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Höherer Zinssatz nach § 49a Satz 1 ASGG gebührt auch für Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers; niedrigerer gesetzlicher Verzugszinssatz nur bei vertretbarer Rechtsansicht

RICHARD HALWAX

Der Bekl war von 1.11.1978 bis zum 30.9.2014 bei der Kl (bzw deren Rechtsvorgängerin) beschäftigt. Nachdem die Kl bereits eine erste Kündigung des Bekl zum 30.6.2014 vorgenommen hatte, hinsichtlich welcher in der Folge ausgesprochen wurde, dass das Dienstverhältnis wegen Verstoßes der Kündigung gegen § 45a Abs 5 AMFG über den 30.6.2014 hinaus aufrecht war, kündigte die Kl dem Bekl mittels Eventualkündigung vom 25.3.2014 zum 30.9.2014.

Der nunmehrige Bekl bekämpfte im Vorverfahren auch letztere Kündigung und beantragte dort primär 289 die Feststellung, dass das Dienstverhältnis über den 30.9.2014 hinaus aufrecht sei, hilfsweise die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären.

Mit erstinstanzlichem Urteil vom 8.10.2021 wurde dem Hauptbegehren des Vorverfahrens stattgegeben, wogegen die nunmehrige Kl am 16.2.2022 Berufung erhob. Die nunmehrige Kl zahlte am 20.4.2022 € 126.534,51 ausdrücklich unter Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass sie mit ihrem gegen das erstinstanzliche Urteil im Vorverfahren erhobenen Rechtsmittel erfolgreich sein sollte. Am 5.5.2022 zahlte die Kl auch den ihr im erstinstanzlichen Urteil im Vorverfahren auferlegten Kostenersatz in Höhe von € 37.416,78.

Das (hier wie dort) Berufungsgericht hob in der Folge das erstinstanzliche Urteil im Vorverfahren mit Beschluss vom 27.7.2022 auf und verwies die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das Erstgericht wies sodann im zweiten Rechtsgang des Vorverfahrens die Klage des nunmehrigen Bekl am 21.6.2023 ab und verpflichtete diesen zum Kostenersatz in Höhe von insgesamt € 40.602,66; diese Entscheidung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Der nunmehrige Bekl zahlte daraufhin am 26.7.2023 der Kl € 126.534,51 und € 37.416,78 zurück. Mit Schreiben vom 9.8.2023 forderte der Klagevertreter den Bekl zur Zahlung von € 17.605,17 an kapitalisierten gesetzlichen Zinsen von jeweils 8,58 % aus € 126.534,51 von 21.4.2022 bis 25.7.2023 und aus € 37.416,78 von 5.5.2022 bis 25.7.2023 auf. Darauf zahlte der Bekl lediglich € 8.212,22, was rechnerisch einer Verzinsung der genannten Beträge mit 4 % entspricht.

Die Kl begehrte € 9.392,95 sA an restlichen kapitalisierten gesetzlichen Zinsen. Die ihr zurückgezahlten Beträge seien nach dem auch auf Forderungen des AG gegen den AN anwendbaren § 49a Satz 1 ASGG mit 8,58 % zu verzinsen gewesen, zumal ein Fall des Satzes 2 leg cit nicht vorliege.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese E und ließ die ordentliche Revision mangels Rsp des OGH zur Frage zu, ob ein gem § 61 ASGG vorläufig gezahlter Betrag mit Zinsen nach § 49a ASGG zurückzuerstatten und ob in diesem Zusammenhang § 49a Satz 2 ASGG anzuwenden sei.

Mit ihrer Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung begehrt die Kl die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsstattgebenden Sinne; hilfsweise wird Aufhebung beantragt. Der Bekl beantragte, der Revision nicht Folge zu geben. Die Revision war zulässig und auch berechtigt.

Nach § 61 Abs 1 Z 1 ASGG hemmt die rechtzeitige Erhebung einer Berufung gegen ein klagsstattgebendes Urteil des Gerichts erster Instanz in Rechtsstreitigkeiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und daraus abgeleitete Ansprüche auf das rückständige laufende Arbeitsentgelt nur den Eintritt der Rechtskraft, nicht jedoch den Eintritt der Verbindlichkeit der Feststellung, den der Rechtsgestaltungswirkung oder den der Vollstreckbarkeit. Nach § 61 Abs 2 ASGG wirkt ein solches Urteil, auch wenn es inzwischen aufgehoben oder durch ein anderes Urteil ersetzt worden ist, grundsätzlich bis zur Beendigung des Verfahrens weiter, und zwar unbeschadet eines allfälligen Rückzahlungsanspruchs. Wird somit (wie hier) das erste Urteil des Erstgerichts in der Folge rechtskräftig im klagsabweisenden Sinn abgeändert, hat der Leistungsempfänger – da § 61 Abs 1 ASGG keinen endgültigen Entgeltanspruch schafft – auf der bereicherungsrechtlichen Grundlage des § 1435 ABGB den erhaltenen Geldbetrag wieder zurückzuzahlen, ohne dass diesem Rückforderungsanspruch der Einwand gutgläubigen Verbrauchs entgegengesetzt werden könnte. Ist eine Geldsumme zurückzuerstatten, so besteht auch ein Anspruch auf sogenannte Vergütungszinsen, wobei es sich ebenfalls um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch handelt, der den mit der möglichen Nutzung des Kapitals verbundenen Vorteil ausgleichen soll.

