein Einkommen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zu erwerben. An der Arbeitsleistung selbst haben primär die Arbeitgebenden ein Interesse. Allerdings haben Arbeitnehmende ein offensichtlich schützenswertes Interesse daran, dass ihre Fähigkeiten während des laufenden Arbeitsvertrages den Anforderungen des von ihnen ausgeübten Berufs entsprechen (um ihre Arbeitskraft auch künftig erfolgreich einsetzen zu können). Dieses Interesse ist aber nicht nur dann beeinträchtigt, wenn bestehende Fähigkeiten durch Nichtstun in Folge von Dienstfreistellungen verschüttet werden, sondern auch dann, wenn der Verlust der Fähigkeit, den Beruf auszuüben, durch fehlende Bildungsmaßnahmen verursacht wird. Es besteht daher ein schützenswertes materielles Interesse an Bildungsmaßnahmen in Bezug auf den erlernten und vertragsgemäß ausgeübten Beruf. Die sehr vergleichbare Situation und der Interessengleichklang mit den bislang vom OGH entschiedenen, einen Anspruch auf Zuweisung von Tätigkeiten bejahenden Fällen ist evident.
Aber rechtfertigt dies bereits eine idente Beurteilung? Dagegen spricht, dass idR die Intensität der Beeinträchtigung der beruflichen Fähigkeiten bei unterlassenen Bildungsmaßnahmen geringer als bei gänzlicher Dienstfreistellung ist. Der Qualifikationsverlust schreitet idR wohl langsamer voran. Eine nicht operierende Chirurgin wird schneller ihre Fähigkeiten verlieren als eine KFZ-Mechatronikerin, die an notwendigen Fortbildungsmaßnahmen nicht teilnehmen darf. Aber nach einiger Zeit werden sich die Bilder im Hinblick auf die Auswirkungen gleichen. Auch einer KFZ-Mechatro- 439 nikerin wird am Arbeitsmarkt die Beschäftigung im erlernten Beruf nicht mehr möglich sein, wenn ihr Wissensstand eingefroren bleibt. Insoweit haben Arbeitnehmende ganz allgemein ein rechtlich relevantes, schützenswertes Interesse auf diesbezügliche Abhilfemaßnahmen der Arbeitgebenden, welche in der Zuweisung von Bildungsmaßnahmen bestehen. Eine nicht unwesentliche Rolle spielen dabei die betrieblichen Rahmenbedingungen: Es ist zu berücksichtigen, dass den Arbeitnehmenden – wie der OGH bereits in der Versicherungsmaklerentscheidung aus 197839 angemerkt hat – die erforderliche Fort- bzw Weiterbildung für sich allein in dem erforderlichen Maße regelmäßig nicht möglich ist.40 Ihnen fehlen diesbezüglich in der Regel die notwendige Infrastruktur und die Ressourcen. Ausdrücklich hat der Gerichtshof daher darauf hingewiesen, dass die Arbeitgebenden im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht die Voraussetzungen für Fortbildung und Instruktion zu bieten haben.41 Denn der Arbeitsvertrag als Kooperationsvertrag verlangt, dass beide Seiten die erforderlichen Voraussetzungen für seinen Vollzug schaffen.42 Dies betrifft auch den erforderlichen Wissenserwerb im Arbeitsverhältnis, der sich ebenfalls „aus der Natur des abgeschlossenen Arbeitsvertrages“ ergibt.43 Insofern gibt es dem Grund nach ein Recht auf Zuweisung von Bildungsmaßnahmen.
Wann im Einzelfall ein Anspruch auf Erhaltung der berufsbildbedingten Fähigkeiten gegenüber den Arbeitgebenden besteht, ist in einem beweglichen System zu beurteilen:44 Ausgehend von (1.) der Art der geschuldeten Arbeitsleistung und (2.) dem betrieblichen Rahmen, innerhalb der diese erbracht wird, ist – wie auch sonst bei einem in Frage stehenden Recht auf Zuweisung von Tätigkeiten – ein über dem Normalfall liegendes Interesse des Arbeitnehmenden an der Erbringung der Arbeitsleistung – hier der Bildungsmaßnahmen – zu prüfen. Dazu ist insb das Bildungserfordernis mit der Dauer der Nichtzuweisung erforderlicher Bildungsmaßnahmen in Beziehung zu setzen. Je länger die Bildungsmaßnahmen unterbleiben und je schwieriger sie für die Arbeitnehmenden zu substituieren sind (zB durch Selbststudium), desto größer werden die Gefahren des Fähigkeitsverlustes sein. Ergibt die Gesamtbewertung einen drohenden Qualifikationsverlust, dann besteht ein Recht auf Zuweisung von Bildungsmaßnahmen in dem Ausmaß, welches erforderlich ist, eine sorgfältige Dienstleistung gemäß dem Berufsbild erbringen zu können.
