Ansprüche des AN nach erfolgreicher Kündigungsanfechtung
Ansprüche des AN nach erfolgreicher Kündigungsanfechtung
Wird ein AN gekündigt, hat er in der Regel die Möglichkeit, die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit (§ 105 Abs 3 Z 2 ArbVG) anzufechten. Gewinnt er das Verfahren, lebt das Arbeitsverhältnis (AV) rückwirkend wieder auf. Nachfolgend werden einzelne Fragen behandelt, die sich in diesem Zusammenhang, speziell mit der Pflicht zur Nachzahlung des offenen Entgelts, ergeben.
Ein AN ist seit 1.9.2010 beim AG A beschäftigt und wird zum 30.6.2024 gekündigt. Er ficht die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit an. Das Berufungsgericht bestätigt mit Urteil vom 25.3.2025, dass die Kündigung sozialwidrig ist (Revision wurde nicht erhoben). Der AN wird am 22.4.2025 vom AG A wieder eingestellt. Von 1.7. bis 24.11.2024 bezog der AN Arbeitslosengeld, von 25.11.2024 bis 21.4.2025 hatte er ein AV bei einem anderen AG.
Die Kündigung beendet auch bei einer Anfechtung zunächst das AV, sie ist schwebend wirksam. Gibt das Gericht der Anfechtung statt, wird die Kündigung rückwirkend für rechtsunwirksam erklärt.50 Das AV lebt wieder auf und ist nachträglich so zu behandeln, als wäre es nie beendet worden. Der AN hat einen Nachzahlungsanspruch gem § 1155 ABGB, die Entgelte werden mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils fällig.51 Das Arbeitslosengeld muss der AN direkt an das Arbeitsmarktservice zurückzahlen, ohne dass eine Legalzession iSd § 16 Abs 2 und 4 AlVG eintritt, da keine Kündigungsentschädigung und keine Urlaubsersatzleistung nachverrechnet werden.52 Seine Arbeitsbereitschaft hat der AN mit dem Einbringen der Anfechtungsklage ausreichend kundgetan.53 In weiterer Folge läge es am AG, ihn weiter zu beschäftigen. In der Praxis ist zu beobachten, dass eine Beschäftigung erst mit Rechtskraft des Urteils, nicht aber bereits während des Gerichtsverfahrens erfolgt.
Gem § 1155 ABGB hat der AN Anspruch auf das Entgelt nach dem Ausfallsprinzip. Es ist zu fragen, was er verdient hätte, hätte er durchgehend weitergearbeitet.54 Im Anlassfall begann die Dienstverhinderung mit 1.7.2024 und dauerte bis 21.4.2025. Für diesen Zeitraum gebühren dem AN daher der Lohn, die Sonderzahlungen, Überstunden, Zulagen, Zuschläge, etc, die er beim Ausüben der Tätigkeit verdient hätte. Demgegenüber stellt das Bezugsprinzip auf das bisher erhaltene Entgelt ab.55 Die Rsp tendiert hierbei überwiegend zu einem Betrachtungszeitraum von 12 Monaten vor Eintritt der Dienstverhinderung (hier das Ende des Dienstverhältnisses).56 Das wäre eine sinnvolle Lösung, da in der Praxis nur schwer bestimmbar ist, wann die Entgelte noch nicht erheblich schwanken, und daher ein Zeitraum von 13 Wochen repräsentativ ist, und wann die Unregelmäßigkeiten einen 12-Monatszeitraum erfordern.
