134Kein (Weg-)Unfall eines Betriebsratsvorsitzenden auf der Ski-Abfahrt zum von ihm organisierten gemeinsamen Mittagessen
Kein (Weg-)Unfall eines Betriebsratsvorsitzenden auf der Ski-Abfahrt zum von ihm organisierten gemeinsamen Mittagessen
Der Unfallversicherungsschutz von Betriebsratsmitgliedern bei von ihnen organisierten und geleiteten Freizeitveranstaltungen erstreckt sich nicht durchgehend vom Beginn bis zum Ende dieser Veranstaltung, sondern nur auf Tätigkeiten, die mit der Organisations- und Leitungstätigkeit im erforderlichen Zusammenhang stehen.
Im Allgemeinen wird die Verwendung von Fortbewegungsmitteln, die nicht vorrangig einem Verkehrsbedürfnis dienen, sondern primär einen Spiel- und Freizeitzweck verfolgen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sein, wenn sie aus persönlichen Gründen – und nicht etwa aufgrund allfälliger betrieblicher Erfordernisse – erfolgte. Bei Verwendung eines Spiel- und Sportgeräts (hier: Ski) trifft den Kl die Beweislast, dass der Unfall nicht durch die Verwirklichung der von diesem Gerät ausgehenden spezifischen Gefahren ausgelöst wurde, sondern seine Ursache in den üblichen Gefahren des Wegs hatte.
Der Kl ist Betriebsratsvorsitzender eines Landeskrankenhauses und veranstaltet in Absprache mit der Betriebsleitung – zum Zweck der Förderung der betrieblichen Kommunikation und des Betriebsklimas – jährlich einen mehrtägigen Skiausflug nach Saalbach-Hinterglemm, für den der BR einen Zuschuss von € 30,- pro Tag gewährt. Der DG stellt für diese oder wahlweise andere betriebliche Veranstaltungen jedem Mitarbeiter einen Betriebsausflugstag sowie einen Betriebszusatztag pro Jahr zur Verfügung. Allerdings muss der Dienstbetrieb des Krankenhauses sichergestellt sein, sodass aus den verschiedenen Abteilungen nur einzelne Mitarbeiter mit Zustimmung des Abteilungsleiters teilnehmen dürfen.
Auch im Jahr 2024 organisierte der Kl einen solchen Skiausflug für 28 Teilnehmer (16 Mitarbeiter und ihre Angehörigen, jedoch keiner der drei Betriebsdirektoren). Vor Ort war er – telefonisch jederzeit erreichbare – Ansprechperson, informierte über die Hotelinfrastruktur sowie den Ablauf, etwa betreffend die Zeit für das Abendessen im Hotel, und kümmerte sich um auftretende Probleme. Es gab kein vorgegebenes Programm; die Teilnehmer konnten den Tag grundsätzlich selbst gestalten, die meisten nützten die Zeit aber zum Skifahren in Gruppen. Die Anwesenheit beim gemeinsamen Abendessen im Hotel wurde erwartet, ohne dass ein Fernbleiben negative Konsequenzen gezeigt hätte. Der Kl stellte den Reiseteilnehmern zudem frei, gemeinsam zu Mittag zu essen. Dazu gab er jeden Tag einen Treffpunkt bei einer Skihütte bekannt. Anwesenden wurde ein Getränk aus der Gemeinschaftskasse spendiert.
Am 18.1.2024 befuhr er gegen 12:30 Uhr als Teil einer vierköpfigen Gruppe eine schwarze Piste mit der Absicht, nach der Abfahrt den Ort zu durchqueren und auf der anderen Seite den Berg hinaufzufahren, um rechtzeitig für das gemeinsame Mit305tagessen um 13:00 Uhr zur Hütte zu gelangen. In einem flach auslaufenden Bereich am Ende der Piste verschnitten sich die Ski des Kl, er verlor die Kontrolle und stürzte. Dabei zog er sich zahlreiche Verletzungen zu.
Mit Bescheid vom 23.9.2024 anerkannte die Bekl diesen Unfall nicht als Arbeitsunfall an und lehnte die Gewährung von Leistungen aus der UV ab.