Bildungsmaßnahmen sind dem Grunde nach ein Teil der Arbeitspflicht. Die Arbeitnehmenden sind aufgrund ihrer Arbeitsverträge verpflichtet, sie in jenem Ausmaß nach Maßgabe der Weisungen ihrer Arbeitgebenden zu absolvieren, welches individuell ausreicht, um die erforderlichen durchschnittlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erhalten, die dem arbeitsvertraglich vereinbarten Berufsbild entsprechen. Der zeitliche und inhaltliche Umfang dieser Verpflichtung bleibt aber stets im Rahmen der Zumutbarkeit eine Frage des Einzelfalles. Korrespondierend dazu gibt es dem Grunde nach ein Recht der Arbeitnehmenden auf Zuweisung von Bildungsmaßnahmen in dem Ausmaß, welches erforderlich ist, um eine sorgfältige Dienstleistung entsprechend dem Berufsbild, welches Inhalt des Arbeitsvertrages ist, erbringen zu können. Derartige Bildungsmaßnahmen zählen zur Arbeitszeit.
Nach Durchsicht des Richtlinienvorschlags der Kommission45, der Zusammenfassung der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission46, des Commission Staff Working Documents47 und einer Analyse der Erwägungsgründe der Transparenz- RL im Zusammenhang mit ihrer Entstehungsgeschichte wird ihr Regelungsziel deutlich. Und es ist auch plausibel: Die Digitalisierung und die dadurch bedingte Entstehung neuer Formen flexibler Beschäftigung haben zur Instabilität und abnehmenden Planbarkeit in den Arbeitsbeziehungen geführt. Atypische Arbeitsverträge – Abruf- und Gelegenheitsverträge, Ausschließlichkeitsabreden, befristete und Teilzeitverträge – prägen zunehmend die Arbeitswelt. Den Arbeitnehmenden wird dadurch die Geltendmachung ihrer Rechte erschwert – so die Kommission. Die Transparenz- RL ist nunmehr der Versuch, auch die neu entstandenen atypischen Arbeitsformen in den arbeitsrechtlichen Schutz besser einzubeziehen bzw ihr „Hinausdiffundieren
“ aus dem Arbeitsrecht zu verhindern. Die Transparenz-RL will nicht nur transparente Arbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmenden gewährleisten, sondern auch neue materielle Rechte definieren, die die Planbarkeit und die Sicherheit der Arbeitsbedingungen verbessern, und zwar vor allem für diejenigen, die sich in prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden. Diese Absicht sieht man sehr schön zB bei den Regelungen der Transparenz-RL über die Mindestplanbarkeit der Arbeitsbedingungen (Art 10). Das 440 gilt auch für das gegenständliche Thema der Fortbildung: Gerade zB bei „0-hour-contracts“ gehen sich Bildungsmaßnahmen innerhalb der Arbeitszeit nicht aus. Bildungsmaßnahmen im Arbeitsverhältnis zu verankern, ist daher gerade im atypischen Bereich notwendig.