Nach § 49a Satz 1 ASGG betragen die gesetzlichen Zinsen für Forderungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis (iSd § 50 Abs 1 ASGG) 9,2 % pa über dem am Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit geltenden Basiszinssatz. Beruht aber die Verzögerung der Zahlung auf einer vertretbaren Rechtsansicht des Schuldners, so sind nach § 49a Satz 2 ASGG nur „die sonstigen Bestimmungen über die gesetzlichen Zinsen“ anzuwenden.

Diese – dem § 1333 ABGB vorgehende – Bestimmung wurde durch die ASGG-Novelle 1994, BGBl 1994/624, eingeführt. In der Regierungsvorlage war (noch als neuer § 1162e ABGB) vorgesehen, dass die gesetzlichen Zinsen für „Forderungen aus Dienstverhältnissen“ 2 % über dem damaligen Diskontsatz betragen sollten. Aus der Wendung „Beruht aber die Verzögerung der Zahlung auf einer vertretbaren Rechtsansicht …“ folge, dass im Fall eines Rechtsstreits ausschließlich von dem vom Gericht festgestellten Sachverhalt und der sich daraus ableitbaren rechtlichen Beurteilung auszugehen und sohin „nicht der vom Schuldner subjektiv angenommene Sachverhalt maßgebend“ sei. Aufgrund eines Abänderungsantrags wurde im Justizausschuss der Text der – nunmehr als § 49a ASGG vorgesehenen – Bestimmung dahin abgeändert (und letztlich vom Gesetzgeber so beschlossen), dass er die gesetzlichen Zinsen für „Forderungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis“ regeln solle. Diese Wendung solle „gegenüber der Regierungsvorlage verdeutlichen, dass die hier vorgesehenen Zinsen nicht nur für Entgeltforderungen, sondern auch etwa für Schadenersatz- oder Kondiktionsforderungen zum Tragen kommen sollen“. 290

Dass § 49a ASGG seinem klaren Wortlaut nach nicht zwischen Forderungen des AN und solchen des AG unterscheidet, entspricht der herrschenden Auffassung im Schrifttum ebenso wie der stRsp. Für eine von einzelnen Stimmen erwogene bzw befürwortete teleologische Reduktion auf AN-Forderungen sieht der Senat angesichts der Gesetzesmaterialien keinen hinreichenden Grund.

Ist aber nun § 49a ASGG auf bereicherungsrechtliche Vergütungszinsen im dargelegten Sinne generell anwendbar, so stehen in einem Fall wie dem hier vorliegenden Zinsen nach Satz 1 leg cit nur unter der Bedingung von Satz 2 leg cit nicht zu, dass der Schuldner – hier der Bekl – eine vertretbare Rechtsansicht ins Treffen führen kann, warum er den (letztlich zurückzuzahlenden) Geldbetrag erhalten hat und (vorerst) behalten durfte.

Nach der Rsp ist es Sache des Schuldners, Behauptungen darüber aufzustellen, warum nicht der in § 49a Satz 1 ASGG festgelegte Zinssatz, sondern der nach Satz 2 leg cit zustehe. Eine objektiv vertretbare Rechtsansicht iSd § 49a Satz 2 ASGG liegt nach der Rsp etwa dann vor, wenn Rsp zu vergleichbaren Fällen fehlt, die Vorinstanzen eine komplexe Materie zu beurteilen hatten und einen anderen Rechtsstandpunkt als der OGH vertraten, oder eine komplexe Materie zu beurteilen war, zu der Rsp fehlt. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen ist der vom Bekl in erster Instanz ebenso wie im Rechtsmittelverfahren ins Treffen geführte Umstand, die Zahlung an ihn beruhe auf einem gesetzlichen Grund und sei daher zumindest vertretbar, nicht hinreichend. Dasselbe gilt für die Auffassung des Bekl, es sei nicht auf die Vertretbarkeit einer gegenteiligen Rechtsansicht zum klagsabweisenden Urteil des Erstgerichts im zweiten Rechtsgang des Vorverfahrens abzustellen, sondern nur darauf, ob die gesetzlich festgelegte Leistungsverpflichtung einer vertretbaren Rechtsansicht gleichzuhalten sei. Dieser Sichtweise steht schon entgegen, dass der Leistungsempfänger dann, wenn er die (üblichen) Nutzungen der ohne Gegenleistung erhaltenen Geldleistung behalten dürfte, zum Schaden des Rückfordernden bereichert wäre. Abgestellt werden muss allein auf die Vertretbarkeit der Rechtsansicht im entsprechenden Verfahren.

Darüber hinaus kommt es für die Frage der Vertretbarkeit auch allein darauf an, ob die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts durch den Schuldner vertretbar war. Hier hat der nunmehrige Bekl im Vorverfahren das Vorliegen von Tatsachen behauptet, aus denen rechtlich die Berechtigung seiner Kündigungsanfechtung ableitbar sein sollte. Im Vorverfahren wurde aber die Richtigkeit seiner Tatsachenbehauptungen verneint, es wurden zu seinen Behauptungen konträre Feststellungen getroffen und aus diesem Grund wurde eine von seinen Rechtsfolgenbehauptungen abweichende rechtliche Beurteilung seines Begehrens vorgenommen. Es wurde somit nicht die Richtigkeit seiner Rechtsansicht verneint, was erst die Frage der Vertretbarkeit einer solchen abweichenden Ansicht aufwerfen hätte können.

Daraus folgt, dass die hier zu beurteilende Sachverhaltskonstellation keine Anwendung des § 49a Satz 2 ASGG erlaubt. Es hat bei der Anwendung der Grundregel des § 49a Satz 1 ASGG zu bleiben, wonach der Schuldner für Forderungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis Zinsen von 9,2 % pa über dem am Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit geltenden Basiszinssatz zu zahlen hat.