Die dagegen erhobene Klage wurde vom Erstgericht mit der Begründung abgewiesen, dass der freiwillige Skiausflug nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zu werten sei, zumal die (wenigen) Teilnehmer die Reisekosten zu 80 % selbst zu tragen gehabt hätten, kein betriebliches Rahmenprogramm vorgesehen gewesen sei und die Veranstaltung in Abwesenheit der Geschäftsleistung stattgefunden habe. Der Unfall habe sich zudem unzweifelhaft anlässlich der freien Tagesgestaltung beim Skifahren und nicht im Rahmen der Planungs- und Organisationstätigkeit des Kl ereignet. Weder örtlich noch zeitlich sei ein unmittelbarer Zusammenhang zum beabsichtigten gemeinsamen Mittagessen gegeben gewesen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Auch das Berufungsgericht sah keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Zudem stünde die Tätigkeit des Kl als BR und Organisator der Reise nur dann unter Unfallversicherungsschutz, wenn sich der Unfall bei einer Tätigkeit ereignet hätte, die unmittelbar mit seiner Betriebsratstätigkeit zusammenhänge, keinesfalls jedoch durchgehend vom Beginn bis zum Ende der Veranstaltung. Es fehle an dem erforderlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit als BR.
Der OGH wies die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.
„1. Der Kläger zieht die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach der Skiausflug nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand […], in der Revision nicht mehr in Zweifel.
2. Er kritisiert im Wesentlichen, das Berufungsgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die vom Kläger im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit geleitete Veranstaltung, insbesondere das von ihm organisierte Mittagessen (auch am Unfalltag), grundsätzlich vom Unfallversicherungsschutz umfasst gewesen sei. Obwohl aber feststehe, dass der Unfall sich gerade auf dem Weg zu diesem gemeinsamen Mittagessen, also zu einer geschützten Tätigkeit iSd § 176 ASVG, ereignet habe, sei in der angefochtenen Entscheidung unter Außerachtlassung der ständigen Rechtsprechung zu Wegunfällen der Versicherungsschutz verneint worden. […]
3.1. Auch wenn der Kläger nach § 176 Abs 1 Z 1 ASVG während der Teilnahme an der von ihm in seiner Funktion als Vorsitzender des Betriebsrats für die Belegschaft des Krankenhauses organisierten und geleiteten Freizeitveranstaltung grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz stand […], erstreckt sich der Schutz – worauf bereits das Berufungsgericht mit Recht hingewiesen hat – nicht durchgehend vom Beginn bis zum Ende dieser Veranstaltung, sondern nur auf Tätigkeiten, die mit seiner Organisations- und Leitungstätigkeit im erforderlichen Zusammenhang stehen […].
[…]
3.3. […] Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach klargestellt, dass es sich bei Wegunfällen iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG um eine rechtlich nicht zwingend gebotene, aus sozialpolitischen Überlegungen vorgenommene Erweiterung des Versicherungsschutzes handelt, obwohl dieser Bereich dem Einfluss des Dienstgebers weitgehend entzogen ist. Vor diesem Hintergrund sollen nur die typischen (allgemeinen) Weggefahren und Risiken versichert sein, nicht aber jegliche mit dem Weg in irgendeinem Zusammenhang stehende andere Ereignisse und Gefahren […].
Es gilt daher – insbesondere auch bei Unfällen im Zuge der Fortbewegung mit Sport- oder Spielgeräten –, die Grenze des Versicherungsschutzes zu bestimmen, das heißt, den von der Unfallversicherung geschützten Lebensbereich von der Privatsphäre des Versicherten abzugrenzen. Das erfordert nach gesicherter Rechtsprechung eine Wertentscheidung, bei der nicht allein das Verhalten des Versicherten, sondern alle Gesichtspunkte und Überlegungen einzubeziehen sind. Entscheidend ist, ob die Gesamtumstände dafür oder dagegen sprechen, das unfallbringende Verhalten dem geschützten oder dem privaten Bereich zuzurechnen […].