Besonders deutlich wird der Regelungszweck der RL in den Erwägungsgründen hinsichtlich der Fortbildung hervorgehoben, nämlich in Erwägungsgrund 37: Dort heißt es, dass Sinn und Zweck von Art 13 darin bestehen, sicherzustellen, dass auch in atypischen Arbeitsverhältnissen beschäftigten Arbeitnehmenden jene Fortbildungen angeboten werden, damit sie ihre Arbeit durchführen können, für die sie beschäftigt sind. Dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union ging es offenbar darum, sicherzustellen, dass Bildungsmaßnahmen im Arbeitsverhältnis unabhängig davon zu erfolgen haben, um welche Art von Arbeitsverhältnis es sich handelt. Sie sollen also auch für die atypischen Arbeitsverhältnisse angeboten werden. An dieser Stelle ist der besondere Stellenwert der Erwägungsgründe bei der Auslegung von Richtlinien zu betonen: Sie sind zwar keine unmittelbare Rechtsquelle, vermögen aber den Inhalt des Rechtsaktes zu präzisieren. Sie sind nach der Rsp des EuGH primär ausschlaggebend für die teleologische Interpretation, da sie schon aufgrund ihrer Positionierung im Richtlinientext mit dem verfügenden Teil untrennbar verbunden sind. Soweit der EuGH den Normzweck bei der Auslegung bemüht, leitet er ihn regelmäßig aus den Erwägungsgründen ab.48
Der formale Anwendungsbereich ist zunächst einmal seinem Wortlaut nach eng gefasst, nämlich dahingehend, dass (1.) eine normative Verpflichtung der Arbeitgebenden verlangt wird und (2.) diese darin besteht, den Arbeitnehmenden Bildungsmaßnahmen anzubieten. Es spielt aber keine Rolle, welchen Inhalt der Wissenserwerb aufweisen muss; insofern ist Art 13 weit gefasst.49 Einziger Anhaltspunkt für ein inhaltliches Erfordernis ist, dass sich diese Bildungsmaßnahme „auf die Arbeit beziehen
“ muss, „die ausgeübt wird
“. Damit ist offensichtlich die aktuelle Arbeit im Arbeitsverhältnis gemeint und nicht eine möglicherweise in der Zukunft zu vereinbarende Tätigkeit. Dies ergibt sich aus Erwägungsgrund 37, der diesbezüglich präzisierend ist: „Diese Verpflichtung der Arbeitgebenden betrifft nicht die Berufsausbildung oder Fortbildung, die erforderlich ist, um eine Berufsqualifikation zu erlangen, aufrechtzuerhalten oder zu erneuern.
“ Dies soll nur dann nicht gelten, wenn die Arbeitgebenden normativ dennoch dazu verpflichtet sind; diese Relativierung ist aber eine Selbstverständlichkeit, die das formale Regelungskonzept der Bestimmung unterstreicht. Insb aufgrund des Sinns und Zwecks der RL – dazu muss man gar nicht eine Analyse der verschiedenen Sprachfassungen vornehmen – ist daher klar, dass die RL alle denkmöglichen Bildungsmaßnahmen erfasst, zu der die Arbeitgebenden verpflichtet sind, sie ihren Arbeitnehmenden im Hinblick auf ihren Arbeitsvertrag zu gewähren.50 Art 13 sieht daher keinen Anspruch auf Bildungsmaßnahmen im Arbeitsverhältnis vor, sondern behandelt nur ihre Qualifikation im Arbeitsverhältnis:51 Arbeitgebende dürfen ihre gesetzlichen Verpflichtungen zur Fort-, Weiter- und Ausbildung nicht auf die Arbeitnehmenden überwälzen. Eine Gefahr, die sich evidentermaßen typischerweise im Bereich der atypischen Arbeitsverhältnisse mit flexibler und geringer Normalarbeitszeit besonders zeigt. Diese hatte auch der Gesetzgeber der Europäischen Union bei Schaffung des Art 13 Transparenz-RL im Sinn, was sich unschwer ausdrücklich aus den Ausführungen in Erwägungsgrund 37 ergibt. Man kann den Regelungsbedarf daher – kurz zusammengefasst – schlicht wie folgt ausdrücken: Sind die Arbeitgebenden verpflichtet, ihre Arbeitnehmenden zu bilden, dann soll dies innerhalb des Arbeitsverhältnisses erfolgen, also innerhalb der (abgegoltenen) Arbeitszeit und Arbeitszeitverteilung und auf Kosten der Arbeitgebenden.