Für den AN stellt sich hier bei schwankendem Einkommen das Problem, dass er nach Beendigung des AV meist nicht wissen kann, wie es von der Arbeitseinteilung her für ihn weitergegangen wäre. Hätte er Überstunden gemacht, hätte er weiterhin Schichtwechsel gehabt, wäre er in der bisherigen Abteilung verblieben, wie hätten die Dienstpläne ausgesehen, usw? Grundsätzlich ist er für die Höhe des ihm gebührenden 327 Entgelts beweispflichtig.57 Da eine Beweisführung iSd Ausfallsprinzips aber kaum möglich ist, halte ich es unter Beachtung des Grundsatzes der Beweisnähe für sinnvoller, auf das Bezugsprinzip abzustellen, da der AN hierfür im Rahmen des ihm Möglichen den Beweis durch Vorlage der letzten (drei bis) zwölf Lohnabrechnungen erbringen kann.58 Das Bezugsprinzip ist auch in anderen Fällen heranzuziehen, in denen sich der tatsächliche Verdienst nicht sicher oder überwiegend wahrscheinlich nachzeichnen lässt. Wenn der AN als Springer in mehreren Abteilungen je nach Bedarf eingeteilt war, und in manchen Abteilungen Zulagen angefallen sind, in anderen hingegen nicht; oder wenn der Arbeitsplatz des gekündigten AN auf mehrere verbliebene AN aufgeteilt wird, kann das Ausfallsprinzip kaum sachgerechte Ergebnisse liefern. Nach der Rsp des OGH sind bei Anwendung des Bezugsprinzips im Rahmen des § 1155 ABGB jene Monate nicht zu neutralisieren, in denen der AN bspw wegen Urlaub oder Krankenstand nicht gearbeitet hat.59 Diese Unterscheidung im Vergleich zum Urlaubentgelt oder der Entgeltfortzahlung (EFZ) bei Krankheit ist zwar nicht zwingend; wenn der AG für diese Zeiträume (Urlaub, Krankenstand, Dienstverhinderung, Pflegefreistellung, etc) aber rechtskonform einen „Nichtleistungsschnitt“60 bezahlt, dürften die rechnerischen Ergebnisse kaum voneinander abweichen.
Hat der AN die Höhe seiner Ansprüche mit dem Bezugsprinzip nachgewiesen, so läge es am AG, anhand des Ausfallsprinzips eine geringere Entgelthöhe unter Beweis zu stellen. Wird bspw in der Abteilung, in der der AN beschäftigt war, während seiner Nichtbeschäftigung auf Frühschicht, statt bisher Dreischicht umgestellt, fällt der Anspruch auf Schichtzulagen weg. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Umstellung rechtskonform erfolgte. Bei gravierenden Änderungen der Arbeitszeit kann der Versetzungsbegriff erfüllt sein, demzufolge der BR gem § 101 ArbVG ein Zustimmungsrecht bei Verschlechterungen hat.61
Hatte der AN einen PKW mit Privatnutzung, so kann dieser Anspruch für die Vergangenheit in natura nicht mehr erbracht werden. An seine Stelle muss daher der Geldersatz treten. Dabei ist nach der Rsp zu prüfen, was sich der AN durch die Privatnutzung erspart hat.62 Maßgeblich ist der monatliche Durchschnitt der privat gefahrenen Kilometer der letzten 12 Monate vor dem Entzug des PKW. Diesen bspw 1.000 km pro Monat ist das KM-Geld (€ 0,50) als angemessene Berechnungsgröße zugrunde zu legen, es ergibt sich im Beispiel ein Nachzahlungsanspruch von € 500,- pro Monat. Der Geldersatz ist wie auch der Sachbezug abgabenpflichtig, dh, der Betrag ist als Bruttobetrag abzurechnen. Wurde dem AN der PKW bereits bei Ausspruch der Kündigung entzogen, wie dies im Zusammenhang mit Dienstfreistellungen oft der Fall ist, gebührt der Geldersatz mE ab diesem Zeitpunkt, und nicht erst ab Ende des AV, da gerichtlich die Unwirksamkeit der Kündigung ausgesprochen wurde, und rückblickend daher kein sachlicher Grund für den Entzug des PKW vorgelegen ist.
