125Ermittlung des Taggeldanspruchs bei grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich
Ermittlung des Taggeldanspruchs bei grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich
Zwischen dem in Slowenien wohnhaften Kl und der Bekl bestand von August 2018 bis November 2021 mit Unterbrechungen ein Dienstverhältnis. Die Bekl als AG verlieh den Kl im Zeitraum 3.5. bis 31.12.2021 an diverse Unternehmen in Österreich, wobei der Kl an einer Baustelle als Bauarbeiter eingesetzt war. Während seines Arbeitseinsatzes in Österreich wohnte der Kl in einem „seitens des Beschäftigers“ zur Verfügung gestellten Containerdorf.
Der Kl begehrte Taggeld nach dem KollV für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (KVAÜ) in Verbindung mit der Verordnung über die Festsetzung für Dienstverrichtungen im Ausland, in Höhe der Gebührenstufe 3 für das Land Slowenien, in eventu Taggeld bei Entsendung durch den Beschäftiger nach selbigem KollV bzw Taggeld nach dem KollV für Bauindustrie und Baugewerbe (KVBau).
Die Bekl stützte sich darauf, dass ausschließlich der KVBau zur Anwendung gelange und nach diesem kein Taggeld zustehe, da der Kl keinen Hauptwohnsitz in Österreich habe und sein Arbeitsort der Aufnahmeort sei.294
Das Erstgericht sprach dem Kl Taggeld nach dem KVAÜ bei Entsendung durch den Überlasser in weit entfernte Beschäftigerbetriebe (mehr als 120 km vom Wohnort entfernt) zu und wies das Mehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht gab den von beiden Parteien erhobenen Berufungen nicht Folge. Es stellte einen Günstigkeitsvergleich iS eines Gruppenvergleichs (gem § 6 Abs 2 und 3 LSD-BG iVm § 10 AÜG) der Bestimmungen des Entsendestaats, des KVAÜ und des Beschäftiger-KollV an. Nach dem KVAÜ habe der Kl Anspruch auf Taggeld bei Entsendung durch den Überlasser in weit entfernte Beschäftigerbetriebe, da nach Anhang III des KVAÜ bei AN, die ihren ordentlichen Wohnsitz (Lebensmittelpunkt) im Ausland haben, dieser als Wohnsitz gelte und nicht das inländische Quartier. Mangels Anhaltspunkten stehe dem Kl das begehrte Taggeld mit dem für Dienstverrichtungen in Slowenien vorgesehenen Wert nicht zu. Anspruch auf Taggeld nach KVBau stehe ebenfalls nicht zu, da er ausschließlich für eine bestimmte Baustelle überlassen und vom Beschäftiger ausschließlich dort eingesetzt worden sei. Dieser Ort sei als ständiger Betrieb anzusehen. Die ordentliche Revision wurde zugelassen.
Der OGH wies die Revisionen beider Streitteile mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.
Der Kl konnte nicht aufzeigen, weshalb der KVAÜ so anzuwenden wäre, als wäre der Kl nicht von Slowenien nach Österreich, sondern von Österreich nach Slowenien entsandt worden. Der OGH erkannte in der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts auch keinen Widerspruch zu § 3 Abs 7 LSD-BG, wonach ein entsandter AN unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts für die Dauer der Entsendung zwingend Anspruch auf zumindest jenen gesetzlichen, durch Verordnung festgelegten oder kollektivvertraglichen Aufwandersatz für Reise-, Unterbringungs- oder Verpflegungskosten hat, die während der Entsendung in Österreich anfallen, der am Arbeitsort vergleichbaren AN von vergleichbaren AG gebührt. Für die begehrte Besserstellung ausländischer gegenüber inländischer Leiharbeiter sah er keine Grundlage.
Zur Nichtanwendbarkeit des KVBau aufgrund eines ständigen Betriebs musste sich das Höchstgericht nicht weiter auseinandersetzen.
Der Rechtsansicht der Bekl, der Kl habe während seines Arbeitseinsatzes im Containerdorf gewohnt und dürfe der ursprüngliche Wohnort des Kl schon aus Gründen der Gleichbehandlung nicht herangezogen werden, es sei ein weiterer Mittelpunkt der Tätigkeit bzw ein ständiger Betrieb begründet worden und bestehe deshalb auch kein Anspruch auf Taggeld nach dem KVAÜ, ist Anhang III des KVAÜ entgegenzuhalten, wonach bei AN, die ihren ordentlichen Wohnsitz (Lebensmittelpunkt) im Ausland haben, dieser als Wohnsitz gilt und nicht das inländische Quartier. Eine Besserstellung überlassener Arbeitskräfte gegenüber Stammarbeitskräften sei auch weder durch die Entsende-RL noch durch § 10 Abs 3 AÜG ausgeschlossen.
Als Ergebnis des Günstigkeitsvergleichs stand dem Kl somit Taggeld nach dem KVAÜ bei Entsendung durch den Überlasser in weit entfernte Beschäftigerbetriebe zu.