Die Gesetzesmaterialien lassen keinen Zweifel, dass die Absicht allein darin bestand, die RL umzusetzen.52 Nichts mehr und nichts weniger. Dafür spricht bereits ihr Wortlaut: (1.) „Die vorgeschlagenen Änderungen erfolgen in Umsetzung der Richtlinie
“ und „... daher (sind) folgende gesetzlichen Änderungen notwendig:
“ (2.) Bei § 11b AVRAG wird zunächst der Richtlinientext wiederholt („wenn Arbeitgeber:in verpflichtet ist [...] anzubieten...
“ „Daher wird nunmehr gesetzlich festgelegt, dass ... [dann kommt der Normtext].
“ Es liegt daher nahe, anzunehmen, dass der Gesetzgeber der Auffassung war, dass er mit seiner Formulierung genau das umsetzt, was von der Transparenz-RL verlangt wird. Entscheidend ist diesbezüglich aber Folgendes:
Auch in systematischer Hinsicht erkennt man, dass § 11b AVRAG das Regelungskonzept der Transparenz-RL im Hinblick auf Sinn und Zweck übernommen wurde; insoweit entsprechen Art 13 Transparenz-RL und § 11b AVRAG einander: § 11b regelt ebenfalls keinen gesetzlichen Anspruch auf 441 Bildungsmaßnahmen im Arbeitsverhältnis an sich, sondern ebenso nur ihre Qualifikation im Arbeitsverhältnis. Beide Regelungen stellen klar, dass verpflichtende Bildungsmaßnahmen auf Kosten der Arbeitgebenden innerhalb der Arbeitszeit zu erfolgen haben und nicht in den privaten Bereich der Arbeitnehmenden ausgelagert werden dürfen. Es geht der Regelung aber auch nicht darum, eine endgültige arbeitszeitrechtliche Qualifikation zu treffen. Die Frage der Arbeitszeitqualifikation ist nach wie vor nach Maßgabe des AZG bzw der RL 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu prüfen. Wenn daher eine von den Arbeitgebenden gewährte Bildungsmaßnahme nicht unter Art 13 Transparenz-RL bzw § 11b AVRAG zu subsumieren ist, weil nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, weil zB die Bildungsmaßnahme keine Voraussetzung für die Ausübung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit ist, bedeutet dies im Umkehrschluss nicht zwingend, dass auch keine Arbeitszeit vorliegt. Aus der Nichtanwendbarkeit des § 11b AVRAG ergibt sich in diesem Fall nur, dass der Vereinbarung einer Kostenersatzpflicht der Arbeitnehmenden gem § 2d AVRAG nichts im Wege steht.
Der Wortlaut von § 11b AVRAG weicht an einigen Stellen vom Wortlaut des Art 13 Transparenz-RL erheblich ab. Dass in der RL nur von „Fortbildungen“ die Rede ist und das AVRAG sprachlich viel weiter auch „Weiter- und Ausbildungen“ nennt, ist zunächst einmal unproblematisch, da – wie bereits gezeigt – der Begriff „Fortbildungen“ der RL sehr weit zu verstehen ist und ebenfalls sämtliche denkbaren Bildungsmaßnahmen erfasst.53 § 11b AVRAG und Art 13 der Transparenz-RL entsprechen einander in diesem Punkt. Weiters ist gut erkennbar, dass von § 11b AVRAG ebenfalls nur Bildungsmaßnahmen erfasst werden, die sich auf die aktuell vereinbarten Arbeitsleistungen beziehen. Dies zeigt der Wortlaut von § 11b AVRAG deutlich: Art 13 Art Transparenz-RL regelt „im Hinblick auf die Arbeit
“ und § 11b regelt dem entsprechend sinngemäß „für die Ausübung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit
“. Nicht nur diese sprachliche Übereinstimmung, sondern insb auch der bereits dargelegte Zweck der Regelungen, nämlich dass innerhalb der vereinbarten Dienstleistung zu absolvierende Bildungsmaßnahmen nicht in die Freizeit verlagert werden dürfen, stellt den Bezug zur aktuell ausgeübten Tätigkeit her. Daraus folgt, dass Bildungsmaßnahmen, die den Arbeitnehmenden Fertigkeiten vermitteln, die für die Ausübung des aktuell vereinbarten Berufs nicht erforderlich sind, von § 11b AVRAG auch nicht erfasst werden.54