Gegenständlich geht es um ein Zwischendienstverhältnis zu einem anderen AG.63 Gem § 1155 Abs 1 ABGB muss sich der AN ab dem ersten Tag ua das Einkommen aus einem Zwischendienstverhältnis anrechnen lassen.64 In der Lehre und Rsp findet man dazu den Hinweis, dass die Bruttobeträge gegenüberzustellen sind.65 Es muss Kausalität vorliegen, dh das andere Einkommen wurde durch die Dienstverhinderung (Nichtbeschäftigung wegen des durch Kündigung vorläufig beendeten AV) ermöglicht.66 Weiters gilt das Prinzip der zeitlichen Kongruenz: Die Anrechnung ist nur für jenen Zeitabschnitt zulässig, für den der AN das Entgelt im Zwischendienstverhältnis verlangen kann. Maßgeblich ist das Entstehen des Anspruchs und nicht dessen Fälligkeit, dh es ist zu fragen, was für den Zeitraum, und nicht (zufällig) im Zeitraum bezahlt wurde.67
Anhand ausgewählter Beispiele soll versucht werden, diese Leitlinien zu veranschaulichen:
Hätte der AN im gekündigten AV A im Monat September 2024 ein Entgelt in Höhe von € 3.500,- brutto erhalten, und verdient er im Zwischendienstverhältnis im September 2024 € 3.000,- brutto, reduziert sich sein Nachzahlungsanspruch auf € 500,- brutto. Verdient er im Zwischendienstverhältnis € 4.000,- brutto, ist sein Nachzahlungsanspruch für September 2024 null, der AG A ist aber nicht berechtigt, den 328 Mehrverdienst von € 500,- brutto in einem anderen Monat abzuziehen. Dem steht das Prinzip der zeitlichen Kongruenz entgegen. Dieses Prinzip ist vor allem dann genau zu prüfen, wenn das Entstehen und die Fälligkeit des anzurechnenden Entgelts auseinanderfallen, wie bspw bei Provisionen oder bei Jahresprämien, die im Zwischendienstverhältnis während des gesamten Geschäftsjahres entstehen, aber erst im Folgejahr (bspw im April 2025 für das Geschäftsjahr 1.1. bis 31.12.2024) fällig werden.
Beim Zeitabschnitt wird man korrekt und zweckmäßig die jeweiligen Kalendermonate der parallelen Einkünfte einander gegenüberstellen. Eine Pauschalbetrachtung der Gesamteinkommen könnte für den AN allerdings nachteilig sein. Dazu folgendes Beispiel: Dem AN gebühren aus dem AV A für vier Monate je € 3.500,- brutto, gesamt daher € 14.000,- brutto. Aus dem Zwischendienstverhältnis erhält er in den kongruenten Monaten eins bis vier folgende Beträge: € 3.600,- brutto, € 3.200,- brutto, € 3.300,- brutto und € 3.600,- brutto, gesamt daher € 13.700,- brutto. Saldiert man die Gesamtbeträge, hätte der AN einen Nachzahlungsanspruch von € 300,- brutto. Bei richtiger, monatlicher Betrachtungsweise beträgt der Anspruch demgegenüber € 500,- brutto (erster Monat null, zweiter Monat € 300,-, dritter Monat € 200,-, vierter Monat null).
Bei untermonatigem Ein- oder Austritt ist der Rumpfmonat der jeweilige Zeitabschnitt. Im Anlassfall ist also von 25.11. bis 30.11.2024 bzw von 1.4. bis 21.4.2025 der Verdienst des Zwischendienstverhältnisses dem für diese Zeiträume nachzuzahlenden Entgelt gegenüberzustellen und anzurechnen. Ab 22.4.2025 scheidet jegliche Anrechnung aus, da der AN dann wieder arbeitet und damit kein Fall des § 1155 ABGB vorliegt.
Beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld wären grundsätzlich zwei Varianten denkbar, ausgehend von folgendem Beispiel: Der AN des Anlassfalles erhält mit der Lohnabrechnung Dezember 2024 aus dem Zwischendienstverhältnis ein Gehalt von € 4.000,- brutto und anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld für den Zeitraum 25.11. bis 31.12.2024 in Höhe von je € 400,- brutto. Aus dem AV A wird für Dezember 2024 ein Lohn von € 4.000,- brutto bezahlt, das Urlaubsgeld war (rückwirkend) im Juni 2024 fällig, das Weihnachtsgeld im Oktober 2024 und wird dementsprechend mit den Lohnabrechnungen Juni bzw Oktober 2024 nachbezahlt. Stellt man nun beide Beträge laut Lohnabrechnungen Dezember 2024 gegenüber, würden € 4.800,- brutto aus dem Zwischendienstverhältnis auf € 4.000,- brutto aus dem AV A treffen, der Nachzahlungsanspruch wäre null, ein Abzug in anderen Monaten unzulässig. Diese Variante wird den Vorgaben der Rsp aber wohl nicht gerecht. Der Anspruch auf Sonderzahlungen entsteht pro Tag (abgestellt wird in der Regel auf das Kalenderjahr) des aufrechten AV im Ausmaß je eines 365-stels.68 Die anteiligen Sonderzahlungen des Zwischendienstverhältnisses im Anlassfall werden zwar mit der Lohnabrechnung Dezember 2024 fällig (die Fälligkeit hängt in der Regel vom anzuwendenden KollV ab), sie gebühren aber für den Zeitraum 25.11. bis 31.12.2024. Sie können daher vom Urlaubs- und Weihnachtsgeld des Jahres 2024, das der AG A nachzuzahlen hat, in Abzug gebracht werden, da dieses für das Kalenderjahr zusteht und daher kongruent auch den Zeitraum 25.11. bis 31.12.2024 abdeckt. Gleiches gilt für die anteiligen Sonderzahlungen von 1.1. bis 21.4.2025, die mit der Endabrechnung im Zwischendienstverhältnis ausbezahlt wurden. Auch diese decken sich mit dem Urlaubs- und Weihnachtsgeld des Jahres 2025 aus dem AV A, selbst wenn es unterjährig beendet werden würde.
Schwieriger wird es, wenn der AN im AV A bspw keinen Anspruch auf Sonderzahlungen für das Kalenderjahr 2025 hat, da er vor Fälligkeit des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes berechtigt entlassen wird, und der KollV in diesem Fall einen gänzlichen Verlust der Sonderzahlungen vorsieht. Kann der AG A in diesem Fall die anteiligen Sonderzahlungen für 2025, die der AN aus dem Zwischendienstverhältnis erhalten hat, gar nicht in Abzug bringen, weil er selber keine Sonderzahlungen leisten muss? Diese Frage wäre dann zu bejahen, wenn man bei der Anrechnung nur identische Ansprüche gegenüberstellen dürfte, also Sonderzahlungen mit Sonderzahlungen, Lohn mit Lohn, Zulagen mit Zulagen, usw. Darauf stellt die Anrechnungsregel des § 1155 ABGB aber wohl nicht ab, die nur davon spricht, dass sich der AN Erworbenes anrechnen lassen muss. Man kann sich hierbei an der Gleichartigkeit als Aufrechnungsvoraussetzung des § 1438 ABGB orientieren, die vorliegt, wenn Geldforderungen aufeinandertreffen.69 Sonderzahlungen zählen ebenso wie der Lohn zum arbeitsrechtlichen Entgelt. Der AG A ist daher berechtigt, die anteiligen Sonderzahlungen für 2025 aus dem Zwischendienstverhältnis vom für den Zeitraum 1.1. bis 21.4.2025 von ihm nachzuzahlenden Entgelt abzuziehen.
Zwischen Aufwandsersatz und Entgelt besteht keine Gleichartigkeit. Der Aufwandsersatz stellt kein Entgelt dar, sondern gilt einen besonderen Aufwand ab, der dem AN durch seine Tätigkeit entsteht.70 Wenn der AN aus dem Zwischendienstverhältnis daher Diäten oder KM-Geld als Aufwandsersatz für Dienstreisen 329 erhält, ist der AG A nicht berechtigt, diese Ansprüche beim nachzuzahlenden Entgelt anzurechnen.
