133Anscheinsbeweis bei Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss
Anscheinsbeweis bei Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss
Der Kl erlitt am 11.8.2023 bei einer dienstlichen Überstellungsfahrt mit einem Traktor unter Alkoholeinfluss (1,5 Promille) einen schweren Verkehrsunfall, weil er zu schnell in eine Kurve einfuhr und von der Fahrbahn abkam.
Die bekl Allgemeine Unfallversicherungsanstalt lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall und Leistungen aus der UV ab, weil der Kl aufgrund alkoholbedingter überhöhter Geschwindigkeit in einer Kurve von der Fahrbahn abkam und damit der Unfall auf eine für Alkoholeinfluss geradezu typische Art geschehen ist. Die objektive Beweislast dafür, dass nicht die Alkoholisierung, sondern andere Ursachen den Unfall auslösten, treffe unter diesen Umständen den Kl.
Das Erstgericht stellt mit Zwischenurteil fest, dass das Polytrauma des Kl Folge eines Arbeitsunfalls ist. Gleichzeitig traf es eine Negativfeststellung zur Frage, ob der Kl den Unfall aufgrund seiner Alkoholisierung verursacht hat. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge, hob das Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
Den Rekurs ließ das Berufungsgericht zur Klarstellung der Frage zu, ob im Anlassfall das Abkommen des Kl von der Fahrbahn wegen der erheblichen Alkoholisierung ein typischer Geschehensablauf sei, der die Anwendung des Anscheinsbeweises rechtfertige.
Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs – mit dem die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt wird – jedoch nicht zulässig.
Dazu stellt der OGH klar: Die Grundsätze der Beweislastverteilung gelten auch in Sozialrechtssachen. Den Kl trifft die objektive Beweislast für rechtsbegründende Tatsachen. Wird eine Versehrtenrente aus der UV begehrt, muss daher auch der kausale Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und dem zur Verletzung führenden Unfall nachgewiesen werden. Die Beweislast für rechtsvernichtende oder -hemmende Tatsachen trifft die Bekl. Der Unfallversicherungsträger ist daher dafür beweispflichtig, dass durch die Vorgangsweise des Versicherten eine „Lösung vom Betrieb“ eingetreten ist. Darunter fällt auch eine Alkoholbeeinträchtigung, wenn der dem Alko304hol innewohnende Gefahrenbereich für den eingetretenen Schaden ursächlich war.
Bei sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen aus Arbeitsunfällen sind aber auch die Regeln des Anscheinsbeweises (modifiziert) anzuwenden. Der Anscheinsbeweis beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist. Ereignet sich der Unfall auf eine Art, die geradezu typisch für Unfälle ist, die die Folge der Alkoholbeeinträchtigung des Lenkers sind, so ist dem Sozialversicherungsträger vorerst der Beweis des ersten Anscheins gelungen, dass der Unfall seine Ursache nicht in den üblichen Gefahren des Arbeitsweges hatte, sondern die Folge der Alkoholisierung des Versicherten war. Die objektive Beweislast dafür, dass nicht die Alkoholisierung, sondern andere Ursachen den Unfall auslösten, trifft unter diesen Umständen den Versicherten.
Die angefochtene Entscheidung orientiert sich an diesen Grundsätzen. Der Frage des Vorliegens eines typischen Geschehensablaufs kommt zudem keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu. Im gegenständlichen Fall steht fest, dass die Geschwindigkeitswahrnehmung des Kl wegen der Alkoholbeeinträchtigung „verzerrt“ war. Wenn das Berufungsgericht auch wegen dieses Umstands den konkreten Unfallhergang wegen der Alkoholbeeinträchtigung als typischen Geschehensablauf qualifiziert, der den Anscheinsbeweis rechtfertigt, kann das die Zulässigkeit des Rekurses nicht stützen.
Darüber hinaus setzt sich der Rekurs mit der Zulassungsfrage des Zweitgerichts argumentativ auch nicht näher auseinander und hinterfragt nicht ansatzweise, ob konkret der Anscheinsbeweis überhaupt zulässig ist. Der Kl argumentiert nur, dass der Beweis des ersten Anscheins nicht gelungen sei. Ob dieser im konkreten Einzelfall aber tatsächlich erbracht wurde, fällt nicht in den Bereich der rechtlichen Beurteilung, sondern ist eine reine Frage der nicht revisiblen Beweiswürdigung.