Ein erheblicher Unterschied zwischen Art 13 Transparenz- RL und § 11b AVRAG besteht in Bezug auf die Frage, unter welchen Bedingungen Bildungsmaßnahmen kostenlos und in der Arbeitszeit erfolgen sollen bzw welche Bildungsmaßnahmen betroffen sind. Die Transparenz-RL bezieht sich „nur“ auf Bildungsmaßnahmen hinsichtlich der „die Arbeitgebenden verpflichtet sind, sie anzubieten“. Demgegenüber stellt § 11b AVRAG darauf ab, dass die Bildungsmaßnahme eine Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit ist. Diese völlig unterschiedliche Formulierung indiziert, dass die Bereiche einander nicht decken: Die Verpflichtung nach der Transparenz-RL ist unabhängig davon, ob die Bildungsmaßnahme eine Voraussetzung ist; insofern bleibt das AVRAG hinter der RL zurück.55 Umgekehrt kann § 11b AVRAG über die Transparenz-RL hinausgehen, wenn Arbeitgebende zwar keine Verpflichtung trifft, Bildungsmaßnahmen anzubieten, sie jedoch aus sonstigen Gründen Voraussetzung für die arbeitsvertraglich ausgeübte Tätigkeit sind; etwa wenn berufsrechtliche Vorschriften die im Arbeitsverhältnis tätigen Berufsträger persönlich betreffen. Konstruktiv betrifft dies jedenfalls die zahlreichen berufsrechtlichen Vorschriften. Diese verpflichten die Berufsangehörigen (und nicht die Arbeitgebenden) unabhängig davon, ob sie freiberuflich oder im Anstellungsverhältnis tätig sind, zur Fortbildung.56 Nach dem bloßen Wortlaut von Art 13 Transparenz-RL würden derartige persönliche Fortbildungsverpflichtungen außerhalb des Arbeitsvertrages absolviert werden müssen.
Sehen wir uns nun im Detail an, was § 11b AVRAG unter „Voraussetzung“ versteht.57 In systematischer Hinsicht wird eine zeitliche Dimension ersichtlich, die zeigt, dass es nicht um Voraussetzungen geht, die erfüllt sein müssen, damit die Arbeit erstmals aufgenommen werden kann, sondern dass die Regelung das bereits in Vollzug gesetzte laufende Arbeitsverhältnis betrifft. Denn bereits vor Antritt des Dienstverhältnisses absolvierte Bildungsmaßnahmen können nicht nachträglich zur Arbeitszeit werden. Es geht also um Bildungsmaßnahmen während des aufrechten Arbeitsverhältnisses. Etymologisch bedeutet „Voraussetzung“ eine Bedingung, die im Voraus erfüllt sein muss, um etwas anderes zu ermöglichen oder zu erreichen.58 Dies 442 impliziert, dass etwas als Grundlage oder Basis existieren muss, bevor darauf aufbauend etwas anderes folgen kann. Daraus ergibt sich konkret, dass der Wissenserwerb erfolgt sein muss, damit es zu einem weiteren Schritt – konkret der Ausübung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit – kommt. Die Bildungsmaßnahme stellt somit eine Bedingung für die weitere (ordnungsgemäße) Ausübung der geschuldeten Arbeitsleistung dar. Es ist daher festzuhalten, dass der Bildungserwerb eine Bedingung für die weitere Erbringung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit ist.59 Daraus folgt, dass es allein um Bildungsmaßnahmen geht, die während des Arbeitsvertrages erforderlich sind. Sie sind also notwendig, um die geschuldeten Arbeitsleistungen entsprechend der durchschnittlichen Qualifikation im jeweiligen Berufsbild erbringen zu können.60