Wenn der AN im Zwischendienstverhältnis bspw im Dezember 2024 einen zweiwöchigen Krankenstand erleidet (14 Kalendertage), wäre er in der Regel, etwa bei einer Grippe, auch im AV A arbeitsunfähig gewesen. Hier liegt kein Fall des § 1155 ABGB vor, da dieser die Leistungsbereitschaft des AN verlangt, zu der auch die Arbeitsfähigkeit zählt.71 In diesem Fall ist daher auf § 8 AngG bzw § 2 EFZG oder § 1154b Abs 1 bis 4 ABGB abzustellen. Daraus folgt zunächst, dass der AN im AV A seinen EFZ-Anspruch nur für den vorgesehenen, begrenzten Zeitraum behält. Hätte er bei durchgehendem AV im Dezember 2024 nur mehr Anspruch auf halbe EFZ gehabt, besteht sein Nachzahlungsanspruch in eben nur dieser Höhe. Der AG A ist zudem berechtigt, dem AN 14 Kalendertage von seinem Jahreskontingent an EFZ-Tagen abzuziehen. Dies ist, auch ohne dass er den Krankenstand beim AG A tatsächlich konsumiert hat, deshalb konsequent, da der AG gesetzlich nur für einen bestimmten Zeitraum EFZ leisten muss und sich dieser Zeitraum nicht verlängern kann, nur weil das AV rückwirkend wieder auflebt. Allerdings kommt dem AN der Vorteil zugute, dass er im Beispiel die halbe EFZ (natürlich ebenso die volle EFZ) ohne jegliche Anrechnung aus dem Zwischendienstverhältnis erhält. Da die Anspruchsgrundlage nicht § 1155 ABGB ist, kommt eine Anrechnung nicht infrage, da die §§ 8 AngG bzw 2 EFZG und 1154b ABGB eine solche nicht vorsehen.72 In diesem Sinne ist es auch bei zwei parallel ausgeübten Arbeitsverhältnissen üblich, dass aus jedem der beiden die EFZ gebührt, wenn der AN zeitgleich in beiden arbeitsunfähig wird. Das bedeutet bspw auch, dass der AG nicht berechtigt ist, das Krankenentgelt (inklusive Sonderzahlungen) aus dem Zwischendienstverhältnis beim Anspruch auf die Sonderzahlungen aus dem AV A anzurechnen, wenn der AN bei ihm schon in der halben oder entgeltfreien Zeit ist, diese aber kraft kollektiv- oder arbeitsvertraglicher Anordnung stets in voller Höhe gebühren.
