120Wirksamkeit einer erneuten Arbeitgeberkündigung nach konkludenter einvernehmlicher Rücknahme der kurz zuvor ausgesprochenen Kündigung
Wirksamkeit einer erneuten Arbeitgeberkündigung nach konkludenter einvernehmlicher Rücknahme der kurz zuvor ausgesprochenen Kündigung
Die Bekl hatte am 28.9.2023 eine erste Kündigung der Kl zum 30.9.2024 ausgesprochen, die diese nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG anfocht. Die Bekl erklärte mit Schreiben vom 13.12.2023, die Unwirksamkeit der Kündigung und das Klagebegehren anzuerkennen; mit diesem Schreiben, das der Kl am 14.12.2023 zuging, wurde diese auch aufgefordert, ihren Dienst am 15.12.2023 wieder anzutreten, was diese befolgte. Am 20.12.2023 kündigte die Bekl das Dienstverhältnis zum 31.12.2024 neuerlich auf (ohne dies von der Unwirksamkeit der ersten Kündigung abhängig zu machen). Das Anerkenntnisurteil im Verfahren über die erste Kündigung erging erst am 23.1.2024.
Das Berufungsgericht erachtete ebenso wie das Erstgericht das nunmehrige (Haupt-)Begehren der Kl, festzustellen, dass das Dienstverhältnis der Kl zur Bekl ungeachtet der (zweiten) Kündigung vom 20.12.2023 über den 31.12.2024 hinaus aufrecht sei, als unberechtigt.
Der OGH wies die ao Revision der Kl gegen die Entscheidung der Berufungsinstanz zurück. Der OGH stellte in seiner Urteilsbegründung zunächst fest, dass eine dem anderen Teil erklärte und diesem zugekommene Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwar – abgesehen vom Ausnahmefall des unverzüglichen Widerrufs einer in augenblicklicher Erregung erklärten Kündigung – einseitig nicht mehr widerrufen werden kann; die Parteien können aber im beiderseitigen Einvernehmen über die rechtswirksame Kündigung disponieren, indem sie etwa nach Ausspruch der Kündigung eine Verkürzung oder Verlängerung der Kündigungsfrist oder auch eine Rücknahme der Kündigung vereinbaren. Mit der einvernehmlichen Rücknahme der Kündigung können AG und AN die Rechtswirkungen des § 105 Abs 7 ArbVG herbeiführen, die Auflösungserklärung einverständlich ex tunc beseitigen und das Arbeitsverhältnis wieder so fortsetzen, als ob keine Unterbrechung stattgefunden hätte. Eine solche einvernehmliche Rücknahme der Kündigung ist dabei ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, das nach allgemeinen Grundsätzen ausdrücklich oder auch konkludent geschlossen werden kann. Letzteres setzt ein Verhalten voraus, aus dem sich der beiderseitige Wille zur Fortsetzung erschließen lässt.
Zum Vorbringen der Kl in der Revision, sie habe mit ihrem Dienstantritt zum 15.12.2023 nicht ihre Zustimmung zur Rücknahme der ersten Kündigung zum Ausdruck bringen, sondern bloß „eine für sie nicht zumutbare Gefahr der Entlassung gemäß der vorgelegten Korrespondenz
“ verhindern wollen, weist der OGH darauf hin, dass es schon nach den allgemeinen Regeln nicht darauf ankommt, was Parteien einer Übereinkunft sagen oder ausdrücken „wollten“ oder was ihre Motive gewesen sein mögen: Relevant ist vielmehr, welchen Erklärungswert Aussagen oder Handlungen bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen hatten und wie sie vom „objektiven Empfängerhorizont“ aus zu verstehen waren. Es ist jedenfalls keine im Einzelfall unvertretbare Fehlbeurteilung, dem Dienstantritt der Kl hier – im Lichte der Erklärungen der Bekl, die erste, zunächst schwebend rechtswirksame Kündigung nunmehr ebenfalls als unwirksam anzusehen, und die Kl solle ihren Dienst wieder antreten – die Bedeutung zuzumessen, mit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses einverstanden zu sein. Warum die Kl bei Nichtantritt des Dienstes eine Entlassung zu fürchten gehabt hätte, wenn das Dienstverhältnis nicht aufrecht gewesen und sie nicht selbst vom Bestand des Dienstverhältnisses ausgegangen wäre, vermochte die Revision laut OGH nicht nachvollziehbar zu erklären.
Abschließend stellte der OGH fest, dass die Rechtsansicht des Berufungsgerichts völlig mit der geltenden Rechtslage übereinstimmt und sich auf deren Grundlage im Rahmen des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums hält.
Folglich wies der OGH die ao Revision der Kl zurück.