§ 11b AVRAG ist ebenso wie Art 13 Transparenz- RL inhaltsoffen formuliert, denn es werden keine inhaltlichen Kriterien geregelt, unter welchen Voraussetzungen die Bildungsmaßnahme eine Bedingung für die Beschäftigung ist, sondern es wird ein formaler Maßstab definiert: Es geht nicht um einen bestimmten oder irgendeinen Wissenserwerb, sondern um einen solchen, der rechtlich geboten ist. Es besteht daher kein Zweifel, dass es nicht ausreichend wäre, wenn Bildungsmaßnahmen für die Arbeitsleistung bloß verwertbar oder nützlich sind, durch sie also die Arbeitsleistung qualitativ oder quantitativ besser erbracht werden kann.61 Diese Kriterien werden vielfach erfüllt sein, aber entscheidend ist vielmehr der verpflichtende Charakter der Bildungsmaßnahmen. Welche Bildungsmaßnahmen nun verpflichtend sind, kann sich – entsprechend der Richtlinienvorgabe – aus gesetzlichen Vorschriften, Verordnungen oder Normen der kollektiven Rechtsgestaltung ergeben („Ist auf Grund gesetzlicher ...“). Nach § 11b AVRAG tritt aber ergänzend zu Art 13 Transparenz-RL – und dies ist eine weitere Abweichung – der Arbeitsvertrag als Verpflichtungsgrund hinzu, der ebenfalls bestimmen kann, welche Bildungsmaßnahme Voraussetzung für die Erfüllung der Dienstpflicht ist.62 Die Verknüpfung erfolgt hier nicht auf normativer, sondern auf privatautonomer Basis, die Systematik ist aber ident: Die Parteien des Arbeitsvertrages vereinbaren, dass für sie eine bestimmte Bildungsmaßnahme eine Bedingung für die aktuell ausgeübte Tätigkeit ist, sie also vertraglich geboten ist.63 An diesem Punkt schließt sich der Kreis im Hinblick auf das unter Pkt 2.5. dargelegte Ergebnis:
Jene Bildungsmaßnahmen, zu denen Arbeitnehmende aufgrund des im Arbeitsvertrag vereinbarten Berufsbildes verpflichtet sind, sind zugleich (vertragliche) Voraussetzung für die Ausübung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit. Es handelt sich um jenes Wissen, das zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Arbeitspflicht erworben werden muss.64 Damit ist auch eine Verpflichtung zum Anbieten derartiger Bildungsmaßnahmen durch die Arbeitgebenden, wie von der Transparenz-RL verlangt, verbunden, wenn sich dies aus der „Natur des Arbeitsvertrages
“ bzw aus der Fürsorgepflicht ergibt. Insoweit sich daraus ein Recht auf die Zuweisung von Bildungsmaßnahmen ergibt, müssen sie von den Arbeitgebenden auch angeboten werden. Der Kreis schließt sich damit nun zum zweiten Mal. Der Unterschied zwischen Art 13 Transparenz-RL und § 11b AVRAG ist daher gar nicht so erheblich, wie aufgrund der unterschiedlichen Formulierung zunächst vermutet.
Nach § 11b AVRAG haben Bildungsmaßnahmen, die während der Dauer des Arbeitsvertrages rechtlich aufgrund von Normen oder dem Arbeitsvertrag geboten sind, um den Arbeitnehmenden die ordnungsgemäße Ausübung der von ihnen jeweils vertraglich geschuldeten Tätigkeit zu ermöglichen, innerhalb der Arbeitszeit und auf Kosten der Arbeitgebenden zu erfolgen.
Unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten lässt Art 13 Transparenz-RL in seinem Anwendungsbereich den nationalen Gesetzgebern keinen Umsetzungsspielraum für eine Rückforderung von Kosten einer Bildungsmaßnahme, die für die Arbeitnehmenden kostenlos innerhalb der Arbeitszeit zu erfolgen hat. Weder der Wortlaut noch die Erwägungsgründe bieten einen Anhaltspunkt dafür, dass die Kostentragungspflicht nicht endgültig wäre und daher davon abhängig gemacht werden kann, ob die Arbeitnehmenden das Unternehmen verlassen oder nicht (vgl § 2d AVRAG). Es ist daher nicht anzunehmen, dass der EuGH dahingehende Differenzierungen im sachlich doch eng definierten Anwendungsbereich von Art 13 Transparenz-RL akzeptieren würde.