Der AN hat durch das Wiederaufleben des AV A Anspruch darauf, dass ihm die entsprechende Anzahl an Urlaubstagen auf sein Urlaubskonto gutgebucht wird, allenfalls gegen Rückverrechnung einer Urlaubsersatzleistung. Der AN erhält im Anlassfall also zunächst 25 Arbeitstage für das Urlaubsjahr 1.9.2023 bis 31.8.2024 (abzüglich der bis 30.6.2024 konsumierten Arbeitstage; sollte er einen Alturlaub gehabt haben, ist zu berücksichtigen, dass dieser vorrangig verbraucht wurde). Für die Zeit ab 1.9.2024 sind dem AN weitere 25 Arbeitstage gutzuschreiben. Im Zwischendienstverhältnis erwirbt er für die Zeit von 25.11.2024 bis 21.4.2025 natürlich ebenso einen Anspruch auf Naturalurlaub (rund 10 Arbeitstage). Nach der Rsp muss sich der AN beim Anspruch auf Urlaubsersatzleistung, die als Kündigungsentschädigung gebührt, ab dem vierten Monat den Naturalurlaub aus einem anderen AV zur Gänze anrechnen lassen, auch wenn das dafür gebührende Entgelt niedriger ist als jenes der Urlaubsersatzleistung.73 Ist diese Rsp auf § 1155 ABGB übertragbar mit der Folge, dass der AN für den Zeitraum eines Zwischendienstverhältnisses keinen Naturalurlaubsanspruch beim AG A erwirbt? ME kommt eine Anrechnung aus mehreren Gründen nicht in Betracht:
Allem voran ist zu beachten, dass der Urlaub im aufrechten AV ein Naturalanspruch ist.74 Die Konsumation von Urlaubstagen beinhaltet zwei Komponenten, und zwar sowohl die Entgeltfortzahlung als auch die berechtigte Freistellung von der Arbeitspflicht.75 Dies entspricht auch dem unionsrechtlichen Verständnis, nach dem die Freistellung zur Erholung und das Urlaubsentgelt als zwei Aspekte eines Anspruchs anzusehen sind.76 § 1155 ABGB sieht mE eine Anrechnung nur in Bezug auf anderweitig verdientes Entgelt vor, Naturalansprüche sind davon nicht erfasst. Der Naturalurlaubsanspruch kann mE nur tatsächlich, nicht aber auch fiktiv erfüllt werden. Grundvoraussetzung für einen Abzug von Urlaubstagen ist daher, dass ein aufrechtes AV besteht, den AN eine Arbeitspflicht trifft und eine Vereinbarung über die Freistellung von der Arbeit getroffen und tatsächlich vollzogen wird. Bei einem rückwirkenden Wiederaufleben des AV ist ein rückwirkender Urlaubskonsum unmöglich. Daher könnte auch eine Klausel im Dienstvertrag, nach der zu einem bestimmten Zeitpunkt jährlich Betriebsurlaub konsumiert wird, nicht dazu führen, dass dem AN Urlaubstage abgezogen werden dürfen, die er aufgrund der sozialwidrigen Kündigung des AG A tatsächlich nicht konsumieren konnte.
Gestützt wird diese Sichtweise durch das Unionsrecht. In der Rs C-57/2277 prüfte der EuGH, ob es mit Art 7 der RL 2003/88/EG iVm Art 31 Abs 2 GRC vereinbar ist, dass eine AN ihre Urlaubstage verliert, die ihr während der Dauer eines laufenden Kündigungsanfechtungsverfahrens entstanden sind. Die AN hatte sich arbeitsbereit erklärt, das Entgelt wurde ihr nachbezahlt. Die Urlaubstage wurden ihr nicht gutgeschrieben, weil die AN nach Ansicht des AG keine Erholung benötigte, wenn sie tatsächlich nicht gearbeitet habe. Der EuGH lehnte diese Sichtweise ab. Im Fall einer erfolgreichen Kündigungsanfechtung lag es am AG, den arbeitsbereiten AN nicht zur 330 Arbeit während des Verfahrens zugelassen zu haben. Er allein hatte daher die Nichtbeschäftigung zu vertreten und damit auch den Umstand, dass der AN seinen Urlaub nicht konsumieren konnte. Die Nachzahlung der offenen Entgelte ändert nichts am ungekürzten Anspruch auf die rückwirkend entstandenen Urlaubstage. Soweit der EuGH78 den Standpunkt vertritt, der AN könne keine Vergütung für den Urlaub gegen den AG A verlangen, die dem Zeitraum einer anderen Beschäftigung (Zwischendienstverhältnis) entspricht, ist zu ergänzen, dass sich die Ausführungen des Generalanwalts in diesem Zusammenhang ausschließlich auf die Vergütung nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, d.h. auf die Urlaubsersatzleistung aus dem AV bezogen und damit mit der hier vertretenen Sichtweise nicht in Widerspruch stehen.
