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Betrieb eines Badeplatzes durch die Gewerkschaft auf Seeliegenschaft der Arbeitgeberin ist keine Wohlfahrtseinrichtung der Arbeitgeberin

MARTINA CHLESTIL

Die bekl * Aktiengesellschaft ist Eigentümerin einer Seeliegenschaft. Auf dieser, aber auch auf weiteren, von einem anderen Eigentümer angemieteten benachbarten Grundstücksflächen, betreibt die nunmehrige Gewerkschaft * durch die lokale gewerkschaftliche Ortsgruppe ein Strandbad. Grundlage des Strandbadbetriebs ist ein „Gestattungsvertrag“ aus 1962, mit dem die Rechtsvorgängerin der Bekl der Rechtsvorgängerin der Gewerkschaft – unter näherer Bezeichnung bestimmter Anforderungen betreffend den Zugang zur Anlage, die Errichtung von Bauten und die Abzäunung – auf jederzeitigen Widerruf die Benützung von Teilflächen der Liegenschaft zur Anlage eines Badeplatzes gegen einen „Anerkennungszins“, den die Bekl jederzeit neu festsetzen kann, gestattete. Der Aufsichtsrat der Bekl fasste 2023 einen Beschluss, wonach die Seeuferfläche, auf der sich auch das Bad befindet, im Geschäftsjahr 2024 veräußert werden solle.

Die Kl (als Konzernvertretung der AN) begehrte von der Bekl, gestützt auf § 95 Abs 3 Z 2 ArbVG, die Unterlassung der Auflösung des Strandbads mit dem Vorbringen, dass es sich dabei um eine betriebs- bzw unternehmenseigene Wohlfahrtseinrichtung handle, über die keine BV bestehe, zu deren Errichtungs- und Erhaltungsaufwand die AN aber über Generationen erheblich beigetragen hätten und deren Auflösung unter Abwägung der Interessen der AN und des Betriebs nicht gerechtfertigt sei. Das Strandbad bestehe de facto seit 1962 und sei ausschließlich von AN des (nunmehrigen) Konzerns gestaltet und erhalten worden, welchen auch seine Verwaltung – Regelung des Zugangs, Vorsehen von Sicherheitsmaßnahmen, Reinigung etc – oblegen sei und obliege. Die aus Nutzungsbeiträgen (Tageskarten, Saisonkarten) lukrierten Einnahmen würden ausschließlich zum Zwecke der Erhaltung und des Betriebs des Strandbads verwendet.

Die Bekl bestritt und wandte ua ein, dass das Strandbad gar nicht in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehe und es keinen Einfluss auf die Verwaltung, Erhaltung oder die innere Organisation des Strandbads habe. Es sei keine dauerhaft gewidmete „Einrichtung“ eines Konzernunternehmens, was ein Mindestmaß an Institutionalisierung und innerer Organisation auf Seiten des Konzerns voraussetzen würde – dies sei beim Strandbad, das auf Grundlage der Bittleihe von Ortsgruppen einer Teilgewerkschaft des ÖGB in völliger Eigenverwaltung betrieben werde, nicht erfüllt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Strandbad sei keine betriebs- oder unternehmenseigene Wohlfahrtseinrichtung der Bekl. Vielmehr handle es sich um einen von der Gewerkschaft betriebenen Badeplatz, sodass Bestimmungen über Mitbestimmungsrechte des BR nach § 95 Abs 3 ArbVG nicht anzuwenden seien. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts und ließ die ordentliche Revision mangels Rsp des OGH zum Tatbestandsmerkmal der Betrieblichkeit iSd § 95 ArbVG zu. Nach dem OGH ist die Revision zulässig, jedoch nicht berechtigt:

Nach § 95 Abs 3 ArbVG kann der BR die Auflösung einer betriebs- oder unternehmenseigenen Wohlfahrtseinrichtung binnen vier Wochen beim Gericht anfechten, wenn (Z 1) die Auflösung der Wohlfahrtseinrichtung den in einer BV vorgesehenen Auflösungsgründen widerspricht, oder (Z 2) eine BV über Gründe, die den Betriebsinhaber zur Auflösung einer Wohlfahrtseinrichtung berechtigen, nicht besteht, der Betriebsratsfonds (Zentralbetriebsratsfonds) oder die AN zum Errichtungs- und Erhaltungsaufwand der Wohlfahrtseinrichtung erheblich beigetragen haben und die Auflösung unter Abwägung der Interessen der AN und des Betriebs nicht gerechtfertigt ist. 285

Eine „Wohlfahrtseinrichtung“ muss der sozialen Sicherheit der AN und ihrer Familien oder ihren wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen dienen (vgl § 38 ArbVG), auf Dauer angelegt sein und ein Mindestmaß an Institutionalisierung und Organisation aufweisen. Dass der hier fragliche Betrieb eines Badeplatzes grundsätzlich als „Wohlfahrtseinrichtung“ idS geeignet ist, steht nicht in Streit.

