132„Geselliges Beisammensein“ der gesamten Belegschaft und des Dienstgebers nach Lokalwechsel bei Weihnachtsfeier – kein Unfallversicherungsschutz
„Geselliges Beisammensein“ der gesamten Belegschaft und des Dienstgebers nach Lokalwechsel bei Weihnachtsfeier – kein Unfallversicherungsschutz
Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen stehen nach stRsp des OGH insoweit unter Versicherungsschutz, als die Teilnahme an ihnen ein Ausfluss der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist. Es muss sich um eine Gemeinschaftsveranstaltung handeln, die allen Betriebsangehörigen offensteht, an der, wenn auch ohne ausdrücklichen Zwang, alle teilnehmen sollen und die eine gewisse Mindestbeteiligung aufweist. Die Gemeinschaftsveranstaltung muss vom Betriebsleiter selbst veranstaltet, zumindest aber bei der Planung und Durchführung von seiner Autorität getragen werden.
Der Kl war im Vertrieb eines Unternehmens beschäftigt, dessen Inhaber die Belegschaft zur Weihnachtsfeier am 16.12.2023, 19:00 Uhr, einlud, die in einem Restaurant stattfinden sollte. Bereits im Vorfeld der Weihnachtsfeier sprachen einige Mitarbeiter darüber, im Anschluss an den Aufenthalt in dem Restaurant noch in ein anderes Lokal zu fahren. Neben dem Unternehmensinhaber nahmen überwiegend Personen teil, die aktiv Beschäftigte des Unternehmens waren, aber auch ehemalige Mitarbeiter und Familienmitglieder des Inhabers. Etwas nach Mitternacht neigten sich die Feierlichkeiten in dem Restaurant dem Ende zu. Im Kollektiv diskutierten die Anwesenden dann, wo sie noch weiter hinfahren könnten. Die Wahl fiel auf das von einigen Mitarbeitern bereits vorbesprochene Lokal. Diese Entscheidung wurde gemeinsam von den Mitarbeitern und dem Inhaber des Unternehmens getroffen, wobei federführend ein anderer Mitarbeiter war. Nahezu alle aktiven Mitarbeiter und der Unternehmensinhaber fuhren in dieses besprochene Lokal. Im Lokal war kein Tisch reserviert und der Unternehmensinhaber übernahm nur die Kosten für die erste Getränkerunde bzw erwarb er eine Flasche Wodka für alle. Zur Sperrstunde waren noch alle Mitarbeiter und der Unternehmensinhaber im Lokal. Diese organisierten sich die Heimfahrt jeweils selbst und hatten sie bereits angetreten, als der Kl und ein weiterer Mitarbeiter das Lokal nach 04:00 Uhr morgens verließen und der Kl vor dem Lokal von einer fremden Person attackiert und dadurch verletzt wurde.
Mit Bescheid vom 3.4.2024 lehnte die bekl Allgemeine Unfallversicherungsanstalt die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen aus der UV ab.
Die Vorinstanzen wiesen die auf Feststellung, dass die Verletzungen des Kl Folge des Arbeitsunfalls seien, und auf Gewährung einer Versehrtenrente von zumindest 20 % gerichteten Klagebegehren ab. Der Wechsel in das Lokal im Anschluss an den „offiziellen“ Teil der Weihnachtsfeier sei nicht mehr unter Versicherungsschutz gestanden.
Die ao Revision des Kl wurde mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung als nicht zulässig eingestuft.
1.1. Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen stehen nach ständiger Rsp des OGH insoweit unter Versicherungsschutz, als die Teilnahme an ihnen ein Ausfluss der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist. Es muss sich um eine Gemeinschaftsveranstaltung handeln, die allen Betriebsangehörigen offensteht, an der, wenn auch ohne ausdrücklichen Zwang, alle teilnehmen sollen und die eine gewisse Mindestbeteiligung aufweist. Die Gemeinschaftsveranstaltung muss vom Betriebsleiter selbst veranstaltet, zumindest aber bei der Planung und Durchführung von seiner Autorität getragen werden […]. Hiefür sind die Anwesenheit des Betriebsinhabers, die gänzliche oder teilweise Übernahme der Kosten, die Durchführung der Veranstaltung während der Arbeitszeit oder die Gewährung arbeitsfreier Zeit wichtige Anhaltspunkte. Wenn nicht alle Kriterien vorliegen, so muss dies noch keinen Versicherungsausschluss bedeuten, doch kommt es darauf an, in welcher Intensität die Gemeinschaftsveranstaltung betrieblichen Zwecken dient und in welchem Umfang außerbetriebliche private Interessen beteiligt sind […].
1.2. Die betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung behält im Regelfall ihren dienstlichen Charakter, bis ihre Beendigung ausdrücklich erklärt wird oder sich aus anderen Umständen ergibt […]. Umstände, die 303auf eine Beendigung der Gemeinschaftsveranstaltung hindeuten, sind etwa das längere, nicht mehr von der Autorität des DG (oder einer von ihm beauftragten Person) getragene Verweilen von Belegschaftsmitgliedern […]. Nicht entscheidend ist, ob im Verhältnis zur Gesamtzahl der Teilnehmer noch ein ins Gewicht fallender Teil der Betriebsangehörigen anwesend ist […]. […]
2. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Fortsetzung der Feierlichkeiten ab dem Lokalwechsel nicht mehr unter Versicherungsschutz standen, entspricht der dargestellten Rechtsprechung. Bereits die Einladung zur Weihnachtsfeier bezog sich nur auf das Restaurant und auch der Lokalwechsel erfolgte erkennbar nicht auf Initiative des Dienstgebers, der diesbezüglich auch keinerlei organisatorische Maßnahmen traf. Angesichts dieser Umstände zeigt die Revision des Kl eine Überschreitung des den Vorinstanzen zukommenden Beurteilungsspielraums nicht auf. […]
Das ASVG enthält keine ausdrückliche Regelung, wonach betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterliegen. Es handelt sich um einen Akt richterlicher Rechtsfortbildung, der auf dem betrieblichen Interesse an der Pflege der Verbundenheit zwischen DG und der Dienstnehmerschaft des Unternehmens fußt. Die Rsp hat drei Voraussetzungen für den Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen herausgearbeitet, die in Form eines beweglichen Systems in unterschiedlicher Intensität vorliegen können: (1) es muss sich um eine vom DG organisierte und finanzierte Veranstaltung handeln, (2) sie muss allen oder zumindest Gruppen von Betriebsangehörigen offenstehen und (3) sie muss dem Zweck der Förderung der Verbundenheit mit dem Unternehmen bzw der DN untereinander dienen. Entscheidend sind immer die konkreten Verhältnisse im Einzelfall, weswegen sich eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage regelmäßig nicht stellt.
Im gegenständlichen Fall wurde der Versicherungsschutz nach dem Lokalwechsel verneint, da dieser nicht auf Initiative des DG hin erfolgte und dieser diesbezüglich auch keinerlei organisatorische Maßnahmen traf. Die Planung und Durchführung des Lokalwechsels waren für den Kl erkennbar nicht von der Autorität des DG getragen, weshalb sich der Kl nicht zur Teilnahme daran verpflichtet fühlen durfte. Aus diesem Grund vermochte das Vorbringen des Kl in der Revision, wonach die gesamte aktive Belegschaft und der DG am Lokalwechsel beteiligt waren und der DG einen Teil der Kosten übernahm, nichts an der Beurteilung ändern, dass die fortgesetzten Feierlichkeiten primär der privaten Geselligkeit dieser Personen dienten.