Auch die Rsp des OGH geht in diese Richtung. In 8 ObA 47/18x79 wurde ausgesprochen, dass in der Zeit zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und dem stattgebenden Urteil über die Anfechtung keine wechselseitigen Leistungs- und Entgeltpflichten bestehen. Der AN kann weder ein Entgelt noch die Fortsetzung des AV verlangen, noch einen Urlaub beanspruchen, weil dieses durch die Kündigung zunächst wirksam beendet wird. Der Urlaubsanspruch entsteht daher frühestens mit dem erstinstanzlichen, stattgebenden Urteil. Erst ab diesem Zeitpunkt hätte der AN objektiv die Möglichkeit, Urlaub per Vereinbarung zu konsumieren, sofern er zur Arbeit zugelassen wird. Auch daraus folgt, dass ein Urlaub während des Zeitraums eines (vorläufig) nicht existenten bzw vom AG A nicht wieder reaktivierten AV nicht verbraucht werden kann, weshalb dem AN sämtliche Urlaubstage gutzuschreiben sind.
Letztlich ist in diesem Zusammenhang auf die überzeugende Meinung von Reissner zu verweisen, der das Urlaubsvereinbarungsverbot des § 4 Abs 2 UrlG auf jene Fälle des § 1155 ABGB anwendet, in denen – wie hier – eine Abdingung desselben unzulässig ist.80
Anders wird die Beurteilung sein, wenn der AN aus dem Zwischendienstverhältnis eine Urlaubsersatzleistung bekommt. Im Anlassfall wurden dem AN mit der Endabrechnung April 2025 vier Urlaubstage ausbezahlt (rund € 750,- brutto). Die Urlaubsersatzleistung ist kein Schadenersatz-, sondern ein Erfüllungsanspruch, der eine Bereicherung des AG verhindern soll, die eintreten würde, wenn er den Urlaub weder in natura noch in Geld leisten müsste.81 Der Anspruch wird in Form von Entgelt gewährt, es besteht damit mE keine Gleichartigkeit zum Naturalurlaubanspruch aus dem AV A. Es ist daher nicht zulässig, das Urlaubskonto des AN beim AG A um vier Urlaubstage zu kürzen, weil er eine Urlaubsersatzleistung für vier Arbeitstage aus dem Zwischendienstverhältnis bekommen hat. Da der AN mit Bezahlung der Urlaubsersatzleistung ein Entgelt erhalten hat, wird man um eine Anrechnung nicht umhinkommen. Schwierig zu bestimmen ist die zeitliche Kongruenz. Der Anspruch auf die Urlaubsersatzleistung entsteht mE erst mit dem Ende des AV, da erst dann feststeht, ob ein nicht konsumierter Naturalurlaub übriggeblieben und abzugelten ist.82 Als Folge daraus wird man den dafür gebührenden Betrag dem Entgelt des Austrittsmonats gegenüberstellen. Im Anlassfall darf der AG A daher von dem von 1.4. bis 21.4.2025 zu zahlenden Entgelt den Betrag der Urlaubsersatzleistung aus dem Zwischendienstverhältnis in Abzug bringen.