Ungeachtet des § 11b AVRAG regelt das AVRAG in seinem § 2d aber nach wie vor die Rahmenbedingungen, unter denen eine Vereinbarung über den 443 Rückersatz von Ausbildungskosten abgeschlossen werden kann. Der Gesetzgeber hat dem § 2d AVRAG daher jedenfalls formell nicht derogiert. Man kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellen, dass er den § 2d AVRAG nicht gekannt hat, als § 11b AVRAG beschlossen wurde und diese Bestimmung durch die Neuregelung verdrängt bzw gegenstandslos werden sollte. § 2d AVRAG hat daher nach wie vor einen sachlichen Anwendungsbereich.65 Dieser eröffnet sich dahingehend, dass § 2d AVRAG jedenfalls in jenen Bereichen inhaltlich in keinem Widerspruch zu § 11b AVRAG steht, die von § 11b AVRAG nicht erfasst werden: Ist also eine Bildungsmaßnahme keine Voraussetzung bzw Bedingung für die ausgeübte Tätigkeit iSd § 11b AVRAG, kann eine Rückersatzvereinbarung hinsichtlich der Kosten dieser Bildungsmaßnahme abgeschlossen werden. Es ist daher beispielsweise wie bisher möglich, mit einer Pilotin eine Ausbildungskostenrückersatzklausel für ein Typenrating für ein Flugzeug abzuschließen, welches sie mit der bestehenden Berechtigung nicht fliegen darf. Wird allerdings eine Bildungsmaßnahme von § 11b AVRAG erfasst, folgt daraus unabdingbar, dass die Kosten von den Arbeitgebenden endgültig zu tragen sind, es sei denn, sie werden von einem Dritten übernommen. Es sind daher die Kosten für Bildungsmaßnahmen, die Arbeitgebende verpflichtend anzubieten haben, nicht rückersatzfähig.
In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, dass im Bereich der verpflichtend anzubietenden Bildungsmaßnahmen auch bislang die von den Arbeitgebenden getragenen Kosten nicht rückersatzfähig waren. Bei Verträgen, die wie bei Lehrlingsverträgen oder ähnlichen Verträgen einen besonderen Ausbildungscharakter aufweisen und bei denen den Arbeitgebenden eine gesetzliche Ausbildungspflicht trifft, kommt bereits aufgrund von § 2d AVRAG eine Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung ohnehin nicht in Frage. 66 Das gilt beispielsweise für Ausbildungen, für verpflichtende Sicherheitsschulungen nach dem ASchG (zB § 14) oder für Lenkerschulungen nach dem Güterbeförderungsgesetz. Es ist daher festzuhalten, dass es unabhängig von § 11b AVRAG in all jenen Bereichen, in denen eine arbeitgeberseitige Verpflichtung besteht, Bildungsmaßnahmen durchzuführen, keinen Rückersatz gibt, wenn die Arbeitnehmenden ausscheiden. Dies betrifft daher auch jene Bildungsmaßnahmen, die deswegen verpflichtend anzubieten sind, wenn und weil sie zur Aufrechterhaltung der beruflichen Fähigkeiten innerhalb des vereinbarten Berufsbildes erforderlich sind. Insoweit hat § 11b AVRAG die Rechtslage, die sich bereits bislang aus § 2d AVRAG ergab, nicht verändert: Die Kosten für derartige Ausbildungen waren auch bisher von den Arbeitgebenden zu tragen und waren auch nicht rückersatzfähig. Die diesbezügliche Grenze verläuft entlang der Weiterbildungspflicht im aufrechten Arbeitsverhältnis.