Im Allgemeinen wird die Verwendung von Fortbewegungsmitteln, die nicht vorrangig einem Verkehrsbedürfnis dienen, sondern primär einen Spiel- und Freizeitzweck verfolgen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sein, wenn sie aus persönlichen Gründen – und nicht etwa aufgrund allfälliger betrieblicher Erfordernisse – erfolgte […].
Wenn nun die Vorinstanzen im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung unter Bedachtnahme auf die konkreten Umstände des Einzelfalls erkennbar zum Ergebnis gelangten, dass das Pistenskifahren, im Zuge dessen sich der Unfall ereignete, im Wesentlichen privaten Interessen des Klägers diente und dessen Absicht, sich nach der Befahrung der schwarzen Piste auf den Weg zu der auf einem anderen Berg gelegenen Skihütte zu machen, noch keinen ausreichenden Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit begründet, so bedarf diese Beurteilung vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten Leitlinien keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung. Der Kläger hat zudem nicht einmal behauptet, dass die Unfallfolgen nicht auf die Verwendung des Sportgeräts und die davon ausgehenden spezifischen Gefahren, sondern auf allgemeine Weggefahren zurückzuführen sind […].“ 306
Gegenständlich setzte sich der OGH mit dem Unfallversicherungsschutz eines Betriebsratsvorsitzenden bei einem von ihm organisierten Skiausflug auseinander. Mitglieder des BR sind bei ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Tätigkeit unfallversichert. Unfallversicherungsschutz liegt daher bei der Wahrnehmung und Förderung der wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der AN vor (§ 38 ArbVG). §§ 176 Abs 5 iVm 175 Abs 2 Z 1 ASVG erweitern diesen Schutz auf Wege zu den betriebsverfassungsrechtlichen Tätigkeiten.
Der OGH führt zunächst – unter Verweis auf die Rsp zu betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen – aus, dass sich der Unfallversicherungsschutz von Betriebsratsmitgliedern bei von ihnen organisierten und geleiteten Freizeitveranstaltungen nicht durchgehend von Beginn bis zum Ende dieser Veranstaltung erstreckt, sondern nur auf Tätigkeiten, die mit der Organisations- und Leitungstätigkeit im erforderlichen Zusammenhang stehen. Das auf der Skihütte organisierte Mittagessen wird vom OGH offenkundig als eine Tätigkeit iSd § 38 ArbVG und damit dem Unfallversicherungsschutz unterliegend eingestuft. In der Abfahrt ins Tal, von wo aus der Betriebsratsvorsitzende den Skilift zur vereinbarten Hütte antreten wollte, sah der OGH allerdings noch keinen ausreichenden Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender.
Zur Frage, ob ein Wegunfall vorliegt, führt der OGH aus, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen, dass das Pistenskifahren, im Zuge dessen sich der Unfall ereignete, im Wesentlichen privaten Interessen des Kl diente, nicht korrekturbedürftig seien. Dies stützt er auf seine bisherige Rsp, wonach nur die typischen (allgemeinen) Weggefahren und Risiken versichert sein sollen, nicht aber jegliche mit dem Weg in irgendeinem Zusammenhang stehende andere Ereignisse und Gefahren. Das Verwenden von Ski diene primär einem Spiel- und Freizeitzweck und sei daher im Allgemeinen dem privaten Lebensbereich zuzuordnen. Der Kl habe auch nicht einmal behauptet, dass die Unfallfolgen nicht auf die Verwendung des Sportgeräts und die davon ausgehenden spezifischen Gefahren, sondern auf allgemeine Weggefahren zurückzuführen seien. Damit gliedert sich die vorliegende E des OGH in eine Reihe von Judikaten, in denen das Vorliegen eines Wegunfalles aufgrund des verwendeten Fortbewegungsmittels abgelehnt wurde (OGH 19.1.2021, 10 ObS 150/20m, OGH 21.11.2023, 10 ObS 127/23h: Mono-Wheel; OGH 8.10.2024, 10 ObS 55/24x: E-Scooter).