Der AN muss sich Ersparnisse anrechnen lassen, die ihm durch die vorläufige Beendigung des AV entstehen. Fahrtkosten, die er nicht mehr aufbringen muss, sind dafür ein typisches Beispiel. Allerdings muss eine tatsächliche Ersparnis (Kausalität) gegeben sein. Fuhr der AN bspw im Auto seines Nachbarn in die Arbeit mit, erspart er sich durch die Kündigung nichts. Hat der AN ein Klima-Ticket, mit dem er die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt, tritt ebenso keine Ersparnis ein, weil er das Ticket aus eigener Tasche bereits bezahlt hat. Denkbar wäre daher eine solche nur, wenn sich der AN Tages-, Wochen- oder Monatskarten kauft und dies wegen der Beendigung des AV in weiterer Folge unterlässt. Benutzt er den eigenen PKW für die Fahrten zum und vom Arbeitsplatz, wird das amtliche Kilometergeld eine angemessene und praktikable Grundlage für die Ersparnis bilden. Spiegelbildlich Gleiches gilt, wenn der AN ein Zwischendienstverhältnis eingeht, aufgrund dessen sich der Anfahrtsweg verlängert.83 Betrug die Strecke zu AG A 20 km, jene zum Zwischendienstverhältnis 70 km, hat der AN also einen Mehraufwand von 50 km, der ihm vom AG A abzugelten ist. Hin und retour 100 km wären beim aktuellen Satz für das KM-Geld € 50,-. Das KM-Geld gebührt grundsätzlich als Nettobetrag. Eine Nettoabrechnung wird in der vorliegenden Konstellation aber unzulässig sein. Das KM-Geld ist gem § 26 Z 4 EStG nur steuer- sowie nach § 49 Abs 3 Z 1 ASVG sozialversicherungsfrei, wenn es anlässlich einer Dienstreise bezahlt wird. Die Fahrten von zu Hause in den Betrieb des Zwischendienstverhältnisses erfüllen weder den Dienstreisebegriff noch wäre diese Zeit als Arbeitszeit zu bewerten. Damit kommt mE eine Abgabenfreiheit nicht in Betracht. Wenn der AN die hundert zusätzlichen Kilometer demnach 18-mal im Monat zurücklegt, hat er dem AG A gegenüber einen Anspruch auf Entgelt in Höhe von € 900,- brutto (€ 50,- x 18). Dieser Anspruch kann entweder vom Entgelt aus dem Zwischendienstver331hältnis für den jeweiligen Monat abgezogen werden oder ist vom AG A zusätzlich zum von ihm nachzuzahlenden Entgelt zu vergüten.
§ 1155 ABGB kann kollektiv- oder dienstvertraglich abbedungen werden. Die Grenze bildet die sittenwidrige Überwälzung des unternehmerischen Risikos (§ 879 ABGB). Nachzahlungen aufgrund einer erfolgreichen Kündigungsanfechtung können mE weder ganz noch teilweise (zB durch eine Begrenzung des Zeitraums der Nachzahlung) abbedungen werden. Ein Urteil, das dem AN Recht gibt, zeigt, dass die Kündigung zu Unrecht ausgesprochen wurde. Der Umstand der Nichtbeschäftigung ist ausschließlich dem AG zuzurechnen. Die Abbedingung des Nachzahlungsanspruchs hätte die Konsequenz, dass der AG kein Prozessrisiko, zumindest keines für die Verfahrensdauer bis zur Wiedereinstellung des AN, zu tragen hätte. Das würde ein Musterbeispiel für eine unzulässige Überwälzung des Unternehmerrisikos darstellen und wäre auch mit dem Zweck des zwingenden § 105 Abs 7 ArbVG nicht in Einklang zu bringen, der die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vorsieht und keine Regelungen trifft, die die damit einhergehenden Rechtsfolgen entfallen lassen oder abschwächen würden.84 Darüber hinaus steht im Bereich des kollektivvertraglichen Mindestentgelts die einseitig zwingende Wirkung (§ 3 Abs 2 ArbVG) des KollV einer Abdingung entgegen.85
Nach Rechtskraft des stattgebenden Urteils hat der AN einen Anspruch gem § 1155 ABGB auf Nachzahlung aller offenen Entgelte aus dem wiederauflebenden AV.
Anrechnungen aus einem oder mehreren Zwischendienstverhältnis/sen sind nur beim Entgelt und nur nach Maßgabe der zeitlichen Kongruenz erlaubt.
Erkrankt der AN im Zwischendienstverhältnis, kommt § 1155 ABGB nicht zur Anwendung, eine Anrechnung muss daher unterbleiben.
Der Naturalurlaub aus dem Zwischendienstverhältnis ist auf jenen des wiederauflebenden AV nicht anzurechnen.
Nachzahlungen aufgrund einer erfolgreichen Kündigungsanfechtung sind weder ganz noch teilweise abdingbar.332