Dieses Ergebnis passt auch gut zu den unterschiedlichen Regelungszielen von § 2d AVRAG und von § 11b AVRAG, die ebenfalls einen unterschiedlichen Anwendungsbereich indizieren: § 2d AVRAG hat eine völlig andere Zielrichtung. Hier geht es darum, Arbeitnehmende unter bestimmten Voraussetzungen zeitlich an das Unternehmen zu binden, ihre Kündigungsmöglichkeit einseitig zu beschränken. Das ist in einem synallagmatischen Vertragsverhältnis problematisch und nur mit adäquater Gegenleistung zulässig. Dies hat auch die Rsp zum Begriff der Ausbildung iSd § 2d AVRAG erkannt: Rückersatzfähig sind nämlich nur Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Natur, die die Arbeitnehmenden auch bei anderen Arbeitgebenden verwerten können und ihnen bessere Verdienstmöglichkeiten verschaffen.67 Bildungsmaßnahmen zum Erhalt der Qualifikationen innerhalb des Berufsbildes sind weder Spezialkenntnisse noch werden sie zu einem höheren Entgelt führen. Mit ihnen wird bloß die Arbeitsfähigkeit gewähr leis tet; eine Rückersatzvereinbarung scheidet bereits aufgrund von § 2d AVRAG aus. Werden hingegen Spezialkenntnisse über das bislang bereits vertraglich geschuldete vermittelt, die zu einem höheren Entgelt am Arbeitsmarkt führen, haben die Arbeitnehmenden eine Gegenleistung bekommen, die über ihrem materiellen Interesse des Erhalts ihrer Fähigkeiten hinausgeht. Diesfalls ist eine Beschränkung ihres Kündigungsrechts zulässig, welches durch den Rückersatz im Rahmen des § 2d AVRAG abgesichert werden kann. § 11b AVRAG steht dem nicht im Wege, da dieser bloß der Erhaltung der Fähigkeiten innerhalb des Berufsbildes dient. Das ist aber ohnehin nicht wenig angesichts des Bildungsbedarfs. Eine harmonisierende Auslegung ist daher möglich.
Bildungsmaßnahmen sind dem Grunde nach ganz allgemein ein Teil der Arbeitspflicht. Es besteht daher die Verpflichtung zu Aus-, Weiter- und Fortbildung in jenem Ausmaß, welches individuell erforderlich ist, um die durchschnittlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des im Arbeitsverhältnis ausgeübten Berufes zu erhalten. Grundsätzlich zählen daher die Aus-, Weiter- und Fortbildungen allgemein zu den Pflichten der Arbeitnehmenden im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Sie sind daher verpflichtet, sich in dem Maße weiterzubilden, das notwendig ist, um die durchschnittlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des ausgeübten Berufs aufrechtzuerhalten. Es besteht dementsprechend ein Recht der Arbeitnehmenden auf Zuweisung von Aus-, Weiter- und Fortbildung innerhalb der Grenzen der vereinbarten Arbeitspflicht, wenn und insoweit diese Bildungsmaßnahmen zwingend zum 444 Erhalt der Fähigkeiten innerhalb des vereinbarten Berufsbildes erforderlich sind. Wie die Bildungsmaßnahmen im Einzelfall innerhalb der Arbeitszeit gestaltet bzw organisiert sind, obliegt im Rahmen ihres Weisungsrechts den Arbeitgebenden. Nach Art 13 der Transparenz-RL sollen Bildungsmaßnahmen hinsichtlich der aktuell geschuldeten Arbeitsleistung innerhalb der Arbeitszeit auf Kosten der Arbeitgebenden erfolgen, wenn eine normative Verpflichtung besteht, sie den Arbeitnehmenden anzubieten. Sinn und Zweck der Regelung ist, zu verhindern, dass die diesbezüglichen Verpflichtungen der Arbeitgebenden nicht auf die Arbeitnehmenden übergewälzt werden. § 11b AVRAG hat Struktur und Sinn und Zweck von Art 13 übernommen. Ebenfalls wird kein Anspruch auf Bildung geregelt, sondern nur die Qualifikation eines solchen Anspruchs im Arbeitsverhältnis. Nach § 11b AVRAG haben Bildungsmaßnahmen, die während der Dauer des Arbeitsvertrages aufgrund von Normen oder auch aufgrund des Arbeitsvertrags geboten sind, um den Arbeitnehmenden die Ausübung der von ihnen jeweils vertraglich geschuldeten Tätigkeit zu ermöglichen, innerhalb der Arbeitszeit und auf Kosten der Arbeitgebenden zu erfolgen. Dort, wo eine Verpflichtung der Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden besteht, Bildungsmaßnahmen durchzuführen, gibt es keinen Rückersatz von Ausbildungskosten. Dies betrifft den Bereich, der zur Aufrechterhaltung der Fähigkeiten innerhalb des Berufsbildes erforderlich ist. Werden darüberhinausgehende Spezialkenntnisse vermittelt, die zu einem höheren Entgelt am Arbeitsmarkt führen, kann eine Rückersatzvereinbarung abgeschlossen werden; § 11b AVRAG steht dem in diesen Fällen nicht entgegen. 445