Das Recht des BR zur Anfechtung der Auflösung einer Wohlfahrtseinrichtung nach § 95 Abs 3 ArbVG setzt voraus, dass die Wohlfahrtseinrichtung „betriebs- oder unternehmenseigen“ ist. Nach den Gesetzesmaterialien sind mit betrieblichen Wohlfahrtseinrichtungen jene gemeint, die im Eigentum des Betriebsinhabers stehen (ErläutRV 840 BlgNR 13. GP 82). Im Schrifttum ist weithin anerkannt, dass der Begriff „betriebs- oder unternehmenseigen“ weiter als nach den Materialien zu verstehen ist und – auch im Hinblick auf die Abgrenzung zu den belegschaftseigenen Wohlfahrtseinrichtungen iSd § 93 ArbVG – grundsätzlich alle Einrichtungen erfasst, die aufgrund einer rechtlichen oder faktischen Verfügungsgewalt unter dem maßgeblichen Einfluss des Betriebsinhabers auf ihre Geschäfte und Funktionsweise stehen.

Auf welcher Grundlage die Verfügungsgewalt des AG besteht, ist demnach nicht entscheidend. Im Allgemeinen wird es als ausreichend angesehen, wenn der Einfluss des Betriebsinhabers auf schuldrechtlicher Basis oder – unabhängig von (irgend-)einer juristischen Form – über rein faktische Maßnahmen erfolgt. Es muss daher in jedem Einzelfall geprüft werden, welchen konkreten Einfluss der Betriebsinhaber auf die betreffende Einrichtung als solche bzw auf ihre Geschäfte und Funktionsweise hat. Wenn seine Möglichkeit der faktischen oder rechtlichen Einflussnahme so gering ist, dass ein Mitwirkungsrecht des BR an der „Verwaltung“ der Einrichtung nicht sinnvoll ausgeübt werden kann, dieser also an nichts „beteiligt“ und damit der Zweck der §§ 94, 95 ArbVG nicht verfolgt werden kann, liegt auch keine „betriebs- oder unternehmenseigene“ Einrichtung vor.

Unter „Verwaltung“ ist dabei die Regelung laufender Angelegenheiten einer bestimmten Einrichtung zu verstehen. Erfasst sind alle Maßnahmen, die der laufenden Realisierung des Zwecks der Einrichtung dienen, etwa die Entscheidung über die Vergabe der von der Einrichtung bereitgestellten Angebote im Einzelfall oder ihre Öffnungszeiten. Eine „betriebs- oder unternehmenseigene“ Wohlfahrtseinrichtung erfordert daher eine effektive Mitsprache und Beteiligung des Betriebsinhabers an der Regelung solcher laufenden Angelegenheiten der Einrichtung.

Dabei kann etwa auch bei Verpachtung eine „betriebs- oder unternehmenseigene“ Wohlfahrtseinrichtung vorliegen, wenn vertraglich sichergestellt ist, dass der Pächter die Nutzungsmöglichkeiten für die AN des Betriebs nicht ohne Zustimmung des Betriebsinhabers ändern kann. Dagegen liegt keine „betriebs- oder unternehmenseigene“ Wohlfahrtseinrichtung vor, wenn bestehende dritte Institutionen (zB Kindergärten, Schwimmbäder, Fitnessstudios oder Konzert- und Theaterveranstalter) ihre Dienstleistungen aufgrund einer entsprechenden Intervention des Betriebsinhabers für AN des Betriebs zu günstigeren Konditionen erbringen, ohne dass der Betriebsinhaber aber rechtlichen oder auch nur faktisch gesicherten Einfluss auf diese Institutionen, ihre Geschäftsführung und ihre Gebarung hat.

Wenn man nun den vorliegenden Sachverhalt an den geschilderten Kriterien misst, so zeigt sich laut OGH, dass die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen zutreffend ist:

Die günstigen Bestandkonditionen in Kombination mit dem Recht der Bekl, den „Anerkennungszins“ jederzeit neu festzusetzen, vermögen der Bekl zwar unter Umständen einen gewissen Einfluss auf den Bestand und mittelbar auf die finanzielle Gebarung des Strandbads einzuräumen, jedoch geht dies nicht über die Möglichkeiten hinaus, die jedem anderen Bestand- bzw Bittleihgeber auch zukämen und es räumt dies keine Teilhabe an der „Verwaltung“ iSd oben geschilderten maßgeblichen Einflusses auf die laufenden Geschäfte des Strandbads ein. Vielmehr leistet die Bekl nach den Urteilsfeststellungen keinen finanziellen oder sonstigen Beitrag zur operativen Führung der Badeanlage, sondern diese wird in alleiniger Verantwortung von der Gewerkschaft durch ihre (insofern) Funktionäre und Mitarbeiter in deren Namen geführt, ohne dass es der Bekl rechtlich zusteht, Vorgaben betreffend die näheren Benützungsbedingungen, Zutrittsmöglichkeiten, Preisgestaltungsparameter oder Öffnungszeiten zu machen oder sie eine solche Kontrolle faktisch ausüben könnte oder würde.

Zusammengefasst ist laut OGH den Vorinstanzen dahin zuzustimmen, dass das in Frage stehende Strandbad tatsächlich durch die Gewerkschaft und nicht die Bekl betrieben wird, es sich um keine „betriebs- oder unternehmenseigene“ Wohlfahrtseinrichtung der Bekl handelt, auf welche sie rechtlich oder faktisch maßgeblichen Einfluss hätte und die der Mitwirkung des klagenden BR an der Verwaltung nach § 95 ArbVG unterliegen würde. Dem BR kommen daher auch keine Rechte nach § 95 Abs 3 ArbVG zu, sodass die Abweisung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen zu Recht erfolgte. 286