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Betreuungs- und Pflegetätigkeit einer diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerin in einer Rehabilitationsklinik ist keine Schwerarbeit

HANS-JÖRG TTRETTLER

Die Kl war 12 Jahre lang als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin in einer von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt betriebenen Rehabilitationsklinik beschäftigt. Die Kl arbeitete auf der Abteilung für Querschnittsgelähmte, auf der Patienten mit Querschnittsverletzungen rehabilitiert werden, und auf der Polytraumastation, wo Personen mit mehrfachen Verletzungen im Rahmen einer Rehabilitationsbehandlung betreut werden. Sie widmete sich der Allgemeinpflege der Patient:innen, bei denen weder psychiatrische Nebendiagnosen vorlagen noch ein Pflegebedarf bestanden hat, der die Kriterien für ein Pflegegeld der Stufe 5 nach dem BPGG erfüllen würde. Auch Patient:innen mit Palliativ- oder Hospizpflegebedarf waren nicht zu betreuen; Patient:innen mit Demenzerkrankungen nur vereinzelt.

Gegenstand des Revisionsverfahrens war die Frage, ob es sich bezüglich der Tätigkeit der Kl um Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV handelt. Nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV zählen zu den Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden (und somit Schwerarbeit vorliegt), ua alle Tätigkeiten, die in der berufsbedingten Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf, wie beispielsweise in der Hospiz- oder Palliativmedizin, geleistet werden.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl mit dem gegenständlichen Beschluss mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurück.

Zur Begründung verwies der OGH auf die stRsp, wonach dieser von § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV geforderte besondere Behandlungs- und Pflegebedarf dann verwirklicht wird, wenn die gepflegte Person die Voraussetzungen für den Anspruch zumindest auf Pflegegeld der Stufe 5 nach § 4 Abs 2 BPGG erfüllt (OGH 17.12.2012, 10 ObS 149/12b; OGH 7.5.2019, 10 ObS 30/19p; OGH 13.9.2019, 10 ObS 36/19w) oder Pflegetätigkeiten an Schwerstkranken in der Hospiz- oder Palliativmedizin vorliegen bzw Tätigkeiten, die dem gleichzuhalten sind (OGH 17.12.2012, 10 ObS 149/12b; OGH 10.10.2017, 10 ObS 116/17g; OGH 19.11.2019, 10 ObS 122/19t).

Werden Personen mit unterschiedlichem Pflegebedarf gepflegt, reicht es nach Ansicht des OGH nicht, dass auch bzw ua Personen mit einem – Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV begründenden – besonderen Behandlungs- oder Pflegebedarf gepflegt werden. Schwerarbeit liegt vielmehr nach dem OGH erst und nur dann vor, wenn entweder die Pflege der Personen mit besonderem Pflegebedarf zeitlich gesehen überwiegend erbracht wird (1. Alternative) oder sich das Überwiegen der iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV qualifizierten berufsbedingten Pflege aus der Anzahl der zu pflegenden Personen mit besonderem Behandlungs- und Pflegebedarf ergibt (2. Alternative).

Da nach den erstgerichtlichen Feststellungen im gegenständlichen Fall feststand, dass die Pflege der Personen mit besonderem Pflegebedarf zeitlich gesehen nicht überwiegend erbracht wurde (1. Alternative) bzw die Kl im relevanten Zeitraum nicht überwiegend Personen gepflegt hat, für die besonderer Behandlungs- oder Pflegebedarf bestand (2. Alternative), war die Schwerarbeit für die relevanten Zeiträume nicht anzuerkennen.

Nach dem OGH sind die Vorinstanzen wegen der im gegenständlichen Fall getroffenen Feststellungen zum konkreten Pflegebedarf der von der Kl betreuten Personen auch vertretbar davon ausgegangen, dass die verfahrensgegenständliche Tätigkeit der Kl (Betreuungs- und Pflegeaufwand in einer stationären Rehabilitationsklinik) rechtlich nicht mit der Pflegetätigkeit an Schwerst- und Todkranken in der Hospiz- oder Palliativmedizin gleichzuhalten ist.

Zudem lässt sich nach Ansicht des OGH sowohl die Anzahl (bzw der Anteil) von Personen mit besonderem Pflegebedarf als auch die damit verbundene zeitliche Belastung einer Pflegeperson nur aus den Umständen des Einzelfalls ableiten, sodass die diesbezügliche Beurteilung der Vorinstanzen die Zulässigkeit der Revision grundsätzlich nur bei einer krassen Fehlbeurteilung stützten könnte. Da Derartiges im Rechtsmittel aber nicht aufgezeigt wurde, war die außerordentliche Revision der Kl zurückzuweisen. 313